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Wie man ein optimales Rennen läuft

Wie man ein optimales Rennen läuft

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Vorab: Das wird kein Bericht von einem Spitzenläufer - nur von einer positiven Überraschung eines unterdurchschnittlichen Hobbyläufers mit ausnahmsweise niedrigen Erwartungen.

Bin gestern den Leiberger Volkslauf - 20 km mit ca. 400 Höhenmetern - (hier Strecke und Streckenprofil) gelaufen, als Vorbreitung auf den Hermannslauf (31 sehr profilierte km).

Die Einheit war für mich der Abschluss einer recht harten 80km-Trainingswoche, also voll aus dem Training heraus gelaufen. Zudem war ich noch einer abklingenden Erkältung gehandicapt. Daher hatte ich mir keine besondere Zielzeit gesetzt. Einen vergleichbaren flachen Halbmarathon laufe ich in guter Form so 1:40 bis 1:45, aber für den Lauf gestern hatte ich nur ganz grob gedacht, Hauptsache knapp unter 2 Stunden.

Wichtiger als meine eigene Zeit war mir eigentlich, wie mein Kumpel laufen würde, ein begnadeter Laufanfänger, der noch nie einen WK über mehr als 10 km gelaufen ist, die 10 aber mit wenig Trainingsaufwand in einer 35er Zeit schafft. Auch für ihn sollte der Lauf eine Vorbereitung auf den Hermannslauf sein und es war spannend, wie es um seine Tempohärte steht.

Da ich ihn also etwas gecoacht und in die Wettkampfgepflogenheiten eingeweiht habe, hab ich ziemlich wenig an mich selbst gedacht. Wenig Anspannung, wenig Druck, vorher einfach plaudernd bei der WK-Anmeldung gesessen, gemeinsam etwas warmgelaufen, letzte Tipps gegeben usw.

Bei dem überschaubaren Starterfeld von 120 Läufern konnte er sich bequem in die 1. Reihe stellen und ich dahinter in die 2. und noch letzte Anweisungen geben. Hab sogar vergessen, vor dem Startschuss meine Uhr klarzumachen und startete sie dann mit ca. 10 Sek. Verspätung. Durch den weiträumig-hügeligen und kurvigen Verlauf der Strecke konnte ich noch auf den ersten 1-2 km sehen, wie mein Kumpel in der Spitzengruppe mitlief.

Ich selbst lief dann vor Aufregung doch etwas flotter als geplant: mein Tempo für einen "Langen" wäre eine glatte 6 bei Puls unter 150; aber ich lief den ersten Km in 5:20 bei Puls 160. Das war ein angenehmes Wohlfühltempo, das ich erstmal beibehielt. Es sollte ja auch die ersten Kilometer stetig bergan gehen. Bergan wurde ich wie immer viel überholt, da das nicht mein Ding ist, aber irgendwann bei Km 2-4 hatte ich meine Gruppe gefunden und lief ganz gleichmäßig mit. Da es so gut lief, plante ich um auf einen 5:30er Schnitt, was 1:50 bedeuten wurde. Den Bergaufmalus plante ich gleich mit ein und rechnete auf die Soll-Durchgangszeiten von 5:30/11:00/16:30 usw. einfach das drauf, was ich gerade so lief. Dabei kam ich bis zum ersten Gipfel bei km 7 auf ein Plus von 1:50.

In diesem Bereich überholten uns immer wieder einiger der schnellen 10km-Läufer, die 5 Min. nach uns gestartet waren. Ich verglich deren Bewegungsablauf mit den Läufern aus unserer Gruppe und mir fiel vor allem auf, dass die Schnellen ihre Unterschenkel beim Schwung nach hinten viel höher heben, dem Hintermann quasi die Sohle zeigen. Die Langsam schlürfen eher. Da ich momentan eh an diesem Punkt des Laufstils feile, bin ich dann auch etwas mehr in diesen flotteren Laufstil verfallen und fing an zu überholen (die 20er-Läufer natürlich, nicht die 10er ...)

Der Puls war vorher immer um 160, jetzt immer bei 162. Es fühlte sich aber gut an, und dann kam das erste Bergabstück. Das liebe ich, das liegt mir und ich überholte fleißig.

Bei km 10 hatte ich den Zeitüberschuss auf den 5:30er-Schnitt schon wieder abgebaut und - dummerweise hab ich mir die Zeit nicht exakt gemerkt, aber ich meine schon unter 55 Min. und damit unter dem Schnitt gewesen zu sein (oder ganz knapp über 55).

Bei km 11 kam eine ganz besondere Stelle: Der Streckverlauf ist ähnlich einer 8, und die Km 11-14 sind eine Schleife, und hier läuft man ein kleines Stück auf derselben Strecke, wie die entgegenkommenden Läufer, die bereits bei km 14 sind. Ich hatte mir ausgerechnet, hier meinen Kumpel vielleicht sogar zu sehen, tatsächlich sah ich einige Schnelle Richtung Ziel düsen - später stellte sich heraus, dass er zu diesem Zeitpunkt hier tatsächlich schon durch war! (Etwas deprimierend für mich: wenn ich bei gefühlt flottem Tempo 11 km habe, hat er schon über 14 ...)

Hier oben im Wald war eine der zahlreichen Getränkestationen (Top-Orga übrigens) und ich fragte eine Helferin mit Notizzettel in der Hand, wie viele von den ersten denn schon durch seien. "Neunundsechzig" - Wahnsinn, dachte ich, 69 sind so schnell, dass sie jetzt schon über 14 km haben? Dann wurde mir aber klar, dass es ein Missverständnis war und ich an Position 69 lag.

Auf der Schleife, die wie der Rest der Strecke stetig leicht rauf oder runter durch den Wald führte - sammelte ich dann auch noch ein paar Läufer ein, die sich jetzt aber sehr vereinzelten. Bei Km 13 sah ich niemanden mehr und musste mich mal umschauen, ob denn noch jemand hinter mir ist und ich mich nicht verlaufen habe.

Dann kam schon wieder die Schleifenkreuzung bei KM 14 und ich klärte die Helferin noch über das Missverständnis auf. Nun ging es schön gleichmäßig immerzu bergab, die nächsten Läufer erspähte ich erst in 200 m Entfernung. Das würde dauern, bis ich mich an die rangearbeitet habe, denn die laufen ja auch nicht langsam, sondern bisher schneller als ich!

Ich konnte aber noch mal eine Schippe drauflegen und bei Puls 165 Kilometerzeiten von bis zu 4:20 laufen (etwa 4-5% Gefälle). Bis auf 100 m kam ich an die nächste Läufergruppe ran, aber dann ging es bei KM 17/18 doch noch wieder bergrauf, was mich typbedingt ausbremste. Jetzt war ich deutlich unter einem 5:30er-Schnitt und dachte an eine Zielzeit von 1:48, dann sogar an vielleicht 1:47 oder 1:46, auch wenn ich bergauf nochmal langsamer werde. War ich aber gar nicht - trotz leichter Steigung lief ich den KM 17-18 in glatten 5 Min. Der Puls ging hier mal bis auf 167, da hab ich dann aber doch etwas den Druck rausgenommen, um mich für die zwei anstehenden harten Trainingswochen nicht abzuschießen.

An dieser Stelle hörte man schon durch ein Quertal den Lautsprecher des Aftetal-Stadions, wo Start und Ziel war, aber die Strecke sollte noch in einem weiten Bogen etwa 3 km um die Anhöhe herum führen. Kurz hinter KM 18 kam ich dann an die anderen Läufer heran. Es war schön, jetzt noch Reserven zu haben, aber so allmählich merkte ich doch, das meine Grenzen nicht mehr allzu weit entfernt sind.

Vor dem Lauf hatte ich einen entscheidenen Punkt bei einem Gespräch zwischen erfahrenen Läufern mitbekommen (ich war Neuling auf dieser Strecke): Der letzte Kilometer sei falsch ausgeschildert und nicht 1, sondern anderthalb Kilometer lang. Dies im Hinterkopf plante ich für dafür gleich zwei Minuten mehr ein, in der Hoffnung, dass es doch übertrieben war und es nur 1,1 km waren oder die Beschilderung im Vergleich zum Vorjahr vielleicht korrigiert wurde (großes Lob übrigens an den Veranstalter, dass jeder einzelne Km ausgeschildert war!)

Bei Km 19 kam ich bei 1:38:15, aber die rechnerische 1:43er Zeit schminkte ich mir ob der vorliegenden Information gleich ab. Und tatsächlich wurde dieser zum Glück fast flache Kilometer unten im Aftetal auf Feldwegen lang und länger, einzig das Überholen von Mitläufern sorgte für Motivationsschübe. Das Stadion kam in Sicht, schätzungsweise noch 500 m, aber man muss ganz außen rumlaufen und dann auf Sportfeld rauf, wo am Ende der Laufbahn dann das Ziel ist. Noch im Stadionbereich konnte ich jemanden überholen, und anhand der Ergebnisliste stellte ich später fest, dass der sogar Holger hieß und meiner Altersklasse angehört - habe meinen ganz persönlichen Holger tatsächlich um 2 Sekunden abgehängt. Es wurde eine 1:45:40 (meine Uhr ließ ich im Ziel die 10 Sek. vom Start noch weiterlaufen). Wäre hätte das gedacht!

Aber wer hätte auch das noch gedacht: Mein Kumpel hatte auch einen super Lauf hingelegt, war bis km 15 an zweiter Stelle gelaufen, mit zwei hartnäckigen Verfolgern an den Fersen. Dann hatte er leider einen "Einbruch", wie er es nannte (Magenprobleme) hat sich aber trotzdem noch mit einem 4:00er-Schnitt ins Ziel gekämpft und wurde 5. (Unter einem Einbruch verstehe ich eigentlich ein Phänomen, bei dem man anschließend nicht mehr 4:00 laufen kann ...)

Für mich war es von der Einteilung her ein optimales Rennen mit großem Spaßfaktor. Ich hätte vielleicht von Anfang an etwas flotter Laufen können, aber da dies einfach ein Trainingslauf war, hätte das keinen Sinn gemacht. Die Pulsentwicklung von 158-167 (mein Max.Puls liegt bei 188) war punktgenau die angestrebte Wettkampfbelastung beim 50% längeren Hermannslauf. Mal schauen, wie der so wird.
Garmin: betanien, Strava: https://www.strava.com/athletes/10542641

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Wernher hat geschrieben:Vorab: Das wird kein Bericht von einem Spitzenläufer - nur von einer positiven Überraschung eines unterdurchschnittlichen Hobbyläufers mit ausnahmsweise niedrigen Erwartungen.
die Spitzenläufer schreiben hier ja sowieso nicht :wink:
Bin gestern den Leiberger Volkslauf - 20 km mit ca. 400 Höhenmetern - (hier Strecke und Streckenprofil) gelaufen, als Vorbreitung auf den Hermannslauf (31 sehr profilierte km).
sieht knackig aus!
Einen vergleichbaren flachen Halbmarathon laufe ich in guter Form so 1:40 bis 1:45, aber für den Lauf gestern hatte ich nur ganz grob gedacht, Hauptsache knapp unter 2 Stunden.

wenn das 400m hoch und runter sind, dann rechne ich das für meine Zielzeit immer mal 4 plus noch einen Ermüdungsmalus. Also hier wäre ich mal einfach mit flacher Zielzeit + (bei dir) 8-10min rangegangen...
Es wurde eine 1:45:40 (meine Uhr ließ ich im Ziel die 10 Sek. vom Start noch weiterlaufen). Wäre hätte das gedacht!
in der Tat, Gratulation zu der Leistung!

Gruss,
Jens

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Gratulation zur super Leistung :daumen: .
Eine 1:45er Zeit auf so profilierter Strecke und dann mit langsamen Angehen :daumen: .

Dein Kumpel, der so weit vorne lief. War das der gleiche, der auch bei unserem gemeinsamen TDL dabei war? Gratulation natürlich auch an ihn.
Bestzeiten:
10km --> 44:17 *** 15km --> 1:09:12. *** HM --> 1:34:55 *** Hermannslauf --> 2:45:37 *** M --> 3:57:44


Ziel 2013:
wieder in Form kommen


Bild

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easter hat geschrieben: Dein Kumpel, der so weit vorne lief. War das der gleiche, der auch bei unserem gemeinsamen TDL dabei war? Gratulation natürlich auch an ihn.

Ja genau!

Danke für eure Gratulations und sorry für die vielen Fehler - war in Zeitdruck und dann gibts keine Korrekturfunktion mehr. :motz:
Garmin: betanien, Strava: https://www.strava.com/athletes/10542641
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