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Zug in den Süden, Bottwartal-Halbmarathon 2010

Zug in den Süden, Bottwartal-Halbmarathon 2010

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Ab in den Süden, Bottwartal-Halbmarathon 2010

Großbottwar Update Version 2009? Morgens empfängt mich fast das gleiche Brrr-Wetter wie letztes Jahr. Mich fröstelt es am Parkplatz trotz der dicken Jacke. :frown: Wo sind die am Autothermometer angezeigten 8° hingekommen. Der frische Wind lässt erst gar keine heimeligen Gefühle aufkommen. Die einzig wettertechnische Verbesserung zum Vorjahr ist, dass der graue wolkenverhangene Himmel wenigstens seine Schleusen geschlossen hält. Welch ein Kontrast zu meinem letzten Marathon in Lindau vor genau 2 Wochen. Da brauchte es wie immer einen Anreiz für das heutige Vorhaben. Eigentlich sind es ja mehrere.

Da ich mich nach meinem erfolgreich absolvierten Lauf mit meiner Motivation noch etwas schwer tue und mir mein letztjähriger allererster Marathon und die Nordschleife etwas zu verklärt in Erinnerung geblieben sind, erschien es mit ratsam Körper und Seele an diesem Ort einer neuerlichen Bewährungsprobe zu unterziehen. Sonst stand zu befürchten, dass dieser für mich unvergessliche Lauf samt seiner Nebengeräusche noch mystische Züge annehmen würde.

Meine Befürchtungen eine Dummheit zu begehen, indem ich mich jetzt schon wieder zu einem Marathon angemeldet hätte und diesen mit vollem Ehrgeiz angegangen wäre, konnte ich dadurch vermeiden, dass ein Arbeitskollege einen Mitläufer suchte für seinen ersten Halben. Da man bei seiner Vorbereitung nicht von klassischem Trainingsaufbau sprechen konnte, sondern er eher das Prinzip des „wowbaggerns“ praktiziert hatte, konnte das Ziel nur Ankommen lauten. So richtig wohl war mir bei der Geschichte allerdings nicht. Ich, als Läufer im zweiten Lehrjahr, der bisher genug zu tun hatte sich selbst richtig einzuschätzen sollte jetzt wahlweise als Mentor oder Motivator auftreten. Andererseits war dies die sicherste Voraussetzung nicht versehentlich die Handbremse zu lösen. Also nahm ich die neue Herausforderung mit leichten Bauchschmerzen an. Zudem hoffte ich, dass es mir gelingen würde vor Ort einige der dort startenden, noch unbekannten Foris aus der Runnersworld-Community live und in Farbe zu treffen. :zwinker2:

Mein Schützling und ich hatten ausgemacht uns an der Tanke am Start zu treffen, was irgendwie schiefging und ich immer unruhiger wurde. Auf seinen Wunsch hin hatte ich mich auf die flachere Südschleife nachgemeldet, obwohl ich viel lieber in die andere Richtung wäre.
Unsere Gruppe hatte daher den spätesten Starttermin, damit verband ich eher ungute Erinnerungen. :confused: Aber es half nichts. Nur ganz hinten in der letzten Läuferreihe könnten wir uns vielleicht noch finden. Da ich mal wieder recht spät aus der warmen Kelter wollte, trafen wir uns dann erst unmittelbar vorm Startschuss zur Halbmarathon-Südschleife.

Ich war froh meinen nagelneuen Laufknecht G. dabei zu haben, denn mein Lauftempo kann ich ganz gut abschätzen, aber ich bin in meiner noch jungen Laufbahn bisher stets allein unterwegs gewesen. Es gelingt mir besser als gedacht meinen Halbmarathon-Newcomer anfangs zu zügeln. Den ersten Kilometer sind wir ganz knapp unter 6 Minuten unterwegs und dieses für mich doch ungewohnte Tempo behalten wir mehr oder weniger bei, obwohl mein Schüler als Klassenziel plötzlich eine SUB 2 ins Auge gefasst hat. Aber ich lasse mich nicht beirren und erkläre ihm seine Versetzung sei damit gefährdet. Wenn er bei km 19 unterfordert sei könnten wir gerne wieder über eine verschärfte Gangart reden.

Bei dem Tempo heute kann ich munter drauflos quatschen, normalerweise fehlt mir dazu die Luft. Da dies meinem direkten Gegenüber heute auch so geht artet das Ganze in einen gepflegten Monolog aus. Die Ausnahme bilden kurze positive Rückmeldungen zu meiner Frage: „Wie läuft‘s“, die in einer Endlosschleife abgerufen wird. Nach bevor die ersten 3 Kilometer absolviert sind kommt ganz überraschend schon die erste Tränke, an der wir beinahe vorbeigerauscht wären. Naja nüchtern betrachtet waren wir heute von einem Geschwindigkeitsrausch so weit entfernt wie eine Schnecke vom Aquaplaning.

In Kleinbottwar standen zum ersten Mal etwas Zuschauer und sofort wollte mein Lehrling die Galerie beeindrucken und zog an. Ich ließ ihn erst mal ein paar Meter ziehen bis er sich nach mir umsah. Mein Blick blieb zwar unkommentiert, zeigte aber die erwartete Wirkung. Trotzdem konnte ich nicht ganz verhindern, dass wir zeitweilig durch die Orte schneller wurden, was Kilometerzeiten von 5:50 nach sich zog. Dazu kam, dass ich nun vor Kurven mit dem Fotohandy vorrauslief um ein paar Bilder einzufangen. Auch dies war was völlig neues für mich bei Wettkämpfen.

Zwischenzeitlich hatten wir Steinheim hinter uns gelassen und den Empfang in Murr genossen, Nun führte die Strecke aufs freie Feld. Ich wusste vom letzten Jahr hier wird es richtig monoton und versuchte daher meinem Begleiter Pseudo-Sehenswürdigkeiten schmackhaft zu machen. Ich war froh als die Verpflegungsstelle bei Kilometer 10 kam und ich ein Gel zur psychologischen Kriegsführung weiterreichen konnte. Hoffentlich führt dass jetzt nicht zu inneren Unruhen.

Endlich war die Wendemarke erreicht und wir liefen wieder gemeinsam auf Murr zu. Der eisige Gegenwind war nicht wirklich hilfreich aber laut Garminchen hatten wir „Bergfest“, von nun an ging‘s also abwärts. Etwas Ablenkung verschafften auch die netten Gespräche mit Schicksalsgenossen und die Anfeuerungen einzelner Groupies am Streckenrand. Unser Tempo pendelte sich jetzt automatisch auf einen guten Sechserschnitt ein. Um mir etwas die Beine zu vertreten brach ich ein einige Male aus um voraus zu rennen und zu fotografieren.

Kilometer 15 wurde erfolgreich absolviert; Streckenlängen die mein Halbmarathonersttäter vorher noch nie ausprobiert hatte. Es war daher kein Wunder, dass so langsam die ersten Schmerzen bei ihm auftauchten. Wir waren immer noch knapp 4 Kilometer vom Ziel entfernt, als an uns der Marathonführende vorbeizischte. Dieses Bild vor Augen beflügelte meinen Hilfsbremser die Sache zu Ende bringen zu wollen. Das die SUB 2 außer Reichweite bleiben würde blieb zunächst mein Geheimnis. Ich merkte wie er jetzt kämpfte auf den letzten Kilometern. Zum Glück munterten uns Zuschauer an der Strecke auf. Das Ziel in Sicht hatte aber bei ihm nicht die von mir erwartete Wirkung. Mir schien es als würden wir immer langsamer, je näher wir dem blauen Torbogen kamen. Ich blieb nun beinahe stehen, denn wir hatten ausgemacht gemeinsam durchs Ziel zu gehen.

Das der große Jubel danach bei ihm ausblieb, kann ich nur seiner Erschöpfung zuschreiben. In den Katakomben der Kelter trinken wir unser alkoholfreies „Siegerbier“ als mich mein Kollege nach der Zeit fragt. Upps, ich habe vergessen abzudrücken, aber wir sind deutlich über den 2 Stunden geblieben. Schneller als gedacht möchte der erstmalige Halbmarathon-Finisher nach Hause und funkt seinen Abholservice an. Gedankenversunken bleibe ich zurück. Zum Glück hat alles geklappt, außer einem kräftigen Muskelkater wird der frischgebackenen Halbmarathoni keine weiteren Souvenirs mit nach Hause bringen. Nach einer ausgiebigen heißen Dusche mische ich mich unter die Zuschauer des Laufes. Durch etwas Glück und Mithilfe gelingt es mir tatsächlich mit ein paar bisher unbekannten Gesichtern in Kontakt zu kommen. :hallo: Und das ist für mich heute zum zweiten Mal Neuland. Viel zu schnell vergeht die Zeit miteinander. :)

Als ich mich endlich auf den Heimweg zum Auto mache kommt mir der letzte Marathonläufer, dicht gefolgt vom Besenwagen, entgegen. Auf den letzten Metern wird er begleitet von einem Streckenposten. Ich weiß in dem Augenblick nicht ob ich Bewunderung oder Mitleid empfinden soll und statt Anfeuerungsrufen geht mein besorgter Blick zuerst zum Läufer und dann zum Fahrer des Besenwagens, der nur mit den Schultern zuckt. Laut Ergebnisliste hat dieser Kampf beinahe 6 Stunden und 15 Minuten gedauert.

Bleibt mir als Resümee. Auch 2010 hat Großbottwar bei mir wieder für einige neue Erfahrungen und Eindrücke gesorgt, diesmal abseits der Zeitenjagd. Und das ich es wohl nicht geschafft habe aus meinem Arbeitskollegen einen Wiederholungstäter zu machen. :nene:

P.S. Noch eine Wiederholung: Genau 1 Jahr bin ich jetzt im Forum angemeldet und mein erster Beitrag war der Laufbericht zu meinem ersten Marathon in Großbottwar.
13.04. 12h Lauf Grüntal 53,55k
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin

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Danke für den schönen Bericht, es war sehr nett, wieder ein neues Gesicht zu einem Namen kennenlernen zu dürfen.

Den Besenwagen hab ich auch gesehen als ich so ca bei km37 war, kam er mir entgegen. (Hab ich in meinem Bericht vergessen.) Vor ihm die Läufer gingen und ich fragte mich auch, ob die wirklich noch die letzten 15 km so hinter sich bringen wollten. Die Ausdauer hätte ich bestimmt nicht gehabt.

Auf ein nächstes Mal!

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....aaaach fast hätt ichs wieder verpasst.
Danke für deinen schönen Bericht....Ich hoffe dein "Mitläufer" hat sich gut erholt??
Dass sich Gespräche zu Monologen entwickeln, kenn ich auch....leider immer umgekehrt...
Frage: "Gehts noch??"....Antwort:"....mmmmhhhh"
Ist wohl auf Dauer auch nicht so erfrischend....
:winken:

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Hallo Du Jogger-Flüsterer von Großbottwar, :hallo:

ja es ist ein wirklich gelungener Bericht, den Du uns da geschenkt hast. :daumen:
Noch schöner als der Bericht, war Dich live (wenn auch nur kurz) kennen zu lernen. :nick:

Hoffentlich treffen wir uns schon bald wieder bei einem Lauf im "Wilden Süden".

Gruß
Gutenberg1964 :winken:

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Gutenberg1964 hat geschrieben:Hallo Du Jogger-Flüsterer von Großbottwar, :hallo:

ja es ist ein wirklich gelungener Bericht, den Du uns da geschenkt hast. :daumen:
Noch schöner als der Bericht, war Dich live (wenn auch nur kurz) kennen zu lernen. :nick:

Hoffentlich treffen wir uns schon bald wieder bei einem Lauf im "Wilden Süden".

Gruß
Gutenberg1964 :winken:
Kann ich mich Niko nur anschließen :nick: , außer das wir uns "noch" nicht kennengelernt haben, aber das kommt sicher auch noch :zwinker2:

Gruß Volker
Liebe Grüße,
Volker

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Sehr schöner Bericht. :daumen: Danke dafür.

Bei meinem Arbeitskollegen ist die Monologgeschichte die gleiche - nur dass er erst 5-7km am Stück packt. Ich fühle mich bei ihm an mich vor 2 Jahren erinnert...

...in Tübingen kenne ich den letzten Läufer des Stadt- und Nikolauslauf persönlich und habe einen brutalen Respekt vor seiner Leistung. Nicht nur körperlich (da nicht der sportlichste) ist seine Leistung beeinduckend - auch seelisch! Macht sich doch halb Tübingen sich über ihn lustig :nene:

Freu mich drauf, Dich mal persönlich kennenzulernen...

Grüßle

Philipp

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Endlich bin ich dazu gekommen deinen Bericht zu lesen :daumen:
schauläufer hat geschrieben:... mische ich mich unter die Zuschauer des Laufes. Durch etwas Glück und Mithilfe gelingt es mir tatsächlich mit ein paar bisher unbekannten Gesichtern in Kontakt zu kommen. :hallo: Und das ist für mich heute zum zweiten Mal Neuland. Viel zu schnell vergeht die Zeit miteinander. :)
Schön, dass wir uns endlich mal getroffen haben :nick:

Gruß,
Gero
Gesperrt

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