Kann schnell laufen als schwere Geburt empfunden werden? So jedenfalls klingen diese Lautäußerungen direkt vor mir. Pressen möchte ich rufen. Aber dazu mir fehlt gerade der Atem. Ich befinde mich auf der zweiten Runde des 10 km Laufes von Schwaikheim als ich unfreiwillig Zeuge dieser geburtsvorbereitenden Hechellaute werde. Je länger ich unfreiwillig hinter dieser Läuferin verweilen muss, desto abstruser werden meine Gedanken . So etwas Ähnliches habe ich doch schon mal gehört. Hirschbrunft? Monica Seles? Dolly Buster? Okay ich gebe es zu. Ich kann es nicht mehr vermeiden so langsam bekommt mein Kopfkino lüsterne Anwandlungen die alles andere als jugendfrei sind. Schande, bin ich auch nur ein Mann? Ich versuche den Abstand zur Läuferin zu verringern und den Blick in die Ferne zu richten. Denn direkt vor mir sehe ich ein halb über die hintere Extremität verrutschtes gelbes Startnummernband. Oh Schauläufer, so war das nicht gemeint mit deiner Vorliebe für landschaftlich reizvolle Läufe. Wie konnte es nur soweit kommen, dass ich mitten in einem Rennen vom Pfad der Tugend abweiche.
Dabei hatte alles so entspannt begonnen am Nachmittag. Der Start war für 15.30 Uhr angesetzt. Ich konnte also in aller Ruhe nach meiner Nachmeldung die Startvorbereitungen treffen. Die Strecke mit einer Höhendifferenz von jeweils ca. 60 Metern sollte laut Flyer 2-mal durchlaufen werden. Laut Streckenprofil bis kurz vor Kilometer 3 beständig aufwärts und dann wieder auf die Ursprungshöhe zurück. Dass es sich dabei um eine klassische Pendelstrecke handelt hab ich erst während des Rennens gecheckt.
Die Bruttozeitmessung sollte über einen Schuhtransponder erfolgen, also schaute ich dass ich so zirka in der Mitte der 274 Starter mein Plätzchen fand. Alles lief ganz entspannt ab, es wurde um mich geschnattert was das Zeug hielt. Anscheinend traf sich der halbe Flecken hier zum Saisonausklang. Der Start wurde dann als Countdown herunter gezählt. Endlos kam mir die Zeit vor bis zum Erreichen der offiziellen Startlinie und dann steckte ich im Getümmel fest. Viel zu eng wurde es als es am Ende des kurzen Straßenstückes in einen Feldweg überging. An einem Drachensteigerlasser vorbei jagen wir den Hügel hoch. Es ist eine lange Gerade. Zum Glück muss ich das Feld vor mir immer im Blick behalten, so dass wenig Zeit bleibt sich frustrierenden Gedanken zum weiteren Verlauf der Strecke zu machen. Trotzdem habe ich das Gefühl dieser Anstieg nimmt kein Ende. Es dauert Lichtjahre bis endlich ein Richtungswechsel kommt, was aber an der Tatsache nichts ändert das es weiter stetig bergauf geht.
An einer Baumgruppe stehen ein paar private Fans die ihre Lieblinge anfeuern. Das tut mir jetzt auch ganz gut, bei dem Gedanken diesen Aufstieg nochmals nehmen zu müssen. Eigentlich ist es ja ein herrlicher sonniger Herbsttag im zweistelligen Temperaturbereich. Wenn nur nicht dieser blöde Gegenwind stören würde, jetzt wo die freie Anhöhe erreicht ist. Unvermittelt kommt die Begegnung mit dem entgegenkommenden Führungsrad. Alles drängt sich nun noch mehr auf die rechte Seite, damit die Führenden an uns vorbeipreschen können. Ganz schön haarige Situation.
Wenigstens ist es nun nicht mehr weit bis zur Wendemarke die durch eine mittig auf dem schmalen Weg stehende Pylone markiert ist und die gegen den Uhrzeigersinn umrundet werden muss. Da heißt es volle Pulle Tempo rausnehmen. Von nun an geht‘s bergab. Moralisch aufbauend ist, dass mir jetzt die Läufer begegnen die noch länger ins Ziel haben als ich. Ich hab mich ja noch immer nicht so ganz entschieden, ob ich nun meine Kräfte schonen soll und die zweite Runde zum Jahresabschluss gemütlicher angehe oder versuchen soll nochmals an meiner Bestmarke von Ludwigsburg aus dem letzten Jahr kratzen. Wobei der hügelige Kurs dafür alles andere als ideal erscheint.
Ich beschließe abwärts einen Zahn zuzulegen, der Gefahr bewusst beim Wiederanstieg dafür eventuell bitter bezahlen zu müssen. Aber das Risiko ist es mir Wert. Nicht umsonst habe ich heute mein giftgrünes Trikot an mit der rückwärtigen Kampfansage an den Wellnessbereich. Der Zieleinlaufsprecher ist schon mit der Vermeldung von Zwischenzeiten zu hören, als die schnelle Truppe wieder in Sichtweite kommt. Der untere Umkehrpunkt bei Halbzeit wurde an den Straßenverlauf im Ort angepasst und fällt bedeutend weniger eckig aus. Und dann geht‘s wieder raus aufs freie Feld. Ich merke nun deutlich wie ich kämpfen muss. Mental und körperlich bin ich jetzt am Tiefpunkt. Es kann nur aufwärts gehen. Und es geht aufwärts, und wie. Lust und Luft lassen merklich nach. So kann dass nichts werden mit einer guten Zeit. Noch weiter entfernt als bei der ersten Runde erscheint mir die lange Gerade bis zum Horizont und ich warte sehnlichst auf den Abzweig. Wie lange noch bergauf?
Aber irgendwann gab’s auch wieder Gegenverkehr und kurz darauf die Wendestelle am höchsten Punkt der Anhöhe. Jetzt hieß es laufenlassen bis ins Ziel. Ja und dann nahm ich diese frei herausgelassenen, animalisch wirkenden Urlaute wahr. Ab dem Zeitpunkt war mir nicht mehr klar ob mein hochroter Kopf nur von der körperlichen Anstrengung herrührte. Mit letzten Kräften schaffte ich es dann doch noch, nach vorne aufzuschließen und mit Blick stur geradeaus langsam vorbeizuziehen. Zum Glück konnte keiner meine unkeuschen Gedanken lesen.
Man konnte nun das Ziel riechen und ich schaute vorsichtig auf die Uhr. Ganz die Superzeit war nicht mehr zu schaffen aber ich wollte dieses Rennen mit Würde zu Ende bringen. Wer weiß wie viel Kraft mir meine sündigen Gedankenspiele geraubt haben. An einen Spurt auf den letzten Metern war jedenfalls nicht mehr zu denken. Vielmehr überholten mich noch einige Läufer angefeuert von ihren persönlichen Streckenposten. In einem engen Zielkanal mündete die heutige Schinderei. Die Läufer die mich gerade degradiert hatten blieben unvermittelt stehen, noch bevor meine ermatteten Füße die Zielmatte berühren konnten. Da war ich etwas genervt zu der Dame vor mir . Das sollte aber noch mein Glück sein, denn als in der Stadthalle später die Ergebnislisten ausgehängt wurden fehlte mein Name. Oh, nein dasselbe wie bei meinem allerersten Wettkampf wollte ich nicht noch mal erleben. Also zur Wettkampfleitung marschiert und meine handgestoppte Zeit vorgelegt. Ja ob ich denn wisse wer vor mir ins Ziel eingelaufen sei wurde ich gefragt. Natürlich kannte ich keinen der Ortsansässigen. Da fiel mir meine kleine Begebenheit von vorhin wieder ein und ich konnte dann die Läuferin vor mir insoweit beschreiben, dass meine Zeit vom Typ Eigenmarke nach ihr in die Wertung eingereiht wurde. Somit mussten alle Listen nochmals neu erstellt und gedruckt werden und es dauerte dann noch ewig bis ich eine grüne Urkunde mein Eigen nennen konnte.
Alles in allem war es eine schöne Nachmittagsbeschäftigung mit ein paar undefinierbaren Nebengeräuschen für die es eigentlich heißen müsste: Ein Gentlemen genießt und schweigt.
Sündig stöhnen á la Seles, 10 km Lauf in Schwaikheim
113.04. 12h Lauf Grüntal 53,55k
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin