Für immer jung ...
Für immer jung, ein Leben lang für immer jung, - Du musst dich an die schöne Zeit erinnern - Denn nichts ist für immer ...
Dieses Leben ist zu kurz, zu kurz um nur zu weinen - für die ganzen Streiterein und sich sinnlos anzuschrein - Du musst dankbar sein für jeden Tag den du gesund bist - und schätz den schönen Augenblick bevor er um ist ...
Kopf schmerzen hier, Kopf schmerzen da - ich begreif das die Kindheit sowas Kostbares war - und oft wars mir klar, dass nichts hier für immer ist - wie die Gesundheit, es gibt nix schlimmeres - wenn deine liebsten Krank sind und leiden - ein gesunder Mensch hat tausend Wünsche, doch ein kranker nur ein! ...
Sonnenschein und draußen mit den Jungs abhängen, - Spaß haben, Junge das ist Leben! - (Für immer Jung) - Barbecue im Garten mit Familie und den Freunden, - doch die Zeit bleibt nicht stehen - (Für immer) - Mit nem lächeln aufstehen und Danke sagen, - heute ist ein wundervoller Tag - (Für immer Jung) ...
Für immer jung, ein Leben lang für immer jung, - Du musst dich an die schöne Zeit erinnern - Denn nichts ist für immer - Denn nichts ist für immer ...
Bushido feat. Kinderchor
Wenn da ein Geburtstag unaufhaltsam auf einen zukommt, ab dem man nicht mehr so leicht sagen kann, „Egal, so alt wie ich werde, fühle ich mich ja noch nicht!“, dann ist das emotional nicht so einfach – spätestens wenn irgendwann so eine blöde „5“ meint, auch mal ganz vorne steht zu müssen, wird das Verleugnen des Alterns schwierig. Und dann wird man sentimental und denkt öfter mal zurück. So ist es zumindest mir in den letzten Wochen gegangen und beim Zurückblicken bin ich dabei des Öfteren bei einem ganz bestimmten Lauf im letzten Jahr hängen geblieben.
Eigentlich ein ganz normaler 10km Stadtlauf im letzten Frühjahr, bei dem ein Vierer-Team zusammen als „Marathon“ gewertet wurde. Ein kleiner übersichtlicher Lauf mit gut 100 Teilnehmern auf einem Rundkurs durch ein schönes Stadtzentrum. Der Lauf ging mir das ganze letzte Jahr nicht so richtig aus dem Kopf, weil dabei ein Mitläufer gestorben ist. Ich kannte ihn nicht, ich war auch nicht unmittelbar daran beteiligt, trotzdem hat mich das ganze sehr berührt ...
Bis zu diesem Punkt hatte ich von jedem Lauf einen kleinen Bericht angefertigt, anfangs nur für mich selber, als Erinnerung, später dann auch für alle, online. Über diesen Lauf konnte ich aber unmittelbar danach nicht schreiben und auch jetzt, mit einem guten halben Jahr Abstand, fällt es mir immer noch sehr schwer.
Ich war mit meinen Arbeitskollegen mit zwei Mannschaften dort gemeldet. Aber eigentlich war ich nur als Reserveläufer vorgesehen, weil 10km sind ja eigentlich zu kurz für mich lahme Schnecke. Wie das so ist, musste ich dann aber doch kurzfristig einspringen. Den Anruf bekam ich am Donnerstag vor dem Lauf, passenderweise genau im Ziel des Westerwaldlaufs in Rengsdorf. Am Wochenende zuvor hatte ich schon den Rhex Rheinsteiglauf durchs Siebengebirge gemacht, das passte ja prima.
Diese beiden Läufe waren für mich richtig klasse Erlebnisse und so stehe ich nun mit richtig schweren Beinen, aber bestens gelaunt zusammen mit meinen Kollegen ganz locker am Start, „Das ist ja nur(!) ein 10’er ...“. Es ist ein sehr warm Tag und extrem schwül, weil es kurz zuvor noch einen Regenschauer gegeben hat und der Regen auf dem aufgeheizten Asphalt schnell wieder verdunstet. „Fangt die ersten Runden richtig langsam an, sonst geht ihr zum Schluss hin ein!“ rate ich meinen laufunerfahreneren Kollegen. „ Die Bedingungen sind nicht einfach, ich mach’s heute auch gemütlich.“ sage ich, um dann nach dem Startschuss doch wie ein Blöder los zu preschen.
Wie bei jedem Lauf dauert es etwas, bis sich das Feld sortiert hat. Die erste Runde zum Kennenlernen der Strecke ist irgendwann geschafft, noch 9 liegen vor mir, puh, so’n 10’er ist ja doch lang und es ist jetzt schon richtig anstrengend. Vielleicht sollte ich doch ein bisschen Tempo rausnehmen. Die zweite Runde vergeht, ich habe meinen Rhythmus so halbwegs gefunden, die dritte ... Im Zielbereich gibt es eine Verpflegungsstelle. Soll ich etwas trinken? Kann ja eigentlich nicht schaden. Hinterher muss ich mir den Spott anhören: „Der hat ja bei jedem Trinkstopp eine gemütliche Pause eingelegt, tock, tock, haha!“ Ist das nicht normal dabei kurz stehen zu bleiben? Ich hab’s einfach wie immer gemacht, aber bei einem „kurzen“ 10’er ist das vielleicht doch anders ...
Irgendwann, vielleicht in Runde 5, kommt mir mitten auf der Strecke ein Läufer mit Startnummer entgegen gelaufen. Hä? „Hey, falsche Richtung!“ liegt mir auf der Zunge, doch ein Blick in sein Gesicht lässt mich verstummen, es steht ihm das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Da muss etwas passiert sein. Zwei Ecken weiter sehe ich es. Am Rand liegt ein mir unbekannter Läufer auf dem Boden fünf, sechs andere Läufer und Zuschauer hocken um ihn herum und kümmern sich um ihn. Erste Reaktion von mir „Hoffentlich nichts Schlimmes!“. Meine zweite Reaktion nach kurzem Einhalten: „Ich kann eh nichts machen, also weiterlaufen!“ Im Folgenden machen sich die Gedanken breit „Nee, das ist bestimmt nichts Schlimmes!“ und – und damit habe ich bis heute große Probleme – „Puh, zum Glück ist das nicht direkt vor mir passiert. Zum Glück waren da ja schon welche, die sich darum kümmern. Ich hätte ja gar nicht gewusst, was ich hätte machen sollen ... und ... der Lauf wäre dann ja für mich kaputt gewesen!!!“
Die nächste Runde. Als ich wieder an der Stelle vorbei komme, hoffe ich, dass der Läufer wieder auf den Beinen ist. Er liegt immer noch da. Noch ein paar mehr Leute stehen um ihn herum. „Bestimmt ist es nicht Schlimmes, vielleicht ein Schwächeanfall, wird schon wieder werden, weiter!“.
Die nächste Runde, meine Hoffnung, dass sich die Situation inzwischen geklärt hat, wird wieder enttäuscht. Ich erblicke im Vorbeilaufen durch die Herumstehenden eine goldene Rettungsfolie und verzweifelte Gesichter, wohl seiner Mannschaftkollegen. „Das ist dann doch wohl schlimmer! Was soll ich machen?“ Im Zielbereich bleibe ich kurz bei meiner Frau und ein paar weiteren Begleitern stehen und erzähle ihnen, dass da auf der Strecke etwas passiert sei.
In der nächsten Runde schon vor Erreichen dieser Stelle, Aufatmen, ein Krankenwagen ist zu hören, endlich! Als ich an der Stelle vorbei komme steht der Krankenwagen etwas störend im Weg, das ist natürlich kein Problem. Erleichterung macht sich breit, professionelle Hilfe ist vor Ort.
In der nächsten Runde hoffe ich, dass der Läufer bereits auf den Weg ins Krankenhaus ist. Doch er liegt immer noch da, umringt von Leuten, die Sanitäter sind zu erkennen, sie kümmern sich um ihn. Noch ein schneller Blick zur Seite, zwischen den umstehenden Leuten hindurch kann ich etwas erkennen, Entsetzen, war das ein Defibrillator ... Ich laufe rein mechanisch weiter, was soll ich tun???
„Ich kann ja nichts machen!!!“, also einfach weiterlaufen.
Die letzte Runde, beschleunigen. An der Unglücksstelle haben die Ordner die Strecke geändert, wir dürfen eine Ecke vorher abbiegen, warum eigentlich jetzt erst? Ich bin froh, nicht noch einmal dort vorbeilaufen zu müssen ... Endspurt, noch einmal alles rausholen, was in einem steckt ... das Ziel kommt in Sicht ... geschafft!!!
Ich falle meiner Frau in die Arme, Tränen kann ich gerade so unterdrücken: „Ich glaube da ist etwas richtig Schlimmes passiert!“ ... Erstmal was Trinken und zur Ruhe kommen. Ich bin der Erste von uns im Ziel. Nach und nach treffen die Kollegen ein, Abklatschen, Freuen, für viele war es der erste Wettkampf. Dann macht eine offizielle Mitteilung die Runde, dass für den einen Mitläufer leider jede Hilfe zu spät kam und dass die weiteren geplanten Veranstaltungspunkte nach dem Lauf ausfallen werden.
Ein gesunder Mensch hat 1000 Wünsche, ein kranker nur einen …
Ein komisches Gefühl, eigentlich würde man sich gerne so richtig über einen schönen Wettkampf freuen, auf den man über Monate gemeinsam hin trainiert hat, für viele von uns war es der erste 10 Kilometerlauf überhaupt und wir haben ihn alle geschafft. Aber irgendwie überwiegt die Erkenntnis, dass das alles heute irgendwie absolut unwichtig ist. Aber jeder einzelne bemüht sich um Normalität.
Als Positives nehme ich die Erkenntnis mit nach Hause, dass die viele kleine Streitereien eigentlich absolut unwichtig sind, dass es Wichtigeres im Leben gibt, dass man die schönen Zeiten genießen muss. Das funktioniert dann auch ... die nächsten 2-3 Tage ... bis einen der übliche Stress wieder einholt und die vielen kleinen alltäglichen Problemchen ihre Wichtigkeit wieder zurückfordern.
Vom Veranstalter erhalten wir später in einer E-Mail ein paar Informationen über den Läufer. Er war Mitte Vierzig und hinterlässt Frau und drei Kinder. Er war offenbar ein ganz durchschnittlicher Hobbyläufer, ausreichend trainiert, ambitioniert, aber nicht übermotiviert. Also genau wie wir. Noch später erfahren wir, dass man einen Herzfehler bei ihm festgestellt hat, von dem er nichts wusste. Es hätte ihn überall treffen können ...
Es hätte genauso gut auch mich treffen können bei diesem Lauf. Aber komischerweise beunruhigt mich das gar nicht. Das sehe ich zum Glück ganz pragmatisch, dann ist es halt so.
Richtig betroffen macht mich aber die Vorstellung, dass es genauso jemanden aus unserem Team hätte treffen können. Diesen Gedanken wage ich gar nicht zu Ende zu denken. Wenn ich derjenige gewesen wäre, der mit Panik im Gesicht auf der Suche nach Hilfe gewesen wäre. Wenn ich hätte erkennen müssen, dass da jemand aus meinem Team auf dem Boden liegt. Wenn ich verzweifelt und ohnmächtig hätte daneben stehen müssen, ... während die anderen Läufer scheinbar unbeteiligt weiter ihre Runden drehen. Wenn wir mit einem weniger hätten nach Hause fahren müssen ...
Ich bin ein rationaler Mensch und habe in den Wochen danach die Situation noch einige Male versucht zu analysieren. Habe ich alles richtig gemacht? Wie soll ich mich das nächste Mal „richtiger“ verhalten? Diesmal hat es mich ja gänzlich unvorbereitet getroffen und ich war in dem Moment mit der Situation sicherlich auch überfordert. Im Nachhinein erschreckend fand ich zwei meiner Reaktionen. Zum einen habe ich direkt versucht die Situation zu entschärfen, indem ich mir gesagt habe „Das ist bestimmt nicht so schlimm, wie es vielleicht aussieht! Da ist schon nichts Schlimmes passiert!“ Also kann man selber ganz normal weiter machen.
Die weitere Reaktion „Da kann ich eh nicht helfen!“ stimmt in diesem Fall vielleicht sogar, es hätte wohl nichts geändert, wenn ich direkt dort stehen geblieben wäre. Ich bin kein Arzt, habe keine Ahnung von erster Hilfe, ich hatte noch nicht einmal ein Handy dabei, um Hilfe zu rufen.
Richtig erschreckend fand ich im Nachhinein meine Erleichterung „Puh, zum Glück war ich nicht der erste in der Nähe, zum Glück waren schon genügend andere da, so dass ich selber nicht helfen brauchte!“ Fies, fies, ganz fies ... dafür schäme ich mich, aber in dem Moment wusste ich nicht, dass es da wirklich um Leben und Tod geht. Und wenn ich der Erste gewesen wäre, dann hätte ich hoffentlich keine Zeit gehabt, mir irgendwelche Gedanken zu machen ...
Was hätte ich „richtiger“ machen können? Ich habe mich viel zu schnell damit abgefunden, dass ich nichts machen kann und das ohne(!) mir überhaupt einen Überblick über die genaue Situation gemacht zu haben. Auch wenn man selber keine Erste Hilfe kann, ist es auch wichtig, wenn da jemand mit der nötigen Distanz vor Ort ist, der einen kühlen Kopf bewahrt, Hilfe organsiert, den Notarzt ruft, dem Krankenwagen den schnellsten Weg weist, nach einen Arzt sucht, der vielleicht zufällig in der Nähe ist, und und und …
Letzte Woche war ich später abends zu Fuß auf den Weg nach Hause. Plötzlich ein Quietschen, ein Krachen, ein Schrei, zwei Autos sind offenbar ineinander gekracht, gute 100 Meter hinter mir. Weitere Autos sind gerade nicht zu sehen, aber einige Passanten sind in unmittelbarer Nähe der Unfallstelle. Ich sprinte sofort los, zurück in diese Richtung, automatisch. Erleichterung, als schnell klar wird, allen Beteiligten geht es gut, nur Blechschaden ...
Auf dem Weg nach Hause habe ich Tränen in den Augen, weil mir die Geschichte von diesem tragischen Lauf wieder in den Kopf kommt und mir wird meine Reaktion klar. Eigentlich war der Unfall gerade ja gar nicht „meine Angelegenheit“, eigentlich hatte ich ja überhaupt nichts gesehen und war weit davon entfernt, eigentlich waren da ja genug andere in der Nähe und eigentlich war ja klar, dass das alles bestimmt nicht so schlimm war, wie es sich angehört hat ... Zum Glück war es diesmal auch so.
Bitte das Ganze auf mich bezogen nicht überbewerten. Bei mir ist soweit alles okay, gesundheitlich und sonst auch ... und ich fühle mich noch immer jung und so wird es auch bleiben, ein Leben lang ... Ich musste das nur endlich mal aufschreiben, damit es vielleicht wieder weiter geht, mit meinen normalen Laufgeschichten ... und die nächste wird dann wieder unterhaltsamer, versprochen ...
LG Manfred