Am 15. April 2012 sollte es endlich soweit sein. An diesem Tag wollte ich meinen 6. Marathon laufen und das natürlich mit einer neuen Bestzeit.
Im Oktober 2011 habe ich mich deshalb für den ABN AMRO Rotterdam Marathon angemeldet und gleichzeitig ein Hotelzimmer in Startnähe gebucht. Rotterdam ist ja bekannt für die schnelle und flache Strecke, also denkbar gut geeignet für mein Vorhaben.
Vorbereitung
Die direkte Vorbereitung auf den Marathon habe ich am Neujahrstag begonnen. Die Vorbereitung verlief bis in den März hinein gut. Die insgesamt 9 langen Läufe mit jeweils 32 bis 37 km mit jeweils einem Drittel Endbeschleunigung auf das geplante Marathontempo (4:30 Min/km) haben richtig Spaß gemacht. Der Test-Halbmarathon Ende März lief zwar nicht optimal, mit 1:27 konnte ich aber meine bisherige PB deutlich verbessern. Aufgrund des guten Verlaufs der Vorbereitung korrigierte ich meine Zielzeit auf 3:05.
Nach 4 Tagen Erholung bzw. regenerativen Trainingseinheiten stand am 1 April mein letzter langer Lauf auf dem Plan. Dieser Lauf sollte im Rahmen des Vattenfall Berlin-Halbmarathons vonstatten gehen. Nach dem Halbmarathon wollte ich noch 13 km dranhängen um so auf insgesamt 34 km zu
kommen. Zwar lief der Halbmarathon ganz gut, aber die angehängten 13 km waren weniger gut. Erstmals gelang es mir nicht mehr die Endbeschleunigung durchzuhalten. Ich schob das erst mal auf eine schlechte Tagesform (schlecht geschlafen, am Vortrag laufen im Regen, lange Anreise). Nachdem ich aber die zwei Tage später folgenden Intervalle wegen Erschöpfung/Lustlosigkeit ausfallen lassen musste, kam ich doch langsam ins Grübeln. Hatte ich mir doch einen Infekt eingefangen? Als Antwort auf diese Frage fing einen Tag später die Nase an zu laufen. Da war er der gefürchtete Schnupfen. Erstmal einen Pausentag einlegen und schauen, ob es ein richtiger grippaler Infekt wird. Nachdem der Schnupfen nicht schlimmer wurde, habe ich das Training wieder aufgenommen. Doch leider funktionierte der letzte Tempolauf vor dem Marathon überhaupt nicht. Kurzatmig und mit zeitweisem Schwindelgefühl quälte ich mich durch die Trainingseinheit. Wenige Tage später war zwar der Schnupfen abgeklungen, das Schwindelgefühl beim Laufen war aber immer noch da. Zusätzlich hatte sich auch noch eine Zyste am Rücken so stark entzündet, dass ich in der Woche vor dem Marathon nur noch relativ unruhig schlafen konnte.
Als ich am 14.4. Richtung Rotterdam aufbrach hatte die Vorfreude merklich nachgelassen und die Nervosität überhand genommen. Aufgrund meines nicht optimalen körperlichen Zustandes war die 3:05 erst mal kein Thema mehr. Es galt den Marathon gesund und mit einer halbwegs anständigen Zeit zu überstehen.
Anreise/Vortag
Die Anreise erfolgte per Bahn, allerdings nicht auf direktem Weg. Ich fuhr von München erst nach Hannover und von da nochmal fast 5 Stunden bis Rotterdam. Leider bin ich wohl beim letzten Mal umsteigen in den falschen Zug eingestiegen und nicht in Rotterdam, sondern in Den Haag gelandet. Da Den Haag aber sehr nahe an Rotterdam liegt, wahr das aber weiter kein Problem. Auf jeden Fall war ich nach rund 12 Stunden in Rotterdam angekommen. Nachdem ich erst mal im Hotel eingecheckt hatte, ging es zur Laufmesse um die Startunterlagen abzuholen. Die Ausgabe der Startunterlagen funktionierte problemlos. Ich musste nur meinen mir bereits vor Wochen zugesandten Startbeweis vorzeigen, schon bekam ich meine Startnummern überreicht. Zusätzlich gab es noch einen Startbeutel mit einem Funktionsshirt und eine Plastikplane, als Schutz vor dem Auskühlen beim Start. Die Laufmesse an sich war eher klein und bot weder viel Neues, noch irgendwelche Schnäppchen. Deshalb ging es gleich zurück ins Hotel. Dort habe ich noch den Gurt mit den Gels vorbereitet und die Startnummern an meine Laufshirt gepint (eine vorne und eine hinten). Mit Getränken wollte ich mich an den Ständen an der Strecke versorgen, da ich einen Trinkgurt beim Laufen eher als hinderlich empfinde.
Wettkampftag
Um 7:00 Uhr bin ich nach einer wieder mal unruhigen Nacht aufgestanden und Frühstücken gegangen. Wegen des Marathons konnte man im Hotel bereits ab 7.00 Uhr frühstücken. Da der Start erst um 10:30 Uhr war, konnte man dies auch relativ ausgiebig tun. So gab es zwei Semmeln mit Marmelade, ein Croissant, und zwei Stück Kuchen, sowie ausgiebig Tee und auch Saft.
Kurz nach 9 Uhr bin ich dann Richtung Start aufgebrochen. Beim Verlassen des Hotels wurde ich von heftigen Windböen empfangen. Getragen von der irrationalen Hoffnung, dass der Wind bis zum Start nachlassen würde und man in der Menge von dem Wind eh nicht soviel merkt bin langsam Richtung Coolsingel zum Start marschiert.
Vor dem Rotterdamer Rathaus erfolgte dann die Startaufstellung. In zwei Startkanälen wurden die Läufer blockweise aufgestellt. Ich begab mich zum rechten Startkanal in meinen Startblock D (3:00 bis 3:30). Der Zugang wurde streng kontrolliert, so dass sich keine langsameren Läufer rein-schmuggeln konnten. Nachdem wir das schon traditionelle „You never walk alone“ gesungen hatten, fiel der Startschuss mit einer Kanone
Nach dem Start erst mal Stau, die Straße ist zu eng für die vielen Läufer. Viele weichen nach links auf die Straßenbahngleise aus und überholen so die langsameren Läufer, die einen Startblock weiter vorne gestartet sind. Dabei handelt es um sogenannte Businessläufer, die wohl unabhängig von ihrer anvisierten bzw. bisher nachgewiesenen Leistung noch aus dem Startblock vor uns starten durften.
So bin ich also den ersten km damit beschäftigt hakenschlagend langsam lostrabende Staffelläufer zu überholen. Ich achte nicht auf meine Herzfrequenz, sondern versuche krampfhaft mein geplantes Marathontempo zu erreichen. Ich laufe den ersten km in 4:41. Wir näheren uns der Erasmusbrücke, ich überhole weiter und werde immer nervöser weil ich die geplante Pace nicht erreiche. Trotz des Anstiegs zur Erasmusbrücke beschleunige ich weiter und ich kann den zweiten km in 4:23 laufen. Endlich habe ich mein geplantes Tempo erreicht und bin sogar noch etwas schneller. Es geht wieder runter von der Erasmusbrücke ich versuche den Schwung mitzunehmen um den Zeitverlust vom Start gleich wieder aufzuholen. Nachdem wir die Erasmusbrücke hinter uns gelassen haben und Richtung Feyenoord-Stadion laufen schaue ich auf die Uhr und erschrecke, Pace 3:57. Ich bin viel zu schnell unterwegs und versuche Tempo rauszunehmen. Es gelingt mir nicht so richtig. Hätte ich auf meine Herzfrequenz geachtet, wäre mir aufgefallen, dass ich seit dem Start mit einer Herzfrequenz von bis 181 laufe, also tief im aneroben Bereich.
Trotz Gegenwind laufe ich auch die folgenden Kilometer zwischen 4:10 und 4:20 und reihe so Fehler an Fehler. Erst bei km 9 gelingt es mir die Pace wieder über 4:21 zu senken, nur um mich danach gleich wieder von anderen Läufern mitziehen zu lassen und bis auf 4:06 zu beschleunigen. Dieser Teil der Strecke führt durch ein Wohngebiet, es sind erstaunlich viele Zuschauer an der Strecke die uns anfeuern. Ich komme erst wieder zur Besinnung, als sich bei km 14 erstmals die Oberschenkel melden. Ich nehme Tempo raus und passiere die 15km nach 1:05:20. Ich nehme mein erstes Gel. Mit schmerzenden Oberschenkeln versuche ich das Tempo für eine Zielzeit von 3:05 zu halten. Trotz des immer wieder auftretenden Gegenwindes gelingt mir das bis km 20 km erstaunlich gut, obwohl ich zeitweise immer noch Mühe habe nicht zu schnell zu laufen. Nach der 20km-Marke laufen wir gegen den Wind einen leichten Anstieg hoch zur HM-Marke. Auf diesem kurzen Abschnitt verliere ich Zeit und laufe seit dem Start erstmals wieder langsamer als 4:30. Die HM-Marke passiere ich bei 1:32:30. Punktlandung!
Ab hier muss ich mich nicht mehr zwingen langsamer zu laufen, ich werde von selbst langsamer. Nicht nur der Gegenwind bremst, auch meine Oberschenkel schmerzen immer mehr. Ich nehme bereits mein drittes Gel. Kurz vor der Erasmusbrücke passiere ich die 25km-Marke. Die Zwischenzeit mit 1:50 reicht zwar immer noch für die angepeilte Zielzeit. Aber mir wird klar, dass ich dieses Tempo nicht bis ins Ziel durchhalten kann, ich muss mir meine verbliebenen Kräfte einteilen. Nach der 25km-Matte geht es gleich wieder über die Erasmusbrücke. Der Anstieg bis zum Scheitelpunkt der Brücke türmt sich vor mir scheinbar unüberwindbar auf. Die vielen Zuschauer feuern die Läufer lautstark an. Ich fixiere einen Läufer der ungefähr 30 Meter vor mir läuft und nehme mir vor, ihn nicht davon ziehen zulassen. Als wir den Scheitelpunkt der Brücke erreicht haben, habe ich diesen Läufer längst hinter mir gelassen. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und sehe die 4:15. Schon wieder zu schnell. Auf der Erasmusbrücke habe ich wertvolle Kräfte, die ich mir eben noch gut einteilen wollte, verschwendet, weil ich einfach unkontrolliert wie ein blutiger Anfänger losgerannt bin.
Wenige Meter nach der Erasmusbrücke geht es links weg und dann gleich scharf rechts weiter abwärts in eine Unterführung. Auf der anderen Seite geht es wieder aufwärts, ich nähere mich km 30. Die Oberschenkel schmerzen nach dem ständigen Auf und Ab immer mehr. Der Läufer, den ich auf der Erasmusbrücke überholt habe, zieht wieder an mir vorbei. Ich zahle die Zeche für den nervösen und viel zu schnellen Start und den völlig unsinnigen Zwischenspurt die Erasmusbrücke hoch. Schon vor km 30 bin ich mit einem Vorhaben eine Zeit um 3:05 zu laufen am Ende. Die Kohlehydratspeicher sind leer und meine Muskulatur ist schon dermaßen mit Laktat vollgepumpt, dass ich Angst bekomme den Marathon nicht mehr durchzustehen.
Ich reduziere mein Zeitziel auf sub3:15 und passiere die 30km-Marke bei 2:13. Noch unglaublich lange 12 km. Ich zweifele schon nach kurzer Zeit an meinem neuen Zeitziel. Bei km 32 mache ich eine Gehpause und verliere weiter Zeit. Allein der Gedanke an ein weiteres Gel lässt meinen Magen rebellieren, ich nehme mir bei nächster Gelegenheit einen der angebotenen Schwämme und drücke mir das Wasser in den Mund. Wir befinden uns im Stadteil Kralingen, viel Grün und fast keine Zuschauer. Um mich von den Schmerzen in den Oberschenkeln abzulenken rechne ich meine voraussichtliche Zielzeit aus. Ich laufe jetzt ein Tempo um 4:45. Die neue Bestzeit ist immer noch möglich. Ich erinnere mich an meine langen Läufe im Training, bei denen ich nach 35 km noch beschleunigen konnte. Was ist seither nur passiert? Alles nur wegen dem hartnäckigen Schnupfen die letzten zwei Wochen? Oder waren die letzten Tage doch zu anstrengend? Waren meine Kohlehydratspeicher nicht ausreichend gefüllt, nachdem ich am Vortrag kein richtiges Abendessen hatte?
Die Grübeleien lenken mich von meinen Oberschenkeln ab. Ich überlaufe die 35km-Marke nach
2:38 und versuche vorsichtig zu beschleunigen, meine Uhr zeigt 4:34. Die Quittung erhalte ich postwendend. Bei km 36 stehe ich, nichts geht mehr. Mit einem Becher Wasser in der Hand gehe ich ein Stück Ich nehme mir vom Verpflegungsstand noch eine Flasche Iso mit, die ich wenig später ungeöffnet einem Kind schenke. Die Zuschauer feuern mich an, sie rufen meinen Namen. Ich trabe wieder an, ich will diesen Marathon finishen! Und ich will eine neue PB. Bei km 38 stehen Kinder an der Strecke und reichen uns Orangenspalten. Ich bedanke mich bei den Kindern nehme zwei Spalten. Ich bilde mir ein, dass mich diese Orangen erfrischen und mache mich auf den Weg zur 40km- Marke. Ich passiere diese Marke nach 3 Stunden und 5 Minuten (meine ursprüngliche Zielzeit). Ich rechne kurz hoch, den letzten km habe ich in 5:01 gelaufen. Wenn ich so bis ins Ziel weiterlaufe wird das nichts mit der sub3:15. Trotz der schlechten Erfahrung bei km 35 versuche ich zu beschleunigen. Ich überhole die ersten Läufer vor mir, meine Uhr zeigt eine Pace von 4:30 an und ich kann diese Geschwindigkeit halten. Nach rund 41,5km biege ich in die Zielgerade ein. Ich kann das Tempo von 4:30 halten. Obwohl ich den Zielbogen sehe und auch die Uhr, die gnadenlos die Sekunden hochzählt, kann ich nicht weiter beschleunigen.
Die Streckenmarkierungen, die in einem Abstand von 50 Meter aufgestellt sind, scheinen km-weit auseinander zu sein. Das Ziel scheint sich von mir wegzubewegen, scheint mir sagen zu wollen, dass ich das Finish bei den vielen Fehlern, die ich gemacht habe, noch nicht verdient habe. Ich fange bereits vor der Ziellinie an auszutraben und überquere die Ziellinie fast gehend. Ein Sanitäter nimmt mich in Empfang und wirft einen prüfenden Blick in mein Gesicht. Ich schüttele mit dem Kopf und gehe weiter, gleichzeitig drücke ich meine Laufuhr. Den Bürgermeister von Rotterdam, der im Ziel jedem Finisher die Hand schüttelt und gratuliert, beachte ich nicht.
Obwohl ich gerade eine neue persönliche Bestzeit gelaufen bin, fühle ich keine Freude, keine Zufriedenheit, nichts dergleichen. Ich habe mich monatelang auf diesen Marathon vorbereitet. Zum ersten Mal war ich richtig heiß auf einen Marathon, voller Vorfreude und Zuversicht, trotz aller negativen Vorzeichen in den letzten Tagen. Ich war mir so sicher in Rotterdam einen wirklich großen Schritt in Richtung meines großen Ziels (sub3) zu machen und dann das! Ich reihe Fehler an Fehler. Ich renne mich wie ein blutiger Anfänger schon in der ersten Hälfte in Grund und Boden. In dieser Stimmung wandere ich vom Zieleinlauf zurück zum Hotel.
Meine Stimmung bessert sich zusehends, als mir immer wieder Passanten zum Marathonfinish gratulieren. Zwar habe ich im Vorfeld und während des Marathons so viele Fehler gemacht, wie noch bei keinem anderen zuvor, aber immerhin ist dabei noch eine PB von 3:15:03 herausge-sprungen. Und warum sollte ich damit nicht zufrieden sein?
Rotterdam 15.4.2012- stümperhaft zur neuen PB
1Bestzeiten:
03.10.2012 5km 19:04 (Anzing)
15.04.2012 M 3:15:03 (Rotterdam Marathon)
31.12.2011 10km 39:56 (Silvesterlauf München)
24.03.2012 HM 01:27:00 ( Forstenrieder Volkslauf)
gemeldet 2012/2013:
11.11.2012 HM Riva del Garda
01.12.2012 10km Nikolauslauf München
06.01.2013 15 km Olympiapark München
14.04.2013 Rotterdam Marathon
27.10.2013 Frankfurt Marathon
03.10.2012 5km 19:04 (Anzing)
15.04.2012 M 3:15:03 (Rotterdam Marathon)
31.12.2011 10km 39:56 (Silvesterlauf München)
24.03.2012 HM 01:27:00 ( Forstenrieder Volkslauf)
gemeldet 2012/2013:
11.11.2012 HM Riva del Garda
01.12.2012 10km Nikolauslauf München
06.01.2013 15 km Olympiapark München
14.04.2013 Rotterdam Marathon
27.10.2013 Frankfurt Marathon