Kleiner Kobolt Light, auf dem Rheinsteig von Rengsdorf nach Bonn, 106 km, 3350 HM, max. 24h
auch als pdf-Fotobericht hier
Es ist Anfang Dezember, besinnliche Vorweihnachtszeit, Köln ist seit einer Woche eingeschneit und bei den andauernden Minustemperaturen ist so schnell nicht mit einem Verschwinden der weißen Pracht zu rechnen. Richtig schön sieht’s aus, wenn man sich das so aus dem warmen Wohnzimmer betrachtet ...
Mit einem sehr mulmigen Gefühl habe ich mich heute Vormittag auf den Weg nach Rengsdorf bei Neuwied gemacht. Jetzt stehe ich hier am Start zum „Kleinen Kobolt light“, zusammen mit sieben anderen Läufern. Unser Ziel ist Bonn, unser Weg ist der Rheinsteig, ein Wanderweg über die Höhen des Mittelrheintals, Zeitvorgabe maximal 24 Stunden.
Vom Wetter her werden wir in mehrfacher Hinsicht ganz großes Glück haben. Statt -13°C, wie in den Vortagen, werden die Temperaturen nur bei knapp unter 0°C liegen. Damit kann man beim Laufen gut klar kommen. Und es wird die ganze Zeit trocken bleiben, obwohl viel Niederschlag angekündigt war. Das macht es natürlich viel einfacher. Die Schneehöhen sind auch nicht höher als in Köln, 5 -10 cm. Insgesamt kann man auf der Schneeunterlage ganz gut laufen. Vor allem bergab muss man natürlich vorsichtig sein, aber es ist nicht zu glatt. Und nachts hat der Schnee einen ganz großen Vorteil, dadurch ist es richtig hell. Eine Lampe braucht man natürlich schon, aber auch ohne kann man von der Umgebung sehr viel erkennen.
Neben der Light-Version gibt es auch eine Voll-Version des Kleinen Kobolt, für die richtigen „Profis“. Diese sind 3 Stunden vor uns etwa 35 km weiter südlich in Koblenz gestartet, dürfen also insgesamt 140 km laufen, mit 4400 HM. Hier ist das Läuferfeld etwas größer als bei uns, aber mit etwa 25 Mann auch noch sehr überschaubar.
Für mich persönlich ist das Ziel „nur“ in Bonn anzukommen, innerhalb der Zeitvorgabe. Mit dem gleichen Ziel gehen auch Markus und Susanne an den Start. Markus kenne ich hier aus dem Forum. Susanne ist eine richtig gute Ultra-Läuferin, z.B. hat sie in diesem Jahr die TTdR gefinished. Aber sie hat sich erst vor ein paar Tagen entschlossen, den Kobolt mitzumachen, ohne richtige Vorbereitung. Deshalb will auch sie es eher „kontrolliert gemütlich“ angehen lassen.
Pünktlich um 14:00Uhr erfolgt der Start. Die schnelleren setzen sich schnell nach vorne ab. Es geht hinein in den Wald, runter zur Wied und dann wieder hoch und dann immer an den Randhängen des weiten Neuwieder-Beckens in Richtung Rhein. Unser Grüppchen funktioniert tatsächlich gut und wir werden bis nach Bonn gemeinsam laufen. Ein gemeinsames Tempo ist schnell gefunden. Hinab nach Neuwied bieten sich einige prächtige Ausblicke in das hier sehr breite Rheintal. Die Temperaturen sind beim Laufen angenehm, ab und zu lässt sich sogar die Sonne blicken. Wir kommen gut voran. Die Wege sind abwechslungsreich, meist geht es rauf und runter, nur selten flach, und das wird auf dem ganzen Weg nach Bonn so bleiben. Berghoch ist es meist zu steil zum Laufen und bergrunter bei diesen Schneeverhältnissen oft auch.
Mit einsetzender Dämmerung erreichen wir den Rhein bei Leutesdorf. Hier wird das Rheintal wieder enger. In Andernach, auf der gegenüber liegenden Seite, leuchten die ersten Lichter. Dann wird es schnell Dunkel. Wir packen unsere Lampen aus und weiter geht’s. Gut, dass ich die Strecke ab hier im Herbst in mehreren Etappen schon einmal gelaufen bin. Das erspart uns größere Umwege, denn manchmal ist die Wegführung des Rheinsteigs sehr überraschend und wenn man unaufmerksam ist, dann ist man schnell einmal an einer Abzweigung vorbeigelaufen.
Es geht im bunten Wechsel durch Weinberge und Wälder, hinab in kleine Seitentäler, durch kleine Dörfer hindurch und wieder hinauf, über Wiesen, durch Wälder, vorbei an Burgen oder Weingütern und natürlich immer rauf und runter. Da wo größere Orte sind, da ist das Rheintal meist auch breiter. Hier entfernt sich der Rheinsteig etwas vom Rhein und bleibt an den Hängen. Es bieten sich immer wieder tolle Ausblicke auf das Rheintal und die beleuchteten Städtchen.
In Rheinbrohl erwartet uns der erste Verpflegungspunkt. Vorher müssen wir auf der Höhe an einem Bauernhof vorbei, für den es eine Warnung vor einem frei laufenden Wachhundes gab. Eigentlich geht hier der Rheinsteig quer über den Hof, aber der Hund soll das anders sehen. Als wir uns dem Hof nähern, hören wir ihn bellen, aber das gedämpfte Bellen bedeutet, dass er im Haus ist. Puh, Glück gehabt. Beim Durchqueren des Hofs werden wir von der Bäuerin kurz beschimpft, dass das hier Privatgelände ist, aber da sind wir auch schon durch.
Kurz danach haben wir von der Hammersteiner Ley einen tollen Blick fast senkrecht hinunter zum Rhein. Hier pfeift der Wind so richtig und wir bekommen ein Gefühl, wie das ganze bei tieferen Temperaturen gewesen wäre. Einen Tag früher wäre das tatsächlich eine richtige Polarexpedition geworden. In Rheinbrohl ist die lang ersehnt erste Verpflegungsstelle direkt am Ortsanfang. Wir werden freudig begrüßt und freuen uns auf ein warmes Süppchen. Auch klasse was hier sonst noch alles aufgefahren wird. Wir setzen uns kurz hin, stärken uns und füllen Getränke nach, denn die nächste Station kommt ja erst in etwa 25 Kilometern im Kasbachtal kurz nach Linz.
Dann geht es aber auch schon weiter, in gewohnter Form immer rauf und runter, erstmal um Bad Hönningen herum, dann mal ein längeres Stück dicht am Rhein entlang und dann wieder hinein in ein kleines Seitental und auf der anderen Seite wieder heraus. Linz kommt in Sicht und sieht schon ganz nah aus, wäre es auch, wenn man den direkten Weg nehmen würde … ;-) … aber irgend wann erreichen wir dann Linz, mitten in der Nacht. Hier geht der Rheinsteig quer durch die Altstadt mit den malerischen Häusern. Der Weihnachtsmarkt hat schon lange geschlossen, natürlich auch die anderen Geschäfte, nur eine Kneipe hat noch geöffnet. Wir verzichten darauf, dort kurz einzulaufen, denn die nächste Verpflegungsstelle ist nicht mehr weit.
Kurz hinter Linz werden wir von Rick und Hans-Peter, den Führenden des langen Kobolts, überholt. Die sehen noch richtig frisch aus und sind auch deutlich schneller unterwegs als wir. Wir laufen ein Stückchen gemeinsam und quatschen ein bisschen und schon haben wir eine Abzweigung verpasst … ;-)
Bei der nächsten Verpflegungsstelle werden wir auch wieder freundlich in Empfang genommen. Hier konnten wir Wechselklamotten deponieren. Da das Wetter bislang kein Problem darstellt, bleibe ich so wie ich bin. Ich werfe aber Ballast ab, denn ich hatte noch einige warme Sachen für den Notfall im Rucksack, die ich in den restlichen Nachtstunden auch nicht mehr brauchen werde.
Frisch gestärkt geht’s weiter hinauf zur Erpeler Ley, einem beliebten Aussichtsfelsen hoch über Erpel und weiter in Richtung Siebengebirge. Den Rest der Nacht verbringen wir mit Hinauf- und Herablaufen im Siebengebirge. Hier sind die höchsten „Berge“ des ganzen Rheinsteigs zu bewältigen und die Rampen hinauf sind deutlich länger als die bisherigen Anstiege. Wir kämpfen uns tapfer durch alle Tiefen und Höhen hindurch. Vom Rhein ist die ganze Zeit nichts zu sehen, dafür Wald, Wald und Wald. Die Müdigkeit macht mir zunehmend zu schaffen und zwischendurch habe ich eine Phase, wo ich das alles zum Kotzen finde. Doch dann sind wir irgendwann oben auf dem Löwenberg und von hier geht’s hinab nach Rhöndorf, am Fuße des Drachenfels, unserem nächsten Verpflegungspunkt.
Den erreichen wir im Morgengrauen. Endlich Pause, endlich sitzen, endlich etwas Warmes trinken. Am Verpflegungspunkt holt uns Norbert ein, der Drittplatzierte beim langen Kobolt. Auch er sieht noch richtig gut aus. Essen, trinken, Getränke auffüllen, dann geht es weiter auf die letzte Etappe. Es wird langsam hell, als wir uns auf den steilen Anstieg hinauf zum Drachenfels auf machen. Mit der Helligkeit verschwindet die Müdigkeit und die Stimmung steigt.
Oben auf dem Drachenfels bietet sich der gewohnte grandiose Ausblick auf das Rheintal. In Richtung Norden sieht man Bonn schon ganz nah. Aber wir nehmen natürlich nicht den direkten Weg, sondern machen ein paar Schlenker, z.B. über den Petersberg, gut zu erkennen an dem ehemaligen Gästehaus der Bundesregierung oben auf dem Gipfel. Hier geht es noch einmal ein längerer steiler Weg hinauf, dann haben wir aber das gröbste geschafft. Oben angekommen ist klar, jetzt kann uns nichts mehr aufhalten und wir werden es bis ins Ziel schaffen.
Mit unserem Tempo lagen wir eigentlich immer gut in der Zeit, so dass da auch gar kein Stress aufkam. Unsere Gruppe war total harmonisch, es gab überhaupt keine kontroversen Diskussionen, irgendwie hat das alles super zusammen gepasst. Das letzte Stück bis nach Bonn zieht sich dann doch noch etwas hin, aber irgendwann biegt der Weg dann nach links ab, hinein ins Bonner Stadtgebiet und hinunter zum Rhein. Jetzt nur noch ein Stückchen am Rhein entlang und dann erreichen wir das Ziel. Juhu, gut 23 Stunden haben wir gebraucht.
Jetzt schnell ins Warme. In einem Fitness-Center haben wir einen separaten Raum, wo wir noch gemütlich zusammen sitzen und uns stärken können und auch da lässt die Verpflegung keine Wünsche offen und freundliche Helfer kümmern sich um uns. Gemeinsam warten wir auf die noch ausstehenden Läufer des langen Kobolts und lassen einen schönen, langen, anstrengenden, erlebnisreichen Tag gemütlich ausklingen …
Fazit: Klasse Lauf, klasse Strecke, klasse Wetter und vor allen eine klasse Laufgruppe, danke Susanne und Markus für die überaus angenehme Begleitung. Damit geht mein Laufjahr zu Ende und ich kann jetzt mit viel Freude auf drei Laufjahre zurück blicken, auf 2 Ultralaufjahre und auf zehn 100+km „Läufe“, den schnellsten allerdings „nur“ in 13:40h, aber für einen „Hobby“-Ultraläufer bin ich damit sehr zufrieden. Ich verabschiede mich dann mal in den wohlverdienten Winterschlaf …
Gruß, Manfred
Kleiner Kobolt - mein Rheinsteig Wintermärchen
12022: erledigt: G1-Grüngürtel, Kölnpfad 100k, Burginsellauf Delmenhorst 24h Staffel(!), Mega Marsch Köln (63k) ... geplant: nix