So, jetzt können die Motivationskünstler ja keinen Schaden mehr anrichten, deswegen gibt es für diejenigen, die es interessiert, den Abschlußbericht.
Marathon Debut 2.10.2011 in Köln
Die Anreise
Nachdem ich Samstag Abend alles Notwendige auf unserem Küchentisch zusammengelegt hatte, konnte es Sonntag Morgen endlich los gehen. Um 07:30 Aufstehen, das Frühstück bestand aus einer Tasse Kaffee und 2 Weißbroten mit Honig. Drei der vier Trinkflaschen wurden mit Ultra Sports Buffer angerührt, eine wurde nur mit gesalztem Wasser befüllt. Dazu kamen 2 Flaschen Wasser zu 0,75l mit Ultra Sport Buffer und eine weitere Flasche nur mit gesalztem Wasser.
So ging es dann zum Düsseldorfer Bahnhof. Zum Glück fand ich noch einen kostenlosen Parkplatz, und trank die erste Flasche noch am Bahnhof leer.
Der Zug war überfüllt, so dass ich bis Köln stehen musste...
An der Köln-Messe angekommen herrschte schon reges Treiben. Am Start wurden immer wieder Sportler auf den Weg geschickt, die ersten Halbmarathonis kamen schon zurück, so dass es sehr voll war. In den letzten drei Jahren war ich auch einer von ihnen, und sah nach meinem Zieleinlauf immer die Marathonis zum Start gehen.
Der Start
Als Debutant startet man ja immer im letzten Startblock. Allerdings sind das so viele, so dass sich das orangene Feld auf zwei Strassenseiten verteilt, die nacheinander starten. Ich fragte nach dem Block, der zuerst startet, und das war der linke, wo erheblich weniger Läufer standen, weil er auf der gegenüberliegenden Seite lag. Die Temperatur war schon ordentlich warm (es sollte später 27°C werden), und Sabrina Mockenhaupt gab noch gute Tipps für den Lauf: Langsam laufen und viel Trinken. Haha. Nacheinander starteten die einzelnen Startblöcke, vor uns noch die Schul- und Staffelmarathons, die erstmals dabei waren.
Zwischenzeitlich hatte ich die zweite Flasche geleert, und eigentlich alles auch wieder dem Dixieklo überlassen.
Etwas Schwierigkeiten bereitete mir noch das Gel, weil es nicht richtig in die Gürteltaschen passte, und zu allem Überfluß hatte ich mich doch für das iPod entschieden, welches ja auch noch untergebracht werden musste. In der rechten Hand noch zusätzlich 0,75l gesalztes Wasser – so schwer bewaffnet sollte es dann langsam losgehen.
Die Ernüchterung folgte, der Gürtel rutschte, die Beine waren schwer, und die linke Fußseite zog etwas. Ob das wohl klappt? Probieren!
Die ersten 20 Kilometer
Es war nun 11:40, und es wurden für Köln 25°C gemeldet. Deswegen hatte ich mir meine Renn-“taktik“ wie folgt überlegt: Verhalten starten, langsam von Pace 06:00 auf 05:40 steigern und konstant halten. Der erste KM hat auch nach Plan funktioniert danach brach meine komplette Planung in sich zusammen, weil es schon beim 2. KM durch einen Tunnel ging. Insgesamt vier Mal führte die neue Strecke durch einen Tunnel! Kein Satellitenempfang – und obwohl ich jeden einzelnen Kilometer abdrückte, konnte mir die Garmin keine guten Dienste leisten. Am Ziel zeigte sie 43,8 KM an – den Rest kann man sich denken. Aber das war noch das geringste Problem.
Ich hoffte, dass mein linkes Bein nach ein paar KM Ruhe gab, aber das war leider nicht der Fall. Ich konnte gut laufen, aber ich spürte, da ist etwas. Die nächsten KM führten am Rhein entlang, wieder durch einen Tunnel, und dann durch eine wunderbare, schattige Allee. Das Wetter hatte einige Vorteile: Köln zeigte sich von seinen schönsten Seiten, und so genoß ich die Strecke, hörte etwas Musik, trank zwischendurch und immer wieder gab es Publikum, das uns bejubelte. Mein Garmin zeigte konstant einen Pace von 05:40 an, was sich nachher als falsch herausstellen sollte, aber am Ende spielte das keine Rolle.
Bei KM 16 war meine Flasche leer, und angesichts der Hitze entschloß ich mich, sie an der Verpflegungsstelle aufzufüllen. Das kostete zwar Zeit, aber dafür hatte ich wieder 0,75l Wasser – die richtige Entscheidung, da die Flasche diesmal nur bis KM 22 halten sollte. Ich versuchte nun, das Tempo etwas zu erhöhen, was auch einige KM gelang. Nach km 19 verließen wir die Strecke am Rhein, und es ging in die Innenstadt. Hier ging die Post ab, Leute.
Die zweite Hälfte
Wenn uns das Wetter Schwierigkeiten gemacht hat, dann hat das Publikum alles getan, um die Läufer anzufeuern. Diese Stimmung habe ich noch nie erlebt. Leider ging es dann auch etwas langsamer weiter, weil die Menschenmassen nur noch eine schmale Gasse für uns ließen. Ich trank zwischendurch immer wieder meine vorbereiteten Wettkampfgetränke, und ständig Wasser. Mein Zustand bei KM 25 war: Mein Bein schmerzt nicht mehr als zu Beginn, Garmin zeigt einen Puls an, der nicht meiner sein kann, nämlich 190, aber ich fühle mich locker und warte geduldig auf das, was noch kommt. Ich wurde wieder etwas langsamer, was mir aber durchaus recht war, denn ich dachte mir nur: Noch 5km, und dann beginnt der Marathon. Ich war gespannt, was dann passierte.
Ich wickelte die Kilometer allmählich auf, und war sehr froh, meine Wasserflasche dabei zu haben, noch war mein Zustand stabil. Ich trank wie ein Pferd, während links und rechts von mir Läufer sichtlich unter der Hitze litten. Manchmal wurden Witze gemacht, manchmal gegenseitig ermutigt. Es kam Solidarität auf.
Bei KM 30 sah ich einen großgewachsenen, gut durchtrainierten jungen Mann gehen, mit einem T-Shirt Aufdruck: „Iron-Man“. Ich lief locker an ihm vorbei, und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Wieder füllte ich nun meine Wasserflasche komplett auf, und zog mein Gel-Tütchen aus meinem Gürtel. Ich schluckte es in einem runter, und dann Wasser hinterher. Ich wartete auf etwaige Beschwerden, aber nichts passierte. Ich sagte mir: Wenn du die 35 hast, dann läufst Du durch, egal was passiert; die letzte Passage kannte ich vom Halbmarathon, und wusste, was auf mich zukommt. Mein Wasservorrat neigte sich wieder dem Ende zu. Nochmal bei 35 auffüllen? Ich wollte mich nicht von meiner Flasche trennen, und riskierte es. Ok, jetzt galt es zu fighten. An jeder der 16 Verpflegungsstationen kippte ich mir 1 -2 Becher Wasser über den Kopf. Immer mehr Fußgänger überholte ich. Als ich KM 36 erreichte, überwältigte mich die Vorstellung, durch's Ziel zu laufen. Bei Km 38 endlich trennte ich mich von meiner Flasche, nachdem ich die Reste in zwei Trinkfläschchen umgefüllte hatte. Ich bin tatsächlich 38km mit einer 0,75l Flasche in der Hand gelaufen... Dann kamen riesige Menschmengen, die anfeuerten was das Zeug hielt. Jeder einzelne wurde fast im Sekundentakt mit Vornamen angesprochen, es waren pure Emotionen. Bis dahin konnte ich halbwegs gerade laufen, auch wenn ich langsamer wurde.
Dann beging ich einen Fehler: Bei KM 39 trank ich zwei Becher Cola. Das hätte nicht sein müssen, und ich glaube, das war die Ursache dafür, dass anschließend der Muskel im linken Unterschenkel zumachte. Ich wurde spürbar langsamer. Nachdem ich am Dom vorbeilief, gab es ein kurzes Stück Kopfsteinpflaster. Das wars dann. Ich spürte, wie mein linker Fuß nicht mehr machte, was ich wollte, die Schmerzen wurden unerträglich, und ich quälte mich die Deutzer Brücke hoch. Etwa auf der Hälfte angekommen stieß ich einen Fluch auf die Brückenbauer aus, der es ein sich hatte. Gelächter allenthalben.
Ich kam mir vor wie ein Kriegsverletzter, der mit einem Bein flüchtet, so muß es auch ausgesehen haben. Dann sah ich das Ziel. Ich rang mir einen aufrechten Gang ab, soweit das mit diesen Schmerzen ging. Kurz vor der Ziellinie muß ich irgendwas urwaldmäßiges getan haben, jedenfalls habe ich meiner Freude über das Finish ordentlich Luft verschafft. Es war Emotion pur!
Nach dem Finish
Ich weiß nicht, wie ich mit dem Bein gelaufen bin, gehen konnte ich jedenfalls nicht mehr. Ich bin sofort zum nächsten Arzt, der mein Bein erstmal gedehnt hat. Wenn Ärzte schon sagen: „Es kann jetzt etwas unangenehm werden“...dann Rest könnt ihr Euch denken. Nach der Behandlung ging es halbwegs, aber wie heißt es so schön: „Der Schmerz geht, der Stolz bleibt“. Und Stolz bin ich ohne Ende!
Der Marathon war für mich nicht wegen der Zielzeit so beeindruckend, sondern wegen der Atmosphäre. Das Wetter hatte sein Gutes, denn die Stimmung war soooooo phantastisch. Es war über viele Kilometer so genußreich, und letztlich war mein Handicap vielleicht auch ganz gut, so dass ich verhalten gelaufen bin. Wer weiß, ob ich bei einer höheren Geschwindigkeit gefinisht hätte.
Ich habe mein Marathondebut mit 04:11:34 gefinisht. Als ich mir den Marathon in den Kopf gesetzt hatte, habe ich mir ein Ziel von 04:15 gesetzt. Das habe ich erreicht, und ich bin sicher, dass ich bei kühlerem Wetter und bei voller Funktionsfähigkeit eine gute Basis habe, beim nächsten Mal die sub 4 zu knacken. Ich habe viele wertvolle Detailerfahrungen gemacht, die ich künftig verwerten kann.
(Ich habe während des Rennens ca. 4 Liter getrunken – mein erster Toilettengang nach dem Start war abends um 22.00Uhr nach zwei Flaschen Erdinger alkoholfrei und unzähligen anderen Getränken – das sagt wohl alles...)
Was würde ich anders machen?
- kein iPod. Das Ding ist zwar nett, aber ich konnte es so verschwitzt nicht bedienen, nicht richtig unterbringen, hätte nicht sein müssen!
- Statt der Ultra Sports Buffer Getränke im Trinkgürtel würde ich Gel nehmen. Sofern man es sofort runterspülen kann geht es, und ich hatte das Gefühl, dass es mir zwischen KM 32 und 36 einen Kick gegeben hat.
- 38 KM mit einer Flasche in der Hand zu laufen ist etwas – ehem – rustikal. Hier findet sich bestimmt eine Lösung, auch das Gel muß irgendwo deponiert werden; jedenfalls bei einer Hitzeschlacht wie die von Köln. Bei kühlen Marathon bei 15°C braucht man sowas natürlich nicht.
- Keine Cola mehr! Weder im Training noch im Wettkampf.
- Evtl. war mein Schuhwechsel 4 Wochen vor dem Rennen Ursache für die Beschwerden im Unterschenkel. So etwas muß einfach früher passieren.
So, nun bin ich happy, und klappe das Tagebuch zufrieden zu.