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Mein Schweinehund soll klagen...Ich lauf, soweit die Füße tragen…

Mein Schweinehund soll klagen...Ich lauf, soweit die Füße tragen…

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Laufbericht vom 6-Stunden-Lauf in Schmiden 2011

Bitte die nachfolgende Warnung unbedingt beachten.

Der Bericht ist Ultraüberlang und kann wenn er hochdosiert über einen zu kurzen Zeitraum dem Geiste zugeführt wird, Konzentrationsschwäche und Ermüdungserscheinungen auslösen bis hin zum völligen Versagen der Wachphase. Daher sollte die Tagesdosis auf 29 Einheiten á 2090 ml, über einen Zeitraum von mindestens 6 Stunden verteilt werden. Zur profilaktischen Unterstützung empfiehlt es sich zusätzlich vorher durch mindestens 6-maliges öffnen der Fenster den Sauerstoffanteil im Raum zu erhöhen, diesen 29-mal über die Atemwege zu inhalieren und zusätzlich 2,09 Liter stark aufputschende Mittel, s.g. „Hallo-Wach-Macher“ bereit zu halten. Sind alle Vorbereitungen für das Wohlbefinden getroffen? Entspannte Haltung eingenommen. Der oberste Kragenknopf ist geöffnet? (Keine falschen Schlüsse bitte, die dient nur zu Vorbereitung für einen sportlichen Bericht). Dann kann es ja endlich losgehen.

Geht es uns nicht allen so? Oft genug gäbe es schöne Läufe die Einen reizen. Meistens sind diese jedoch weit entfernt und deshalb nimmt man zwischendurch auch gerne an kleineren lokalen Volksläufen teil. Und direkt bei mir um die Ecke habe ich mir für heute einen netten, entspannten Lauf über 6 Stunden ausgesucht. Was heißt ausgesucht. Obwohl ich Zeit meines Lebens in meinem Heimatort verwurzelt geblieben bin fiel mir diese Veranstaltung bis letztes Jahr nicht auf. Dabei findet der 6-/12-Stunden Lauf in Schmiden heuer bereits zum 18.ten Mal statt. Bis 2003 gab es sogar eine 24 Stundendisziplin, die letztmals ein gewisser Dietmar Mücke mit über 205 km gewann. Das mir das alles bisher entgangen ist lag sicherlich auch daran, dass meine erste Teilnahme an einem Wettkampf in Stuttgart erst knapp 2 Jahre her ist, und mich erst seither das Lauffieber so richtig gepackt hat.

Im letzten Jahr hatte ich daher Lust in Schmiden die Aktiven zu bewundern, die so verrückt waren, freiwillig 6 oder 12 Stunden im Kreis herum laufen zu wollen. Zwar hatte ich bis dahin auf der Habenseite meines Läuferkontos bereits 2 Marathons gebucht. Das sich bei mir aber mal wieder ein neues ehrgeiziges Ziel festsetzen konnte hatte doch tiefer gehende Gründe. Und dafür muss ich etwas weiter ausholen. Achtung, wer auf allzu viel Selbstbeweihräucher-ung und Gefühlsduselei allergisch reagiert sollte die nächsten Absätze besser diskret ignorieren und weiter unten bei Hier und Heute weiterlesen. Für alle emotional Standhaften gilt: Auf geht’s zum Zeitsprung in die prähistorische Vorgeschichte eines mir heute fast gänzlich Unbekannten.

Wir schreiben das Jahr 2009, als ein nicht mehr ganz junger Eisenbahnnarr sich einen Traum erfüllt und eine Reise in die Schweiz bucht um unter anderem mit dem Glacier Express zu reisen. Da zum damaligen Zeitpunkt dieses Hobby sehr intensiv betrieben wurde (dagegen ist das Laufen heute Pillepalle, lehnt der Rest der Sippe eine Mitreise dankend ab. Unser Schauläufer (der sich damals noch nicht so nannte) hatte sich kurz zuvor, animiert von einem schulischen Vorhaben seines Jüngsten, dazu hinreißen lassen :klatsch: , sich für den eingangs erwähnten Halbmarathon im Stuttgarter Talkessel anzumelden. Um in den Augen der Lieben daheim nicht völlig alt auszusehen kam er nicht umhin so was Ähnliches wie Training aufzunehmen. Die besagte Reise fand ca. einen Monat vorher statt und er wurde nun doch nervös und tat etwas, dass er bis dahin noch niemals getan hatte. Er nahm seine Sportklamotten mit. Und er schaffte es sogar in der wenigen freien Zeit tatsächlich etwas zu Laufen. Das fiel natürlich auch Mitreisenden auf. (Obwohl er immer sofort danach unter die Dusche gesprungen ist :peinlich: ). Unter anderem den beiden netten Tischnachbarinnen. Es stellte sich heraus, dass die beiden aus der gleichen Gegend kommen wie er, gerne laufen und sich als Zuschauerinnen in Stuttgart an die Strecke stellen würden. Und ihren Einsatz an der richtigen Stelle, am letzten Anstieg bei km 19, konnte er beim Rennen vier Wochen später dann wirklich gut gebrauchen.

Und fast ein Jahr später trifft man sich 2010 zufällig in Schmiden wieder als ich nur mal so zuschauen will. Sie ist mit ihrer 6-Stunden Staffel, den Siebenmeilenstieflern da. Und wie wir uns so unterhalten höre ich mich noch sagen (war das wirklich ich? :confused: ): „Nächstes Jahr werde ich auch mitmachen, aber als Einzelläufer.“ :tocktock: Und dieses Jahr kam dann schneller als gedacht. Zudem als ich feststellt musste, dass der Lauf 2011 auf Mitte Mai vorverlegt wurde.

Wie bereitet man(n) sich nun auf eine 6-Stunden-Quälerei vor? Gibt es geeignete Trainings-pläne zur Vorbereitung auf ein stundenlanges, zielloses „Im Kreis herumrennen“? :confused: Ich halte mich doch sonst auch nicht an Vorgaben á la „Manne und Herbie Steh’nie“, höre auf keinen „Schoafseckel“ und habe auch kein patentiertes (TR)IC(K)-SYSTEM. Noch nie habe ich Halt gefunden bei Jack „Henessey“ bzw. Bespaßung durch eine Hardcore-Einheit von „Pedro Grabsch“ gesucht. Natürlich gäbe es als sanfte Alternative auch noch „Dr. Schlunz“ Eiweiß-plörre im Angebot oder alternativ ein „krasses Klemmbrett“. Oder reicht gar der gemütliche Rinderschritt, erfunden von „Jeff Galopp(net)weg“? :confused: Nein ich verlasse mich weiterhin auf mein altbewährtes Training, das sich „Frei Schnauze“ nennt (in der Hoffnung nicht auf diese zu fliegen). Auch werde ich weiterhin gedankenlos einen Schritt vor den anderen setzen und „Dr. Matze Marquise‘s“ Programmangebot „Net‘ künstelt romsaua“ (zu dt.: Nicht unnatürlich rennen) geht mir am verlängerten Buckel vorbei.

Ich vertraue einfach auf das uralte Prinzip: „Viel hilft viel“ und renne wie ein Blöder, Kilometer um Kilometer durch die Gegend. Lange und langsam, das war mir schon immer lieber als schlampig und schnell. Und so sehe ich mich gewappnet für den Aufbruch ins Ungewisse und wage mich beim Ditzinger Spendenlauf in neue Dimensionen vor, fern der mystischen Zahl 42,195. Mann, oh Mann wie pathetisch das klingt für so eine profane Sache, wie: Ausdauerndes sinnbefreites im Kreisherumlaufen bis zum Abwinken. In meinem Fall, für die Aufnahme in den Ultra-Kindergarten, müsste ich das doch 6 Stunden lang hinkriegen? Die Großen dürfen in Schmiden ja sogar schon etwas länger zum Spielen draußen bleiben. Aber bevor es nach 12 Stunden dunkel wird ist der Spaß auch für Sie vorbei.

Da ich nicht nur ein Mann der großen Worte, sondern in dem Fall auch der dazugehörigen Taten bin, habe ich den vor allem von Politikern so gern gehörten Satz: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ nicht beherzigt und so wird das wahnsinnige Vorhaben :teufel: jetzt Wohl oder Übel durchgezogen. Und so habe ich mich heute aufgemacht aus meiner heimeligen Heimat, an einen fernen Ort, in Erwartung unbekannter Gefahren und Abenteuer, zum Ziele der Erlangung von Ruhm (Rum wäre mir lieber :D ) und Ehre sowie Unsterblichkeit (zumindest 6 Stunden lang :teufel: ). Puh, war ich froh, dass dies alles nur ein Alptraum war heute Nacht, oder? :confused:

So genug Vorgeplänkel, nun heißt es anschnallen und fertig machen. Wir beamen zurück ins

Hier und Heute:

Aus ruhelosen Träumen unsanft erwacht, erblicken meine müden Augen und Glieder nun den heutigen Schauplatz, wo zumindest für mich, ein Stück Ultrageschichte geschrieben werden soll. Schmiden, das eigentlich faktisch zu meiner Heimatgemeinde gehört und nur wenige Kilometer entfernt ist, aber doch einige unvergleichliche Merkmale aufweist. Hier im protestantisch geprägten Teilort heißt jeder zweite Einwohner Bürkle. Wer, da mit wem verwandt ist und warum? So genau will der Pfarrer im Ort das vermutlich gar nicht wissen. Was es in Schmiden gar nicht gibt ist Wald. Dafür Felder, Felder, Felder… Und davon soll ich heute noch einige zu sehen bekommen und das mehrmals. Langweilig? Immerhin wächst dort leckerer Spargel, der zum Fellbacher Wein ganz vorzüglich schmeckt. Viel zu sehen gibt es also unterwegs nicht. Oder doch. Als Bote meiner ach so geliebten Heimat grüßt aus der Ferne mein vertrauter Hausberg samt Rotenbergkapelle. Diesen grandiosen Anblick darf ich jetzt noch neunundzwanzig-einhalbmal genießen.

Es gibt hier auch keine nennenswerte Erhebung, mit Ausnahme einer kleinen Brücke die bogenförmig über die Umgehungsstraße des Ortes führt. Und die werde ich heute noch ausgiebig zu würdigen haben. Aufgrund meines Lokalkolorits konnte ich, obwohl Newbie in Sachen „Kreisläufer“, die Strecke vorab ausgiebig inspizieren. Ich weiß an welchen Stellen meine Knochen, von Asphalt, Beton oder Laufbahn, malträtiert werden. Das der nördliche Teil des Stadionrundes sehr windanfällig ist und es nur ein kurzes Stück mit Schatten entlang der Straße gibt. Und natürlich kenne ich auch die berühmt berüchtigte Steigung der Fußgängerbrücke. Ich ertappe mich, der sonst einfach drauf losläuft, beim ausgiebigen Studieren von Wetterdaten zur Festlegung einer Renntaktik. Ich habe vor bis Mittag das Tempo an die Hitze anzupassen und langsam mit einem 6:30er Schnitt anzugehen um Reserven zu haben. Denn aller Voraussicht nach soll es ja am Nachmittag durch den aufkommenden Westwind kühler und gewittriger werden. Ob meine Überlegungen richtig sind und die Rechnung aufgehen wird?

Endlich beginnt die Reise ins Unbekannte. Pünktlich um 10.00 Uhr ertönt der Startschuss im Stadion und es geht los. Es stehen nur 30 weitere Einzelläufer um mich herum und ein paar Staffelläufer die es eilig haben. Auf der Strecke sind seit 2 Stunden schon die wenigen „echten“ Ultras unterwegs und ein paar Läufer der langen Staffeln.

Die Strecke führt schon nach wenigen Metern aus dem Stadion, vorbei an der gut bestückten Verpflegungsstation, links in Richtung Parkplatz. Ich überlege kurz ob ich mich gleich mal an den Futtervorräten vergreifen soll, kann mich dann aber doch beherrschen, nach gerade mal 50 Metern, mich als erster am Büffet zu bedienen. Obwohl - wäre ich wenigstens einmal Erster heute. :hihi: Und die Gefahr, durch zu ausgiebiges Naschen, heute vom Besenwagen eingesammelt zu werden fällt ja flach und meine Zielzeit wird heute so oder so 6 Stunden betragen.

Schweren Herzens also doch dran vorbei, weiter entlang der Stadiongaststätte und den Rasenplätzen, vor bis zur Hauptstraße und von dort entgegen dem Uhrzeigersinn auf dem Gehweg bis zur ersten Brücke. Dies ist der einzige schattige Abschnitt bis man am ersten Kontrollposten in den Feldweg einbiegt. Nach einer Erfrischungsstelle mit Schwämmchen folgt die lange Gerade, nur unterbrochen von einem kurzen Linksschwenk, die zum zweiten Streckenposten führt. Von da an beginnt der Home Run ins Stadion. Allerdings kommt zuvor noch der schon beschriebene, kurze aber gemeine, Brückenanstieg. Ist das geschafft kann man das Stadion schon wieder fast greifen. Man biegt über den hinteren Zugang auf die Laufbahn ein und läuft nun im Uhrzeigersinn das Stadionrund aus bis zur Zeitmessung. Zeitmessung? Beim 6-Stunden-Lauf heißt das natürlich Protokollstelle für die Runden. Dazu haben wir alle ein gelbes Armband mit Chip, das wie an der Supermarktkasse über einen weißen Kasten gezogen wird. Dieser Piep ist jedes Mal Musik in meinen Ohren. Ist ja auch die Einzige, die ich während des Laufens genieße. Okay die Melodie ist etwas monoton, aber trotzdem ein Hit. Heißt das doch: Wieder sind 2090 Meter geschafft oder nach alter Herzblatt-Susie Manier: Auf geht‘s in die nächste Runde!

So klingt’s:YouTube - ‪Rundenerfassung beim 6-/12-Stundenlauf 2011 in Schmiden‬‏

Da es mir gefühlt sehr viel heißer und schwüler vorkommt als die prognostizierten 16° Grad gehe ich es wirklich fast wie geplant an. Mein Kilometerschnitt pendelt sich wie geplant bei 6:15 - 6:30 ein In jeder Runde trinke ich jetzt Wasser, Iso, Cola oder Nährbier. Lecker sind die Melonen-, Erdbeer- und Kiwi-Stückchen. Aber auch die gekochten Kartoffeln werden mit viel Salz gerne genommen. Ich komme mir vor wie im All-Inclusive Urlaubsparadies.

Schon von Anfang an nutze ich die Erfrischungsstellen und kühle meine Schaltzentrale ausgiebig. Die ersten beiden Stunden verlaufen zäh, zum Glück hält die rechte Wade still. Aber so langsam kommen die ersten Wolken auf - und Wind. Wobei der zwar etwas kühlt aber von Westen über das freie Feld beim Einbiegen auf die Stadion-Gegengerade ordentlich nervt. Ich bin den Kilometer noch deutlich über 6 Minuten im Schnitt unterwegs. Das entspricht zwar meiner vorab Ansage. Aber wer mich kennt (und ich selbst kenne mich oft am wenigsten) der weiß, dass ich mich schon des Öfteren meine Planspiele über den Haufen geworfen habe. Zunächst mal wird es mein langsamster Marathon aller Zeiten mit 4:18 h. Jetzt da diese magische Kilometerzahl überschritten war wollte ich am liebsten laut hinausschreien: „Ich bin ein Ultra, holt mich hier raus!“

Okay, es müsste trotzdem locker reichen für meine 50 + X Wunschvorstellung. Aber bei dem Tempo ging es mir irgendwie wie dem Mann mit dem roten Käppi über den verkohlten Ohren der bei seinem Rücktritt sagte: „Irgendwann hatte ich es satt, mein Leben lang nur im Kreis herumzu…schleichen.“ Aber der Kerl ist doch zurückgekehrt und heh, ich hatte meine Tageslosung doch auf dem Rücken meines hellblauen Lauf-Shirts. Der Rote Teufel, wusste doch eigentlich Bescheid: „Mein Schweinhund soll klagen….Ich lauf…. Soweit die Füße tragen.“ Und ganz so gnadenlos entbehrungsreich und einsam, wie bei Clemens Forells Flucht durch die Weite der tundrischen Taiga, war es in Schmiden doch gar nicht.

Und meine Willenskraft bekam unverhofft Unterstützung durch einen Verbündeten und stärkte mein „Gutes Ich“ fortan enorm. Denn zufällig hatte ich meine Urlaubsbekanntschaft auf der Tribüne gesehen, im Gepäck die Siebenmeilenstiefler. Und die ließen es im Stadion so richtig krachen. Eine große Kuhglocke hing an der Laufbahnbegrenzung. Und mit der wurde ordentlich Stimmung gemacht. Von nun ab war jeder Rundendurchgang ein Fest. Und kaum war ich an dem Stimmungsnest vorbei, wollte ich so schnell wie möglich eine Wiederholung. Und unermüdlich wurde ich, sobald ich jetzt auftauchte, mit Glockengebimmel begrüßt und mit flotten Sprüchen und Durchhalteparolen bedacht. Und nur einmal, als Sie mich wohl nicht kommen sehen hat, habe ich zur Belustigung der anderen, meine Anfeuerung selbst in die Hand genommen und eine Ermahnung ausgesprochen. Und nicht nur meine Laune stieg sondern auch meine Geschwindigkeit. Das die stickige Hitze umgekehrt dazu, in gleichem Maße abnahm tat ein Übriges.

Meine Einstellung hatte sich komplett gewandelt. Ich wollte es nun sogar noch versuchen die 60 Kilometer zu schaffen. Ich hatte das Gefühl die Felder schrumpfen und die Strecke wird immer kürzer. Meine Beine machten inzwischen was Sie wollten und drehten voll auf, so dass ich das Gefühl hatte den Bodenkontakt zu verlieren. Da mein letztes dunkles Bier an der Verpflegungsstelle zwar malzhaltig war, aber mit dem Zusatz: „Auch für Schwangere, Stillende und Kinder geeignet“ vermarktet wird, konnte ich mir mein rauschhaftes Verhalten nicht erklären. :confused: Hatte mein überhitzter Denkapparat die allseits gefürchteten Endorphine freigesetzt und die mich auf eine andere Ebene katapultiert. Hatte ich, zusammen mit meinem Garminle, das gefüchtete (Fore)Runnerles High. Obwohl dessen Seelenleben mir noch mehr ein Geheimnis bleiben wird, als mein eigenes. Denn trotz meiner mentalen Unpässlichkeit spukte mein Rechenknecht, Runde für Runde neue Bestwerte aus, so nüchtern und überzeugend wie ein Manager von Goldman Sachs. Wahrscheinlich merkte er zwischenzeitlich wie aussichtslos es war mich von meinem heutigen Vorhaben abzubringen, Und was blieb ihm auch schon anderes übrig als sich einzugestehen: „Ich drehe schon seit Stunden, hier so meine Runden…..“

Längst war der Kilometerschnitt weit unter die magische 6er Marke gefallen. So verrückt es klang, ich rannte nun gegen die 6-Stunden Uhr, denn ich wollte nun noch so viel wie möglich Kilometer sammeln bis zum Schluss. Zwischen Kilometer 54 und 56 konnte sich auch die 5 nicht mehr vorne halten und musste einer hohen 4 weichen. Irre. Aber irgendwann war klar, dies wird meine letzte Runde sein, und ganz rum wird es nicht mehr langen. Ich schaute auf die Uhr. 5:57 h, 5:58 h, 5:59 h, aus. Als der Schuss ertönte bremste ich aus vollem Lauf. Es war vorbei. Mein Garminle zeigte um die 62 km an. Wahnsinn, aber wie weit nach vorne würde mich das bringen in der Wertung. Meinem flotten Tempo waren zwei Mitstreiter gefolgt. So standen wir nun zu dritt, irgendwo in der Weite der Taiga von Schmiden, nur wenige Meter voneinander entfernt, und warteten auf den Vermesser. Als erster fing der am weitesten hinten Stehende an seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Er kam einfach auf mich zu umarmte und beglückwünschte mich. Und der etwa auf meiner Höhe stehende Mitläufer tat es ihm dann nach. Wir, drei wildfremde Männer lagen uns in den Armen und ich stammelte etwas von: So weit zu kommen hätte ich mir gar nicht vorgenommen… Und als die beiden anderen ihre letzten Ultraläufe zum Besten gaben, fiel mir erst wieder ein: Heh, ich bin ja seit ein paar Minuten auch einer davon, na ja zumindest ein Kleiner :geil: . Oder wie es Niko im Forum neulich so passend ausgedrückt hat. „Sind wir nicht alle ein bisschen Ultra.“ :teufel: Unsere Fachgespräche drehten sich dann natürlich gleich um diese neue Erfahrung. Und ich bekam ganz erstaunt eine Weissagung zu hören: Jetzt bist du 60 km gelaufen, dann wirst du bald auch 80 laufen wollen und wenn 80 km gehen, probierst du auch die 100... Upps, konnte der Hellsehen. So ein Déjà-vu hatte ich zuletzt gehabt, als ich mich, nach meinem oben genannten ersten Wettkampf, mit einer Geschäftskollegin unterhielt deren Mann engagierter Läufer ist und vorsorglich gewarnt wurde: „Passen Sie auf. Laufen, kann schnell zur Sucht werden.“ „Aber doch nicht bei mir, ich hab ja nicht vor demnächst einen Marathon zu laufen.“ (und es hat dann ja auch noch fast 4 Monate gedauert :hihi: )

Unser Ultralatein wurde dann etwas unsanft vom Vermessungsdienst unterbrochen. Mit Kreide wurden wir am Boden markiert. Mein etwas vor mir Stehender meinte noch, er wisse jetzt nicht mehr wer von uns beiden weiter vorne war. Okay, ich hatte im Moment des Lauf-Endes auch nicht drauf geachtet. Wahrscheinlich aber war die Reihenfolge umgekehrt. Hätte, ich gewusst das wir die gleiche Rundenanzahl zu dem Zeitpunkt hatten, wer weiß ob wir beide das dann so gelassen genommen hätten. Als ich unsere Markierungen anschaute war dazwischen nicht mehr als eine Handbreit Abstand.

Dann hieß es erst mal den Gang ins Ziel anzutreten zu den heißersehnten Duschen, und heiß war jetzt durchaus passend, weil zwischenzeitlich war es sehr kühl geworden. Im Ziel musste ich natürlich gleich zu meiner Stimmungskanone, die nun auch kräftig gedrückt wurde für ihren tollen Einsatz. Viel gesprochen haben wir trotz unserer innigen Laufverbundenheit eigentlich nicht. Aber das wichtigste ist eh, das wir beide uns in 2 Wochen in Stuttgart wiedersehen. Jeder auf seiner Seite. Und dank ihr werde ich wohl wieder das Beste aus mir rausholen. Erst zuhause fiel mir ein, dass ich bis heute nicht mal ihren Namen weiß.

Eine Stunde nach Rennende hingen die Ergebnisse aus. 1 lächerlicher Meter trennte mich von Platz 4. Nach 6 Stunden laufen, hatte ich mich kurz vorm Anschlag, noch so knapp um einen Platz gebracht. Ach was, ob 4. oder 5.! Was spielt das für eigentlich für eine Rolle. Obwohl es langsam unangenehm kalt wurde und ich zwischenzeitlich eine dicke Jacke brauchte, beschloss ich bis zur Siegerehrung da zu bleiben. In Schmiden werden nämlich alle Teilnehmer persönlich aufgerufen zur Urkundenübergabe. Die Wartezeit bis dahin kam mir endlos vor. Dann aber war es soweit, ich durfte von der Tribüne auf den Rasen um meine Urkunde und Medaille in Empfang zu nehmen. Und ich bekam völlig verdutzt noch was in die Hand gedrückt. Mein erster Pokal!!!: :first: Wer hätte je geglaubt, dass ein bis vor 2 Jahren erfolgreicher Sportverweigerer, jemals mit so was rechnen darf. Okay, ich war kein Gesamtsieger aber offensichtlich im richtigen Alter am heutigen Tag. In AK 40 (oh, wie rücksichtsvoll für einen fast 48-jährigen) reichte es mir zum ersten 1.Platz meines Lebens. Ob ich so was noch jemals erleben werde? :confused: Bis alle aufgerufen waren, setzte der Regen ein. Das war etwas unangenehm, sogar meine Augen wurden etwas nass. Daran war wirklich nur der Regen schuld, da kann man(n) nix machen, ehrlich. :peinlich: Immer wieder musste ich das glänzende Objekt meiner Begierde, das ich nun in Händen hielt, anschauen. Denn so ganz fassen konnte ich es immer noch nicht. Das musste ich erst mal setzen lassen. Heute hat aber auch einfach alles gepasst. Letztlich natürlich auch mein jungendliches Alter. Denn die 3 Erstplatzierten waren alle schon AK 50 und der Jungspunt vor mir ging noch als 30er durch.

Als ich zuhause ankam wurde ich ganz schnell wieder geerdet. Beim Anblick meines Pokals meinte mein Jüngster kurz und sachlich: „Schön“. Und als er fragte wie viel Kilometer ich dafür gelaufen bin und ich sagte knapp 62 km, kam zu Antwort: „Papa, da kannst du ja bald einen Ultralauf machen“. Eigentlich hat er ja recht. So ein richtiger Ultra fehlt mir noch. Aber andere wissen ja schon wie’s weitergeht. „Jetzt bist du 60 km gelaufen und dann wirst du bald auch 80 laufen wollen,....“ :zwinker2:

P.S. Zuhause beim Stöbern (ich sag aber nicht wo, Herr Gutenberg) im: „wirklich wichtigen wissen“, abgekürzt auch www genannt finde ich eine altersbereinigte Rangliste des Laufes. Heh, dort bin ich ja doch noch auf Gesamtplatz 4 gelandet, mit 67,398 km.:
Nachtrag: Da mein früheres Hobby noch nicht ganz ruht, werde ich im Herbst wieder eine Reise in die Schweiz machen um mit einer fantastischen Bergbahn zu fahren. Diesmal allerdings nur Retour. Den Hinweg werde ich per pedes nehmen. Und wenn unterwegs genügend Kuhglocken geläutet werden lasse ich es wieder laufen wie der Teufel :teufel: , gell Schweinehund. Ich hoffe jemand übernimmt diese Aufgabe. Meine Urlaubsbekanntschaft kann ja nicht immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Und Staffelläufe werden meines Wissens bei dem Läufle auf die Kleine Scheidegg nicht angeboten.
13.04. 12h Lauf Grüntal 53,55k
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin

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Klaus,bei dir sind sogar die Berichte ultra!!!!!! :beten2: :respekt2: :party2:

ich will ja gar nicht wissen,was du nächstes Jahr so machst....doch,ich will!!!! :daumen:

Grüße,und hoffentlich sehen wir uns aufm Nebelhörnchen :daumen: auf ein malzbier :teufel: ...

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Danke für den tollen Bericht!!! :) Und nochmal Respekt vor deiner Leistung!!! :respekt2: :daumen:

Da steht uns ja noch einiges bevor, wenn du noch weiter laufen möchtest. :zwinker2:

LG,Bianca :hallo:

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:geil: Du Zündler!!!!


Geiler Bericht! Danke dafür! :daumen:
klick mich :teufel:

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Sehr schöner Bericht, Klaus! Danke und nochmal Gratulation zur Leistung :daumen: :nick:

Grüße Volker
Liebe Grüße,
Volker

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Wow!!
Tolle Leistung und toller Bericht!
Danke, dass wir dabei sein durften - und wie heißt es so schön:"Kindermund tut Wahrheit kund" :teufel:
Gruß
Domborusse
Die beliebtesten Diagnosen der Orthopäden:

"Da ist nix"
"Das ist nicht schlimm"
"Das haben viele"
"Da kann man nix mehr machen"
"Ja, wir werden alle nicht jünger!"
"Dat krieje me wieder hin!!!":zwinker2:
"Das ist in 2 Wochen wieder weg!"
Von RennFuchs geklaut: "Das dürfte eigentlich garnicht wehtun"
"...ja wenn das schon so lange weh tut, dann muss das eigentlich operiert werden"
gefolgt von: ..."aber nehmen sie zur Sicherheit erstmal noch 14 lang Tage die Tabletten":klatsch:

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Ach du dickes Ei! Was für eine - vor allem auch mentale! - Leistung! (ich meine natürlich das Passieren der 50m Versorgungsstelle :teufel: ). Gratulation in´s Ländle! :respekt2: :respekt2:

P.S.: vielleicht bis am 10.9.!

P.S.P.S.: "Sind wir nicht alle ein wenig ultra?" :peinlich:

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Toller Bericht, Klaus! Danke! Zum Lauf hatte ich ja schon gratuliert. ;o)

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Hallo Schauläufer, :hallo:

ich hatte gestern Abend endlich die notwenige Zeit und Muse um mir Deinen Bericht zu Gemüte zu führen. :zwinker2:

Klasse Lauf, super Leistung, sehr schön geschrieben mit einem gewissen Witz in der Formulierung. Gute finde ich, dass es nicht nur eine Aufreihung an Fakten ist. Sehr emotional. :daumen:

Du solltest zukünftige Laufberichte mit folgenden Zeilen überschreiben:
Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren unzugänglich aufbewahren. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie Ihren örtlichen Lauftreffleiter oder in Ihrem Laufschuhgeschäft vor Ort nach.

Ich freue mich schon auf den nächsten Bericht, bzw. den nächsten Lauf mit Dir. :nick:

Gruß
Gutenberg1964 :winken:

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Hallo Klaus,

wieder mal ein packender Laufbericht !!!! Super Leistung beim Laufen und beim Schreiben !!! Ich hoffe doch, dass du noch gaaaaanz viel läufst und vor allem ganz viel darüber schreibst !!!!! Einfach klasse !!!!!

Viele Grüße
Andrea
Gesperrt

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