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Heile im Glück – ein modernes Märchen!

Heile im Glück – ein modernes Märchen!

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Die Häufungen bestimmter Threads ließen mich ein wenig träumen…

Es war einmal vor langer, langer Zeit, dass sich ein fröhlicher junger Mann in die Dienste seines Herrn begab, um ihm fortan treu zu dienen. Aufgrund seines freundlichen, jedermann zugänglichen Wesens wurde er binnen kurzem von allen nur noch Heile genannt. Jahr um Jahr ging ins Land, in dem Heile für seinen Dienstherrn aufopferungsvoll und treu den Dienst versah.

Da sein Herr ein den modernen Führungsprinzipien verpflichteter und sozial eingestellter Chef war, beobachtete er mit stetig zunehmender Sorge, wie von Mal zu Mal die Waage unter Heiles Last zu stöhnen begann und Furchen der Gram seinem Gesicht mehr und mehr Prägung verliehen. So rief er eines Tages Heile zu sich und sprach: „Heile, du hast mir viele Jahre treu gedient, wie du’s versprochen hast. Als Lohn dieser Müh möchte ich dir hiermit etwas überreichen. Es ist ein Trainingsplan. Wenn du diesen befolgst, wirst du dem Körper deiner Jugendzeit bald wieder ein Ebenbild sein. Nimm ihn, und setze ihn getreulich um!“ Heile war gerührt, fiel seinem Herrn zu Füßen, stammelte etwas von unendlicher Dankbarkeit und war glücklich.

Gleich am nächsten Tag eilte er dem nahe gelegenen Walde zu, den Trainingplan, in einen wertvollen Rahmen eingehüllt, vor sich her tragend. Aber ach, so hatte er sich das nicht vorgestellt. Da war von GA1 und GA2, von Tempo, von regenerativ und 60 und 70 und 80% der HFmax die Rede. Unser armer Heile wusste bald nicht mehr, wo ihm der Kopf stand und trottete nur noch traurig des Wegs.

Da begegnete ihm stolz und erhobenen Hauptes ein anderer Läufer, ach was ein Läufer: ein Held, stolzen Schrittes, die Brust nach vorn gereckt, der Blick keck und verwegen. „Ey, Läufer. Ihr habt’s anscheinend gut. Laufet ohn’ Verdruss und mit viel Freud daher, dass es die wahre Wonne ist, euch zuzuschauen“, rief unser Heile da aus. „Freund, was seid ihr so verzagt? Ich nenn wohl eine Leistungsdiagnostik mein eigen“, entgegnete der fesche Läufer. „Da weiß ich ganz genau, in welch Bereich ich mich justamente befinde und kann mir mein Training gar wohl gestalten.“ „Habt Ihr es gut!“ seufzte da Heile, „so ein lecker Ding würd’ ich mir wohl auch wünschen!“ „Nun denn, weil Ihr es seid“, sprach der geschwinde Geselle. „Ich tausch mit euch. Gebt mir den Trainingsplan, und Ihr seid stolzer Besitzer meines Laktattests!“

Das ließ sich Heile kein zweites Mal sagen und sprang von einem Bein aufs andere hüpfend davon. Doch bald schon war ihm gar nicht mehr so froh zumute. 70 – 75%, 85 – 90% und immer und immer wieder HFmax, ja, wie sollte er da seinen Frieden finden? Sein Gemüt betrübte sich mehr und mehr. Da wirbelte etwas direkt vor seiner Nase herum, mal Vorfuß, mal Ballen, mal Ferseneinsatz zelebrierend. Heile staunte nicht schlecht und dachte bei sich: Ja, so sollt’s wohl Spaß und Körperfreuden bereiten.

„Ei, Gevatter! Welch Intervall ist euch denn übers Herz gestrichen?“ „Ihr habt gut reden. Aber sehet mich dagegen! Bin zwar stolzer Besitzer einer Leistungsdiagnostik und weiß doch nicht, wofür, wieso, warum. Ja, wenn man euch mit fliegendem Schritte zuschaut, das ist ein ander’ Werk!“ „Nun ja, die Leistungsdiagnostik! Das ist kein Sach’ für jedermann. Doch schaut, ich werde euch erlösen. Dies Ding an meinem Armgelenk, vermählt mit schmalem Gurt, dem Herze nah, werd ich euch an Testes statt vermachen, gebt Ihr nur der Bereiche Ziffern mir dafür.“

Wie jauchzte unser Heile daraufhin! Welch vorteilhafter Tausch war ihm doch wieder mal geglückt! Potzblitz, was war das doch für ein Tag! Eine Uhr, die alles von allein machen würd’! Er brauchte fürderhin nur noch zu laufen, den Rest würde das Wunderding an seinem Arm vollbringen! Doch ach und weh, kaum setzte er den linken Fuß vor den rechten und dann wieder den rechten vor den linken, da… …piepste es. Und es piepste, und es piepste, und es piepste. Ja, er musste stehen bleiben, damit es nicht mehr piepste. Wie sollte er denn so jemals vorankommen? Heile neigte betrübt sein Haupt und verzweifelte.

Doch was war das? In schicken Funktionsgewändern näherte sich ein weiterer Läufer, vor Kraft geradezu strotzend. Bei dem würde es garantiert nicht piepsen! „Wie schafft Ihr es, treuer Freund, so kraftvoll und ohne zu verzagen, den Weg durch Busch, Gestrüpp und Asphalt euch zu bahnen?“ starrte Heile verblüfft. „Kein Zauberding, fürwahr!“ entgegnete der Gefragte, „aus diesem Plastiktütchen gewinn’ ich all mein Energie und kann, so gestärkt, wohl einmal oder mehrfach gar den Erdball umrunden. Gel heißt der Zaubertrank.“

„Gel! Gel! Mann, ist das Gel!“ entfuhr es Heile. „Ja, wenn ich Gel hätt’, wär die ganze Welt mir untertan“, murmelte er mit entrücktem Blick. „Freund, ihr dauert mich“, unterbrach ihn da der Gel-Gestärkte. „Wohl wären meine restlichen Gels mir von großem Nutzen. Aber für euch, Kumpan, und eure GPS-Uhr gäb ich sie her.“

Heile konnte sein Glück kaum fassen, tauschte Uhr gegen Gel und hüpfte fröhlich und unbeschwert seines Wegs. Wie er so 3 Minuten gelaufen war, dachte er bei sich: „Nun, eine Stärkung könnt nicht schaden“, riss ein Tütchen auf und drückte sich das pampige Gel in seinen aufnahmebereiten Schlund. Sei’s, dass ein Mückchen sich dazu gesellte, sei’s, dass der Gedanke an die morgige Präsentation vor dem Firmenvorstand den Schluckrhythmus unterbrach, Heile bekam einen Hustenanfall und kotzte alles wieder aus.

Dermaßen befreit, sprang er auf, legte erstmal einen 100 m-Sprint in 12,0 sek hin, lief sich ein wenig ein, machte 10 1000-er Intervalle in 3:40 und legte so den Grundstein für einen Marathon in 2:40 h, was ihm den Titel „Schnellster Marathonnovize ohne den ganzen Schnickschnack“ einbrachte und wurde dann Vorsitzender des Vereins „Kein Mensch braucht Pulsuhren und den ganzen anderen Scheiß’, um vernünftig laufen zu lernen!“

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de

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burny hat geschrieben:und wurde dann Vorsitzender des Vereins „Kein Mensch braucht Pulsuhren und den ganzen anderen Scheiß’, um vernünftig laufen zu lernen!“
Bis hierhin ist Deine Geschichte ja sehr nett und konsistent; aber wäre es wirklich ein "Heile im Glück", dann wäre er zu klug, um in so einem Verein Vorsitzender zu werden oder auch nur ihm beizutreten. Dieser Verein wäre nämlich ähnlich sinnlos und dogmatisch wie sein Gegenstück "Man braucht ...".
Gruß vom NordicNeuling

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Und wenn er nicht gestorben ist (wegen zu hoher Herzfrequenz), dann läuft er heute noch glücklich und zufrieden. :D
"If I had no sense of humor, I would long ago have committed suicide." (Gandhi)

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Ich laufe wohl durch Deinen Text nicht lockerer - aber zumindest mein Tag ist um ein breites Lächeln reicher! :daumen:
Gruß Thomas
PBs: 5km: 19:03 - 5,6km: 21:25 - 10km: 41:25 - HM: 1:26:39 - M: 3:11:15 - 50km: 4:09:09
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