Diesmal wird er kürzer... bestimmt... garantiert!
Ich mag nicht mehr. Ich bin müde. Meine Beine sind schwer, die Luft ist raus, die Lust am Laufen dahin. Ich bekomme die Beine nur noch schwer hoch, schlurfe mehr als das ich laufe. Der Müsliriegel, den ich mir an der letzten Verpflegungsstation gegen den nagenden Hunger genommen habe, liegt wie ein Stein im Magen. Ich will nicht mehr. Da, endlich, ein Kilometerschild, wurde auch Zeit. Die Biester stehen hier im Wald von Werdau nur alle 5 Kilometer. Endlich eins abgehakt. Aber auf dem Schild steht nicht etwa die „40“ oder wenigstens die „35“ - nein, da prangt in rot geschrieben eine 5. Es ist das erste Schild. Ich bin erst knapp über eine halbe Stunde unterwegs. Und ich will nicht mehr. Ich will in mein Bett! Wie konnte es nur dazu kommen?
Am Vortag des 34. Werdauer Waldlaufes, bei dem ich für den Marathon gemeldet bin, heiraten sehr, sehr gute Freunde von mir. Und das tolle an solchen Feiern ist, dass sie viele tolle Menschen wieder zusammen bringen, die sonst vielleicht weiter weg wohnen. Und da der Marathon in Werdau als reiner Trainingslauf geplant war, sah ich gar nicht ein, bei der Feierei auf ihn Rücksicht zu nehmen. Das wäre ja sozusagen Beleidigung des Brautpaares und der anwesenden Freunde gewesen!
Und außerdem ist mir aufgefallen, dass ich die allermeisten Wettkämpfe vollkommen dehybiert und unterhopft laufe. Und das kann doch nicht angehen. Mir als ambitionierten Läufer können doch nicht solche Anfängerfehler unterlaufen!
Also habe ich die Gunst der Stunde genutzt und die Gelegenheit der Hochzeit beim Schopfe gepackt und der drohenden Dehybierung und Unterhopfung vorgebaut.
Das Resultat des Ganzen war ein ordentlicher Bierrausch (ich war immerhin so clever, den mir aufgedrängten Schnaps rigoros anzulehnen und ausreichend Wasser zum Bier zu trinken), gepaart mit einem ordentlichen Schlafmangel – wobei, 2,5 Stunden im Schlafsack auf dem Boden, während um einen herum noch gefeiert / schon aufgeräumt wird, müssen doch eigentlich reichen.
Und so stand ich pünktlich um 6:45 Uhr irgendwo auf einem sächsischen Kuhkaff, wartete auf Cabo, die mich dort mit dem Auto abholen wollte und fragte mich, was um alles in der Welt ich überhaupt hier tue! Warum muss ich denn schon wieder Marathon laufen? Und warum nach einer Hochzeit? Und warum alles in der Welt so früh??? Ganz ehrlich: Ich konnte mit meinem benebelten Gehirn diese Fragen nicht beantworten, darum ließ ich meine Instinkte die Oberhand gewinnen: Auto kommt → einsteigen. Auto hält → aussteigen. Umkleidekabine vor der Nase → Laufsachen anziehen. Startschuss hören → loslaufen.
Werdau ist ein kleines Nest (O-Ton Bürgermeister „schöne Kleinstadt“) neben Zwickau, der Werdauer Waldlauf wird 2 Mal im Jahr angeboten (einmal als Frühlings- und einmal als Herbstlauf) und es stehen Strecken von 4, 10, über HM und M zur Auswahl.
Die Strecke ist gut profiliert, etwa 400 Höhenmeter fallen auf den Marathon an. Man läuft knappe 11 Kilometer vom Ort in den Wald hinein, um dort dann 2 große Runden à 10 Kilometer zu drehen, um die 11 Kilometer dann wieder zurück in den Ort zu laufen. Nicht sonderlich schön oder spektakulär, aber alles in allem ganz nett!
Die Organisation ist routiniert, die Helfer motiviert und freundlich (Selbstgemachter Haferschleim! Ich hätte mich reinlegen können!!!), die Rahmenbedingungen passen also, sogar das Wetter spielt, von einigen Schauern abgesehen gut mit!
Eigentlich hatte ich den Druck, recht schnell laufen zu müssen – genau 4:40 Std. nach dem Start fuhr mein Zug vom 2 KM entfernten Bahnhof ab. Aber das wäre wirklich, wirklich hart geworden. Zum Glück bot mir Cathy an, mich auch noch nach Hause zu fahren – im Gegenzug beschloss ich, mit ihr zusammen zu laufen. Nicht, weil sie mich gebraucht hätte, sondern weil es einfach nett ist, mit ihr zu laufen und ich so Hilfe haben, endlich mal einen langen Lauf angemessen langsam zu gestalten.
Wie es mir erging, habt ihr ja schon am Anfang gelesen. Die eingeleiteten Maßnahmen gegen Dehybierung/Unterhopfung haben voll eingeschlagen. Mein Körper kam gar nicht damit klar, dass er jetzt laufen sollte – er war noch voll im Standby-Modus. Ich hatte noch nie so eine Unlust auf einen Lauf wie heute. Und es lief sich zäh wie Gummi. Ich hatte Hunger, aber nichts hat wirklich geschmeckt. Mein Kopf war nicht frei, sondern leer und die blöden Bäume haben mich genervt. Wer kommt auch auf die Idee, einen Waldlauf zu veranstalten? Und wer auf die noch blödere, da auch mitzulaufen...
Als die ersten 10 KM geschafft waren, passierten drei Dinge: 1. Ich verlor vollends die Orientierung. Ich verstehe bis jetzt nicht, wie ich da eigentlich im Wald rumgeirrt bin... 2. Es ging mir langsam besser. Die frische Luft und der mangelnde Nachschub an Hopfenblütentee besserten mein Befinden und meine Laune deutlich und damit auch meinen Laufgenuss. Und 3: Die ersten richtigen Steigungen tauchten auf - und mit ihnen kehrte ein gewisser Spaß ins Laufen mit zurück.
So liefen wir Kilometer um Kilometer... und ich war zunehmend dankbar, dass Cathy mich auf diesen Lauf mitgenommen hatte und ich nicht alleine laufen musste. Ich glaube, ich wäre böse eingebrochen. Mein feierbedingter Zustand an sich wäre das eine gewesen, ich merke aber auch, dass meine Akkus nach meinen 12-h-Abenteuer vor 2 Wochen noch nicht wieder voll aufgeladen waren. Und so war ich dankbar für das moderate Tempo, dass ich gut halten konnte.
So ab km 26, 27 merkte ich, dass es für Cathy langsam schwieriger wurde. Und wisst ihr was noch schlimmer ist als beim Laufen selber zu leiden? Jemanden neben sich leiden zu sehen und nicht helfen zu können. Cathy hat sich bravourös durchgebissen und wir haben uns von Kilometer zu Kilometer, von Verpflegungspunkt zu Verpflegungspunkt, von Steigung zu Steigung gekämpft.
Waren wir anfänglich noch gut mit Halbmarathonis umgeben, wurde das Rennen gegen Ende hin zunehmend einsamer. 64 Marathonis verlaufen sich Wald doch ganz schön – wir waren die letzten 12-15 Kilometer eigentlich fast ganz alleine unterwegs.
Und diese Kombination ließ dann doch ein wenig Freude aufkommen, als wir endlich wieder in Werdau ankamen und nach knapp über 4:30 frohgemut die Ziellinie überquerten. Platz 57 heißt, dass da nach mir nicht mehr viele kamen, hatte aber den Vorteil, dass ich die riesige Umkleidekabine und die Duschen (mit heißem Wasser!) ganz für mich alleine hatte – das habe ich auch noch nicht erlebt bei einem Wettkampf!
Mein Fazit: Eine nette, kleine schnuckelige Laufveranstaltung, ein schöner langer Trainingslauf mit sehr netter und angenehmer Begleitung.Und: Ja, man kann mit viel zu wenig Schlaf und viel zu viel Promille Alkohol im Blut Marathon laufen. Aber es macht nicht wirklich Spaß, zumindest nicht am Anfang. Und: Ja, man kann tatsächlich dem Kater davon laufen.
Jetzt mal 2 Wochen ruhiger, bevor die Härteprobe für den Rennsteig ansteht, ich befürchte, dann werden die Berichte auch wieder länger...
Danke fürs Durchhalten
nachtzeche
Dehybiert und unterhopft? Heute nicht!
1"Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden!" (Die Bibel, Jesaja 40,31)