Was haben der VFL Bochum, der DAX und nachtzeche gemeinsam? Genau, für alle drei geht es immer wieder hoch und runter. Der VFL pendelt ständig zwischen den 2 Ligen, der DAX erklärt sich selbst und nachtzeche rennt dauernd ein Parkhaus hoch und runter. 58 mal, um genau zu sein. Am Stück.
Am 07.08.10 wurde zum 7. Dresdner Parkhausmarathon geladen. Im Parkhaus des Dresdner Uniklinikums konnte man wählen zwischen 5 und 10 km (Start 16:45), Halbmarathon und der vollen Dröhnung (Start jeweils 18 Uhr). Eine Runde ging von ganz unten ganz hoch (15 Höhenmeter), über das Sonnendeck (in unserem Fall das Regendeck), wieder ganz runter (man ahnt es, wieder 15 Höhenmeter), 150 Meter durch einen kleinen Park – und dann von vorne. Insgesamt 897,77 Meter pro Runde. Für den Marathon waren dann 47 Runden fällig, mit immerhin 680 Höhenmetern.
Und das beste: Das ganze wurde für einen guten Zweck veranstaltet: Der gesamte Erlös kommt der Kinderonkologie des Uniklinikums zugute! Tolle Sache!
Ich war letztes Jahr schon dabei und habe sehr geteilte Erinnerungen an den Lauf: Eine sehr schwere Strecke, nur Steigung oder Gefälle, harter Untergrund, sehr enge Kurven, gegen Ende echte Einsamkeit, keine Ablenkung. Das war echt hart. Auf der anderen Seite war die Veranstaltung sehr liebevoll (wenn auch nicht perfekt) organisiert, total bekloppt, und… was braucht es noch mehr Gründe???
Als ich dann auch noch hörte, dass Kraxi extra aus Österreich anreist, um hier mitzulaufen, mein Frau ihr OK gab, war klar: Ich bin 2010 wieder mit von der Partie.
Da ich ja gerade meinen ersten Laufselbstmord vorbereite, bin ich gerade kräftig am Kilometersammeln. Lange Läufe sind mir gerade sehr wichtig. Und so reifte eine Idee in mir. Von der Startzeit her sollte es doch kein Problem sein, zuerst den 10er zu laufen, und danach direkt den Marathon dranzuhängen. Das wäre dann ein schöner langer Lauf von über 50 km, mit schönen 840 Hm, bei dem ich keine Versorgungsprobleme hätte, weniger Motivationsprobleme und wahrscheinlich zumindest am Anfang ne Menge Spaß. Und außerdem ist es noch bekloppter. Also: angemeldet. Und so wurden aus den 47 58 Runden. Auf und nieder, immer wieder!
Am meisten habe ich mich auf meine ganzen Mitmitbekloppten gefreut. Cabo, Tati, Matti und natürlich Kraxi. Der schießt eh den Vogel ab. Zum einen, weil er irre schnell rennt. Dann, weil er über Nacht aus Österreich mit dem Zug nach Dresden reist (wo ihn3 spanische Studenten vom Schlafen abhalten), nur um Hamster in einem Parkhaus zu spielen. Und zum dritten, weil er am nächsten morgen um 8 in Österreich den nächsten Marathon laufen wollte – was das Hochwasser dann aber verhindert hat!
Und so begann der Lauftag mit einer entspannten Pastaparty bei Cabo. Pünktlich kam der private Chauffeurdienst um uns zum Parkhaus zu fahren. Und schwupps, war ich auch schon das erste Mal auf der Strecke. 10 km, 11 Runden, here we go!
Was hatte ich mir vorgenommen? Langsam laufen. Konstant laufen. Genussvoll laufen. Ersteres haben ich nicht geschafft, zweiteres fast, dritteres zum Großteil. Eine Runde in 5 Minuten wären ein Schnitt von ganz knapp langsamer als 5:30 / km. Das sollte das absolute Maximaltempo sein, lieber eher in Richtung 5:20 / Runde. Erste Runde: 4:42. Klasse! Super Junge, ganz großes Kino! Im Laufe der Zeit schaffte ich es dann doch, mich wenigstens ein wenig zu zügeln, und so waren die ersten 11 Runden in 53:59 beendet, eine Minute schneller als das absolute Maximaltempo, alles noch sehr entspannt, kurzweilig und witzig. Warum ich Vollpfosten, trotz des Wissens, dass noch ein ganzer Marathon auf mich wartet, die letzte Runde des 10ers in 4:12 hinlege, bleibt mir bis heute ein Rätsel. Aber wer nicht hören will muss fühlen…
Nach knapp 30 Minuten Pause geht es dann in die 2., besser gesagt die 12. Runde. Der Marathon wird gestartet, Krax i rast los wie ein Bekloppter, Matti hinterher und ich werde durchgereicht. Jetzt schön brav sein. Und tatsächlich, ich pegel mich bei 5:00 – 5:05 pro Runde ein. Immer noch schnell, aber was solls.
Und so läuft man vor sich hin. 7 Rampen hoch, 100 Meter nass regnen lassen, 7 Rampen runter, 150 Meter nass regnen lassen, essen, trinken, und das Ganze wieder von vorne. Immer und immer wieder. Auf und nieder….
Nach etwa 10 Runden (also für mich 21) wundre ich mich, was da hinter mir so schnauft. Eine junge Frau ist aufgelaufen. Warum überholt die denn nicht? Weil sie mich als Pacemaker benutzt. Eigentlich kein Thema, aber sie wahrt nicht ganz den sonst üblichen europäischen Mindestabstand von 1 Meter. Die geschätzten 20 Zentimeter, die sie direkt hinter mir läuft, machen mich doch nervös. Und ich werde sie nicht los. Laufe ich schneller – tut sie das auch. Bummle ich – sie auch. Mache ich eine Trinkpause – ihr ahnt es. Erst nach 5 Runden (also gut 25 Minuten!!!) gelingt es mir, sie ein wenig abzuhängen. Dummerweise muss ich dann aufs Klo und als ich da wieder rauskomme… genau, die Dame ist wieder da! Erst ab dem Halbmarathon lassen ihre Kräfte deutlich nach, ich werde sie am Ende 4 Mal überrundet haben.
Bis hierher geht es mir gut. Ich habe 31 Kilometer in den Beinen, kann noch lachen und Blödsinn reden, den Lauf genießen. Der Halbe geht mit genau 1:57:32 durch. Ich laufe wie ein Uhrwerk, wenn das so weiter geht… wenn. Denn jetzt wird es spannend. Das ewig Hoch und Runter fordert seinen Tribut. Die tektonischen Bewegungen der Kontinentalplatten unter dem Parkhaus tun ihr weiteres. Gegen Ende des Laufes beträgt der Höhenunterschied nicht mehr 15, sondern mindestens 30, wenn nicht 45 Meter. Zumindest fühlt es sich so an.
Noch 17 Runden zu laufen. Es geht noch gut, ich verliere keine Zeit, aber langsam muss ich beißen. Kraxi schimpft jedes Mal wie ein Rohrspatz, wenn er vorbeispurtet, und auch mir gehen langsam die witzigen Kommentare aus. Dann überrunde ich Bernd, rufe ihm irgendwas zu – und das veranlasst ihn zu mir aufzuschließen. Er erhöht sein Tempo, wir unterhalten uns, die nächsten Runden fliegen nur so dahin. Vielen Dank für diese Ablenkung!
Als ich noch 6 Runden vor mir habe merke ich, dass meine Kräfte schwinden. Mein Fuß tut weh (bergab immer nur Linkskurven, dazu kommt eine wunderschöne Blutblase, die meinen gesamten linken Socken und Schuh eingefärbt hat, was ich aber erst beim Duschen merke. Schuh durchgescheuert, kann ich wegwerfen. Nach nur 800 km. Scheiß Adidas. Nie mehr!), ich kann keine Parkhäuser mehr sehen, ich will heim, bäähhhhhhhhhhhhhhhhh. Ich werde immer langsamer. Ich rate Bernd (der ja eine Runde weniger hat), dass er, wenn er seinen ersten Marathon (ja, wes gibt tatsächlich so Bekloppte, die laufen ihren ersten Marathon in einem Parkhaus mit 680 Hm) unter 4 Stunden beenden will, jetzt noch zulegen muss. Er nickt, trabt an… eine Runde kann ich ihm noch folgen, dann entschwindet er meinem Sichtfeld.
Ich schleppe mich voran zähle die Runden, schimpfe in Gedanken vor mich hin (eine klare Weiterentwicklung zum letzten Jahr, da habe ich das Parkhaus 10 Runden lang lautstark verflucht) und leide. In der vorletzten Runde, ich habe noch ca. 1,5 Km zu laufen, kommt mir Bernd gehend in der falschen Richtung entgegen. „Ich höre jetzt auf, habe Krämpfe, schade!“ Ich schaue ihn fassungslos an und meine: Wie bitte??? Du drehst jetzt sofort um und gehst das Ding zu Ende, zur Not krabbelst du! Du kannst doch nicht nach 40 km deinen ersten Marathon abbrechen!!! Er: Meinste echt? Ich bin fassungslos, bekräftige meine Aussage und laufe weiter. Er ist zu Ende gelaufen. Meine Hochachtung zu dieser Leistung, einfach nur geil!
Jetzt passieren noch 2 Dinge auf diesen letzten 1,5 Runden, die mich hoffnungsvoll stimmen: Kurz vor der vorletzten Überquerung des Regendecks bin ich so in Gedanken versunken, dass ich kaum merke, dass ich mit meinen Trippelschritten kaum noch voran komme. Als diese besch’+# Rampe kein Ende nimmt, wache ich auf: „Reiß dich zusammen“ Und von da an laufe ich wieder halbwegs flüssig. Was der Kopf doch so vermag…
Und auf der letzten Runde erspähe ich noch einen Läufer vor mir. Der müsste doch jetzt auch in seiner letzten Runde sein. Den kriegst noch... hab ihn. Naja, ein wenig Abstand schadet nicht… da ist ja noch einer. Bestimmt auch einen Platz vor mir. Also, Arsch zusammenkneifen, vorbei. Und so laufe ich die letzte Runde in unter 5 Minuten – vollkommen umsonst, denn beide Läufer hatten noch mehrere Runden zu laufen. Egal, ich hatte nen netten Schlussspurt und die Erkenntnis, dass immer noch ein bisschen was geht!
Gut fertig komme ich nach 4:51:21 ins Ziel. Danke. Nett wars!
Danach gibt es lecker Bier, Pasta und Gemeinschaft, bis mich Privatchauffeuse Tati mich bis vor die Haustür fährt. DANKE dafür. Ein geiler Tag mit einem total bekloppten Lauf geht zu Ende.
Fazit: Die Lokation ist außergewöhnlich, das Orgateam total lieb, die Verpflegung super (Wasser, Iso, Schorle, Eistee, Schwarztee; Äpfel, Bananen, 2 Sorten Kuchen) und immer gut nachgefüllt, Preis echt moderat (25€ für den Marathon), und eben total bekloppt. Und das Beste: Alles für einen guten Zweck. Wer das besondere sucht und nen leichten bis mittelschweren Sprung in der Schüssel hat, wird hier viel Spaß haben!
Eine letzte Frage bleibt für mich: Warum bin ich nicht in der Lage, kurze Laufberichte zu schreiben? Mist. Schon wieder überzogen!
Danke fürs durchhalten
nachtzeche
Auf und nieder, immer wieder… 52,2 km in einem Parkhaus
1"Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden!" (Die Bibel, Jesaja 40,31)