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Blut und Schweiß - Urbanathlon 2010 in Hamburg

Blut und Schweiß - Urbanathlon 2010 in Hamburg

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Veranstaltung: 1. Urbanathlon in Hamburg
Veranstalter: Men's Health
Datum: Samstag, 21.08.2010
Strecke: 10 km, Asphalt, Kopfsteinpflaster, Parkwege und viele, viele Treppen
Startzeit: 15:30 Uhr
Wetter: leicht bewölkt, ca. 24° C

Das Konzept des "urbanen Hindernislaufs" kommt - wie sollte es anders sein? - natürlich aus den USA. Die Europapremiere dieses Events fand in Hamburg statt, und der Veranstalter rannte damit offenbar offene Türen ein. Binnen weniger Wochen waren alle 2000 Startplätze ausverkauft. Und das zu recht. Es war ein Riesenspaß, so viel kann ich vorwegnehmen.

Gegen Mittag trudele ich auf dem Startgelände an der Fischauktionshalle ein. Ich hole meine Startnummer ab und den reichlich mit Produktproben und sogar einem Paar Socken gefüllten Kleiderbeutel. Dann ein wenig die Stände begutachten und das Showprogramm auf der Bühne verfolgen, irgendwann umziehen. 25 Minuten vor dem Start will ich mich in die Startaufstellung einsortieren. Da bin ich nicht der einzige, und ich kann mich mit Mühe und Not in die siebte, achte Reihe vordrängeln. Ein wenig Aufwärmanimation, die man ob der Enge im Startbereich kaum mitmachen kann, und endlich fällt der Startschuss.

Los geht es mit einer kurzen Kopfsteinpflasterpassage, dann gleich die ersten Treppen. Auf der anfangs recht schmalen Strecke kann man kaum überholen. Hier war sogar ein wenig Ellenbogeneinsatz gefragt. Nach einem guten Kilometer habe ich mich mühsam in die Top 20 vorgearbeitet und schließlich freie Bahn. Erstes offizielles Hindernis ist der Mülltonnenslamon. Es gilt, möglichst schnell durch ein Labyrinth von Tonnen und Containern durchzuschlüpfen. Direkt vor mir wirft einer eine Tonne um. Bestimmt Absicht! :motz: (Bis zum Ziel schenke ich dem Kollegen aber über drei Minuten ein. :teufel: ) Egal, scharfe Rechtskurve und weiter Richtung "Fassadenlauf". Stufe um Stufe das Dockland-Gebäude hoch, oben fast stehend k.o. :geil: , und dann auch noch unfallfrei wieder runter. Laktatwerte im roten Bereich. Um die wirklich beeindruckende Kulisse des Fischereihafens zu bestaunen bleibt keine Zeit.

Es folgt ein längerer flacher Laufabschnitt, der ein wenig Erholung bietet. Ich versuche, das Tempo hochzuhalten und kann ein, zwei Läufer vor mir einsammeln. Dann eine kurze Kletterpartie über Absperrgitter und ein Hürdenlauf über so Verkehrsleitdinger (keine Ahnung, wie die heißen). Noch ein ganz kurzer Schlenker über den Elbstrand, eine Sandsackberriere und wieder Höhenmeter bis zum Abwinken. Man muss es dem Veranstalter lassen: keine Treppe, kein steiler Anstieg der Gegend wurde ausgelassen. 891 Stufen und 167 Höhenmeter soll die Strecke bergen - gefühlt natürlich mindestens doppelt so viel. Und treppab ist immer volle Konzentration gefragt. Wer meint, dass es in Hamburg nur flach zugeht, muss sich doch wundern.

Jetzt geht es über die Parkwege Övelgönnes weiter bis zur Wendemarke. Das Führungsduo, der mehrfache Strongman-Run-Sieger dicht gefolgt von einer lokalen Triathlongröße, kommt mir bereits entgegen. Fast eine Kilometer müssen sie mir schon voraus sein. Trotzdem liege ich recht passabel im Dunstkreis der Top 10. Als nächstes rolle ich mich unter dem nächsten Hindernis durch, einer dicht über dem Boden gespannten Plane. Ein leichter Drehwurm befällt mich, die ersten Schritte nach dem Aufstehen sind unsicher. Danach wurschtele ich mich durch eine Reihe von Baugerüsten, dann geht es zurück ins Zentrum der Streckenführung.

Hier geben die Zuschauer alles. Flugs über eine Bretterwand und gleich darauf über einen riesigen Haufen Autoreifen. Als nächstes geht es durch drei Linienbusse. Zur hinteren Tür rein, zur vorderen raus. Ich überhole noch einen Läufer, man kann das Ziel schon erahnen. Aber ein schicksalträchtiges Hindernis steht noch bevor, an dem sich heute noch so einige menschliche Dramen abspielen werden: die Doppelhalfpipe. Erst muss man das Drei-Meter-Ungetüm hochrennen. Hier tue ich mich schwer. Mit letzter Kraft ziehe ich mich nach oben rauf. Das kostet Zeit. Der Läufer, den ich gerade überholt hatte geht wieder an mir vorbei. Auf der anderen Seite will ich mich am bereitgestellten Seil herablassen. Aber angesichts der enormen körperlichen Belastung bin ich unachtsam. Ich klemme mir die rechte Hand zwischen Plattformkante und Seil ein. Autsch! Erst kurze Zeit später merke ich, dass eine klaffende Schnittwunde meinen Handrücken ziert. :klatsch:

Doch jetzt sind es nur noch wenige Meter zum Ziel und das Adrenalin unterdrückt den Schmerz. Ein paar schnelle Sätze über die Autobarrikaden, irgendwie über die Schiffcontainer klettern und dann die 100 Meter Zielgerade auskosten. Als elfter laufe ich über die Zielmatte. Aber hier werten sie nach Nettozeiten, so lande ich mit 39:20 Minuten sogar auf Platz zehn, wie ich später erfahre. Erst einmal viel trinken. Leider gibt es nur Wasser (und Obst). Cola wäre jetzt nett gewesen, aber man wollte den gewerblichen Standbesitzern wollte nicht das Geschäft verderben. Ich gehe zum nächsten Fotografen, der meine blutende Hand dankbar als martialisches Motiv annimmt. :zwinker2:

Dann stelle ich mich noch etwas an die Zielgerade und feuere die Einlaufenden nach Kräften an. :megafon: Ich wundere mich, wie nach über anderthalb Stunden noch zahlreiche Teilnehmer einlaufen, die eigentlich viel schneller aussehen und die noch recht hart sprinten können. Später höre ich, dass sich das große Mittelfeld an der Halfpipe extrem gestaut haben soll. Von bis zu vierzig Minuten Wartezeit ist die Rede. Trotzdem ist die Laune allerorten bestens. Zuschauen ist auch deshalb interessant, weil man nicht nur das übliche Klientel sieht. Wenn Men's Health ruft, kommen natürlich auch viele, die sich sonst ausschließlich in der Muckibude rumtreiben. Ihnen sieht man an, dass sie sich zeh Kilometer nicht so lang vorgestellt hatten, und muss als reiner Läufer etwas schmunzeln. :P

Fazit: Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß bei einer Laufveranstaltung. Die 25 Euro Startgebühr sind für ein Event dieser Art geradezu ein Schnäppchen (und ich hatte auch noch einen Freistart :D ). Die Organisation war für eine Premiere, die in recht kurzer Zeit auf die Beine gestellt worden ist, wirklich hervorragend. Nur muss man sich für nächstes Jahr Gedanken machen, wie man die Strecke hinsichtlich der Staubildung entzerren kann. Trotzdem ist der Urbanathlon auf jeden Fall eine Empfehlung wert. Es ist tatsächlich der vom Veranstalter versprochene Härtetest. :daumen:

Fotos gibt es z.B. hier: RUNNERSWORLD.de – Das größte Laufmagazin der Welt – Spektakuläre Laufpremiere in Hamburg Men's Health Urbanathlon 2010
"What do you do, you just go out there and gambol about like a bunny?" - Sheldon Cooper

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Du hättest aber ruhig den leckeren Streuselkuchen im Ziel erwähnen können :D

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Das ist ja ein cooler Bericht über einen coolen Event! Sozusagen ein zivilisierter Strongmanrun. Bei den Schilderungen kam ich allerdings nicht umhin zu denken, dass manchmal ein bisschen Erde ganz schön gewesen wäre - da Erde viel weicher als Asphalt ist.
Herzliche Gratulation natürlich auch zu der tollen Leistung und dem grandiosen Platz!
Ich glaube, bei solchen Anlässen ist es immer gut, wenn man vorne wegkommt. Ich mach das dann in meinem nächsten Leben auch so :P

Viele Grüsse

Marianne

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Ja, ein guter Bericht über einen interessanten Event - nix mit einsauen im Matsch und kaltem Wasser - sehr sympathisch ;)
Gratuliere zum klasse Ergebnis!

Hm, bei solchen Events sollte es irgendwie keinen Massenstart geben - wenn da in der Startaufstellung hinten stehst, kannst es sicherlich vergessen "schnell" durchzukommen... besser wären vielleicht Starts in Gruppen - 20 x 100 Leute los lassen ;)

Gruß
Olli

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Wow, das klingt echt spannend :daumen: Danke für den anschaulichen Bericht und Glückwunsch zu der tollen Zeit!

Kathrin
☼ ☼ ☼
Entscheide Dich. Und wenn Du Dich entschieden hast,
vernichte die Alternativen.

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Danke für Eure Kommentare. Eisprinzessin hat recht: Im Ziel gab es auch Streusselkuchen (den ich schändlicherweise nicht probiert habe. :peinlich: Aber direkt nach dem Lauf kriege ich nur Flüssiges runter.)

Zur Organisation noch: Weit vorn im Feld hatte ich wie gesagt überhaupt keine Probleme. Aber nach allem, was ich auf Fotos gesehen und von anderen Teilnehmern gehört habe, muss es weiter hinten im Stau schon etwas frustrierend gewesen sein. Die meisten haben sich aber offenbar davon den Spaß aber nicht verderben lassen. Der Veranstalter hat aber schon Besserung für das nächste Jahr gelobt. Bei einer Premiere kann eben nicht gleich alles klappen. Dafür ist es wirklich mal etwas anderes.

Hier übrigens noch ein kurzer Bericht des ZDF: 2.000 Starter bei Hamburger Urbanathlon - ZDF heute - ZDFmediathek - ZDF Mediathek
"What do you do, you just go out there and gambol about like a bunny?" - Sheldon Cooper

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:respekt: Find ich wirklich super so eine Leistung!!!

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Hört sich ganz cool an (mit den Strongman-Sachen kann ich nix anfangen, das erinnert mich irgendwie an BW-Grundausbildung), aber ich käme mit sowas nur im vorderen Teil zurecht, durch Staus aufgehalten werden ist jetzt nicht wirklich was für mich...
Grüße

schneapfla

I was running so fast - it was like the trees were standing still!

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Coole Geschichte. Glückwunsch zu diesem Super-Ergebnis.

Bei den Fotos hast Du vergessen zu erwähnen, dass Du auf dem allerletzten Bild inklusive der netten Handverletzung zu sehen bist! :P
Bild

PB: HM 1:44:46, 10km 49:37, M 4:19:28 (alle 2011), 24h 84,97 km (2013)
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