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Marktlauf Velden 10. Juli 2011

Marktlauf Velden 10. Juli 2011

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Die Fortsetzung der kleinen Serie „statt City-Marathon der nette Lauf von nebenan“ beginnt mit Regen, viel Regen. Es schüttet. Mein Vereinskollege Werner und ich stehen an diesem Sonntagmorgen in Velden unter einem Holzvordach. In 40 Minuten soll es losgehen mit dem Marktlauf in Velden. Keine große Sache das. 5 Kilometer, was ist das schon? Allerdings: Auf Zeit gelaufen bin ich die 5-KM noch nie.

5 Kilometer – das hielt ich immer für den Hausfrauenlauf, Einsteigerlauf, Seniorenlauf. Männer laufen den Hauptlauf. Wir laufen die 10, besser gleich HM, sonst lohnt doch der ganze Aufwand nicht. Heute halt nur 5, als Ersatz für den im Trainingsplan vorgesehenen Schwellenlauf. Hab gehört, dass es hier zwei Steigungen gibt. Unter 25 Minuten sollten es aber dann doch schon sein...

Nun aber erst mal Regen, Pfützen, Grau in Grau. Dafür sind die Frauen unter den Sonnenschirmen bei der Nachmeldung besonders nett. Ich sage, sollte es weiter regnen, wolle ich mein Geld zurück. Gelächter. Ich bekomme die Startnummer 447, Werner die 448. Für einen Wettkampf bin ich extrem relaxed, es sind ja nur 5!

Der Himmel hellt auf, die Luft ist klar und kühl, also jetzt das übliche Ritual. Garmin an, Brustgurt um, die Kompressionsstrümpfe drauf, die Brooks Racer geschnürt. Das übliche Einlaufen, die Bambini- und Kinderrennen laufen schon.

Wegen der vielen Kinderrennen verzögert sich der Start des Hauptlaufs etwas. Neben der Start- und Zielgeraden das übliche, unvermeidliche Spitzentreffen von Luschen und Eliteläufern. Natürlich ist Markus, der regionale Seriensieger, auch wieder da. Müde sei er, sagt Markus. Mit Freunden in der Disco bis 4 Uhr in der früh.

„So wird das nix“, schimpft Werner. Immerhin fehlen Markus auf den 10 Kilometern noch zwei Minuten auf die Quali-Zeit für die Deutsche Meisterschaft. Markus sagt, das sei wurscht. Er sehe das Ganze heute nur als „schnelleren Trainingslauf“. Neben ihm steht Stefan, der „Pirat“, der immer mit Kopftuch läuft. Stefan war verletzt und will es heute „ruhiger“ angehen lassen.

Das will auch Werner, ich sowieso. Schön so ein Rennen, in dem angeblich keiner voll läuft. Mit mitleidigen Blick verfolge ich das hilflose Aufwärmprogramm einiger Gelegenheitsläufer. Ist es so, frage ich mich, dass man mit wachsendem sportlichem Erfolg auch einfach arroganter wird? So lange ich den Bauch einziehe, sehe ich fast schon sportlich aus...

Endlich geht es hinein in den Startblock. Im letzten Moment schiebt sich vor mir noch eine Frau mittleren Alters hinein. So etwas sehen wir gar nicht gerne. Die um die Hüfte gewickelte Regenjacke offenbart die Anfängerin. Nana, Mutti, übernimm dich mal nicht!

Ganz hinten steht Werner vor dem „Besenwagen“ (ein Mountainbiker) platziert. Nervös bin ich überhaupt nicht, ist ja nur ein Fünfer. Der Bürgermeister zählt den Count Down runter. Statt Startschuss macht er irgendetwas mit der Klatsche und ab geht die Post.

Mit Volldampf in die erste Rechtskurve, ich jage an der „Regenjacke“ vorbei. Dann die abschüssige Straße hinunter, die nächsten Opfer schnell erspäht: Eine Gruppe Fußballer, vom Trainer auf die Strecke gezwungen. Lustlos hüpfen Goldkettchen und Dauerwellen, oh mein Gott, was soll aus diesem Land werden mit so einem Nachwuchs?

Danach an einem müden Laufpärchen vorbei. Es rollt heute. Ich kann fliegen. Jetzt geht es links auf einem Feldweg einen Hang hinauf. Vorsicht, sage ich mir, kleine Schritte, Tempo etwas raus. Ich hänge mich an eine junge Frau mit kurzen schwarzen Haaren dran, ihre Beine haben kräftige Waden. Fährt Fahrrad, denke ich, kann aber nicht gut laufen. Meine Strategie ist so klar wie brutal: Bis oben am Wasserturm dranbleiben und dann abhängen.

Nur schnaufe ich schon so schwer. Der Anstieg zieht sich. Er fühlt sich höllisch an. Das muss aber gleich vorbei sein, ist ja nur ein kurzer Lauf. Wo bleibt eigentlich dieser verdammte Wasserturm? Die Frau mit den strammen Waden setzt sich ab. 5 Meter, 10 Meter, 15 Meter – ah, endlich, das muss er sein, der Wasserturm!

So Mädel, ich kämpf mich wieder an Dich ran. Was für eine Schinderei! Aber wir sind gleich beim Wasserturm. Und dann geht’s bergab. Die Milchsäure schießt mir in die Arme und die Beine – ich bin im dunkelroten Bereich. Aahaah, endlich der Wasserturm, aber es geht nicht bergab! Das muss ein Missverständnis sein. Die Frau vor mir setzt sich wieder ab.

Da geht es noch eine verdammte Kuppe hoch, mein Tempo lässt rapide nach, ich hab den Motor völlig überdreht. Ich wanke den Feldweg entlang, Laufen ist das schon längst nicht mehr. Von hinten läuft jemand auf. Werner! Wie kann der nur so frisch sein! Er muntert mich auf. „Ruhig bleiben! Gleichmäßig atmen!“ mit diesem Mantra scheppt er mich tatsächlich die letzten Höhenmeter hoch. Oben, mit schönem Blick über Velden, wird es endlich flach.

Dann geht es steil bergab wieder in den Ort hinein. Werner zieht mich den Berg hinunter, von Erholung keine Spur. Am Ortsrand ein kleines Stimmungsnest, den Applaus hab ich nicht verdient.

Immerhin keimt Hoffnung. Das Schlimmste scheint hinter mir zu sein. Aber schon zieht das Gefälle wieder an. Zudem brennt jetzt die Sonne auf den nassen Asphalt. Fühlt sich an wie ein Sauna-Aufguss. „Ruhig bleiben, super in der Zeit“, sagt Werner.

Na also gut, dann noch mal mit aller Kraft diese zweite Steigung nehmen. Ich lauf sogar wieder auf zwei Läuferinnen aus Mettenheim auf. Dann muss es ja wieder abwärts gehen. Doch weit gefehlt – der nächste Hügel naht. „Wie weit noch?“, will ich wissen. 2 Kilometer, meint Werner. 2 Kilometer! Ich hätte nie gedacht, dass ich mal auf einem 5er jeden Meter zähle.

Ich schlurfe den nächsten Hügel hoch. Es ist beschlossene Sache: Ich bin ein Steffny-Kandidat. Ich werde nie mehr über seine Bücher lästern. Ich werde den Daniels und Pfitzingner verbrennen, die Kompressionstrümpfe noch dazu.

Nur mit allergrößter Mühe bleib ich an den beiden Frauen dran. Der Puls rast, die Arme schmerzen, die Sonne sticht. Kann mich nicht erinnern, mich in den letzten Jahren mal so gequält zu haben. Ein flacher Halbmarathon ist ein Spaßlauf gegen das hier, ein 4-Stunden-Marathon eine Genussveranstaltung.
Wäre Werner nicht dabei, würde ich wahrscheinlich längst gehen. Immerhin ich laufe noch. Jetzt, an einer Linkskurve, ist noch einmal eine Getränkestation. Eine der beiden Frauen vor mir schliddert und fällt, mit Glück kann ich gerade noch mit meinen zitternden Beinen ausweichen.

Nur ein Kilometer noch, dann hat die Qual ein Ende. Wir laufen auf die Kirche zu. „Jetzt kommt die zweite Steigung“, sagt Werner. Was??? Die zweite Steigung? Und was war das alles davor? Und da wölbt sich schon der feuchtheiße Asphalt. Der Schweiß brennt mir in den Augen. Nein, diesen Buckel schaffe ich nicht! Wie eine Mauer türmen sich die 15 Höhenmeter vor mir auf. „Geht schon, das schaffst Du schon“, wieder das Mantra von Werner.

So schiebt sich also die Startnummer 447 zur Kirche in Velden hinaus. Dead man walking. Steffny ist noch viel zu gut für mich. Ich schmeiß die Brooks Racer weg und kauf mir den Bild-Volkslaufschuh bei Deichmann. Dazu den AOK-Trainingsplan für Arthrose-Kranke und Läufer mit künstlichem Hüftgelenk.

Wir sind an der Kirche und ich total fertig. Von hinten schießen noch zwei, drei Läufer vorbei. Nun, endlich, endlich, geht es in den Zielschuß hinunter. Mein Gott, was können 5 Kilometer grausam sein! Zieleinlauf mit Tunnelblick. Zeit? 25:33, schwach, ist mir aber so was von egal...

Markus hat natürlich gewonnen – mit 16:45. Später schaff ich es bei Kaffee und super Kuchen zumindest wieder aufrecht auf der Bierbank zu sitzen. Beim Singsang der ewig dauernden Siegerehrung drohe ich fast einzuschlafen. Der Moderator sagt, man habe auf diesem lauf 250 Höhenmeter „versteckt“. Werner gewinnt mit unserer Luschenzeit seien Altersklasse – und irgendwie bin ich trotzdem glücklich. Auf das T-Shirt mit dem Gecko vom Veldener Marktlauf bin ich mehr stolz als auf die Finisher-Shirts meiner meisten Marathons.
Versäg den Fischer - bis Ende 2010 HM 1:37, M 3:41
http://www.editgrid.com/user/hadesnumb/ ... ll_of_Fame
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:D Schön, dass es dir in Velden gefallen hat :teufel: :daumen:
Gibts da eine Ergebnisliste irgendwo?
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Fischerzeiten (HM 1:37:33 | M 3:41:36)
HM 2010: Ismaning (1:36:17)
HM 2011: Bad Füssing (1:33:15)
HM 2012: Wien (1:31:38)
M 2010: Wien (3:17:44)
M 2011: Wien (3:29:12)
:winken:

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Dumbo42 hat geschrieben:...... Hab gehört, dass es hier zwei Steigungen gibt.......
kann gar nicht sein , lt. Ergebnisliste war das ein Abfahrtslauf :hihi:

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Dumbo42 hat geschrieben:5 Kilometer, was ist das schon?
...
5 Kilometer – das hielt ich immer für den Hausfrauenlauf, Einsteigerlauf, Seniorenlauf.
...
Grau in Grau.
Tja, grau ist halt alleTheorie!
Und die kurzen können besonders hart werden. Vielleicht das nächste Mal Hansi als Hasi? :teufel:

Ein schöner, humorvoller Bericht mit der richtigen Prise Selbstironie ist jedenfalls heraus gekommen!

Bernd
Das Remake
Infos zum Laufen und Vereinsgedöns gibt's auf www.sgnh.de
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