Geht das noch? 4 Kilometer hat er gesagt. Ich habe noch knapp 18:30 Minuten Zeit. 69 Kilometer in den Beinen. Aber der Rennsteig waren doch nur 72,7, oder? Dann wäre noch ein bisschen Puffer da. Und selbst wenn es 73 sind... 18:30 für 4 Kilometer... nur bergab. Das wird knapp. Nach einem Ultra mit1400Höhenmeterdieletzten 4 Kilometer in jeweils 4:30 laufen? Will ich das? Kann ich das? Aber wenn ich doch noch unter den 7 Stunden laufen kann.... Komm jetzt, Zähne zusammen und los!
Erste Kilometer: 4:21! Huii... geht doch. Das reicht. Das muss reichen! Es tut weh, es tut richtig weh! Ich laufe nicht mehr, ich fliege! Jetzt bloß nicht stolpern. Der Weg ist ganz schön wurzelig. Holperig. Füße heben, Herr nachtzeche, sonst tust du dir sehr weh! Da, wieder ein Kilometer geschafft. 4:19. YES! Wie lange habe ich noch? Genug. Wenn ich so weiterlaufe müsste es reichen. Knapp, aber es müsste. Ich gebe noch mal Gas. Alles in mir schreit auf. Ichmagnichtmehr. Wo bleibt dieses doofe Zelt. Die ersten Zuschauer feuern mich,die Wanderer klatschen mir motivierend zu. Tolle Stimmung. Und trotzdem, ich kann und mag nicht mehr! Ich fange an zu schreien. Wer noch schreien kann kann auch noch schneller laufen. Gas, Gas, Gas! Schneller, komm schon, das lässt du dir nicht mehr nehmen. Da ist KM 72. Ein Blick auf die Uhr: Huiiiiiiiiiiiiii: 4:11! Mein lieber Herr Gesangsverein. Jetzt sollte es aber dicke reichen. Aber warum bin ich erst bei den Gartenanlagen? Da muss ich ja erst noch durch ganz Schmiedefeld... und dann durch den Zielkanal, der war auch lang, ziemlich lang. Das ist noch mehr als ein Kilometer, deutlich mehr. Und auch nicht mehr nur bergab, sondern leicht wellig. Mein lieber Scholli, das wird knapp, RICHTIG knapp. Und ich gebe noch mal Gas...
Rückblende. Einen Tag zuvor.
Um die Mittagszeit setze ich mich bei schwülwarmen 28 Grad in Dresden in den Zug und fahre mit Stephanie und Cathy mit dem ICE nach Eisenach, dem Startort des Rennsteig Supermarathons über (wie ich zu diesem Zeitpunkt noch dachte) 72,7 Kilometer mit knapp 1400 HM durch die Höhen des Thüringer Waldes. Der Lauf wird zum 40. Mal ausgetragen und ist DER Kultlauf des Ostens. Riesig groß, sehr beliebt, toll organisiert – einfach genial. Es ist nach 2009 (wo ich mit Leck an Bord in 07:26 Stunden glücklich finishte) mein zweiter Rennsteig!
Da es dieses Jahr nur ein Trainingslauf werden soll habe ich mich irgendwie unzureichend um die Logistik gekümmert, die bei diesem Event nicht ganz ohne ist: Start und Ziel liegen 70 km auseinander, der Startschuss ertönt zu einer Uhrzeit, die eine unmittelbare Anreise für mich unmöglich macht (=Übernachtung vorher) und die Party in Schmiedefeld ist so legendär, dass man sie nicht verpassen darf (=Übernachtung hinterher). Und irgendwie hatte ich mich nicht ordentlich darum gekümmert. Das hatten dann dankenswerter Weise andere für mich übernommen, die anscheinend Mitleid mit mir hatten, so dass ich die Nacht vor dem Start mit in Stephanies Hotelzimmer unterkam, und die Nacht danach mit der Cabo'schen Sippe in Oberhof in einer Ferienwohnung verbringen konnte. Jeweils mit organisiertem Transfer und Frühstück. DANKE noch mal dafür!
Die Zugfahrt vergeht rasend schnell, und schon sind wir in Eisenach angekommen. Bei noch schwüleren 30 Grad (und morgen Temperaturen unter 10 Grad? Kaum vorstellbar, bis es Regenschauer nach dem anderen uns erwischt und sich die Luft merklich abkühlt. Na ja, alles was jetzt runter kommt kommt schon morgen nicht mehr...) schleppen sich Stephanie und ich uns zu unsrer Pension, die nur einen Kilometer vom Startort, dem Marktplatz in Eisenach, entfernt liegt. Das Zimmer ist rasch bezogen, die Startunterlagen abgeholt, der Klos mit Rotkraut verschlungen und jede Menge bekannter Gesichter getroffen, als es dann endlich ins La Grappa zum Foritreffen geht. Dort treffen sich allerlei Foristen, um sich mal persönlich kennen zu lernen resp. Mal wieder zu sehen, zu klönen, zu labern und viel Spaß zu haben. Es wird ein rundum gelungener Abend, etwas eng vielleicht (nicht wahr, Cathy ?!?) und die Tatsache, dass es keine Bolognese gibt, versetzt Kraxi in leichte Unruhe. Und ich darf jetzt behaupten, mit der Siegerin des SM gespeist zu haben Karin, es war mir eine Ehre, noch einmal einen Herzlichen Glückwunsch zu dieser unglaublichen Leistung!!!
Gegen 10 Uhr trotten wir in regnerischer Atmosphäre zurück in die Pension, wo wir schnell in unseren Betten verschwinden – morgen um 4 klingelt der Wecker und es könnte durchaus ein längerer Tag werden...
Und der Wecker tut seine Arbeit verlässlich, wieder geht alles ganz flott: duschen, Frühstück, auf zum Markt – brrrr, ist das kalt. Knapp über 5 Grad, windig. Und es wird den ganzen Tag auf der Strecke nicht viel viel wärmer werden. Eigentlich perfektes Laufwetter, weil es dazu noch trocken bleibt, aber meine Wahl von kurzer Hose und T-Shirt war wohl doch etwas kühn, ich fröstel die ganze Zeit ein wenig. Muss mir doch wohl mal so Armlinge bestellen.... soeben erledigt!
So stehe ich am Markt, treffe noch mal ein paar nette Menschen, man wünscht sich einen guten Lauf und ich reihe mich in die Startaufstellung ein. Zu diesem Anlass überlege ich auch noch mal, wie ich heute laufen will. Es ist ein Vorbereitungslauf für die 24 Stunden im Sommer, also nicht auf „alles oder nichts“ laufen. Trotzdem würde ich gerne unter 7 Stunden laufen, von meiner Lauferfahrung und den bisherigen Ergebnissen diesen Jahres her müsste das drin sein. Dagegen spricht, dass ich sehr wenig spezifisches Training für die Höhenmeter gemacht habe, das habe ich vor 2 Wochen auf der Harzquerung doch deutlich gemerkt. Und ich laufe diesen Lauf aus dem vollen Training heraus. Na ja, mal sehen. Bis zum Inselberg bei km 25 locker angehen und dann rollen lassen.
Da es sehr voll ist (Teilnehmerrekord!) und ich keine Lust auf Stau habe, reihe ich mich recht weit vorne ein, was sich als hervorragende Idee erweist. Punkt 6 Uhr ertönt der Startschuss und wir rollen los. Es ist wie immer faszinierend, wie viele Zuschauer um diese Zeit schon auf den Beinen sind und uns anfeuern.
Zwischen Vorsicht und Tatendrang (Km 1-25)
Die Härteprobe des SM sind die ersten 25 Kilometer. Hier läuft man von knapp 200 Meter über NN auf den Großen Inselberg mit ca. 950 Meter über NN. Das ist schon knackig. Ungefähr die Hälfte der gesamten Höhenmeter, die dieser Lauf bereit hält, werden schon auf diesem Abschnitt verbraten. Wer sich hier abschießt büßt das hinten raus doppelt und dreifach. Mit diesem Wissen im Hinterkopf laufe ich vorsichtig an, gehe bei den steileren Steigungen, auch wenn ich sie kräftemäßig noch laufen könnte, und versuche die richtige Mischung zwischen „Flott“ und „vorsichtig“ zu finden.
Ich möchte heute nicht hetzen, aber auch nicht bummeln. Bei den Verpflegungsstellen werde ich ordentlich trinken, den leckeren Schleim zu mir nehmen, aber keine richtigen Pausen machen. Wenn das für das Ziel „Sub 7“ reicht – super! Wenn nicht – auch nicht schlimm!
Immer wieder spannend finde ich bei solcher Art Läufen, dass man sich immer in einer bestimmten „Wolke“ von Läufern bewegt. Es sind immer die selben 15-20 Läufer um einen herum, mal überholt man, dann wird man wieder überholt. Immer, wenn ein neuer Streckenabschnitt beginnt, ändert sich diese Wolke (weil man schneller oder langsamer wird) und andere Läufer umschwärmen einen. Sehr nett.
Nach 2:33 habe ich es dann geschafft, ich bin auf dem Großen Inselberg. Sehr schön. Das ging leichter als gedacht. Ich habe keine Ahnung, was diese Zeit aussagt. Ob es zu schnell (= abgeschossen) oder zu langsam ist für die sub 7. Naja, mal sehen!
Auf dem nächsten Abschnitt des Laufes, von der Grenzwiese (BOAH, war der Abstieg hier runter immer schon SO steil??? Nur fliegen ist schöner...) bei km 27 bis zur Ebertswiese bei km 37,5, der Halbzeit des Laufes, ist am leichtesten zu laufen. Es geht mehr oder weniger flach dahin, die Wege sind breit und gut. Nur etwas voll. Ich komme mit einigen Läufern ins Gespräch, lasse es rollen. Für diese knapp 11 km brauche ich nur 55 Minuten. Ein gutes Gefühl. Ich fühle mich noch locker und entspannt, das lässt sich alles doch sehr gut an. Frohgemut und optimistisch gehe ich den nächsten Abschnitt an.
Härteprüfung (Km 37,5-ca. 50)
Und hier ist irgendwie der Wurm drin. Ich weiß, dass die 2. Hälfte meine Stärke ist. Nicht nur beim SM, sondern eigentlich in jedem Rennen. Beim SM aber besonders: Bis zum Inselberg boin ich vernünftig, danach kann ich meine relativ gute Ausdauer und vor allem meine mentale Stärke und meine Fähigkeit, mich zu quälen ausspielen. Also bin ich es gewöhnt, auf der 2. Hälfte fast nur noch zu überholen. Und ich sollte die 2. Hälfte jetzt auch deutlich schneller laufen als die erste, wenn ich eine Chance haben will, mein Ziel zu erreichen.
Aber schon die erste Steigung nach der Ebertswiese ist zäher als ich sie in Erinnerung habe. Aber gut, geht noch. Dann wellt es sich so vor sich hin, in meiner Erinnerung konnte ich hier richtig gut laufen. Heute nicht. Zäh. Äußerst zäh. Und ich werde überholt. Und kann nicht dran bleiben. Moment mal, das sollte doch eigentlich anders herum sein. ICH wollte hier doch überholen. Geht aber nicht. Und die Kilometerzeiten erholen sich auch nicht in dem Maße, wie sie sollten. Hm, bestenfalls suboptimal.
Ich habe mir gemerkt, dass bei etwa Km 40 eine böse Steigung kommt, und... da ist sie schon. Ich laufe noch ein Stück, gehe ein Stück – und bin oben. Klasse.Das gibt Mut. Das war einfach. Jetzt die Marathonmarke.... wo kommt der Berg her? Was will die Steigung hier? He, du A... ich habe dich doch schon bezwungen... nein, habe ich nicht. Denn die heftige Steigung war bei Km 42 – nicht bei Km 40. Doof gelaufen, vor allem für den Kopf. Denn jetzt geht erst mal nichts mehr. Ich werde noch mehr überholt, ich stehe fast. Zumindest fühlt es sich so an. Die Strecke ist auch doof. Und der Untergrund. Und der Wind. Mir ist kalt. Ich habe Hunger. Alles doof hier. Lauter Bäume. So einsam. Echt doof. Hey,da hinten sind ja Zuschauer. Was machen die denn hier, ist meine Laufstrecke, die nerven. Sag ich ja, alles doof!
Und während ich so vor mich hin ningel (für die Nicht-Sachsen: vor mich hin jammere), habe ich auf einmal Kilometer 50 erreicht – und es wird besser. Der Wind legt sich, die Bäume sehen nicht mehr ganz so doof aus, der Untergrund ist mir viel sympatischer, auch die Läufer um mich herum haben sich echt zum positiven verändert – ich überhole sie nämlich wieder. Das kleine mentale Tief scheint vorbei zu sein. Und es ist schwer zu beschreiben: Mir ging es auf diesem Abschnitt nicht schlecht. Ich hatte auch keine echte Krise, so mit Ausstiegsgedanken oder so. Es war einfach doof. Gehört wohl zum Ultra dazu...
Besser, aber nicht gut: (km 50-64)
Aber wie die Überschrift schon sagt: Es wird besser – aber nicht gut. Denn der Lauf bleibt anstrengend. Ich laufe ihn immer noch recht locker. Ich muss von der Kraft her noch nicht beißen, aber jetzt fange ich so langsam an zu rechnen. Ich weiß einfach nicht mehr, wie lang der Lauf ist. 72,2? 72,7? 73? Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich weiß noch, dass mein FR vor 3 Jahren mehr aufgezeichnet hatte als die offizielle Angabe war, aber ich kann mich ums Verrecken nicht mehr erinnern wie viel. Und so schwanke ich von 5-Km-Schild zu 5-Km-Schild zwischen: „Vergiss es, Sub 7 wird nichts mehr, lass locker angehen“ und „Na ja, vielleicht doch, lass mal sehen...“
Es ist wirklich ganz komisch und schwer zu beschreiben: Es geht mir körperlich hervorragend. Keine Schmerzen, keine Krämpfe, kaum Anzeichen von Müdigkeit. Auch mental ist es in Ordnung. Der Lauf macht Spaß, ich kann scherzen und lachen, habe Freude an der Bewegung und an der Landschaft (die Strecke ist schöner als ich sie in Erinnerung hatte). Ich werde definitiv eine für mich richtig gute Zeit laufen, und das bei einem Trainingslauf. Und trotzdem ist irgendwas nicht optimal. Es fehlt die letzte Motivation, mich noch mal in den Hintern zu treten, aber auch das letzte Stück „LMAA“, um locker angehen zu lassen. Und so läuft doch die ganze Zeit ein kleines komisches Wesen mit, das mich nicht ganz loslässt, ich es aber auch nicht richtig fassen kann. Ich hatte schon entspanntere Läufe...
Bei Km 54 am Grenzadler sind die Wanderer zum Großteil von der Strecke und es wird leerer, was ich als sehr angenehm empfinde (ABER: Ich muss allen Wanderfreunden ein Lob aussprechen: Nie hat mich jemand behindert, der Einsatz der Wanderstöcke war vorsichtig und vorbildlich, und überhaupt herrschte auf der Strecke ein tolles Miteinander!).
Und jetzt sitze ich an diesem Bericht und merke: Ich habe keine Erinnerung an diesen Streckenabschnitt. Na ja, ein paar schon, da war Wald, da war unebener Boden, da war am Beerberg der höchste Punkt der Strecke, es ging bergab, es ging bergauf. Ich bin viel gelaufen, ein wenig gegangen, habe ewig und drei Tage auf das 60-km-Schild gewartet. Also, ein paar Erinnerungen sind da, aber nix konkret berichtenswertes. Man lief halt so vor such hin und schwankte ob man sein Ziel wohl erreichen könne oder nicht.
Diese Frage, ob ich es versuchen will, mein Ziel zu erreichen, fiel an der Schmücke, besser gesagt, ca. einen Kilometer davor, und läutet den letzten, sehr stressigen Abschnitt dieses Laufes ein.
Stress, Hektik und Kampf (Km 64-Ziel)
Ich erinnerte mich, dass es direkt nach der Schmücke ein Straßenschild gibt, auf dem steht „Schmiedefeld 8 km“. Und auch Cathy sprach davon, dass es an der Schmücke nur noch 8 km seien. Also, noch 8 km. Kurz überschlagen: Lass es, mit Puffer, noch 8,3 km sein. Es kommt noch ein Anstieg. Als weitere Puffer rechnen wir mit einer Zielzeit von 6:59 glatt. Wenn an der Verpflegung der Schmücke meine Uhr auf 6:17:xx steht, versuche ich es. Dann müsste es machbar sein.
Verpflegung Schmücke: Scheiße!!! 6:17:39. Jetzt muss ich auch. Also, Becher Tee hinter geschüttet, Beine in die Hand genommen, los gerannt.
Erster Kilometer: 5:02! Passt. Wer hätte gedacht, dass das noch geht? Es müsste noch ein Anstieg kommen. Ich bin auf einmal so zuversichtlich, mein Ziel zu erreichen wie ich es den ganzen Lauf über nicht war. Ein bisschen kommt auch der Stolz durch: Ich habe bisher so gut wie jedes Ziel, das ich mir gesetzt habe, beim Laufen auch erreicht. Und so sollte es wieder sein. Hoffe ich.
Den nächsten Km verpasse ich auf meiner Uhr, km 3 dann wieder 4:52. Na bitte. Das wird sogar ein kleiner Puffer. Wäre da nicht die Unsicherheit bezüglich der Streckenlänge. Wenn das mehr als 73 km sind, dann habe ich ein Problem, dann ist das bei aller Liebe nicht schaffbar. Da müsste ich im Schnitt fast 4:15 laufen. Utopisch.
Da kommt sie, die letzte Steigung! HALLOOOO??? Wer hat die denn hier hin gebaut??? Die war im Profil nicht drin! Die war auch letztes Ml nicht da! Ganz sicher!Ich frage eine mir entgegenkommende Wandererin, wie lang dieses SCH**** Ding noch geht. Antwort: „Nicht lang, nur noch so 500 Meter!“ Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Aus. Es geht nicht. Ich muss gehen. Vorbei. Das schaffe ich nicht. Das versetzt mir den Todesstoß. Unter 5 Minuten geht nicht. Ich werde es nicht packen... ich bin oben. Habe Zeit verloren, klar – aber geht da noch was? Weiter, weiter.
Letzter Verpflegungspunkt. Keine Zeit mehr um zu trinken. Ich frage im Vorbeifliegen: Wie weit noch? 4 Kilometer. Vier... noch 18:30... geht das???
Die nächsten drei Kilometer habe ich am Anfang geschildert. Jetzt bin ich bei km 72. Und habe noch 5:25 Minuten Zeit. Wenn es 72,7 Km sind, schaffe ich es locker, selbst bei 73 ist es kein Thema. Leicht euphorisch, mit allerdings doch etwas verbissenen Gesicht kämpfe ich mich weiter. Gebe noch mal Gas. Jetzt bloß nicht schwächeln. Mir wird schwindelig. Und mit jeder Kurve wächst meine Verzweiflung. Wo ist dieser verdammte Sportplatz?!? Nächste Kurve – wieder nix. Nächste Steigung, Kurve – nichts. Das kann es doch nicht geben. Meine Uhr piepst. Kilometer 73 in 4:09! Unfassbar. Ich habe noch 1:15 Minuten UND DIESES SCHEIß ZIEL KOMMT NICHT NÄHER!!!
Jetzt, da, das ist sie die letzte Kurve. Ich rufe den Zuschauern zu: Schaffe ich das in 50 Sekunden??? Das einzige, das ich bekomme ist ein mitleidiges Kopfschütteln. Ich biege um die Kurve,sehe den Zieleinlauf. Meine Uhr steht bei 6:59:35. Und das sind sicher noch 200 Meter. Unschaffbar. Ich fange an zu schimpfen. Zu fluchen. Gebe noch mal alles, als könnte ich damit die Uhr anhalten. Ich bin stinksauer. Endlich im Ziel angekommen, bleibt meine Uhr bei 7:00:15 und 73,4 km stehen. Und ich könnte kotzen. Reiße mir meine Mütze vom Kopf, und brülle mehrmals das böse Wort mit Sch... . Die Leute um mich herum schauen mich ganz verdattert an, sind leicht irritiert. Ich bedanke mich brav für meine Medaille und stampfe zur Zielverpflegung. Das war wohl nix...
Nachspiel
Keine 10 Minuten später kann ich über mich nur noch lachen. Spätestens nah der wohlverdienten Dusche und dem noch wohlverdienteren Bier bin ich mit mir wieder im Reinen. Sogar so weit, dass ich später im Zelt mit den 16 Sekunden auch noch gut kokettieren kann (nicht wahr, Peter?!?)!Eigentlich ist es ja völlig egal, ob ich 16 Sekunden schneller oder langsamer war. Ich bin mit meiner Leistung hoch zufrieden (bin begeistert, was da ab km 64 noch möglich war!!!) habe einen tollen Lauf hingelegt und ein Wochenende erlebt, dass ich in vollen Zügen genossen habe. Aber eines ärgert mich wirklich: Wenn ich gewusst hätte, dass ich es nicht schaffe, hätte ich mir diese Schinderei am Schluss erspart und meine Beine würden mir jetzt nicht so elende weh tun!!!
Über die folgende Party lege ich mal den Mantel des Schweigens. Nur so viel: An alle, die dabei waren: Es war mir eine Ehre, mit euch zu laufen und zu sa... äh, feiern! Und wer zu dieser Party nicht geblieben ist, dem ist echt nicht mehr zu helfen!
Zum Schluss noch die Erkenntnis, die nicht neu ist, aber jedes Jahr wieder erlebt werden kann: Das schönste Ziel der Welt steht sicherlich in Schmiedefeld! Bis zum 25. Mai 2013 zum 41. Rennsteig-SM. Ich bin dabei!
Das wird WIRKLICH knapp! Rennsteig Super-Marathon 2012
1"Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden!" (Die Bibel, Jesaja 40,31)