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Persönliche Bestzeit 2010 - die dritte

Persönliche Bestzeit 2010 - die dritte

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Persönliche Bestzeit 2010 - die dritte
oder: Der Kampf mit mir selbst. (Halbmarathon in Kelkheim)

Ich bin langsam. Oder zumindest zu langsam, um in Wettkämpfen um Sieg oder vordere Platzierungen mitzulaufen. Wenn ich bei kleinen Volksläufen mal auf dem Treppchen lande, ist das eher der Abwesenheit von Konkurrenz als der eigenen Leistungsfähigkeit geschuldet. Und ich habe dabei auch nicht wirklich jemanden "besiegt". Auf der Strecke niemand zu sehen. Der erstplatzierte 7 Minuten schneller, den hab ich natürlich im Lauf nicht ein einziges Mal gesehen. Dabei mag ich Wettkämpfen und Kräftemessen eigentlich ganz gerne.

Was bleibt mir also anders übrig, als das Wettkämpfen und Kräftemessen auf den Kampf mit mir selber zu konzentrieren.
Schneller sein als letztes Mal, neue Bestzeit aufstellen. Jenseits von anderen Motivationsfaktoren (draußen sein, abschalten können, Natur genießen, ...), die mich zum Laufen bringen und mich das Laufen genießen lassen, ist es vor allem die Jagd nach neuen Bestzeiten, die mich im Training herausfordert, die mich "Quäleinheiten" laufen lässt, die mich immer wieder neu motiviert.

Leider ist es auch genau diese Bestzeitenhatz, die mich immer mal wieder in ein Motivationsloch fallen lässt.
Ist ein großes Ziel erreicht, wie der erste Marathon, wie die erste Schallmauer über die halbe Strecke (unter 1:40), wie die zweite Schallmauer im Halbmarathon (unter 1:35), plumpse ich regelmäßig in ein mentales Tief.

MOTIVATIONSLOCH Nummer 1 und Rausweg

So war es nach dem ersten Marathon letztes Jahr in Frankfurt. Obwohl (oder vielleicht weil?) ich meine persönliche Traumzeit fast auf die Sekunde erreicht hatte, lief (ich) danach nicht mehr viel. Ich hörte zwar nicht auf, aber dieses unsystematische, sporadische Laufen konnte man beim besten Willen nicht mehr Training nennen. Jede Ausrede (keine Zeit, schon so spät, zu kaputt, zu nass, zu heiß, zu trocken, zu kalt, zu ...) war plötzlich recht. Und das, obwohl ich beim Training zum Marathon schon unter allen möglichen, zum Teil auch unter unmöglichen, Bedingungen gelaufen bin. Der nächste geplante Wettkampf in Mainz (Halbmarathon mit Traumziel Schallmauer 1:35) war zu weit weg.

Erst die (spontane) Anmeldung zum Halbmarathon in Frankfurt gab mir wieder Biss und Struktur zurück. Wollte ich doch meine Bestzeit ein bißchen drücken. Schallmauer war noch nicht drin, aber ein bißchen schneller als letztes Mal sollte es schon werden. Es kam alles anders. Eine hartnäckige Erkältung und eine schmerzhafte Blockierung im Ilio-Sakral-Gelenk ließen ein echtes, auf Bestzeit ausgerichtetes Training nicht wirklich zu. Laufen wollte ich den Wettkampf aber trotzdem. Und weil es manchmal erstens anders kommt als man zweitens denkt, hat es allen Umständen zum Trotz doch gereicht: Eine Minute schneller als letztes Jahr.

Bestzeit Nummer eins in diesem Jahr!

Hochmotivert startete ich in die Vorbereitung des Halbmarathons in Mainz, bei dem die Schallmauer (1:35) fallen sollte.
Und bei Bestzeitenwetter und guter Tagesform gelang das Vorhaben vozüglich.

Bestzeit Nummer 2.

Kurz danach fiel ich in

MOTIVATIONSLOCH Nummer 2 und Rausweg

Bestzeit förmlich pulverisiert. Vier Minuten schneller. Nach allen Qualen und Zweifeln war ich jetzt super zufrieden. Vielleicht ein bißchen zu zufrieden. Irgendwie satt. Und ziellos.
So lief ich denn 6 Wochen zwei- bis dreimal die Woche so rum. Umfänge zwischen 20 und 40 km. Wobei die 40 Wochenkilometer schon eher die Ausnahme waren.

Ein neues Ziel muss her:
Kurzentschlossen zum Frankfurt Marathon angemeldet. Noch genug Zeit für ein ordentliches Training. Vorsichtig die Umfänge wieder gesteigert und dann in einen 16 Wochen Trainingsplan eingestiegen. Mit allen "hässlichen" Einheiten: Lange Läufe, Intervalle im Hecheltempo, Tempodauerläufe (meine ganz persönliche "Hasseinheit")
Und: Das Laufen macht wieder Spaß.
Motivation wieder gefunden.

Der Marathon wirft seinen Schatten voraus

Natürlich hatte ich nach dem Bestzeitenschallmauerhalbmarathon mehrere Internetrechner bemüht, die mir eine mögliche Marathonzeit voraussagen sollten. Die errechnete Zeit ließ mich mehrmals schlucken: Eine 3:19 sollte möglich sein. Auf diese Zielzeit ist auch der Trainingsplan ausgerichtet.
Aber obwohl die Einheiten im Training alle gelingen (die qualitativen Einheiten fallen mir zwar nicht leicht, aber ich kann alle Tempovorgaben erfüllen, ohne mich total platt zu laufen) beschleichen mich immer wieder Zweifel, ob die 3:19 für den erst zweiten Marathon nicht doch etwas (zu) ehrgeizig gewählt ist. Schließlich habe ich beim ersten Marathon ein Zeitpolster (Debutantenmalus) von 10 Minuten auf die optimal mögliche Zeit draufgeschlagen.
Also beschließe ich, einen Halbmarathontest in das Training einzubauen. Der soll eine Standortbestimmung sein und mir mit einer neuen Bestzeit doch noch ein kleines Polster auf die 3:19 verschaffen.

Bestzeit Nummer drei muss her.

Wegen eines "Treppenwitzes" (ich falle eine Treppe rauf mit Händen in den Hosentaschen und schlage mir heftig den Kopf an, so blöd muss man sein!) muss ein langer Lauf entfallen. Da ich nicht noch mehr Training ausfallen lassen will, beschließe ich, vor dem Halbmarathontest auf ein Tapering zu verzichten und den Lauf aus dem vollen Training raus zu laufen.
Im September sind die Halbmarathonwettkämpfe nicht so dicht gesät und mein Terminplan ist auch an Wochenenden relativ eng.
So fällt die Wahl schließlich auf Kelkheim. Die Strecke kenne ich. Da bin ich letztes Jahr schon mitgelaufen. Allerdings war das ein Trainingslauf in der Marathonvorbereitung. 21,1 km im geplanten Marathontempo. Mit ausführlichem Ein- und Auslaufen auf einen 30er verlängert.
In diesem Jahr soll 's aber eine neue Bestzeit geben. Als ich mir das Streckenprofil anschaue, wird mir ganz anders. So schlimm habe ich das gar nicht in Erinnerung. 3 3/4 Runden sind zu laufen. Jede Runde mit ca. 40 Höhenmetern. Für mich als Flachlandläufer echt viel. Und das bei einem Bestzeitenversuch. Oh Mann. Obwohl, wer Kelkheim kennt, der wundert sich sowieso, dass man da eine Halbmarathonstrecke hinkriegt, die nur so wenig auf und ab geht.

Die Vorbereitung

Sonntag, sieben Tage vor dem Wettkampf, ein 35er mit 3 km Zwischenbeschleunigung im Marathontempo. Dienstag, 5 Tage vorher, 8 x 1000m in 4:05 min/km mit 3 Minuten Trabpause. Donnerstag, 3 Tage vorher - und das ist die einzige Änderung, die ich am Plan vornehme - statt des geplanten TDL im Marathontempo, 8 km im geplanten Halbmarathonrenntempo (4:25 min/km). Samstag, 1 Tag vorher, 15,5 km im Tempo des langen Laufes.

Vor dem Start

So vorbereitet, mache ich mich also am Sonntag in aller Frühe auf in Richtung Kelkheim. Da ich das alles vom letzten Jahr kenne und ich weiß wo ich hin muss und wo ich parken kann, verläuft die Anreise sehr entspannt. Das Nachmelden geht schnell und problemlos und ich habe noch genügend Zeit für die entspannte Vorwettkampfroutine. Umziehen, Schuhe mehrmals neu binden, ein bißchen Einlaufen auf der Strecke, letzter Toilettengang. Das Einlaufen fällt heute etwas ausgiebiger aus, weil ich ja Zeit habe und mitten im Training stecke und ja nicht tapern will. So kann ich mir in Ruhe beim Laufen schon mal den Anfang und das Ende der Strecke anschauen. Und das Höhenprofil scheint recht zu behalten. Entweder geht es leicht bergauf, oder leicht bergab. Nix wildes, keine schlimmen Steigungen, aber stetig. Entweder rauf oder runter. Die Strecke ist wie im letzten Jahr, da kam mir das gar nicht so schlimm vor. Aber es macht schon einen Unterschied, ob man einen Halbmarathon auf Bestzeit laufen will oder relativ gemütlich im Marathontempo über die Strecke trabt.
Meine Bestzeit sehe ich schon den Liederbach runtergehen. Nix da.
Kneifen gilt nicht.

Die Renntaktik

Wettkampf ist Wettkampf. Also Attacke. Alles was geht. Aber was geht? Und vor allem wie schnell? Eine Durchschnittspace von 4:25 min/km sollte drin sein. Aber wie auf diese Berg-und Talbahnstrecke umsetzen? Bisher bin ich alle Bestzeitenwettkämpfe mit negativem Split aber insgesamt eher gleichmäßig gelaufen. Also diesmal noch langsamer und vorsichtiger angehen? Was mache ich bergauf? Mit Dampf rauf? Bergab erholen? Ich beschließe eine Neuerung. Risiko. Was (für mich) ganz neues:
Nach Belastungsgefühl laufen.
Berab Druck machen. Bergauf ein bißchen rausnehmen. Insgesamt so, dass sich das Laufen von der Belastung her die ganze Zeit in etwa gleich anfühlt.

Ist mein Laufgefühl schon so weit, dass das gut gehen kann? Aber die Alternative, ein eher gleichmäßiges Tempo zu gehen und mich an den Anstiegen abzuschießen, scheint mir noch unsicherer zu sein. Zum ersten Mal in meiner Läufer"karriere" wünsche ich mir einen Pulsmesser, der mir zur subjektiv empfundenen Belastung "objektive" Körpersignale übermitteln könnte.
Hab ich nicht. Hilft also nix.

Also Taktik ist so beschlossen. Welche Kilometerzeiten ich allerdings jeweils laufen soll, ist mir schleierhaft. Wie viel werde ich bergauf verlieren? 4:25 min/km plus X. Wie viel kann ich bergab wieder gut machen? 4:25 min/km minus X.
Über das Ausmaß von X grübelnd mache ich mich auf den Weg zum Start.

Der Start

Ich wurschtele mich in die Startaufstellung. 1:20er Ballon? Uih, das ist mir doch eindeutig zu schnell. Also weiter nach hinten.
Zu spät realisiere ich, dass alle Zug- und Bremsläufer in den ersten beiden Reihen stehen. Auch die Zugläufer für 1:39, für 1:44 und für 1:49. Für alle möglichen "Schallmauerzielzeiten" scheinen hier Pacer eingesetzt zu sein. Und es gibt nur eine Bruttozeitmessung.
Nachdem die Pacer keine Anstalten machen, sich im Startfeld zu verteilen, versuche ich noch ein bißchen weiter nach vorne zu kommen. Vergebens. Dann geht mir auf, dass die Hüterinnen und Hüter der Zielzeiten auch noch "Schäfchen" um sich versammelt haben werden. Um die ich rum muss. Die ich überholen muss. Zumindest die, mit Zielzeiten größer als 1:33.
Das fängt ja mal gut an.

Ich bin noch ein bißchen damit beschäftigt, mich über mich selbst zu ärgern, da geht es auch schon los. Wie erwartet, muss ich Schlangenlinien laufen. Aber das Starterfeld ist doch relativ überschaubar, die Trauben um die Ballonträger nicht soo groß. Geht besser als erwartet. Am Anfang geht 's bergab. Also erst mal rollen lassen, bißchen Gas geben. Dem Rundkurs geschuldet gibt es die erste Verpflegungsstelle bereits nach ca. 400m. Hier trinken schon die ersten. Gut, es ist ordentlich warm, aber so warm nun auch wieder nicht. Diese Station lasse ich aus.

Das Rennen

Das Tempo fühlt sich gut an. Ich laufe jetzt neben dem 1:39 Pacer. Ich muss zweimal hingucken, aber es stimmt. Auf dem Ballon und auf dem Shirt steht eindeutig 1:39:59. Bin ich so viel zu langsam? Ein Blick auf die Uhr zeigt mir: Ich bin mit einer Pace von 4:12 unterwegs. Selbst mir, der ich kein Kopfrechnengenie bin, ist klar, dass das auf eine Zeit unter 1:30 rausläuft. Und auch, wenn der Pacer eine ähnliche Taktik verfolgt wie ich und bergab ein bißchen Zeit rauslaufen will, kann das nicht gut gehen. Die kleine Herde um ihn herum tut mir ein wenig leid. Wer die 1:39 knapp drauf hat, wird sich mit diesem Anfangstempo schnell kaputt laufen. "Du bist viel zu schnell untewegs." Er guckt mich nur verständnislos an. Oder bin ich doch zu langsam? Ne, viel schneller geht nicht. Also weiter. Ich nehme ein bißchen Tempo raus. Ein ganz kleines bißchen. Km 1 in 4:15. Das passt. Ich laufe die Kurven schön eng. Keinen Meter verschenken.

Das nächste Kilometerschild übersehe ich. Das ist bei diesen Kursen in mehreren Runden aber auch wirklich doof. Überall stehen Schilder. Km 7 habe ich schon gesehen. km 12 auch. Aber das km 2 Schild ist nicht zu entdecken.
Bei km 3 liegt die Durchschnittspace bei 4:18.

Der 1:39 Pacer taucht neben mir auf.
Häh? Was macht der bloß?
"Du läufst auf unter 1:33 an!" Genauer rechnen kann ich nicht. Aber wenn ich 4:25 für ein 1:33 brauche und wir schneller unterwegs sind, muss es also unter 1:33 sein. Er murmelt irgendwas, was ich nicht verstehen kann. Nimmt aber dann wohl Tempo raus. Ich entferne mich wieder nach vorne.

Links rum und das steilste Abwärtsstück. Hier mache ich ordentlich Dampf. Dann ganz eng links rum und eine fiese Kopfsteinpflasterpassage. Bergauf. Hier haben Kinder eine private Verpflegungsstation aufgebaut und reichen eifrig Wasserbecher an. Ich verzichte wieder und renne weiter. Rechts um, die kürzeste Strecke führt über eine Verkehrsinsel. Vorsicht, nicht stolpern. Ab jetzt geht 's wieder hoch. Breite Straße. Viel Platz zum laufen. Die ersten kann ich einsammeln.

Meine Rundenzeiten fallen weiter ab. Inzwischen sehe ich die km-Schilder wieder und drücke immer brav die Uhr ab. Auf GPS verlasse ich mich nicht im Rennen. km 4 in 4:35, km 5 in 4:49! Hups. Der ist zuu langsam. Selbst für bergauf. Bestzeit ade? Oder stand das Schild falsch? Keine Panik. Der Lauf hat doch gerade erst angefangen. Außerdem ist der Anstieg vorbei und es geht wieder bergab. Hier drücke ich wieder auf 's Tempo. Zum ersten Mal wieder am Start vorbei. Das Ziel sieht man auch schon, aber in Kelheim läuft man in der letzten Runde entgegen der Laufrichtung auf einer abgetrennten Straßenseite ins Ziel. Die letzte Runde ist kürzer. Hier am Start werde ich noch 2 Mal vorbeikommen.
An der Verpflegungsstation in vollem Tempo Becher schnappen. Bißchen was rein. Rest auf den Kopf. Wird jetzt schon ordentlich warm.

Runde 2 also jetzt. Bisher geht 's mir gut. Antrengend ist es. Immer auf 's Tempo drücken. Nicht nachlassen. Aber das Tempo ist noch gut zu halten. Berab km wieder in 4:18. Breite Einkaufsstraße. Ein bißchen Gegenwind. Aber ich habe einen Läufer gefunden, der mein Tempo läuft und kann mich in den Windschatten klemmen. Schließlich wird er langsamer und ich gehe vorbei. Weiter vorne ein weiterer Läufer, den ich mir an der steilen Bergabpassage schnappen kann. Wieder Kopfsteinpflaster. Schon ein bißchen Aua. Jetzt nehme ich von den Kindern einen Becher. Volles Tempo. Beim Trinken Zeit verschenken, kann ich mir nicht leisten. Schließlich will ich unter 1:34 bleiben. Bei allen Abzweigungen stehen Helferinnen und Helfer, die sich große Mühe geben, anzufeuern und Krach zu machen. Sonst scheint 's den Kelkheimern am Sonntag zu früh zu sein. Nur im Zielbereich ist ordentlich was los. Sonst nur einzelne versprengte Fanclubs.

km in 4:25. Uiuiuiui. Bergab müsste doch schneller gehen. Nächster dann in 4:19. Na bitte.
Jetzt geht 's wieder hoch und die Zeiten in den Keller: 4:35, 4:36. Nicht mehr ganz so schlimm in den Keller. Es läuft. Es ist anstrengend, aber ich kann das Tempo einigermaßen halten. Und diesen "Berg" hier muss ich noch zweimal rauf. Also mit den Kräften ein bißchen haushalten. Jetzt sehe ich zum ersten Mal den Abzweig zum Ziel. Noch darf keiner rein. Km 10 passiere ich in 44:37. Das schaut gut aus. Etwa 25 Sekunden liege ich zurück. Kein Beinbruch. Außerdem liegt km 10 wieder in einem ansteigenden Stück. Außerdem waren im letzten Jahr alle ersten km ein bißchen lang. Die hinteren werden hier kürzer. Ist echt so. Also ruhig Blut und weiter rennen.

Wieder bergab am Start vorbei. Becher Wasser schnappen und ab. 4:18. Es wird schwerer, das Tempo zu halten. Ich bin weder ein guter Flach-, noch Bergab- oder gar Bergaufläufer. Aber Bergab schnell zu laufen, wenn die Beine schon zu brennen beginnen, ist echt fies. Kämpfen ist angesagt. Jetzt schon? Ja, jetzt schon. Ich hatte nicht erwartet, dass ein Lauf am Anschlag leicht würde. Aber ab km 12 schon kämpfen müssen? Uiuiuiuiui.

Km 12 in 4:20, km 13 in 4:26. Jetzt wird 's hart. Auf diesem Kurs gibt es keine Erholungsstellen. Bergab Druck machen. Bergauf Druck machen. Nix mit mal ein bißchen rausnehmen. Immer auf dem Gaspedal.
Ich kämpfe jetzt. Jetzt kommt echtes Wettkampffeeling auf. Vor mir 2 Läufer. Ransaugen. Kurz verschnaufen dahinter. Vorbeigehen. weiter. Nächster Läufer. Und weiter.

Weitere einsammeln. Km 14 wieder bergauf in 4:41. Mist, das ist zu langsam. Zwei Drittel sind überstanden. Aber ich fühle mich ganz schön kaputt. km 15 in 4:38. Gesamtzeit: 1:06:57. 15 km Bestzeit knapp verpasst. 35 Sekunden hinter Plan.

Oh Mann. War 's das jetzt? Jetzt den Turbo auspacken. „Wenn du nicht mehr kannst, lauf schneller.“ Schöner Spruch. Es geht immer noch bergauf. Ich versuche alles. Hups. Ich überhole einen Läufer im Affenzahn. Ich fliege förmlich vorbei. Häh? Ah so, das Überrunden geht los. Mit müdem Hirn und müden Beinen heißt es jetzt aufpassen. Geschwindigkeitsunterschiede einschätzen ist nicht mehr so einfach. Immer noch bergauf. Beißen. Kämpfen. Jetzt schon Hechelatmung. Und noch 6 km zu laufen. Hier haben Anwohner eine Dusche aufgebaut. Dicht dran vorbei, Hand raus und Gesicht und Nacken kühlen. Durchlaufen und nasse Schuhe kriegen will ich nicht riskieren.

Die letzte Runde. Beim nächsten Mal darf ich hier Richtung Ziel abbiegen. Die nächsten km Schilder übersehe ich alle. Ist auch nicht mehr wichtig. Ich muss am absoluten Anschlag laufen. So schnell es geht. Und ich werde die neue Bestzeit weiter versuchen. Und wenn der Einbruch kommt, dann ist es eben so. Mit dem Kurs und der Trainingswoche habe ich zwei gute Ausreden, warum das eh nichts werden konnte. Ich überhole, überrunde, viele. Manche sind echt ... Einer bleibt plötzlich stehen. Damit nicht genug. Geht auch noch gemütlich nach links. Da wo die schnelleren gerade versuchen zu überholen. Ne, ne. Geht aber gut aus. Unfallfrei. Wenn auch nur knapp.

Ein Läufer überholt mich. Es geht wieder bergab. Ich klemm mich dran. Der ist zu schnell. Nein, da lasse ich nicht abreißen. Ich schaffe es. Die Beine jaulen. Bleibe dran. Gemeinsam sammeln wir Läufer ein. Ich trotte einfach hinterher. Was heißt trotten. Ich renne, kämpfe, hechele, aber ich bleibe dran. Ich sehe nichts mehr außer den Hacken vor mir. Irgendwie geht es. Ich kann sogar wieder ein bißchen schneller. Letztes Mal Kopfsteinpflaster. Ich muss zum Fürchten aussehen. Keines der Kinder bietet mir was zu trinken an. Egal. Habe eh keine Zeit und auch keine Luft mehr. Hier (leicht bergauf) lasse ich mein Zugpferd hinter mir. Weiterrennen. Letztes Mal bergauf. Tunnelblick.

Erinnerungslücken. Aber ich überhole. Immer noch. Nicht nur überrundete Läufer. 100m vor mir einer, der mein Tempo läuft. Den krieg ich noch. Ich komme nicht ran. Oder doch? Der Abstand wird kleiner. Noch kleiner. Kurve, Getränke. Becher schnappen. Trinken geht nicht mehr. Nur Mund anfeuchten und übern Kopp. An der Getränkestation hab ich ihn. Den nächsten suchen. Die Dusche taucht auf. Von hier ist es nicht mehr weit. Km 20 drücke ich wieder ab, aber ich kann auf der Uhr nix mehr erkennen. Irgendwie ist das Display geschrumpft. Luuuuft. Ich brauche Luft. Irgendwie geht weniger Luft rein als ich brauche. Hechel, hechel. Weiter, jetzt nicht nachlassen.

Die Uhr funktioniert wieder: 1:30:00. Aber wie weit ist es noch? Geschätzte 600m. Das reicht doch? Oder? Rechenfunktion im Hirn ist out of order. Schwerer Ausnahmefehler. Links rum. Rechts rum. Ich bin im abgetrennten Teil Richtung Ziel. Nur noch wenige hundert Meter. Vor mir noch ein Läufer. Zu weit weg. Egal. Ich kämpfe ja eh nur gegen mich. Und die Uhr. Jetzt alles raushauen, was noch da ist. Kribbeln auf der Kopfhaut. Die Ziellinie ist nur noch ein kleines Stück weg. Ein Junge steht am Absperrband. Vater daneben. Der Kleine klettert unten durch. Und läuft mir direkt vor die Füße!!!! "HEY" Ich schreie. Komischerweise geht das sogar noch richtig laut. Der Junge bleibt wie vom Donner gerührt stehen und ich kann gerade noch ausweichen. Das Fluchen geht wieder stumm von statten. Für mehr fehlt mir die Luft. Im Zielkanal nach der Ziellinie noch ein bißchen weiterlaufen. Sonst falle ich um. Nach weiteren 50 m lehne ich an einem Hoftor und ringe nach Luft. Ich zittere. Vor Anstrengung oder weil ich mich wegen des Beinahe-Unfalls so tierisch erschreckt habe, vermag ich nicht zu sagen.

Wie ist eigentlich die Zeit. Oh SCH***!!! Himmel, A. und Z!!! Die Uhr läuft noch.
Schnell auf Stopp drücken. 1:34:23. Das müsste doch für 1:33 gereicht haben. 50 m traben. Am Tor festhalten. Das sollte doch mindestens dreißig Sekunden gekostet haben. Hilft nix. Muss ich auf die Ergebnisliste warten. Aber eigentlich bin ich sicher. Die neue PB ist im Sack.

Nach dem Lauf

Nach lecker alkfrei Weizen, noch Leuten beim Zieleinlauf zugucken und lange und heiß duschen, kommt neben der Erschöpfung langsam die Freude über einen gelungenen Lauf durch.
Das war Anschlag. Keine einzige Sekunde hätte ich noch rausquetschen können.
Die Taktik ist voll aufgegangen.

Ach ja: X= 9,5
Bergab so ca. 4:16 im Schnitt, bergauf ca. 4:35. Mein Belastungsgefühl scheint doch ganz gut zu funktionieren.

Die Ergebnisliste ist da.
Und die Freude steigt noch ein bißchen mehr:

1:33:18!!!

Bestzeit Nummer drei!!!

Über eine Minute schneller als in Mainz. Und das auf dieser Strecke. Mit Bruttozeitmessung.

Tapering wird offensichtlich maßlos überschätzt. :zwinker2:

Ich genieße noch ein bißchen die nette Atmosphäre in Kelkheim, ehe ich mich auf den Heimweg mache.

Der Marathon wirft seinen Schatten voraus 2

Der Rechner im Internet sagt mir jetzt eine mögliche 3:16:54 voraus.
Drei Minuten Polster auf die Traumwunschzeit von 3:19.
Aber ob ich diese Zeit im Oktober in Frankfurt wirklich versuche, werde ich heute noch nicht entscheiden.
Vielleicht nächste Woche.
Vielleicht nach den Herbstferien.
Vielleicht am Abend vorher.
Wahrscheinlich erst im Startblock.

Frankfurt, 3:19, ich bin auf dem Weg!


Töffes,
der schnell noch Danke sagen muss:

Danke für 's lesen. Und ihr wisst ja: Kommentare gerne gesehen. :wink:

Und Danke an die ZZZ. Ein unglaublich motivierender Haufen, der einen unglaublich motivierenden Faden am Laufen hält, für alle, die nicht glauben können, dass sie die Zielzeit, die sich aus Training und Unterdistanzen laufen können sollten, im Wettkampf auch tatsächlich laufen können können.
"Wer keine Zweifel hat, ist schlicht verrückt." (Peter Ustinov)

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"Keines der Kinder bietet mir was zu trinken an"

:hihi: :hihi: :hihi:

töffes, als es wieder in's renngeschehen ging, hat mich echt nichts mehr auf der couch gehalten.
sehr genial! der bericht, der kampf, das ergebnis! :daumen:

bin immer wieder begeistert von dir. und das ende der fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. ich sag nur neues ziel 2011: sub90 :teufel:

aber jetzt erstmal volle konzentration auf den marathon. du hast super trainiert, du kannst extrem beißen und dir ein rennen gut einteilen. mach et! :nick:

bin jetzt schon gespannt, 5 wochen vorher! :zwinker2:

lg und danke für's freitag-abend-alleine-zu-hause versüßen!

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PB: 5km: 21:14 (Juni 2010) - 10km: 43:38 (Juni 2011) - HM: 1:37:39 (Sept. 2010) - M: 3:31:47 (Oktober 2010)

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Du bist abselut mein vorbild und ich werde versuchen morgen genau so schnell zu sein ....
vielen dank für deinen schön langen lauf bericht :daumen:
1:33 ich komme .....
gr aus München Tobi der podenco runner
Unser Lauftreff : Lauftreff München Süd

Bei Facebook haben wir die " Laufen mit Freunden in München und Umgebung ....

WK :
Forstenrieder Parklauf 2013
Mailauf Schalftlarn 2013
Karlfelder Läufercup 2013
München Marathon 2013
Wolfratshausen 2013 ( 10km)
Silvesterlauf MRRC München ( 5Km)

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Der Bericht kommt mir heute gerade richtig. :nick:
Und wie immer hechele ich hinterher. Meine Sub 1:35 erst Anfang September. Im Sommer war es ja zu heiß.
Und schon wieder hast du eine neue Zeit vorgelegt. Zum Glück hast du ja direkt dazugeschrieben, wir eine 1:33 funktioniert. :daumen:
Ich kann dann morgen Abend berichten, ob die Anleitung auch durchführbar ist. :D
Bei uns gibt es keine Berge (zumindest auf der Strecke) , aber evtl. mal wieder Wind...
(Das mit den 3:19 oder was auch immer im Marathon kommt dann nächstes Frühjahr...
Probier du das erst einmal aus. :zwinker2: )
Schöne Grüße,
Pippi

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Hallo,

ein toller Bericht und eine Super Zeit :daumen: . Irgendwann möcht ich auch so schnell laufen :) .

Grüße

hamann35
Stuttgarter Lauf 2013 1:32:49 PB Stadtlauf Öhringen 41,27 PB
Fiducia Baden Marathon Karlsruhe 3:29,46

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Ziele 2013 : Zehner sub 42 41:27 :daumen:
HM 1:33:xx 1:32:49 :daumen:
M 3:29:xx 3:29:46 :daumen:

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Vielen Dank, euch, für die Glückwünsche!
läuferline hat geschrieben: töffes, als es wieder in's renngeschehen ging, hat mich echt nichts mehr auf der couch gehalten.
sehr genial! der bericht, der kampf, das ergebnis! :daumen:

bin immer wieder begeistert von dir. und das ende der fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. ich sag nur neues ziel 2011: sub90 :teufel:
Bis dahin ist aber noch ein bißchen hin.
Aber ich arbeite dran.
läuferline hat geschrieben: aber jetzt erstmal volle konzentration auf den marathon. du hast super trainiert, du kannst extrem beißen und dir ein rennen gut einteilen. mach et! :nick:

bin jetzt schon gespannt, 5 wochen vorher! :zwinker2:
Ich auch. :teufel:
Polster ist knapp. Zielzeit = Traumzeit. Wir werden sehen.
Tobi68 hat geschrieben:Du bist abselut mein vorbild und ich werde versuchen morgen genau so schnell zu sein ....
vielen dank für deinen schön langen lauf bericht :daumen:
1:33 ich komme .....
gr aus München Tobi der podenco runner
Da drück ich aber mal heftig die Daumen, dass du auch dein Ziel erreichen kannst. :daumen:
Pippi L. hat geschrieben:Der Bericht kommt mir heute gerade richtig. :nick:
Und wie immer hechele ich hinterher. Meine Sub 1:35 erst Anfang September. Im Sommer war es ja zu heiß.
Und schon wieder hast du eine neue Zeit vorgelegt. Zum Glück hast du ja direkt dazugeschrieben, wir eine 1:33 funktioniert. :daumen:
Ich kann dann morgen Abend berichten, ob die Anleitung auch durchführbar ist. :D
Bei uns gibt es keine Berge (zumindest auf der Strecke) , aber evtl. mal wieder Wind...
(Das mit den 3:19 oder was auch immer im Marathon kommt dann nächstes Frühjahr...
Probier du das erst einmal aus. :zwinker2: )
Schöne Grüße,
Pippi
Hallo Pippi,
habe im MädelZ-Faden schon von deinem genialen HM gelesen.
Haste direkt toll nachgezogen! Dann hat mein Bericht ja anscheinend schon mal einen Zweck erfüllt. :zwinker5:
Glückwunsch zur tollen Zeit. :daumen:
Und das (gemeinsame) Ziel für 2011 kann ja nur die sub 90 sein, oder? Oder zumindest gaaaaanz nah ran!
Die 3:19 im M. sind knapp. Vor allem, weil es erst der 2. ist.
Aber wahrscheinlich werde ich es versuchen.
hamann35 hat geschrieben:Hallo,

ein toller Bericht und eine Super Zeit :daumen: . Irgendwann möcht ich auch so schnell laufen :) .

Grüße

hamann35
Wenn du weiter so dranbleibst, ist das nur eine Frage der Zeit. Du hast dich schon so enorm gesteigert. Da geht noch mehr.
Manchmal muss man sich einfach "nur" trauen, schnell zu laufen, auch wenn es weh tut.

DANKE auch an die stillen Leser.
Laufberichte schreiben, die keiner liest, macht nämlich keinen Spaß. :zwinker2:

Töffes
"Wer keine Zweifel hat, ist schlicht verrückt." (Peter Ustinov)

7
Klasse Bericht, danke!


"Keines der Kinder bietet mir was zu trinken an"

Sehr geil! :-)
Viele Grüße Dennis

8
Schöner Bericht Töffes. Zwar lang aber kurzweilig :)

Viel Erfolg für FFM!
*********Der Nachschmerz muss ignoriert werden!*********

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Lieber Töffes,
ich glaube, nächstes Jahr werden die Leistungs(fort)schritte doch etwas langsamer. Noch mal 4 Minuten in einem Jahr? Ich weiß nicht, ob das geht. Aber wir werden sehen. Du planst nicht zufällig noch einen Marathon im Frühjahr? In Mainz zum Beispiel? War ja nur so eine Idee...
Ich drücke dir auf jeden Fall erst einmal die Daumen für Frankfurt.
LG
Pippi

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mika82 hat geschrieben:Schöner Bericht Töffes. Zwar lang aber kurzweilig :)
Lang?
Für meine Verhältnisse war der schon eher kurz! :hihi:
Aber kurzweilig ist doch ein schönes Kompliment. Danke.
mika82 hat geschrieben: Viel Erfolg für FFM!
Noch mal Danke. Ich kann in Ffm wirklich alle guten Wünsche brauchen
Pippi L. hat geschrieben:Lieber Töffes,
ich glaube, nächstes Jahr werden die Leistungs(fort)schritte doch etwas langsamer.
Da hast du wohl recht.
Pippi L. hat geschrieben: Noch mal 4 Minuten in einem Jahr? Ich weiß nicht, ob das geht. Aber wir werden sehen.
Es wird schwer. Keine Frage. Aber Träumen ist erlaubt. Und drauf hinarbeiten sowieso! Außerdem sind es ja gar keine 4 Minuten. Nur 3min 40 sec. :zwinker2:
Pippi L. hat geschrieben: Du planst nicht zufällig noch einen Marathon im Frühjahr? In Mainz zum Beispiel? War ja nur so eine Idee...
In Mainz laufe ich nur halb. Marathontraining im Winter, brrr. Aber HM in Mainz ist jedes Jahr gesetzt.
Pippi L. hat geschrieben: Ich drücke dir auf jeden Fall erst einmal die Daumen für Frankfurt.
Das werde ich brauchen können. Danke.

Töffes
"Wer keine Zweifel hat, ist schlicht verrückt." (Peter Ustinov)
Gesperrt

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