Banner

Für immer jung ...

Für immer jung ...

1
Für immer jung ...

Für immer jung, ein Leben lang für immer jung, - Du musst dich an die schöne Zeit erinnern - Denn nichts ist für immer ...

Dieses Leben ist zu kurz, zu kurz um nur zu weinen - für die ganzen Streiterein und sich sinnlos anzuschrein - Du musst dankbar sein für jeden Tag den du gesund bist - und schätz den schönen Augenblick bevor er um ist ...

Kopf schmerzen hier, Kopf schmerzen da - ich begreif das die Kindheit sowas Kostbares war - und oft wars mir klar, dass nichts hier für immer ist - wie die Gesundheit, es gibt nix schlimmeres - wenn deine liebsten Krank sind und leiden - ein gesunder Mensch hat tausend Wünsche, doch ein kranker nur ein! ...

Sonnenschein und draußen mit den Jungs abhängen, - Spaß haben, Junge das ist Leben! - (Für immer Jung) - Barbecue im Garten mit Familie und den Freunden, - doch die Zeit bleibt nicht stehen - (Für immer) - Mit nem lächeln aufstehen und Danke sagen, - heute ist ein wundervoller Tag - (Für immer Jung) ...

Für immer jung, ein Leben lang für immer jung, - Du musst dich an die schöne Zeit erinnern - Denn nichts ist für immer - Denn nichts ist für immer ...

Bushido feat. Kinderchor

Wenn da ein Geburtstag unaufhaltsam auf einen zukommt, ab dem man nicht mehr so leicht sagen kann, „Egal, so alt wie ich werde, fühle ich mich ja noch nicht!“, dann ist das emotional nicht so einfach – spätestens wenn irgendwann so eine blöde „5“ meint, auch mal ganz vorne steht zu müssen, wird das Verleugnen des Alterns schwierig. Und dann wird man sentimental und denkt öfter mal zurück. So ist es zumindest mir in den letzten Wochen gegangen und beim Zurückblicken bin ich dabei des Öfteren bei einem ganz bestimmten Lauf im letzten Jahr hängen geblieben.

Eigentlich ein ganz normaler 10km Stadtlauf im letzten Frühjahr, bei dem ein Vierer-Team zusammen als „Marathon“ gewertet wurde. Ein kleiner übersichtlicher Lauf mit gut 100 Teilnehmern auf einem Rundkurs durch ein schönes Stadtzentrum. Der Lauf ging mir das ganze letzte Jahr nicht so richtig aus dem Kopf, weil dabei ein Mitläufer gestorben ist. Ich kannte ihn nicht, ich war auch nicht unmittelbar daran beteiligt, trotzdem hat mich das ganze sehr berührt ...

Bis zu diesem Punkt hatte ich von jedem Lauf einen kleinen Bericht angefertigt, anfangs nur für mich selber, als Erinnerung, später dann auch für alle, online. Über diesen Lauf konnte ich aber unmittelbar danach nicht schreiben und auch jetzt, mit einem guten halben Jahr Abstand, fällt es mir immer noch sehr schwer.

Ich war mit meinen Arbeitskollegen mit zwei Mannschaften dort gemeldet. Aber eigentlich war ich nur als Reserveläufer vorgesehen, weil 10km sind ja eigentlich zu kurz für mich lahme Schnecke. Wie das so ist, musste ich dann aber doch kurzfristig einspringen. Den Anruf bekam ich am Donnerstag vor dem Lauf, passenderweise genau im Ziel des Westerwaldlaufs in Rengsdorf. Am Wochenende zuvor hatte ich schon den Rhex Rheinsteiglauf durchs Siebengebirge gemacht, das passte ja prima.

Diese beiden Läufe waren für mich richtig klasse Erlebnisse und so stehe ich nun mit richtig schweren Beinen, aber bestens gelaunt zusammen mit meinen Kollegen ganz locker am Start, „Das ist ja nur(!) ein 10’er ...“. Es ist ein sehr warm Tag und extrem schwül, weil es kurz zuvor noch einen Regenschauer gegeben hat und der Regen auf dem aufgeheizten Asphalt schnell wieder verdunstet. „Fangt die ersten Runden richtig langsam an, sonst geht ihr zum Schluss hin ein!“ rate ich meinen laufunerfahreneren Kollegen. „ Die Bedingungen sind nicht einfach, ich mach’s heute auch gemütlich.“ sage ich, um dann nach dem Startschuss doch wie ein Blöder los zu preschen.

Wie bei jedem Lauf dauert es etwas, bis sich das Feld sortiert hat. Die erste Runde zum Kennenlernen der Strecke ist irgendwann geschafft, noch 9 liegen vor mir, puh, so’n 10’er ist ja doch lang und es ist jetzt schon richtig anstrengend. Vielleicht sollte ich doch ein bisschen Tempo rausnehmen. Die zweite Runde vergeht, ich habe meinen Rhythmus so halbwegs gefunden, die dritte ... Im Zielbereich gibt es eine Verpflegungsstelle. Soll ich etwas trinken? Kann ja eigentlich nicht schaden. Hinterher muss ich mir den Spott anhören: „Der hat ja bei jedem Trinkstopp eine gemütliche Pause eingelegt, tock, tock, haha!“ Ist das nicht normal dabei kurz stehen zu bleiben? Ich hab’s einfach wie immer gemacht, aber bei einem „kurzen“ 10’er ist das vielleicht doch anders ...

Irgendwann, vielleicht in Runde 5, kommt mir mitten auf der Strecke ein Läufer mit Startnummer entgegen gelaufen. Hä? „Hey, falsche Richtung!“ liegt mir auf der Zunge, doch ein Blick in sein Gesicht lässt mich verstummen, es steht ihm das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Da muss etwas passiert sein. Zwei Ecken weiter sehe ich es. Am Rand liegt ein mir unbekannter Läufer auf dem Boden fünf, sechs andere Läufer und Zuschauer hocken um ihn herum und kümmern sich um ihn. Erste Reaktion von mir „Hoffentlich nichts Schlimmes!“. Meine zweite Reaktion nach kurzem Einhalten: „Ich kann eh nichts machen, also weiterlaufen!“ Im Folgenden machen sich die Gedanken breit „Nee, das ist bestimmt nichts Schlimmes!“ und – und damit habe ich bis heute große Probleme – „Puh, zum Glück ist das nicht direkt vor mir passiert. Zum Glück waren da ja schon welche, die sich darum kümmern. Ich hätte ja gar nicht gewusst, was ich hätte machen sollen ... und ... der Lauf wäre dann ja für mich kaputt gewesen!!!“

Die nächste Runde. Als ich wieder an der Stelle vorbei komme, hoffe ich, dass der Läufer wieder auf den Beinen ist. Er liegt immer noch da. Noch ein paar mehr Leute stehen um ihn herum. „Bestimmt ist es nicht Schlimmes, vielleicht ein Schwächeanfall, wird schon wieder werden, weiter!“.

Die nächste Runde, meine Hoffnung, dass sich die Situation inzwischen geklärt hat, wird wieder enttäuscht. Ich erblicke im Vorbeilaufen durch die Herumstehenden eine goldene Rettungsfolie und verzweifelte Gesichter, wohl seiner Mannschaftkollegen. „Das ist dann doch wohl schlimmer! Was soll ich machen?“ Im Zielbereich bleibe ich kurz bei meiner Frau und ein paar weiteren Begleitern stehen und erzähle ihnen, dass da auf der Strecke etwas passiert sei.

In der nächsten Runde schon vor Erreichen dieser Stelle, Aufatmen, ein Krankenwagen ist zu hören, endlich! Als ich an der Stelle vorbei komme steht der Krankenwagen etwas störend im Weg, das ist natürlich kein Problem. Erleichterung macht sich breit, professionelle Hilfe ist vor Ort.

In der nächsten Runde hoffe ich, dass der Läufer bereits auf den Weg ins Krankenhaus ist. Doch er liegt immer noch da, umringt von Leuten, die Sanitäter sind zu erkennen, sie kümmern sich um ihn. Noch ein schneller Blick zur Seite, zwischen den umstehenden Leuten hindurch kann ich etwas erkennen, Entsetzen, war das ein Defibrillator ... Ich laufe rein mechanisch weiter, was soll ich tun???

„Ich kann ja nichts machen!!!“, also einfach weiterlaufen.

Die letzte Runde, beschleunigen. An der Unglücksstelle haben die Ordner die Strecke geändert, wir dürfen eine Ecke vorher abbiegen, warum eigentlich jetzt erst? Ich bin froh, nicht noch einmal dort vorbeilaufen zu müssen ... Endspurt, noch einmal alles rausholen, was in einem steckt ... das Ziel kommt in Sicht ... geschafft!!!

Ich falle meiner Frau in die Arme, Tränen kann ich gerade so unterdrücken: „Ich glaube da ist etwas richtig Schlimmes passiert!“ ... Erstmal was Trinken und zur Ruhe kommen. Ich bin der Erste von uns im Ziel. Nach und nach treffen die Kollegen ein, Abklatschen, Freuen, für viele war es der erste Wettkampf. Dann macht eine offizielle Mitteilung die Runde, dass für den einen Mitläufer leider jede Hilfe zu spät kam und dass die weiteren geplanten Veranstaltungspunkte nach dem Lauf ausfallen werden.

Ein gesunder Mensch hat 1000 Wünsche, ein kranker nur einen …

Ein komisches Gefühl, eigentlich würde man sich gerne so richtig über einen schönen Wettkampf freuen, auf den man über Monate gemeinsam hin trainiert hat, für viele von uns war es der erste 10 Kilometerlauf überhaupt und wir haben ihn alle geschafft. Aber irgendwie überwiegt die Erkenntnis, dass das alles heute irgendwie absolut unwichtig ist. Aber jeder einzelne bemüht sich um Normalität.

Als Positives nehme ich die Erkenntnis mit nach Hause, dass die viele kleine Streitereien eigentlich absolut unwichtig sind, dass es Wichtigeres im Leben gibt, dass man die schönen Zeiten genießen muss. Das funktioniert dann auch ... die nächsten 2-3 Tage ... bis einen der übliche Stress wieder einholt und die vielen kleinen alltäglichen Problemchen ihre Wichtigkeit wieder zurückfordern.

Vom Veranstalter erhalten wir später in einer E-Mail ein paar Informationen über den Läufer. Er war Mitte Vierzig und hinterlässt Frau und drei Kinder. Er war offenbar ein ganz durchschnittlicher Hobbyläufer, ausreichend trainiert, ambitioniert, aber nicht übermotiviert. Also genau wie wir. Noch später erfahren wir, dass man einen Herzfehler bei ihm festgestellt hat, von dem er nichts wusste. Es hätte ihn überall treffen können ...

Es hätte genauso gut auch mich treffen können bei diesem Lauf. Aber komischerweise beunruhigt mich das gar nicht. Das sehe ich zum Glück ganz pragmatisch, dann ist es halt so.

Richtig betroffen macht mich aber die Vorstellung, dass es genauso jemanden aus unserem Team hätte treffen können. Diesen Gedanken wage ich gar nicht zu Ende zu denken. Wenn ich derjenige gewesen wäre, der mit Panik im Gesicht auf der Suche nach Hilfe gewesen wäre. Wenn ich hätte erkennen müssen, dass da jemand aus meinem Team auf dem Boden liegt. Wenn ich verzweifelt und ohnmächtig hätte daneben stehen müssen, ... während die anderen Läufer scheinbar unbeteiligt weiter ihre Runden drehen. Wenn wir mit einem weniger hätten nach Hause fahren müssen ...

Ich bin ein rationaler Mensch und habe in den Wochen danach die Situation noch einige Male versucht zu analysieren. Habe ich alles richtig gemacht? Wie soll ich mich das nächste Mal „richtiger“ verhalten? Diesmal hat es mich ja gänzlich unvorbereitet getroffen und ich war in dem Moment mit der Situation sicherlich auch überfordert. Im Nachhinein erschreckend fand ich zwei meiner Reaktionen. Zum einen habe ich direkt versucht die Situation zu entschärfen, indem ich mir gesagt habe „Das ist bestimmt nicht so schlimm, wie es vielleicht aussieht! Da ist schon nichts Schlimmes passiert!“ Also kann man selber ganz normal weiter machen.

Die weitere Reaktion „Da kann ich eh nicht helfen!“ stimmt in diesem Fall vielleicht sogar, es hätte wohl nichts geändert, wenn ich direkt dort stehen geblieben wäre. Ich bin kein Arzt, habe keine Ahnung von erster Hilfe, ich hatte noch nicht einmal ein Handy dabei, um Hilfe zu rufen.

Richtig erschreckend fand ich im Nachhinein meine Erleichterung „Puh, zum Glück war ich nicht der erste in der Nähe, zum Glück waren schon genügend andere da, so dass ich selber nicht helfen brauchte!“ Fies, fies, ganz fies ... dafür schäme ich mich, aber in dem Moment wusste ich nicht, dass es da wirklich um Leben und Tod geht. Und wenn ich der Erste gewesen wäre, dann hätte ich hoffentlich keine Zeit gehabt, mir irgendwelche Gedanken zu machen ...

Was hätte ich „richtiger“ machen können? Ich habe mich viel zu schnell damit abgefunden, dass ich nichts machen kann und das ohne(!) mir überhaupt einen Überblick über die genaue Situation gemacht zu haben. Auch wenn man selber keine Erste Hilfe kann, ist es auch wichtig, wenn da jemand mit der nötigen Distanz vor Ort ist, der einen kühlen Kopf bewahrt, Hilfe organsiert, den Notarzt ruft, dem Krankenwagen den schnellsten Weg weist, nach einen Arzt sucht, der vielleicht zufällig in der Nähe ist, und und und …

Letzte Woche war ich später abends zu Fuß auf den Weg nach Hause. Plötzlich ein Quietschen, ein Krachen, ein Schrei, zwei Autos sind offenbar ineinander gekracht, gute 100 Meter hinter mir. Weitere Autos sind gerade nicht zu sehen, aber einige Passanten sind in unmittelbarer Nähe der Unfallstelle. Ich sprinte sofort los, zurück in diese Richtung, automatisch. Erleichterung, als schnell klar wird, allen Beteiligten geht es gut, nur Blechschaden ...

Auf dem Weg nach Hause habe ich Tränen in den Augen, weil mir die Geschichte von diesem tragischen Lauf wieder in den Kopf kommt und mir wird meine Reaktion klar. Eigentlich war der Unfall gerade ja gar nicht „meine Angelegenheit“, eigentlich hatte ich ja überhaupt nichts gesehen und war weit davon entfernt, eigentlich waren da ja genug andere in der Nähe und eigentlich war ja klar, dass das alles bestimmt nicht so schlimm war, wie es sich angehört hat ... Zum Glück war es diesmal auch so.

Bitte das Ganze auf mich bezogen nicht überbewerten. Bei mir ist soweit alles okay, gesundheitlich und sonst auch ... und ich fühle mich noch immer jung und so wird es auch bleiben, ein Leben lang ... Ich musste das nur endlich mal aufschreiben, damit es vielleicht wieder weiter geht, mit meinen normalen Laufgeschichten ... und die nächste wird dann wieder unterhaltsamer, versprochen ...

LG Manfred
2022: erledigt: G1-Grüngürtel, Kölnpfad 100k, Burginsellauf Delmenhorst 24h Staffel(!), Mega Marsch Köln (63k) ... geplant: nix

2
Hallo Manfred,

Dein bewegender Bericht hat mich sehr nachdenklich gestimmt.

Besser kann man das, was Du erlebt und gefühlt hast nicht ausdrücken.

Danke dafür.

Grüsse vom Bubi.
PB: 5 km 26:27 (2013) 10 km 54:54 (2013) HM 2:11:xx (2015)

in 2017/2018 gelaufen, geradelt und geschwommen:
04.17 3h-Benefizlauf Seligenporten - 13 Runden -
05.17 RTF 110 km - 4 h -
06.17 Sprinttriathlon Feuchtwangen - 1:31 h -
07.17 Sprinttriathlon Nittenau - 1:25 h -
07.17 Sprinttriathlon Velburg - 1:30 h -
04.18 3h-Benefizlauf Seligenporten - 12 Runden -
05.18 RTF 100 km - 3:45 h -
06.18 Sprinttriathlon Feuchtwangen - 1:31 h -
Sportpause und Geduld seit ca. Ende Juli

3
Hallo Manfred,

auch ich habe anteilnehmend deinen Bericht gelesen. Es hat mich aufgewühlt und nachdenklich gemacht. Und mein Bewusstsein auf den Augenblick gelenkt.

Danke dafür,
Claudia
Bild

4
Vermutlich gibt es kein "falsch" oder "richtig" in so einer Situation. Dass wir Ausreden suchen, um unser Tun zu rechtfertigen, ist nur allzu menschlich. Ich bin sicher: als Erster wärst Du garantiert nicht weitergelaufen.
Danke für's Aufschreiben!
Bild

PB: HM 1:44:46, 10km 49:37, M 4:19:28 (alle 2011), 24h 84,97 km (2013)

5
SteffenHH hat geschrieben:Vermutlich gibt es kein "falsch" oder "richtig" in so einer Situation. Dass wir Ausreden suchen, um unser Tun zu rechtfertigen, ist nur allzu menschlich. Ich bin sicher: als Erster wärst Du garantiert nicht weitergelaufen.
Danke für's Aufschreiben!
Lieber Manfred!

Ja, das denke ich auch und es ist, glaube ich, auch die eigene Unsicherheit, ich kann Deine Gedanke sehr gut nachvollziehen. Wenn Du Arzt wärest, wärst Du auch stehengeblieben, weil Du gewußt hättest, was zu tun ist, aber so kommt einfach die Frage auf, was mache ich hier, behindere ich die Helfer oder bin ich sogar sensationslüstern...? Es gibt da in meiner Sicht keine tröstende Antwort, weil es einfach immer schlimm ist, wenn jede Hilfe zu spät kommt...
Danke fürs Nachdenklichmachen...

6
Mit dem Erzählten ist sicherlich nicht ganz einfach umzugehen, das ging und geht mir ja selber auch so. Vielleicht ist der eine oder andere etwas ärgerlich auf mich, den ich damit vielleicht ungewollt konfontriert habe, der eigentlich nur einen "schönen" Laufbericht lesen wollte, sorry. Ich bin sehr dankbar, dass der Thread nicht durch "dumme Kommentare" in eine falsche Richtung abgedriftet ist. Nichts darauf zu antworten ist völlig OK, ich selber wüsste als Leser auch nicht, was ich dazu schreiben sollte ...

Das Ganze ist aber auch vielschichtig. Es geht darum, dass ein Leben irgendwann mal zu Ende ist, meist zu einem völlig unpassenden Zeitpunkt, schrecklich. Es geht aber auch um die Ohnmacht, dabei daneben stehen zu müssen und nichts daran ändern zu können, auch schrecklich. Es geht aber auch darum zu erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben, das Leben selber. Statt dieses eine Leben zu genießen, verderben wir es uns allzu oft selber durch sinnlose Streiterreien oder unnötigen Ärger ...
Steh zu deinen Freunden, - küss doch mal das Glück - und wenn du was Gutes kriegst, - gib etwas zurück. - Dieses Leben ist zu kurz, - zu kurz um, um zu weinen, - für die ganzen Streitereien - und sich sinnlos anzuschreien. - Du musst dankbar sein für jeden Tag den du gesund bist - und schätz den schönen Augenblick bevor er um ist
... das könnte man als Positives mitnehmen. Wir können hier alle froh sein, dass wir Laufen können und dass wir viel Spaß dabei haben, dass sollte man einfach genießen, statt sich maßlos zu ärgern, dass man z.B. den Marathon nicht in 3:59 h, sondern "nur" in 4:01 h geschafft hat oder ähnlich tragische Schicksalsschläge ... Blasen, schlechter GPS-Empfang, schlechtes Wetter, schlechte Tagesform ... Das sind doch eigentlich alles nur Luxusprobleme ... "Schätz den schönen Augenblick bevor er um ist ..." ... :-)

LG Manfred
2022: erledigt: G1-Grüngürtel, Kölnpfad 100k, Burginsellauf Delmenhorst 24h Staffel(!), Mega Marsch Köln (63k) ... geplant: nix

7
Hallo Manfred,

ich kann Dich gut verstehen, dass Du Dir da nach dem Lauf immer noch Gedanken drum machst. Es kann ja auch nicht schaden, sich und anderen immer bewust zu machen, dass das, was wir hier machen, wirklich nicht das wichtigste ist, aber dass wir es machen können, ein großes Glück ist.

Ich hatte im letzten Mai ein ähnliches Erlebnis. Nach einem "Dorf-10er" habe ich nach meinem Zieleinlauf auf eine Lauffreundin gewartet.

Das letzte Stück war eine Art Pendelstrecke, so dass die Läufer jeweils 2x an mir vorbeikamen. Auf dem Hinweg zum Wendepunkt habe ich einen Mann beobachtet (Mitte 40) der irgendwie komisch lief. Ich dachte: "Ach, guck mal an, für nen Läufer mit einer leichten Spastik ist der aber ganz schön flott unterwegs." War so um die 50min. oder so.

Als er dann zum zweiten Mal an mir vorbei kam, war klar, das ist keine Spastik, sondern der Typ torkelte mit Schaum vor´m Mund. Da waren so ein paar Zuschauer, die offensichtlich nicht aufmerksam genug waren, dass es ihnen auffiel. Deswegen bin ich schnell hin und er fiel mir direkt in die Arme. Ich war gerade noch rechtzeitig da, sonst wäre er platt auf den Boden gestürzt.

Als dann die anderen mitbekamen, was los war, haben die schnell die Sanitäter gerufen, (an denen ist er 100m vorher auch noch vorbei, aber die haben ihn auch nicht gesehen.)

Ich habe ihn dann den Maltesern übergeben und habe ihn dann auch alleine gelassen, als sie ihn auf der Bahre ins Auto luden. genau wie Du dachte ich, dass er ja jetzt in guten Händen ist.

Beim Auslaufen dann haben wir einen Notarztwagen durchs Dorf jagen gesehen und gehört. Dann fing ich aber doch an mir Sorgen zu machen, aber ich habe nix rausgefunden.

Ich habe dann den Veranstalter gebeten, dem Läufer meine Telefonnummer zu geben, denn ich wollte mich nach seinem Befinden erkundigen.

Er rief mich dann auch tatsächlich ein paar Tage später an, und erzählte mir seine Geschichte.
Eigentlich ist er nämlich ziemlich fit. 2x/Woche Fußball plus mind. 1x Laufen. Schlank, rank, gesunde Ernährung etc.
Allerdings hatte er vor dem WK wochenlang Sehnenprobleme am Fuß. In der Woche vor dem WK war aber wieder alles ok. Im WK selbst gings dann wieder los, und er ist vollkommen übermotiviert einfach über den Schmerz hinweggelaufen, bis er einfach nicht mehr bei Sinnen war.

Er hat´s selbst nicht mehr kontrollieren können. Er war nicht in der Lage, sich selbst aus dem Rennen zu nehmen. Und er ist eigentlich ein wirklich rationaler Mensch, mit zwei Kindern, Job, Haus etc. Nix sonderlich verrücktes also :zwinker2:

Die Ärzte haben in der Uni-Klinik, in der er Abends (5h später) aufwachte, ohne sich an irgendetwas erinnern zu können, gründlich untersucht und haben nichts finden können. Es war auch nicht heiß, so dass es nicht an Wassermangel lag. Außer der Geschichte mit dem Überlaufen des Schmerzes an der Sehne gibt´s keine Erklärung.

Seitdem ruft er immer mal wieder an und bedankt sich überschwänglich, dass ich ihn "gerettet" habe, und er spricht tatsächlich von einem zweiten Leben, denn als er aufwachte, dachte er er sei tot gewesen.

Ich habe dann irgendwann auf seine Anrufe nicht mehr reagiert, weil es mir echt unangenehm war, weil ich ja wirklich nix für ihn getan habe, aber wir haben oft drüber gesprochen, so wie Du es schreibst, dass das mit dem Laufen und den Zeiten und so alles gar nicht so wichtig ist, sondern dass es einfach ein großes Glück ist, dass wir einfach laufen können.
Wie schnell es leider vorbei sein kann, hast Du ja oben beschrieben.

Mir hat mein Erlebnis aus dem Mai jedenfalls was gebracht, gebraucht hätte ich es aber nicht.

Also, ich würd´ sagen mit dir ist alles in Ordnung! :daumen:

Gruß
Martin

P.S. meine Frau fragt mich übrigens immer, wann ich ihr endlich auch mal so ein Herz laufe, wie Du es gemacht hast :D
Never argue with idiots. First they drag you down to their level and then beat you with experience.
PB: 5km 21:03 10km 44:35 HM 1:37:03 M 3:38:53
Bild

8
Hallo Manfred,

Danke für Deinen einfühlsamen und sehr selbstkritischen Laufbericht der etwas anderen Art. Nicht immer nur "höher, schneller, weiter" als Aufhänger eines Laufberichts, sondern auch mal die Konfrontation mit den Realitäten des Lebens bzw. dessen Ende, das wir viel zu oft gerne ausblenden. Es sind dann solche Situationen die einem deutlich machen,
MegaCmRunner hat geschrieben: ... Das sind doch eigentlich alles nur Luxusprobleme ...
... mit denen wir uns täglich rumschlagen.

Manchmal braucht es wohl eine solche Begebenheit, um einem die Augen zu öffnen bzw. wieder für die wirklich wichtigen Dinge zu sensibilisieren. Mir ging es vorletztes Jahr ähnlich, als ich wg. einer Röntgentherapie einige Male in die onkologische Abteilung des Krankenhauses musste. In der Situation selbst habe ich mich auch ziemlich hilflos gefühlt, aber darüber nachzudenken und es schließlich kurz aufzuschreiben war auf jeden Fall hilfreich.

Ich hoffe es hilft Dir auch weiter, dass Du die belastenden Gedanken niederschreiben konntest und dass es hier einen kurzen Austausch dazu gibt. Also, lass Dich nicht hängen! Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute!!! :zwinker4:
Tschüss, sportliche Grüße aus dem Bergischen Land

Eckhard :winken:

"Radsport ist Mannschaftssport, 60 km/h und 30 cm Abstand zum Vordermann" (Robert Bartko)

Auch 2014 und danach wird weitergelaufen! :zwinker2:

9
MegaCmRunner hat geschrieben: Als Positives nehme ich die Erkenntnis mit nach Hause, dass die viele kleine Streitereien eigentlich absolut unwichtig sind, dass es Wichtigeres im Leben gibt, dass man die schönen Zeiten genießen muss. Das funktioniert dann auch ... die nächsten 2-3 Tage ... bis einen der übliche Stress wieder einholt und die vielen kleinen alltäglichen Problemchen ihre Wichtigkeit wieder zurückfordern.
LG Manfred
Da hast Du was richtig Wahres geschrieben.
Ich hatte in den letzten 2 Jahren auch 2 Erlebnisse, die so krass waren, dass alles andere unwichtig wird und man nur hofft man selber - oder der andere wird gesund.

Leider wird man viel zu schnell vom Alltag eingeholt und läßt sich so überrollen.
Man muss viel öfter mal inne halten.


Vielen Dank für den schönen und bewegenden Bericht! Du hast viel Einblicke in Deine Gedanken gegeben, das war sehr berührend.

Liebe Grüße
Marion :hallo:
http://www.hundephysioharz.de

10
Hallo,
dein Bericht ist wirklich bewegend und stimmt mich auch sehr nachdenklich.

Du hast natürlich richtig gehandelt - das muss man kühl sehen, es waren schon helfende Leute da und du hättest dann nur gestört. Wärst du Arzt, wäre das natürlich etwas anderes. Und es macht dich nur symphatisch, dass du dich so lange damit auseinander setzt! Manch anderem wäre das völlig egal und das ist wirklich schlimm!

Oben wurde geschrieben "Jeder hat 1000 Wünsche, ein Kranker nur einen". Das trifft es genau auf den Punkt. Wir haben es hier eigentlich so gut, dass wir oft den Blick auf die wichtigen Dinge verlieren und erst wenn irgendwo das Schicksal zuschlägt, werden wir kurz wach. Es kann so schnell vorbei gehen, dass es den meisten gar nicht bewusst ist. Man denkt immer "mir passiert das schon nicht....."

Im letzten Jahr hatten wir in der Familie einen Krankheitsfall, der zunächst haarscharf war, dann jedoch vergleichsweise glimpflich ausging. Ich habe seitdem ebenfalls auch sehr oft darüber nachgedacht und ich denke, dass mich das sehr verändert hat.
Mein Laufblog: Auf zu neuen Heldentaten
Antworten

Zurück zu „Laufberichte“