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Der erste Halb-Marathon: Saarbrücken

Der erste Halb-Marathon: Saarbrücken

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Der erste Halb-Marathon: Saarbrücken

Ich laufe seit ca. 15 Jahren, mal mehr oder weniger regelmäßig, mache allgemein viel Sport, habe mir trotzdem in den letzten Jahren ein Übergewicht von knapp 35 Kilo angefuttert :-), welches ich von April bis heute um knapp 18 Kilo reduzieren konnte.

Die Zielzeit prognostizierten die Foren-Experten wegen meines 10 km-Laufes auf mögliche 2:06 Ich begann zu zweifeln (eigentlich war mein Ziel 2:20)... ist es wirklich möglich ein so schnelles Tempo über zwei Stunden zu halten? Ich habe keine Erfahrung. Was mache ich, wenn der Puls zu hoch ist?

Die ganzen Eindrücke, die ich an dem heutigen Tagen sammeln würde, waren verrückt und einmalig. Es waren morgens um 7.15 Uhr nur 3 Grad. Wenigstens schien die Sonne... Muß ich eine Jacke anziehen? Lange Laufhose? Ich frühstückte mit einem Freund und einer Freundin 4 Toasts und eine Banane, so wie es andere empfohlen. Habe ich das rechtzeitig verdau und liegt es um 10:00 nicht schwer im Magen?

Die Fahrt ging los. 15 Minuten später in Saarbrücken am Staatstheater am Info-Schalter angekommen, schaute ich mir den weg an... hey, das kenne ich ja alles! Ein Rundkurs von 10,6 km, am Saarufer entlang, durch die Fußgängerzone: Ich war schon in jeder dieser Straßen, teilweise zum Joggen, zum Shoppen oder zum Trinken :-) Es beschlich mich ein Gefühl von Sicherheit... hier auf vertrautem Terrain, da kann eigentlich nichts schiefgehen. Sicherheit gaben mir aicj meine Begleitern : meinem besten Freund, der als Leichtgewicht viel schneller ist, und die Freundin, nur zum Unterstützen. Ich stopfte noch 3 Stückchen Traubenzucker in die Hose, die es am Info-Stand gab, stattete mich mit Pflastern auf der Brustwarze aus, forcierte den Garmin Pulsmesser, der mir jedoch einen ca. 10-20 Schläge höheren Puls präsentierte... oh nein da ist er, der hohe Puls. Ich würde doch nicht erkältet sein? Ich wußte vom Lesen der Berichte, dass es so kommt, auch wenn ich die Aufregung gar nicht wirklich spüren konnte. Es wird schon. Ich entspannte mich wieder.

Noch wenige Minuten, es ging in den Startbereich. Ich entschied mich, es defensiv anzugehen und platzierte mich hinter dem 4:30 Zeitläufer... eine 2:15 Zielzeit - das wollte ich schaffen. 4:30 Läufer doppelte Strecke... nochmal nachrechnen. Ja, ich stehe richtig. Noch eine Minute: ich bekam Gänsehaut... die Musik, die Einpeitscher, die Läufer, die die Hände hochielten, die Stimmung ergriff mich.

Startschuß - ich konnte ihn 150m weit weg gar nicht richtig hören, Pulsuhr gestartet. Es ging zäh und langsam los, es dauert bis sich die Massen erst mal in Bewegung gesetzt haben. Ich klebte dem 4:30-Mann an den Fersen. Verlier ihn bloß nicht. Es fühlt sich an, wie in einer Pferde-Herde sich warmzulaufen. Die Pace auf dem Forerunner zeigte nach knapp 10 Minuten noch eine 7:00 an. Es ging gemütlich weiter... erst nach ca. 20 Minuten am schönen Saarufer und als es etwas Platz gab zog der Zeitläufer das Tempo an. Ich merkte, das wird anstrengender. Jetzt merkte ich erst körperlich: Du bist im Wettkampf. Die ersten Gedanken kamen... kann ich das Tempo mitgehen? Er beschleunigte, bis er eine Durchschnittspace von 6:20 erreicht hat. Er wurde langsamer. Ich war irritiert, hatte mich doch grade erst ans schnellere Tempo gewöhnt. Es waren 40 Minuten vorbei. Ich spürte: da geht mehr. Kann ich ihn überholen? Soll ich mich trauen? Der schnellere Rhytmus lag mir besser. Ich beschleunigte wieder... wagte es "todesmutig" vor den Zeitläufer zu laufen.

Ich überholte, die ersten Läufer, ganz langsam... wurden sie langsamer oder ich schneller? Ich glaubte, dass sie zu schnell gestartet sind und nun zurückfielen. Ich war überrascht. Es käuchten und hechelten manche Läufer schon... wie soll das erst bei zwei oder gar vier Stunden werden? Verstehen muß man das nicht. Hatte ich es mit meiner Taktik es langsamer angehen zu lassen, und dann zu beschleunigen richtig gemacht?

Wohl schon, das wußte ich aber noch nicht. Im Verlauf des restlichen Rennens, sollte ich knapp 100 Läufer überholen, wurde selbst kaum mehr überholt - lediglich von den Spitzenläufern der Marathon-Gruppe überrundet Nach knapp 50 Minutenzeigte die Durchschnitspace 6:07. Lange war ein Vakuum vor mir. Die 4:30--Läufer hinten dran... die langsam überholt. Da tauchten nach einigen Minuten zwei attraktive Mädels vor mir auf, die irgendwie genau meinen Rhytmus liefen, aber irgendwie die ganze Zeit einen Tick schneller waren als ich, sich aber die ganze Zeit entspannt unterhielten. Ich entschloss mich dran zu bleiben.

Knapp die Hälfte der Strecke war geschafft. Das Publikum in der Fußgängerzone und am Ziel pusht. Sofort hat man nochmal 5% mehr Kraft. Wieso? Diesen Effekt kannte ich nicht, sollte sich aber nachher noch als sehr wichtig herausstellen. Die Uhr bei der Ziellinie zeigte 1:05 an, ich wußte zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass ich ein später mehrere Sekunden gutgeschrieben bekomme, weil ich wegen der Menschenmasse erst verspätet losstarten konnte. Ich sah die Freundin am Rand, die "Gut, Peter" rief... ich freute mich, hatte aber nur Augen für die Getränkestation, die gegenüber war, bei der ich mir 2 Wasser nahm.

Die Hälfte geschafft... nun ging es wieder von vorne los... das ganze lediglich noch einmal. Durch's Grüne, nochmal an der Saar entlang, nochmal durch die Stadt. Es war ein tolles Gefühl, die Häfte geschafft zu haben. Ich sagte mir: Nur noch einmal diese Strecke - dann hast Du's. Ich fühlte mich gut, hatte Kraft, das Tempo war perfekt - ich wagte zu hoffen, dass ich es mit diesem Tempo ins Ziel schaffen könnte. Ich nahm mir sogar vor, die letzten 2,3 Kilometer nochmal schneller zu laufen - da zeigte sich jedoch später meine Unerfahrenheit.

Mein Blick schwelgte an den anderen Läufer vorbei und ich hatte das Gefühl, dass ich eigentlich mit 108 Kilo (bei einer Größe von 194 cm) der schwerste Teilnehmer sein dürfte. Auch das machte mich nochmal stolz... der schwerste und nicht der letzte? Ich drehte mich auf einer langen Gerade um, es waren hunderte Läufer hinter mir. Immer wieder vielen ein paar neue zurück, ich sah die ersten gehen. Auch hier fragte ich mich... warum müssen die schon kurz nach der Hälfte gehen? Der eine schien total kaputt, der andere dagegen relaxt, wollte wohl aber keine "Schmerzen" aushalten. Ich klopfte dem auf die Schulter "Komm das schaffst Du", ich hätte ihn am liebsten an der Hand genommen und mitgezogen.

Die beiden Mädels waren immer noch vor mir, sie waren mein Fixpunkt. Sie forcierten etwas das Tempo. Die Durchschnittspace verlor Sekunde um Sekunde, sie zeigte inzwischen 6:01 an. Und dann unglaublich: der 4:15er Zeitläufer war mit seinem Luftballon in Sicht. Ich war stolz. Stolz, dass ich jetzt in der schnelleren Gruppe mitlief. Natürlich verschob sich hier kaum noch etwas und es dauerte endlose Minuten, bis man mal einen Abstand verringern konnte. Es kam eine Station, ich trank ein Wasser und ein Iso-Getränk. Der Kilometerstand war bei 14,5 km. Ich ertappte mich dabei, wie ich immer häufiger auf den Kilometerstand blickte. Alle paar hundert Meter. War ich mit meiner Kraft bald am Ende... warum denke ich die ganze Zeit daran. Unterbewußt spürte ich wohl, dass es langsam enger werden würde.

Ich wollte endlich die 3/4 erreichen... auch in meinem Training war das mental immer ein wichtiger Punkt. Da wußte ich, dass ich dann einfach nur noch 1/3 der bisherigen Strecke laufen muß, einfach noch mal die Hälfte zurück (meine "Lohneliness of the long distance runner" fülle ich gerne mit Gedankenspielen um den Rest der Strecke kleinzureden bzw kleinzudenken). Es zog sich.. eine kleine Gruppe mit Percussion-Instrumenten am Rand des Weges gab mir nochmal Kraft für ein paar 100m Kraft. Nach 2,3 mal auf die Uhr gucken, da waren sie endlich15,8 Kilometer.

Langsam spürte ich meine Beine, auch den rechten Wadenansatz zur Achillessehne. Mußte ich etwa abbrechen, wenn das schlimmer werden würde (ich bin wegen Hypertonus der Wadenmuskulatur da verkürzt, stretche aber fleißig und habe Physio, normal merke ich das nicht mehr)? Kann sich etwas entzünden? Ich dachte mir... nein, die Wade ist verkürzt, es ist Zug an der Stelle, natürlich reizt dass etwas. Beiß auf die Zähne, Peter. Die erste Überrundung stand an - da wartete ich die ganze Zeit drauf: der führende der Marathon-Gruppe zog mit der Leichtigkeit eines Vogels an allen Läufern vorbei... es war ein Heavy Metaller, lange Haare hatte er. Da dachte ich noch: Coole Sau. Einmal grade aus, dann rechts... Kilometer 17,5: es ging direkt durch die Fußgängerzone... Zuschauer klatschen... es hilft. Die schweren Beine spürt man kaum, man bekommt wieder Kraft.

Ich denke nach: Kann es sein , dass ich während des ganzen Laufes noch nicht einmal auf meinen Puls geschaut habe. Ja. Unfassbar. Ich beschließe es so zu lassen, weil ich befürchte, dass er zu hoch ist. Ich lasse mich durch diesen potentiellen Störfaktor jetzt nicht verunsichern. Heute ist alles anders. 18,5 km... Es geht an einer Verpflegungsstation vorbei. Ich weiß, dass ich eigentlich nix brauche, mein Herz läuft, mein Kopf ist klar: für's "Entertainment" hole ich ein Stückchen Banane und ein Wasser. Ich sabbere beim Trinken etwas, weil ich mit dem Becher noch so unerfahren bin. ;-) Aber das geht den anderen auch so. 19 km...ich merke jetzt die Beine immer stärker, sie sind schwer, ich spüre Druck auf meiner Lunge. Ich esse die Traubenzucker, die jedoch ohne Wirkung bleiben. Ich beginne zu zweifeln, ob ich die 2,1 km wirklich noch laufen kann?

Ich spreche die beiden Mädels, die mich die ganze Zeit mitzogen, mein Fixpunkt waren, an... ich bedanke mich, sage, dass ich mich an ihre Fersen geheftet haben - und sie mir voll Kraft gaben. Sie sagten es sei toll, dass sie neben ihrem eigenen Lauf dem auch noch andere unterstützen. Auch sie reden jetzt weniger. Die eine der beiden sagt, dass die andere eigentlich die Schnelle ist, und auch sie mitzieht. 19,2 km.

Mein innerer Kampf beginnt, ich kämpfe mit dem Schweinehund, so wie ich das selten gewohnt bin. Ich habe bis jetzt eine Zeit gelaufen, die viel besser ist, als ich wollte... warum jetzt nicht einfach ne Minute gehen? Eine einzige Minute. Ein Minütchen und alles ist gut... ich träume... Gehen ist Frieden, es ist Atmen und luxuriös Luft bekommen, es sind Glückshormone, die auf Dich warten. Ich konzentriere mich wieder und spreche stattdessen mit den beiden Damen. Die "Schnelle" sagt, dass wir jetzt gemeinsam ins Ziel laufen. Sie würde sonst vorne dran stehen bleibt und auf uns wartet. Pah... es bleibt mir nix anderes übrig als zu Laufen. Ich laufe. 20,5 km... es geht einfach nicht mehr, ich habe meine Leistungsgrenze erreicht. Meine Pace liegt sicherlich bei 5:57 (die Uhr zeigt wegen der Startverzögerung stets alles etwas schwächer an). Ich kann nicht mehr. Es gibt physische Grenzen... ich muß Tempo rausnehmen.

Ich bin erleichtert, dass die beiden Damen weiterlaufen und sich nicht irritieren lassen. Sie sind kurz darauf 50 m vor mir. Noch 300 m vor Zielende... ich merke, ich muß gehen... bis hierhin ging es, jetzt geht es nicht mehr weiter. Keine Kraft, schwere Beine, mein Wille ist gebrochen. Ich werde langsamer, setze an zur Gehbewegung... es sind wieder die ersten Zuschauer da, da es vom Flußufer langsam zur Zielgeraden in der Stadt geht, ich will gerade gehen.. und dann eine Frau ruf... "Hey nicht gehen! Es sind noch 200m. Das schaffst Du"... mein Gott sie hat so Recht.. noch 200m... sie werden sich anfühlen wie 1 km. Aus der Bremsung beschleunige ich nochmal... es tut weh. Egal. Diese Minute zieht sich unendlich. Ich sehe das Ziel. Rechts auf der Seite sehe ich meine Freunde "Hey Peter... gib alles" zu. Ich kann nicht mehr geben, ich habe bereits alles gegeben... 30 m Aua, 20 m Aua.

Ein Betreuer sagt "hier rechts rein"... das tue ich. Ich sehe die schnelle der beiden Damen, die mit mir abklatscht... war sie das? Ich kann sie gar nicht richtig warnehmen... bin irgendwie geschmeichelt. Bin ich über die Ziellinie? Darf ich endlich gehen? Ich halte an, gehe... es tut so gut. Ich merke aber meine Lunge deutlich. Das kenne ich gar nicht. Ich merke meine Lunge nie. Habe ich zuviel gemacht? Meine beiden Begleiter kommen und fragen "Und welche Zeit?". Ich kann nicht antworten... ich muß 20 Sekunden atmen. Ich merke, ich kenne meine Zeit gar nicht... ich schaute rechts auf sie und auf den Betreuer, nicht auf die Uhr. Meine Pace zeigt 6:00 an... aber es ist noch die Startverzögerung eingerechnet. Wo ist der Luftballon-Zeitläufer 4:15? Bin ich tatsächlich vor dem ins Ziel? Ich habe ihn lange nicht gesehen. Trinken... Trinken... rechts gehe ich an den Ständen lange. Ich trinke 2 Wasser, 2 Iso, 2 Cola, 2xetwas, dass ich nicht kenne. Apfelsinenstückchen... super Sache... 1,2,3,4,5,6 Stücke... 2xCola. Ich fühle mich jetzt körperlich wohl... die Glücksgefühle überlagern. Auch wenn ich kaum Laufen kann. Hinter mir kommen dünnere ins Ziel. Ich merke: ich war "schnell" Ich bleibe noch etwas... klatsche für die anderen Läufer. Es ist vollbracht: Der erste Halbmarathon und mit einer Pace von 5:58 die Experten Lügen gestraft... haha. Kleiner Spaß. :-)

Ich habe den Bericht auch unter meiner Frage im Anfänger-Foum gepostet.
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