IGEL - Ärzte machen mit Unsinn Kasse

IGEL - Ärzte machen mit Unsinn Kasse

25.01.2012

Prüfbericht Ärzte machen mit Unsinn Kasse

Stoßwellen-Therapie, Vitamin-Kur, Schnarch-Entwöhnung: In deutschen Arztpraxen erfreuen sich Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) großer Beliebtheit. Doch was ist Schrott und was seriös? Unabhängige Experten haben nun gängige IGeL bewertet. SPIEGEL ONLINE zeigt zehn klassische Fälle.

Unerwünschte Wirkungen nicht ausgeschlossen: Die Eigenbluttherapie
"Wer nicht wirbt, stirbt", lauteten die ersten Empfehlungen an deutsche Ärzte, ihren Patienten verstärkt private Zusatzleistungen anzubieten. Gestartet wurden die kostenpflichtigen Extras in den Praxen in den neunziger Jahren auf Initiative der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Durch Kostensenkungen war das Einkommen der Ärzte gesunken, die Dienste sollten den Verlust wieder wett machen. Seitdem ist der Markt explodiert. Aus bescheidenen 90 möglichen Extraleistungen sind 300 bis 350 geworden - so genau weiß das niemand mehr.


Die IGeL, offiziell "Selbstzahlerleistungen" genannt, sind das, was ein Patient in der Praxis selbst zahlen muss. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) hat nun einen IGeL-Monitor gestartet, der Informationen zu häufig angebotenen IGeL-Angeboten bereithält. Es sei eine Entscheidungshilfe im Umgang mit den IGeL, die wissenschaftlich abgesichert, verständlich und transparent ist", sagt Peter Pick, Geschäftsführer des MDS. "Wenn man eine erste Bilanz unserer Bewertungen ziehen möchte, so schneidet die Mehrzahl der IGeL nicht gut ab, einige sogar richtig schlecht. Für die Versicherten bedeutet dies, hier besonders vorsichtig zu sein."

Prüfbericht: Ärzte machen mit Unsinn Kasse - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Wissenschaft


gruss hennes

Habe den Bericht heute auch gelesen. Als ich das Wort "Stosswellentherapie" las, musste ich gleich an Dich denken. Ehrlich!

Petra

Jo, mit der Stosswellentherapie hab ich auch schlechte Erfahrungen gemacht. Die hilft nur dem Arzt, sonst keinem.
Letztens war ich mit meiner Tochter beim Kieferorthopäden, ihre Zahnklammer abholen.
Ich dachte, ich wäre in einer Verkaufsveranstaltung für Rheumadecken (oder in diesem Fall für Ultraschallgeräte zur Reinigung der Zahnklammer ) gelandet.
Das ging mir echt tierisch auf den Keks. Die Sprechstundenhilfe, die uns das Ding und auch noch einiges anderes andrehen wollte, die hatte garantiert eine Verkaufsschulung mitgemacht.
Hab mich ganz schön aufgeregt, das könnt ihr mir glauben.

...aber was ist daran neu, dass viele IGEL-Leistungen Nonsens sind?

DaCube hat geschrieben:...aber was ist daran neu, dass viele IGEL-Leistungen Nonsens sind?

Nichts - man muss es nur immer wieder bewußt machen!

Andererseits kann ich die Ärzte verstehen, die nach den neueren "Besoldungsmöglichkeiten" keine Lust mehr haben.

Gestern stand hier in der örtlichen Zeitung, dass es hier vier Augenärzte gibt und damit das Gebiet schon überversorgt ist, gleichzeitig aber ein Patient einen Termin erst für 2013!!! erhielt!


gruss hennes

Hennes hat geschrieben:Nichts - man muss es nur immer wieder bewußt machen!

Andererseits kann ich die Ärzte verstehen, die nach den neueren "Besoldungsmöglichkeiten" keine Lust mehr haben.

Gestern stand hier in der örtlichen Zeitung, dass es hier vier Augenärzte gibt und damit das Gebiet schon überversorgt ist, gleichzeitig aber ein Patient einen Termin erst für 2013!!! erhielt!


gruss hennes

Man kommt sich wie auf dem Basar vor, wenn man zum Arzt geht. Da wird zumeist mit der Angst etwas für seine Gesundheit zu verpassen, Kasse gemacht.

Manches muß man sicher etwas differenzierter sehen.

OK, es gibt IGeL, die eher überflüssig sind. Bei den meisten dürfte es aber nicht nur darum gehen, daß der Arzt damit Geld verdienen will, sonder auch um den Selbstschutz: Mein Hausarzt hat sich mal eine Viertelstunde Zeit genommen, um mir (Kassenpatient) zu erklären, weshalb er eine Ermittlung des PSA-Wertes bei Fehlen weiterer Befunde für überflüssig hält. Seitdem weiß ich, daß ich lieber auf sowas verzichte, und ich weiß das Verhalten meines Arztes sehr zu schätzen. Andererseits will ich aber auch nicht in der Haut eines Arztes stecken, den ein an Prostatakrebs erkrankter Patient an die Wand zu nageln versucht, weil der ihn nicht unaufgefordert auf die Möglichkeit einer solchen Untersuchung hingewiesen hat. Im Bereich der Arzthaftung hat sich nämlich die Beweislast in den letzten Jahren ziemlich zu Ungunsten der Ärzte verschoben. Klarer Fall also: PSA ist anscheinend eher überflüssig, aber als Patient muß man damit leben, daß der Arzt einen darauf hinweist, weil er daran ein durchaus lauteres Interesse hat.

Anderes Beispiel: Kieferorthopädische Behandlungen mit festsitzenden Apparaturen gehen mit Nitinol-Bögen oft schneller vonstatten als mit herkömmlichen Stahlbögen. Leider zahlt die Kasse nur letztere. So eine Behandlung dauert aber einige Jahre und erfolgt i.d.R. in einem Alter, in dem die Patienten wenig Bock auf so einen Krempel haben und oft schwer bei der Stange zu halten sind. Im Interesse der Kassenwirtschaftlichkeit wäre es also eigentlich sinnvoll, wenn die Kassen die Kosten für die teureren Utensilien übernehmen würden. Tun sie aber nicht und berufen sich dabei auf § 12 (1) SGB V. Für die Eltern bedeutet das häufig zusätzlichen Ärger, der sich manchmal vermeiden läßt, wenn die Behandlung geschmeidiger vonstatten geht. Ganz abgesehen davon, daß dabei auch die Abbruchquote sinkt, so daß die Wahrscheinlichkeit steigt, daß die Behandlung erfolgreich abgeschlossen wird und die Eltern am Ende ihr Geld (20% der Behandlungskosten, also weit mehr als diese Bögen gekostet haben) wiederbekommen. Soll der Kieferorthopäde jetzt darauf verzichten, die besseren Bögen anzubieten, nur weil auch er selbst daran insofern verdient, als er die Möglichkeit zu einer Einnahme bekommt, die ihm nicht hinterher per Honorarverteilungsmaßstab mal eben um 10-20% gekürzt wird?

Das Gesundheitssystem ist an vielen Stellen ziemlich unausgegoren. Die daran Beteiligten (Patienten, Ärzte, Krankenkassen, Politiker) begegnen einander meist wo? Richtig. In den Praxen. Deshalb ergeben sich dort, d.h. zwischen Ärzten und Patienten, auch die meisten Konflikte. Das heißt aber noch lange nicht, daß immer nur die einen daran schuld sind. Also haltet den Ball mal ruhig ein wenig flacher.

Klar sollte man das differenzierter betrachten. Fällt aber schonmal schwer.
Noch ein Beispiel:
Eine Arbeitskollegin litt am berühmten Tennisarm. Ging zum Orthopäden, der ihr erzählte, sie müsste erst die Stosswellentherapie (die sie ja selbst bezahlen müsste) machen, weil die Krankenkasse ohne Nachweis einer Stosswellentherapie die OP-Kosten nicht übernehmen würde.
Glauben die eigentlich, nur weil wir nicht studiert haben, sind wir samt und sonders bescheuert???
Die Krankenkasse übernimmt die Stosswellentherapie nicht, weil die Ergebnisse nicht eindeutig sind. Und da will einem der Arzt erzählen, die müsste man aber nachweisen, weil die Krankenkasse sonst nicht für die OP-Kosten aufkommt???
Tut mir leid, aber das kann der Schnösel einem erzählen, der sich die Hose mit der Kneifzange zumacht.
Seriöse Ärzte erzählen einem son Mist erst garnicht.
Übrigens wusste man auf Nachfrage bei der Krankenkasse natürlich nix von so nem Nonsens.

Tut mir leid, aber meine Hausärztin, wie auch mein Zahnarzt haben sowas nicht nötig. Die schwatzen einem keinen Sch.... auf.

MDeus hat geschrieben:Noch ein Beispiel

Jaja, kenn ich alles. Wahrscheinlich kann jeder hier irgendwelche Anekdoten erzählen, und ich bilde mir glatt ein, zu denen zu gehören, die die meisten beitragen könnten. Schließlich kenne ich ja nicht nur die Patientenperspektive. Und mein einziger Besuch bei einem Orthopäden während der letzten 20 Jahre hat mich davon überzeugt, daß ich da ganz bestimmt nicht mehr hingehen muß, jedenfalls nicht wegen irgendwelcher Sportprobleme.

Trotzdem reagiere ich etwas empfindlich, wenn hier unter einer Überschrift, die der Zeitung mit den großen Buchstaben würdig gewesen wäre, in höchst unilateraler Manier Erfahrungen zum Besten gegeben werden, die anscheinend vor allem dazu dienen sollen, ihren allgemeingültigen Charakter zu suggerieren. Solange die Angst vor der Abzocke gegenüber der Sorge um die Gesundheit überwiegt, ist man offensichtlich kerngesund und kann getrost auf den Arztbesuch verzichten.

Ich frage mich ob ein Arzt schon mal einem Patienten eine Pistole an den Kopf gehalten hat und gesagt hat "Du mußt mir das oder jenes jetzt abkaufen!..!"
Ist vermutlich eher selten.

Ist nicht jeder der zum Arzt geht ein erwachsner, mündiger Bürger?
Mit einem Mund der auch das Wort "nein" aussprechen kann?

Am Besten rufen wir nach einem Verbot, einer Vorschrift, einer Kommission, die das alles in unzähligen Verodnungen regelt was man auch mit dem gesunden Menschenverstand für sich selbst bewerten könnte .

so ähnlich wie das Ladenschlußgesetz. Ich brauch die Regierung genauso nicht um mir vorzuschreiben wann ich einkaufen gehen soll wie ich sie dazu benötige mir zu sagen WAS ich einkaufen darf und bei wem.

Walter

IGel da denke ich immer an das Stacheltier.
Ist bestimmt ein Stich ins Portemonnaie.

viermaerker hat geschrieben:
Ist nicht jeder der zum Arzt geht ein erwachsner, mündiger Bürger?
Mit einem Mund der auch das Wort "nein" aussprechen kann?

Am Besten rufen wir nach einem Verbot, einer Vorschrift, einer Kommission, die das alles in unzähligen Verodnungen regelt was man auch mit dem gesunden Menschenverstand für sich selbst bewerten könnte .

Walter

Walter, da hast Du schon recht. "Nein" sagen macht nur auf Dauer mürbe. Geht mir jedenfalls so. Meine Praxis für den Frauen-TÜV ist da mittlerweile so was von aufdringlich, tut mir Leid, in solch Praxis fühle ich mich nicht wohl, da wechsle ich sogar den Arzt.

Monika

trailfüchsin hat geschrieben:Walter, da hast Du schon recht. "Nein" sagen macht nur auf Dauer mürbe. Geht mir jedenfalls so. Meine Praxis für den Frauen-TÜV ist da mittlerweile so was von aufdringlich, tut mir Leid, in solch Praxis fühle ich mich nicht wohl, da wechsle ich sogar den Arzt.

Monika

Hi Monika,

das ist doch eine exzellente Alternative. Eine weitere mündige Entscheidung!
Mit den Füßen abstimmen ist ein deutlich marktordnender, demokratischer Prozeß

Walter

Prinzipiell gebe ich dir ja recht, dass man eben als mündiger Bürger auch "Nein" sagen kann und sollte.
Ich sehe nur das Problem in der fehlenden medizinischen Bildung. Beispiel: bei mir war vor 2 Monaten nach einer Augenuntersuchung der Verdacht auf Glaukom (grüner Star); Sehnerv hängt wohl ein bisschen durch (da geht es ihm wie mir manchmal )
Unmittelbar nach dem Befund (der mich schon ein bisschen schockte, da ich Glaukom immer mit "irreparabel" verband) wurde mir dann seitens des Arztes gesagt, er wolle eine Art "Foto" vom Sehnerv machen, damit Vergleichswerte vorhanden sind (natürlich als IGEL Leistung!!)
Mein Bauch sagte mir, in dieser zugegebenermaßen aufgewühlten Situation: "ja, mach das"
Ich habs dann aber sein lassen und mich im Internet darüber erkundigt. Fazit: wurde eigentlich von abgeraten!
So, danach konnte ich sicher das "Nein" beim Arzt kommunizieren - aber in der Situation war ich erst einmal so mit dem Befund beschäftigt, dass ich wirklich drauf und dran war die Leistung zu übernehmen.
Gruß
Domborusse

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gruss hennes

Es ist schon merkwürdig, daß viele Leute IGeL als Unsinn ablehnen, gleichzeitig aber gegenüber Homöopathie, Akupunktur, TCM, Heilpraktikern allgemein völlig unkritisch sind.


Krankenkassen wollen möglichst viel Geld sparen und erstatten daher nur, was Nachgewiesenerweise medizinisch unbedingt notwendig ist.

Das bedeutet weder, daß es über Kassenleistungen hinaus keine sinnvollen Therapien mehr gibt, noch das der Heilpraktiker eine medizinisch notwendige Therapie anzubieten hätte.

Beispiel Akupunktur: das Nadelstechen wird in Fällen von Kniegelenksarthrose von der Kasse erstattet, in anderen Fällen nicht.

Ist Akupunktur daher ein Unsinn, auf den nur das Knie hereinfällt?

Plattfuß hat geschrieben:Es ist schon merkwürdig, daß viele Leute IGeL als Unsinn ablehnen, gleichzeitig aber gegenüber Homöopathie, Akupunktur, TCM, Heilpraktikern allgemein völlig unkritisch sind.

Das, lieber Plattfuß, ist ein wahres Wort -- das muss man sich echt mal reinziehen!

Plattfuß hat geschrieben:Es ist schon merkwürdig, daß viele Leute IGeL als Unsinn ablehnen, gleichzeitig aber gegenüber Homöopathie, Akupunktur, TCM, Heilpraktikern allgemein völlig unkritisch sind.


Krankenkassen wollen möglichst viel Geld sparen und erstatten daher nur, was Nachgewiesenerweise medizinisch unbedingt notwendig ist.

Das bedeutet weder, daß es über Kassenleistungen hinaus keine sinnvollen Therapien mehr gibt, noch das der Heilpraktiker eine medizinisch notwendige Therapie anzubieten hätte.

Beispiel Akupunktur: das Nadelstechen wird in Fällen von Kniegelenksarthrose von der Kasse erstattet, in anderen Fällen nicht.

Ist Akupunktur daher ein Unsinn, auf den nur das Knie hereinfällt?

Wer sagt's denn - Eine Aussage zu der ich dir Recht gebe !

Was du hier ansprichst ist aber ein umfassenderes Problem als (nur) IGEL-Leistungen.

Wenn ein niedergelasener Arzt pro Patient der in seine Praxis kommt ca. € 20,00 pro Quartal vergütet bekommt, dieser Patient aber evt 3 - 5 Mal pro Quartal auf der Matte steht, du 70 - 120 Patienten pro Tag hast die sich nach dem Termin, zu dem sie übrigens gerne zu spät, gar nicht oder ohne Voranmeldung kommen schlecht über die mangelnde Aufmerksamkeit des Arztes reden, dann MUSS dieser Arzt doch versuchen zusätzliche Leistungen oder Produkte zu verkaufen um auf einen grünen Zweig zu kommen. Nach vielleicht 6 - 8 Jahren harter Ausbildung ist eigentlich nicht einzusehen, warum ein solcher Spezialist es als Ehre empfinden sollte Menschen zu behandeln ohne an sein eigenes Überleben und das Wohl seiner Familie und als Arbeitgeber auch das seiner Angestellten zu denken.

Dieselben Leute die übrigens gerne mal keine € 10 Praxisgebühr einstecken haben oder sich lauthals über dieselbe beschweren sind dann auch schon mal dieselben, die ohne mit der Wimper zu zucken € 70 oder mehr bei einem esoterisch angehauchten nicht-Mediziner ausgeben und dann erzählen wie super ihnen der geholfen hat.....

Das Gesundheitssystem ist krank.

Walter

In diesem Zusammenhang finde ich diesen Beitrag ganz interessant (leider nur in Englisch):
How Doctors Die Zócalo Public Square

Zitat: "Years ago, Charlie, a highly respected orthopedist and a mentor of mine, found a lump in his stomach. He had a surgeon explore the area, and the diagnosis was pancreatic cancer. This surgeon was one of the best in the country. He had even invented a new procedure for this exact cancer that could triple a patient’s five-year-survival odds—from 5 percent to 15 percent—albeit with a poor quality of life. Charlie was uninterested. He went home the next day, closed his practice, and never set foot in a hospital again. He focused on spending time with family and feeling as good as possible. Several months later, he died at home. He got no chemotherapy, radiation, or surgical treatment. Medicare didn’t spend much on him.

It’s not a frequent topic of discussion, but doctors die, too. And they don’t die like the rest of us. What’s unusual about them is not how much treatment they get compared to most Americans, but how little. For all the time they spend fending off the deaths of others, they tend to be fairly serene when faced with death themselves. They know exactly what is going to happen, they know the choices, and they generally have access to any sort of medical care they could want. But they go gently.[...]"