Banner

Überpronation und dynamisches X-Bein aktiv therapieren

Überpronation und dynamisches X-Bein aktiv therapieren

1
Hallo allerseits,

gestern habe ich ein Video zu einigen Stabilisationsübungen aufgenommen, die aus dem "kurzen Fuß nach Janda" entwickelt wurden:
Verbesserung der Beinstabilität mit dem Übungssatz "kurzer Fuß nach Janda" - YouTube
Der Film soll Läuferinnen und Läufern mit Neigung zu Überpronation und X-beinigem Laufstil helfen, ihre Bewegungsabläufe aktiv zu verbessern und so von orthopädischen Hilfsmitteln unabhängig zu werden.

Weil ich die gezeigten Übungen für sehr wichtig halte und in meinem Laufkurs häufig nutze, würden mich Eure Erfahrungen mit dem "kurzen Fuß" interessieren. Wurde denjenigen von Euch, die unter entsprechenden Beschwerden leiden, die Übung von Orthopäden oder Physiotherapeuten empfohlen? Wendet jemand die Übung oder einzelne Varianten davon regelmäßig an? War die Anwendung erfolgreich? Hilfreich sind natürlich immer auch Erweiterungs- bzw. Verbesserungsvorschläge.

Für diejenigen unter Euch, die an den zugrunde liegenden biomechanischen Zusammenhängen interessiert sind, folgen einige Erläuterungen:

Bekanntermaßen werden zahlreiche typische Läuferbeschwerden auf Fehlhaltungen von Fuß und Unterschenkel zurückgeführt. Bei diesen Fehlhaltungen nehmen Überbeweglichkeiten im Bereich der Fußwurzel - unter den Bezeichnungen "Knick-Senkfuß" und "Überpronation" in aller Munde - eine herausragende Stellung ein. So wird das Einknicken des Unteren Sprunggelenks (USG) unter der Last der Stützphase unter anderem für Entzündungen der Achillessehne und der Fußsohlenbänder, sowie für diverse Arten von Knieverletzungen verantwortlich gemacht.
Ein intaktes Fußskelett wird im entspannten Stehen durch passive Haltestrukturen, nämlich Bänder und Gelenkkapseln, in seiner gewölbten Position gehalten. Sind diese Elemente zu schwach bzw. zu lang, dann gibt die Gewölbestruktur übermäßig stark nach. Dies führt neben der Absenkung des Gewölbes und dem Abkippen des Fersenbeins zu einer Verdrehung der Achse des oberen Sprunggelenks (OSG) und damit zu einer medialen (nach innen gerichteten) Drift des Knies bei seiner Beugung.

Von Seiten der Laufschuhindustrie und der Orthopädietechnik wurden zahlreiche Technologien entwickelt, um durch passive Unterstützung des Fußlängsgewölbes eine Linderung der Beschwerden zu erzielen. Vor- und Nachteile dieses Lösungsansatzes wurden im Forum bereits häufig diskutiert und sollen nicht Gegenstand dieses Fadens sein.

Aus der Anatomie von Unterschenkel und Fuß ergibt sich alternativ die Möglichkeit, die mangelhaft funktionierenden passiven Haltestrukturen (Bänder und Gelenkkapseln) in ihrer Funktion durch aktive Strukturen, nämlich durch Muskeln, zu ersetzen. Es handelt sich dabei um die langen Fußmuskeln, die im Unterschenkel sitzen, über ihre Sehnen an verschiedenen Punkten des Fußskeletts angreifen und dadurch Drehmomente in den Sprunggelenken erzeugen können.
Der Schlüssel zu einer nachhaltigen Therapie von Überpronationsbeschwerden besteht daher in der Schulung von Kraft und Motorik dieser Muskeln.

Die gängige Laufliteratur - ob in Buchform oder im Internet - empfiehlt in diesem Zusammenhang häufig das Lauf-ABC und gelegentlich den Fußzirkel. Diese Übungen haben den unbestreitbaren Vorteil, in der Laufbewegung ausgeführt zu werden, wodurch sie sich relativ ungezwungen in das gewöhnliche Dauerlauftraining integrieren lassen. Sie eignen sich gut zur Schulung der allgemeinen Lauf-Koordination und haben daher in meinem Laufkurs einen hohen Stellenwert.
Das speziell für die Pronationskontrolle erforderliche Anspannungsmuster, das aus gleichzeitiger Kontraktion von Fußbeugern, Fußstreckern, Zehenbeugern, Zehenstreckern, Supinatoren und Pronatoren besteht, kommt in diesen Übungen jedoch nicht explizit vor!

Deswegen sollten Menschen mit Knickfußproblemen zusätzlich die Übung "kurzer Fuß" durchführen, die auf den tschechischen Neurologen Vladimir Janda, einen Pionier der modernen Physiotherapie, zurückgeht. Die klassische Variante dieser Übung, zu der es einige Anleitungen und Lehrvideos im Netz gibt (z.B. PUR-LIFE Knick-, Senk-, Spreizfuß , Janda Short Foot - YouTube), hat jedoch zwei Nachteile:
1) Das Anspannungsmuster ist schwierig zu erlernen, da wir i.d.R. aus dem Alltag nicht an seine Umsetzung gewöhnt sind.
2) Die Übung wird nur im Sitzen einerseits oder im Stehen mit gestrecktem Knie andererseits ausgeführt. Die Übertragung in die dynamischen Körperpositionen der Laufbewegung fehlt.

Das Erlernen der Grundposition (Nachteil 1) lässt sich bei vielen Personen erleichtern, indem zunächst die Zehen maximal nach oben gezogen werden. Dadurch richtet sich das Gewölbe bei fast allen Personen automatisch auf (sog. Windlass- oder Ankerwinden-Mechanismus). Dann besteht die Schwierigkeit nur noch im Halten der Wölbung, während die Zehen wieder in die Horizontale gebeugt werden.
Zur Beschäftigung mit Nachteil 2 animierte mich eine Physiotherapeutin, die vor einigen Monaten meinen Laufkurs besuchte. Sie empfahl mir, die Übung schrittweise im Schwierigkeitsgrad zu steigern und auf andere Beinstellungen zu erweitern. So entstand ein Übungssatz, in dem zunächst die Grundposition eingeübt wird, dann zur Kraftverbesserung die Belastung des Fußes gesteigert wird und schließlich die beim Laufen vorkommenden dynamischen Positionen des Standbeins eingenommen werden.
Zwar stellt der Übungssatz zum kurzen Fuß keine Laufübung im engeren Sinne dar, dafür ist er aber ausgezeichnet in den Alltag integrierbar, weil sich die Grundposition im Sitzen und Stehen auch mit Schuhen ausführen lässt.


Auf Eure Kommentare freut sich
Martin
Die Laufschule Marburg
Twitter
Video-Anleitung zur Selbsthilfe bei Überpronationsproblemen

"Barfuß - das ist ehrlich!" (Zuschauer eines Straßenlaufs in Marburg, während ihn eine Barfußläuferin passiert)

Persönliche Bestzeiten

5.000 m (Bahn) in 21:39 (barfuß) - Bahnlauf des ASC Breidenbach, 6.9.2013
10.000 m (Bahn) in 45:14 (barfuß) - Kreismeisterschaften in Eschenburg-Eibelshausen, 09.10.2015
10 km (Straße) in 46:16 (barfuß) - 31. Marburger Ahrens-Stadtlauf, 29.9.2013
HM in 1:41:53 (barfuß) - 16. Schottener Stauseelauf, 5.10.2013

2
Interessant, wie wenig Resonanz die Anleitung erhält. Immerhin kann man davon ausgehen, dass mindestens jeder dritte Läufer in irgendeiner Form von Überpronationsproblemen betroffen ist und bereits irgendwelche Maßnahmen mit dem Ziel ergriffen hat, damit zusammenhängende Beschwerden einzudämmen oder erst gar nicht entstehen zu lassen.

Die Ruhe in diesem Faden zeigt mir, dass entweder
- die gezeigte Form von Stabilisierungsübungen von denjenigen Berufsgruppen, die Läufer in orthopädischen Fragen beraten, nur selten empfohlen wird, oder
- die Übungen zwar empfohlen werden, aber von den Läufern selten durchgeführt werden, weil sie vielleicht zu unspektakulär erscheinen (das neueste Stützsystem von New Bradidasics oder Sauconike am Fuß ist natürlich viel cooler :zwinker5: ).

Ich hatte es fast so erwartet, denn die Vermutung lag nahe, dass das Gebiet der aktiven Beinstabilisierung in Läuferkreisen noch weitgehend unerschlossen ist. Offenbar ist es dringend erforderlich, über die Möglichkeiten und die zugrunde liegenden anatomischen Zusammenhänge zu informieren. Das werde ich tun.

Gruß
Martin
Die Laufschule Marburg
Twitter
Video-Anleitung zur Selbsthilfe bei Überpronationsproblemen

"Barfuß - das ist ehrlich!" (Zuschauer eines Straßenlaufs in Marburg, während ihn eine Barfußläuferin passiert)

Persönliche Bestzeiten

5.000 m (Bahn) in 21:39 (barfuß) - Bahnlauf des ASC Breidenbach, 6.9.2013
10.000 m (Bahn) in 45:14 (barfuß) - Kreismeisterschaften in Eschenburg-Eibelshausen, 09.10.2015
10 km (Straße) in 46:16 (barfuß) - 31. Marburger Ahrens-Stadtlauf, 29.9.2013
HM in 1:41:53 (barfuß) - 16. Schottener Stauseelauf, 5.10.2013

3
Gueng hat geschrieben:...davon ausgehen, dass mindestens jeder dritte Läufer in irgendeiner Form von Überpronationsproblemen betroffen ist... ...damit zusammenhängende Beschwerden...
Ich sehe erst dann Probleme durch "Überpronation", wenn sie durch gut gedämpfte Schuhe mit zu großer Sprengung noch verstärkt wird. Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Überpronation und irgendwelchen Beschwerden kann ich nicht bestätigen.

Mit freundlichen Füßen
Roland B.

4
GastRoland hat geschrieben:Ich sehe erst dann Probleme durch "Überpronation", wenn sie durch gut gedämpfte Schuhe mit zu großer Sprengung noch verstärkt wird. Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Überpronation und irgendwelchen Beschwerden kann ich nicht bestätigen.
Dass Barfuß- oder Quasi-Barfußläufer weniger Probleme mit Überpronation haben, das denke ich auch. Nur ist das ja i.d.R. nicht der Zustand, in dem Läufer sich in biomechanischen Fragen Beratern zuwenden. Eine Umstellung der Schuhversorgung von "High-Tech" auf "Minimal" kann in den meisten Fällen auch nicht von heute auf morgen passieren. Für die Übergangszeit von vielleicht einigen Monaten halte ich Stabilisierungsübungen für sinnvoll. Zudem ermöglicht es uns unsere Welt kaum, ständig mit Minimalschuhen oder gar Barfuß unterwegs zu sein. Auf Schotter nutze ich z.B. ganz gerne etwas dickere Sohlen, und dann ist aktive Stabilisierung schon wichtig, wenn man "minderwertige" Füße hat.

Beste Grüße
Martin
Die Laufschule Marburg
Twitter
Video-Anleitung zur Selbsthilfe bei Überpronationsproblemen

"Barfuß - das ist ehrlich!" (Zuschauer eines Straßenlaufs in Marburg, während ihn eine Barfußläuferin passiert)

Persönliche Bestzeiten

5.000 m (Bahn) in 21:39 (barfuß) - Bahnlauf des ASC Breidenbach, 6.9.2013
10.000 m (Bahn) in 45:14 (barfuß) - Kreismeisterschaften in Eschenburg-Eibelshausen, 09.10.2015
10 km (Straße) in 46:16 (barfuß) - 31. Marburger Ahrens-Stadtlauf, 29.9.2013
HM in 1:41:53 (barfuß) - 16. Schottener Stauseelauf, 5.10.2013

Antworten

Zurück zu „Gesundheit & Medizin“