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Stadsloop Kerkrade 24.10.2010

Stadsloop Kerkrade 24.10.2010

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Mein Training beginnt grundsätzlich vor der Haustür. Der Gedanke, mich erst in ein Auto zu setzen, um einer sportlichen Tätigkeit zu frönen, erscheint mir irgendwie merkwürdig. Bei Wettkämpfen ist das leider etwas anderes. Die finden grundsätzlich sonstwo statt und nicht in unserem beschaulichen Örtchen. Aber man ist ja gern bereit, für ein bißchen Spaß an der Freud‘ auch die eisernsten Prinzipien über Bord zu werfen. Diese Art von Opfermut wird gemeinhin als Pragmatismus bezeichnet.

Also habe ich mir eines geschworen: Bei Wettkämpfen sollen An- und Abfahrt nicht signifikant länger dauern als der Lauf selbst. Das Gummiwörtchen „signifikant“ ist in diesem Fall die Hintertür, die in bestimmten Fällen zur Not den erforderlichen Spielraum läßt, um nicht als typisch deutscher Korinthenkacker zu gelten. Ausreizen werde ich diesen Spielraum kaum jemals: Selbst wenn ich Haile hieße, würde ich immer noch gut ein halbes Dutzend Marathons innerhalb des Limits vorfinden. So sehr ist Laufen mittlerweile zur Massenware geworden.

Bisher bin ich ja eher beschauliche Distanzen gelaufen: Halbmarathon und so. Also nichts, was den Puls nennenswert in Wallung bringt. Nun aber sollte es mal eine höhere Schlagzahl sein, und dafür habe ich mir beim Stadsloop in Kerkrade die 10.000 m ausgesucht. Die Fahrtdauer ist angesichts der angestrebten Zielzeit von 41:30 noch vertretbar.

Der Parcours führt vom Marktplatz in einer kleinen und vier größeren Runden mitten durch die Stadt. Für niederländische Verhältnisse geht es in dem südlimburgischen Provinzstädtchen geradezu alpin zu, insgesamt sind gut 100 HM zu überwinden. Außerdem muß man diverse Male recht scharf abbiegen, der allerschnellste Kurs ist es also nicht. Es fällt also nicht schwer, sich ein eventuelles Scheitern an der Zielzeit schon mal präventiv schönzureden.

Startnummern gibt es im Rathaus (typische Puppenhausarchitektur), Toiletten natürlich im benachbarten Café. Da in den Niederlanden jedes zweite Gebäude ein solches Etablissement beherbergt, bietet sich das ja auch an. Der Niederländer als Angehöriger einer ehemals großen Seefahrernation ist auch heute noch wind- und wettergegerbt, und so sitzt er denn auch später während des Laufes bei strahlendem Sonnenschein, 5°C und Windstärke 4 draußen im Straßencafé und prostet uns Vorbeihastenden mit seinem Koffie verkeerd zu.

Das Startfeld ist überschaubar: Knapp 150 Läufer/innen drängen sich durch die Straßen der Altstadt. Dummerweise habe ich den Aufruf zur Startaufstellung zu spät mitbekommen und muß vom Ende des Feldes loslaufen. Das bedeutet einen knappen Kilometer sehr gemütlichen Joggens in der Menge und etliche Gemsensprünge im Zickzack, bevor es endlich richtig losgehen kann. Dann aber wird das Feld zusehends übersichtlicher, und irgendwann befindet man sich fast allein auf weiter Flur. Allerdings nie so einsam, daß da nicht noch irgendwo ein direkter Vordermann wäre, nach dem man sich strecken kann. Das Spitzenfeld ist ja ohnehin längst weg, bis auf zwei, die mich später noch überrunden.

Bei dem, was die Kapelle von sich gibt, scheint es sich um alte Geusenkamellen aus dem 80-jährigen Krieg zu handeln. Merck toch hoe sterck meine ich wiederzuerkennen. Passen würde das, denn gerade dieser Tage jährt sich zum 388. Mal Louis de Velascos vergeblicher Versuch, die Stadt Bergen op Zoom zu erobern. Ich singe das Lied beim Laufen vor mich hin, bis ich bei der letzten Strophe stutze. Der martialische Text artet zum Spottlied wider die spanischen Truppen und ihre Anführer aus: „Cordua kroch schleunigst fort, sah für sich nichts mehr zu gewinnen. Don Velasco lief verstört davon, der Flachs ließ sich nicht spinnen (d.h. für ihn gab es keinen Blumentopf zu holen).“ Ob das wirklich das Rechte ist für einen Laufwettkampf? Egal. Die Kapelle ist sowieso längst wieder außer Hörweite. Gerade geht es aufs Neue am Grüngürtel entlang bergab zum Bahnhof, dann nach einer scharfen Kehre wieder ins Zentrum, wo ich an jeder Ecke von wildfremden Leuten beklatscht und angefeuert werde, als hätten die sich eigens meinetwegen hier versammelt. Das beflügelt.

Kurz vor dem Marktplatz steht am Rand ein Streckenposten mit einem Block und ruft mir zu: „Letzte Runde, M….“ Und zwar auf Deutsch. Welch ein Service! Sowas beschämt mich immer wieder ein wenig. Dabei wimmelt es gerade hier in Grenznähe von Angehörigen meines immer wieder gern über die mangelnde Integration der anderen diskutierenden Volkes, die sich hier wegen der günstigen Grundstückspreise niedergelassen haben, kein Wort Niederländisch können und selbstverständlich davon ausgehen, daß die Eingeborenen sich ihnen sprachlich anzupassen haben.

Hinter dem Ziel begegne ich nach jeder Runde denselben aufmunternd lächelnden Damen, die mir ihre gefüllten Becher entgegenhalten, die ich dankend ablehne. Erfreut registriere ich aber, daß es sich anscheinend um Pappbecher handelt. Meiner Meinung nach sollten die bei Laufveranstaltungen generell eingesetzt werden. Sie haben gegenüber Plastik den Vorteil, daß man sie nach Gebrauch zusammenknüllen und sehr zielsicher in die aufgestellten Speiskübel werfen kann. Plastikbecher werfen sich schlecht, werden schnell vom Winde verweht, und es ist eine Zumutung für die ehrenamtlichen Helfer, sie hinterher wieder einzusammeln. Einmal habe ich erlebt, wie hunderte dieser Dinger im Naturschutzgebiet umherlagen, in einem Hochmoor, in dem normalerweise nicht mal Wissenschaftler ohne Sondergenehmigung die Wege verlassen dürfen. Grauenvoll!

Die Kapelle entwässert gerade zwischen zwei Stücken ihre Tröten. „Dank jullie voor de muziek“ presse ich im Vorbeilaufen hervor. Inzwischen kenne ich jede Kurve beim Vornamen. Beim Laufen habe ich das Gefühl, daß mir die Gesichtszüge mit der Zeit ein wenig entgleisen. Also schnell wieder die Mundwinkel hochgezogen. Schließlich ist man ja eitel und muß überall mit Heckenschützen rechnen, die ihre Jagdstrecke hinterher gigapixelweise im Internet präsentieren.

Eigentlich kann ich gar nicht mehr. Aber irgendwie bin ich dem Publikum einen zünftigen Endspurt schuldig. Also den Atemrhythmus von 3-3 auf 2-2 verkürzt – und siehe da, es geht, die Beine fliegen noch einmal wie von selbst davon, und zum Schluß wäre ich fast noch auf den Vordermann aufgelaufen. Hinter dem Ziel reicht man mir ein Paar Finishersocken. Sogar in der passenden Größe, wie ich anerkennend feststelle. Bis zuletzt hat hier also einfach alles gestimmt.

Der Blick auf die Uhr zeigt, daß ich meine Zielzeit um eine halbe Minute unterboten habe. Höhenmeterbereinigt und nach Abzug des Zeitverlustes beim Start wäre die Zeit regelrecht blendend ausgefallen. Am Nachmittag sehe ich bei der Durchsicht der Zieleinlaufliste, daß ich unter den Vor-Vorruheständlern meiner Altersklasse vierter geworden bin – drei Sekunden hinter dem Dritten! Naja, man muß sich ja auch fürs nächste Mal noch ein paar Ziele lassen…

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Hallo,

vielen Dank für Deinen interessanten Bericht. Glückwunsch auch zur Zeit und der Platzierung! Wollte eigentlich wissen, wie man hier die Zeit bewerten kann?

Waren das tatsächlich 100 Höhenmeter? Pro Runde 25? Ich weiss auch nicht, wie genau der Lauf vermessen ist. Eine Startlinie die knapp hinter der Ziellinie liegt, macht mich immer skeptisch. Aber egal. Ich bin mit 40:04 km knapp an der sub40 gescheitert. Dummerweise zeigte mein Forerunner einen Schnitt von 3:58/km an. Es waren keine Kilometermarkierungen vorhanden so dass man es hätte besser einsortieren können. Ich habe mich nur daran orientiert, dass ich gut unterwegs sein musste, da ich mit Läufern zusammengelaufen bin, die locker sub 39 laufen können. Daher bin ich sehr zufrieden ohne genaueres zu wissen. Ich fand den Lauf aber auch sehr gelungen. Es hat Spass gemacht. Nur die Steigungen waren für mich grenzwertig. Dafür ging es ja lange bergab und man konnte wieder gut Gas geben. Wind habe ich nicht gespürt. War tatsächlich bft 4??

Deiner Zeit nach sind wir ja fast zusammen gelaufen.

Gruß aus Herzogenrath
Stormy

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Hallo,

danke gleichfalls! Du warst also einer von diesen knallroten Typen, denen ich auf Schritt und Tritt über den Weg gelaufen bin, weil Ihr so viele wart. :) Während des Laufes selbst dürften wir eher nichts voneinander gesehen haben. Eine Minute sind ja immerhin 250 Meter. Andererseits meine ich mich zu erinnern, daß da gut 100 Meter vor mir ein Roter war, der dann aber auf der 2. Hälfte der letzten Runde immer schneller wurde und schließlich weg war. Vielleicht warst Du's ja.

Tja, die Strecke und die Zeit... Auf der Veranstalter-Website gibt es ja diesen Link auf den 10km-Kurs. Der wurde mit Garmin FR 205 abgelaufen und dann exportiert. Im Bereich Grupellostraat (die letzte Steigung vor der Richtung Markt zurückführenden Hoofdstraat; recht schmale Straße mit relativ hohen Gebäuden) siehst Du die Linien teilweise im Abstand von mehr als 20 m nebeneinander herlaufen. Dazu kommen Kurven, wo kein vernünftiger Mensch welche laufen würde. Die Abweichungen verlaufen außen wie innen gleichermaßen, so daß sich wohl ein ganz guter Mittelwert ergibt. Die Höhenangaben habe ich von derselben Seite.

Meinen Erfahrungen nach sind solche GPS-Daten (vor allem was die Höhe betrifft) meistens eher leicht unter- als übertrieben. Ich glaube also nicht, daß wir Sorge haben müssen, unsere Leistungen überzubewerten.

Das mit dem Wind kommt tatsächlich hin. Ich habe es auf dem Weg zum Start und während des Warmlaufens am oberen Ende der Innenstadt gemerkt. Später hat der Wind sich dann aber entweder ein wenig gelegt, oder ich habe beim Laufen einfach nichts mehr davon mitbekommen.

Eine Kilometrierung hatte ich nach einem Blick im Internet auf den Kurs gar nicht erwartet. Bei den recht krummen Rundenlängen, verbunden mit unterschiedlich langen "Vorrunden" für 5000 bzw. 10000 m hätte eine entsprechende Beschilderung wahrscheinlich eher für Verwirrung als für Klarheit gesorgt.

Apropos Vorrunde: Einen Verbesserungsvorschlag für die Veranstalter hätte ich tatsächlich, und zwar aufgrund der Erfahrungen mit dem drängeligen Start, der mich bestimmt eine halbe Minute gekostet hat (ja, ich geb's zu: In meinem Größenwahn hatte ich insgeheim mit sub40 geflirtet): Man startet einfach hinter dem Ziel, läßt die Vorrunde zweimal laufen und mißt die Zeit vom ersten Zieldurchlauf an. Dadurch wird das Startfeld schon mal ein wenig entzerrt, und man findet eher sein Tempo.
Stormbringer hat geschrieben:Nur die Steigungen waren für mich grenzwertig.
Jaja, die Kohlscheider... Hier in Kornelimünster muß man öfter mal rauf und runter, wenn man nicht auf dem Vennbahnweg versauern will.

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Knallrot waren nur unsere Damen, ein Vater-und-Sohn-Paar (41:3x) und ich (40:04). Zwei weitere männliche Starter des Vereins waren neutral gekleidet (35 und 37'). Wenn es einer meines Vereins war, muss ich es dann gewesen sein.

Meine Zeit kann ich schon recht gut einschätzen. Vor 4 Wochen bin ich in Mönchengladbach auf DLV-vermessener flacher Strecke 39:16 gelaufen. Vor zwei Wochen in Eindhoven 1:27:00 auf HM, was gut zu der 10er Zeit passt. Ich muesste jetzt eigentlich ca. 1 Minute schneller laufen können, also eine 39:0x. Das muesste bei Dir dann auch gehen. Vielleicht findest Du ja noch einen WK für die sub 40. Ende November in Wegberg ist es immer schnell, wenn es nicht allzu sehr windet.
aghamemnun hat geschrieben:Jaja, die Kohlscheider... Hier in Kornelimünster muß man öfter mal rauf und runter, wenn man nicht auf dem Vennbahnweg versauern will.
:hallo: Auch wir laufen profilierte Strecken. Unserer Wurmtalstrecken zum Beispiel sind schon hügelig. Grenzwertig meinte ich in dem Sinne: Man läuft am Limit und versucht nicht zuviel Speed zu verlieren. Ich persönlich freue mich wieder sehr auf den Winterlauf. In der Marathon-Vorbereitung haben mir auch die Rur-Eifel-Cup-Läufe in der Eifel und der Monte-Sophia Spass gemacht. Aber Du hast schon recht und weiss ja auch wie es gemeint ist. :D
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