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Aller gute Dinge sind drei

Aller gute Dinge sind drei

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Das dachte ich mir, als ich mich für die Teilnahme am Supermarathon des Rennsteiges entschied. Ich freute mich schon darauf, diesen wundervollen Lauf gemeinsam mit meinem Lauffreund Wolfgang unter die Füße zu nehmen. Doch erstens kommt es öfter anders und zweitens als man denkt. Bei einem eigentlich harmlosen Trainingslauf hat Wolfgang sich kurz vor Ostern einen Zeh gebrochen, so dass ich mich dieses Jahr noch einmal ohne ihn auf die Strecke begeben muss. Dafür unterstützt mich wieder Silke und wir machen uns am Freitag auf den Weg nach Eisenach.

Der Startort Eisenach ist übrigens eine passende Wahl, wird hier Bewegung doch schon seit langem groß geschrieben. Bereits seit 1896 gibt es hier eine Fahrzeugfabrik. Heute produziert hier Opel seine Fahrzeuge. Zu DDR-Zeiten lief hier der berühmte Wartburg vom Band. Im Rahmen der Rückbesinnung auf die natürliche Bewegung des Menschen, das Laufen, wurde am 12.Mai 1973 der erste Rennsteiglauf durchgeführt. Benannt wurde er nach Johann Christoph Friedrich GutsMuths. Als Lehrer von Turnvater Jahn hatte er bereits die Wichtigkeit der Leibesübungen erkannt.
Nachdem der Rennsteiglauf in seiner Geschichte ja schon einige Veränderungen erfahren hatte und die Strecke des Supermarathons zwischen 65 und 100 Kilometern variierte, entschied man sich 1997 für Eisenach als Startort. Danach gab es nur noch wenige kleine Veränderungen der Distanz. So kann heuer hier das Jubiläum des 15. Starts in Eisenach gefeiert werden.

Um kurz vor 21.00 Uhr erreichen wir den Marktplatz. Die Startnummernausgabe und das Festzelt haben im Vergleich zu meinen vorherigen Teilnahmen den Standort gewechselt. Nicht zum Nachteil. Die Startnummernausgabe ist nicht mehr in einer Seitenstraße versteckt und leicht zu finden. Um diese Zeit sind die meisten Startnummern für heute schon ausgegeben. Hier ist die sehr großzügig bemessene Ausgabezeit von Vorteil und ich bekomme meine Unterlagen ohne anstehen zu müssen. Als hätte er den richtigen Riecher gehabt, treffen wir hier m4y-Autor Klaus Sobirey in Begleitung seiner Frau. Er springt morgen für Wolfgang ein. Sie sind zeitiger angereist und können sich bereits zur Nachtruhe begeben. Im Festzelt stelle ich fest, dass die meisten Starter ebenso in der Falle liegen, um ausgeruht an den Start zu gehen. Wir können uns so noch zügig mit den klassischen Klößen stärken. So bleibt auch uns noch Zeit, um eine ausreichende Mütze Schlaf zu bekommen.

Der Vorteil für eine Übernachtung in Eisenach vor dem Start liegt für mich eindeutig darin, „länger“ Ausschlafen zu können. Der Wecker wirft uns erst um 4.30 Uhr aus den Federn. Ist zwar für Langschläfer immer noch zu früh, aber bei einer Startzeit von 6.00 Uhr angemessen. Da bleibt sogar genügend Zeit, ein üppiges Frühstück zu genießen und sich gemütlich vorzubereiten. Im m4y-Outfit fällt man natürlich sofort auf. Das führt hier zur obligatorischen Frage, ob der Joe denn auch dabei ist. Eine Frage, die ich für dieses Jahr leider verneinen muss.

Um etwa 5.40 erreiche ich mit Silke den Marktplatz. Im Vergleich zum Vorabend ist er bereit gut gefüllt. Als Startplatz ist er ideal, da er dem gesamten Läuferfeld, diesmal sind immerhin wieder 2.054 Starter gemeldet, ausreichend Platz bietet. Für mich die letzte Gelegenheit, ein paar Worte mit Klaus und den beiden Startern aus meiner Heimatstadt Rainer und Martin wechseln zu können, denn wie sich schnell herausstellt, sind sie doch um einiges schneller.

An den Start gehen wir um 6.00 Uhr aber noch gemeinsam. Über die frühe Startzeit bin ich sehr froh, denn die Morgendämmerung verspricht schon viel Sonne und warme Temperaturen. Ich genieße lieber noch die morgendliche Kühle. Die ersten Meter dienen noch der Eingewöhnung. Von den zu bewältigenden knapp 1.500 Höhenmetern werden wir noch verschont. Da fällt es mir leicht mich mit einem lächelnden Blick in Silkes Kamera aus Eisenach zu verabschieden. Die Schonung hält nicht lange an und mit dem Einbiegen auf die Wartburgallee geht es bergauf. Ein paar Serpentinen geben eine moderate Steigung vor. Kurz darauf biegen wir nach links auf den Wanderweg in Richtung großer Drachensteig ein. Hier kommt es zum ersten „kleinen Stau“. Er hilft mir, das passende Tempo zu finden und nicht zu schnell anzugehen. Oberhalb von Eisenach begrüßt uns die Sonne. Felder und kurze Waldstücke wechseln sich ab. Seit 2007 ist die Abwechslung größer geworden. Kyrill hat dafür gesorgt, dass man den Rennsteig als Kammweg jetzt besser erkennen kann.

Bei KM 7,4 erreiche ich an der hohen Sonne den eigentlichen Rennsteig. Ab hier werden wir alle zu richtigen Rennsteigläufern. Der Name bezieht sich übrigens auf ein Jagdschloss aus dem 18. Jahrhundert, an dessen Turm eine goldene Sonne zu sehen war. Vom Schloss ist nichts mehr zu erkennen. Wie an vielen Punkten der weiteren Strecke ist der Name meist das einzige, was an die Vergangenheit erinnert. Die richtigen Rennsteigfans sind bereits an der Strecke zu finden. Wer nicht selber laufen kann, feuert die verwegene Läuferschar an.

Etwa bei KM 10 passiere ich die Schutzhütte am Zollstock. Sie erinnert daran, dass es ein Europa ohne Grenzen noch nicht lange gibt. Selbst im 19. Jahrhundert wurde hier, wie in ganz Deutschland, die Staatskasse der Kleinstaaten aufgefüllt. An der Strecke erinnern noch zahlreiche Grenzsteine daran. Den Überblick, welche und wie viele Kleinstaaten am Rennsteig aneinandergrenzten habe ich aber verloren.

Bei KM 17,9 erreiche ich die Verpflegungsstelle an der Glasbachwiese. Angekündigt wird eine warme Heidelbeersuppe. Bei meiner ersten Teilnahme nahm ich sie schon dankbar entgegen, nur um festzustellen, dass es sich hierbei um den berühmten Haferschleim des Rennsteiglaufes handelt. Ein Glück für mich, denn sonst wäre mir diese kulinarische Köstlichkeit entgangen. Wäre der Haferschleim als solcher angepriesen worden, hätte ich ihn nämlich aus Skepsis links liegen gelassen. Auf den folgenden Kilometern ist Vorsicht angesagt. Viele Wurzeln und Steine lassen mich an Wolfgang denken und dass nach dem falschen Tritt der Lauf schon beendet sein könnte. Die Steigung zum Inselberg tut ihr Übriges die Läufer zu Wanderern werden zu lassen. Gelegenheit für abwechslungsreiche Gespräche und sich fotografieren zu lassen.

Selten kam mir der Aufstieg hier so lang vor. Trotzdem erreiche ich in der angepeilten Zeit von knapp 3 Stunden den bekanntesten Gipfel des Rennsteigs. Auf etwas mehr als einem Drittel der Strecke habe ich hier bereits die Hälfte der zu erklimmenden Höhenmeter gemeistert. Der Blick schweift weit voraus. Einige Auf- und Abstiege liegen noch vor mir. In der Ferne grüßt der Beerberg bei KM 64. Auf den nächsten beiden Kilometern geht es erst einmal wieder um 200 Höhenmeter hinab. Der steile Abstieg mit zahlreichen Stufen ist eine anstrengende Herausforderung für die Knie. Hohes Tempo ist nicht angesagt, um kurz vor KM 27 die Verpflegungsstelle Grenzwiese zu erreichen.

Die folgenden Kilometer geben Zeit zur Erholung. Die hier fast ebene Strecke unterstützt einlockeres Laufen und hilft einen angenehmen Rhythmus zu finden. Wie so häufig endet dieser Abschnitt viel zu schnell. Immerhin ist am Ende bei KM 30 das Heuberghaus erreicht. Hier erinnert, auch wenn ich ihn übersehen habe, ein Gedenkstein an den ersten nächtlichen „Taschenlampenstart’“ des Guthsmuths-Rennsteiglaufes.

Jetzt ist es nicht mehr weit zur Halbzeit. Für die Steigung zum Spießberg werde ich mit Getränken am Possenröder Kreuz belohnt. Das 1522 erstmals erwähnte Steinkreuz weist wohl auf ein untergegangenes Dorf hin. Jetzt ist es nur noch ein Katzensprung zur „Ebertswiese“ wo der Moderator fast jeden Teilnehmer einzeln begrüßt. Die Auswahl an Speisen und Getränken ist hier so groß wie an keiner anderen Verpflegungsstation. Schmalzbrote, Würstchen und Gerstenkaltschale sind eher nichts für mich. Die überlasse ich gerne den Wanderern, mit denen wir uns mittlerweile die Strecke teilen.

Bei jetzt sommerlichen Temperaturen geht es weiter. Auch wenn ich noch in meinem angepeilten Tempo unterwegs bin, mache ich mir doch langsam Sorgen, ob ich die Wärme vertragen werde. Mit diesen Gedanken beschäftigt, erreiche ich kurz vor KM 41 die „Neue Ausspanne“. Die richtige Aufmunterung in Form eines Lächelns von Silke strahlt mir hier entgegen und vertreibt meine Sorgen.

Der Begriff „Ausspanne“ wird mir heute noch häufiger begegnen und erinnert daran, dass der Rennsteig nicht nur für die heutige Läuferschar eine schweißtreibende und anstrengende Angelegenheit ist. Deshalb mussten an Stellen wie dieser zusätzliche Pferde vor die Fuhrwerke gespannt werden. Nur so waren die Handelswege über den Rennsteig zu nutzen. Dieser Luxus steht mir zwar heute hier nicht zur Verfügung, aber eine Getränkestation sorgt dafür meinen eigenen Flüssigkeitshauhalt in Ordnung zu halten.

Die nächsten Kilometer führen entlang der Schmalkalder Loibe. Heute ist der Begriff allerdings irreführend, weist er in seiner ursprünglichen Bedeutung auf Laubwälder hin. Doch nichts deutet hier im Fichtendunkel auf die früheren Buchenwälder hin. Der mit diesem Abschnitt verbundene Anstieg beschert mir ein Zwicken in der Wade. Grund genug, mein Tempo anzupassen und ein paar Schritte zu gehen. Ich falle nicht weiter auf, da sich bereits viele Läufer dafür entschieden haben. Das relativ ebene Stück zwischen Neuhöfer Wiesen und dem Grenzadler lässt mich wieder Tritt fassen. Immer wieder schaue ich in die gleichen Gesichter und der ein oder andere Plausch ist angesagt. Überholt wird immer wieder gegenseitig. Wir sind uns einig das Ziel in Schmiedefeld trotz kleiner Wehwehchen gesund zu erreichen.

So erreiche ich den großen Platz am Grenzadler, wo im Winter schon mal Biathleten ihre Wettkämpfe austragen noch ohne großen Zeitverlust. Hier im Ziel der 35 KM-Wanderung ist für die Läufer der Tisch wieder reichlich gedeckt. Die Möglichkeit zur Beendigung des Laufes nutze ich nicht. Ein knapper Halber geht schließlich immer und die Wade macht ja keine Probleme mehr.

Knappe 2 Kilometer weiter wartet bereits die nächste Getränkestation am Rondell. Hier überquere ich auf einer Brücke die B 247. Als es diese noch nicht gab, führte der Lauf noch hinab nach Oberhof, um dort die Bundesstraße zu passieren. Obwohl ein Abstecher in diese Wintersportmetropole für einen Athleten sicher reizvoll wäre, bin ich doch für die heutige direkte Streckenführung dankbar. Jetzt stehen zum Glück auch nur noch knapp 100 Höhenmeter bis kurz unter dem großen Beerberg bei KM 61 an. Passend meldet sich meine Wade wieder zu Wort. Als wenn das Wetter das wieder ausgleichen wollte, hat sich die Sonne mittlerweile versteckt. Ein leichter Nieselregen erfrischt die Läufer. Ein Grummeln lässt ein Gewitter befürchten, das glücklicherweise ausbleibt.

Mit der nötigen Ruhe erreiche ich, etwas langsamer geworden, Plänckners Aussicht. Hier am höchsten Punkt der Strecke gibt es zwar nicht die versprochene Aussicht, dafür die Erinnerung an den ersten Rennsteigläufer. Schließlich war Julius von Plänckner der erste, der 1829 den Rennsteig erwanderte und die heutige Strecke festlegte.

Die letzten Kilometer sollten mir wieder leichter fallen, geht es doch jetzt bis zum Ziel in Schmiedefeld fast nur noch bergab. Es rollt wieder besser und die Kilometer kommen mir nicht mehr so lang vor. Auch wenn ich die angepeilte Zeit nicht mehr erreichen werde, kann ich noch mal ein paar Minuten aufholen.

An der letzten Verpflegungsstelle vor dem Ziel am Kreuzwege könnte ich schon einen Vorgeschmack auf die Zielverpflegung bekommen. Die hier gereichte Gerstenkaltschale ist mir im Wettkampf jedoch nicht geheuer. Diese Erfrischung muss noch bis Schmiedefeld warten.

Weit ist es jetzt wirklich nicht mehr und nach dem ich den Rennsteig wieder verlassen habe erreiche ich kurz darauf das „schönste Ziel der Welt“ in Schmiedefeld. Auf dem Weg durch den Ort zum Sportplatz gibt es noch letzte Aufmunterungen des Publikums: Weiter, Du hast es gleich geschafft! Da fällt es mir leicht, mit einem Lächeln auf die Zielgerade einzubiegen. Zumal ich von Silke empfangen werde.

Auch wenn es wieder sehr anstrengend war überlege ich mir, vielleicht sind aller guten Dinge ja auch vier. Ich freue mich schon darauf die Strapazen des Rennsteiglaufes beim nächsten Mal doch noch mit Wolfgang zusammen genießen zu dürfen.
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