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Grand Prix von Bern 2012

Grand Prix von Bern 2012

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Mit einem lachenden und mit einem weinendem Auge durchquerte ich die Ziellinie. Nun ist es vollbracht. Ich habe das, was ich anfangs Jahr als unmöglich klassiert hatte, erreicht. Sogar mit Bravur (diesen Eigenlob gönn ich mir). Doch nun ist vorbei und ich will mehr – viel mehr. Doch was als nächstes anstehen wird, weiss ich noch nicht genau... Aber eins nach dem anderen. Irgendwie muss ich erst mal meine Eindrücke vom gestrigen Gran Prix sortieren, so dass ich es einiger massen vernünftig schildern kann, was da ab ging.

Fangen wir mit dem Vorabend an. Mit meinen Arbeitskollegen fuhr ich zum Guison-Platz raus und holten uns auf dem Festgelände unsere Startnummern ab. Hierfür gab es mehrere Schalter, welche nach Start-Nummern gereiht waren. Die Ausgabe ging recht flott und anschliessend liefen wir durch die Halle und beobachtete neugierig, welche Aussteller da vertreten waren. In einem separaten Zelt holten wir unser Grand Prix Geschenk ab – es gab eine schicke funktionelle Läuferhose. Danach durchquerten wir das Pastaparty-Zelt. Anfangs wusste ich nicht so recht, ob ich da etwas Essen sollte. Doch die 10 Franken pro Portion fand ich überrissen. Insbesondere weil der Sponsor sich brüstet, dass er die Pastaparty gesponsert hat. Da sind die 10 Franken einfach krass überrissen – hier zahlt der Kunde kein Ausgleich, sondern gleich all das, was ich eigentlich von einem Sponsor erwarten würde (Zugegeben: Was genau im Hintergrund abgeht, weiss ich nicht. Aber man kommuniziert nicht im Programmheft, dass die Pastaparty gesponsert sei. Besonders nicht, wenn man im gleichen Atemzug darlegt, dass die Pasta doch was kostet... dies finde ich gelinde gesagt Ober-Gaga). Wir überlegten uns schon, ob wir da nicht eine Gegenbewegung lancieren sollten, indem wir selber Pastas gratis verteilen oder am nächsten Tag eine gross angelegte Sitzdemo am Starterblock einleiten würden. :hihi:

*Päng* Der erste Startschuss fiel. Es kübelt in Strömen. Der erste Block mit 400 bis 600 Läufern hat sich auf den Weg gemacht. Wir schlossen uns dem nächsten Block an. Bald würde wieder ein Startschuss fallen... Mist (zum ersten) – mein Garmin hatte noch keinen Kontakt zu einem Satelliten. Ich suchte mir ein Platz am Strassenrand und befreite mich von meinem kälte- und nässe-schützenden Poncho. *Päng* Jetzt waren wir dran. Der 9. Block geriet in Bewegung und ich drückte beim Überqueren der Startlinie auf meine Stoppuhr. Mist (zum zweiten) – es gab immer noch kein Satelliten-Empfang! Aber wenigstens ging es los. Schon vor eine Stunde war ich im grössten Regen auf dem Grand Prix Gelände eingetrudelt. Als erstes deponierte ich meinen Rucksack im Umkleide-Zelt, suchte beim Meeting-Point meine Arbeitskollegen auf, wärmte mich kurz auf, traf per Zufall noch ein Laufkollegen und lief anschliessend zu meinem Startblock. Und nun war ich unterwegs. Meine Gedanken kreisten zuerst um meine Pulsuhr, dessen Verbindung zum Satelliten immer noch fehlte, und meiner Lauf-Geschwindigkeit, welche ich am Anfang nicht zu hoch angehen wollte. Der allgemeine Ratschlag lautete, sich nicht von der Menge mitreissen zu lassen und erst nach einem gewissen Teilstück einen Gang rauf zuschalten und auf Läufer Jagd zu machen. Doch meine Pace-Anzeige sprang hin und her... auch wenn der Kontakt zum Satelliten nun endlich da war. So konnte ich nicht genau erfassen, wie schnell ich nun unterwegs war. Ich sah die erste Kilometer-Anzeige. Mist (zum dritten und letztem) – wieso piepte meine Pulsuhr nicht? Jetzt erst bemerkte ich, dass die Stopuhr-Funktion nicht aktiv war. Schnell betätigte ich nochmals die Starttaste und siehe da, die Pace-Anzeige zeigte mir nun einen konstanten und sogar vernünftigen Wert an (nun realisierte ich, dass die Aktivierung der Stopuhr nicht funktioniert, solange sich der Anzeige-Modus der Uhr im Satelliten-Aufbau befindet). Und wieder hatte ich was dazu gelernt. Doch leider zum falschen Zeitpunkt. Nun fehlte mir die korrekte Anzeige der Gesamtzeit. So musste ich während dem gesamten Lauf meine mögliche Zielzeit errechnen.

«Die schönsten zehn Meilen»

So lautet der Slogan des 10 Meilen (16.1 km) Grand Prix von Bern. Und natürlich ist «schön» immer eine persönliche Empfindung. Aber für mich war von Anfang an klar – der Slogan ist nicht gelogen. Da kann es Hageln, sintflutartig Regnen oder ein Schneesturm aufkommen. Der Lauf... Halt! Nein – nicht nur die Strecke, sondern ganz Bern ist einfach "wunder"-schön! Doch als Berner sehe ich dies wohl auch durch eine rosaroten Brille. Aber was nützt Schönheit, wenn z.B. die Organisation nicht stimmt? Doch hier kann ich nur ein ganz fettes Lob aussprechen. Bei der Rekordteilnahme von 29.000 Läufern lief meines Erachtens alles reibungslos und musste immer wieder über den genialen Service (Pasta-Party hier mal ausgenommen) staunen, welcher schon vor dem Veranstaltungstag statt gefunden hatte. Ursprünglich meldete ich mich für den Lauf mit einer Zielzeit von 1.40 h an –ohne Probleme konnte ich im Nachhinein die Zielzeit nach unten korrigieren. Top!

Der erste Kilometer war nun vorbei... nach einem Abhang folgte eine kurze Gerade auf der Brücke mit einer anschliessender Steigung zum Zytglocke-Turm, welcher sich mitten in der Altstadt befindet. Ich konnte mich immer noch nicht an das Bild der zig Tausend Läufer gewöhnen, welche die bepflasterten Strassen der Altstadt füllten. Irgendwie kam mir dies surreal vor. Im leicht reduzierten Tempo erreichte ich die Anhöhe und lief auf der Paralelstrasse wieder retour, abwärts zum Fluss. Ohne eigenes grosses Zutun schaltete mein Motor einen Gang höher und ich fing mit meiner Läuferjagd an. Doch die Jagd erwies sich als anstrengender als gedacht. Nicht weil die Beute schnell unterwegs war, sondern weil diese in Scharen die Strassen füllten und so das Überholen teilweise erschwerten. Die Zeit, welche ich im Zickzack-Kurs verbrachte, hätte ich natürlich auch anders verwenden können. Doch da ich nicht in Zeitnot war, störte es mich nicht. Ab und wann wurde auch ich überholt – dabei war ich mir irgendwie sicher, dass ich die Person nochmals sehen würde (was sich später auch teilweise bestätigte).

Nach 7 Kilometer erreichten wir den Wald, dessen Laufstrecke nun aufwärts verlief. Oft musste ich mit gesenktem Haupt die Äste der Bäume ausweichen, damit ich die Läufer seitlich überholen konnte. Der Regen verwandelte die Strecke teilweise in Schlammbäder, welche die Enge des Laufweges nochmals schmälerte. So musste ich mich öfters mit den Ästen vorlieb nehmen, als es mir lieb war. Und im Tempo der Läufern nach zu traben ging für mein Ego ganz und gar nicht. Das Geduldspiel hatte aber zum Glück bald mal ein Ende und der Wald endete am Thunplatz, auf dem sich eines von vielen Versorgungsposten befand. Ich verzichtete auf das Becher Wasser und konnte endlich mein Tempo auf der breiten Strasse erhöhen. Da traf ich einen Läufer an, welcher mit mir im gleichen Tempo lief. Nach einem Wortwechsel stellte sich heraus, dass dieser ebenfalls im Block 9 gestartet hatte und eine Zielzeit von 1:15h statt 1:20h anstrebte. Ich lief abwärts zur Monbijou-Brücke, überquerte diese, machte einen Abstecher im Quartier Sulgenbach und kam beim Gebäude Titanic II vorbei – mein Mitläufer liess sich unterwegs abfallen. Aufmunternd nahm ich die Musikbands wahr, welche verteilt auf der Strecke ihre Musik zum besten gaben. Leider nahm ich von deren Auftritte nur ein paar Sekunden wahr. Zu gerne hätte ich die eine oder andere Band für ein paar Minuten zugehört...

*KLICK* *KLICK*

Zweimal schoss meine Frau auf mich und konnte so von meinem Lauf zwei Erinnerungsfotos machen. Zusammen mit unserem Kind, ihrem Bruder und seiner Freundin standen sie am Strassenrand und pushten mich zu weiteren Höchstleistungen an. Ich stand ein wenig auf das Bremspedal, winkte meiner Familie zu und sauste zur nächsten Anhöhe davon. Wieder konnte ich beim leichten Aufstieg, auf der u.a. die US-Botschaft und die Residenz des französischen Botschafters befindet, etliche Läufer überholen. Nun sah ich in der Ferne den Bundesplatz, welcher für uns Läufer mit einem blauen Teppich «dekoriert» ist. Schon mancher Staatsbesucher überquerte diesen Platz über einen roten Teppich – nun kam ich als Läufer auch in diesem Genuss. Nur mit dem Unterschied, dass der Teppich nicht im Bundeshaus endete, sondern in der nächsten Gasse, welche uns Läufer Richtung Altstadt dirigierte. Jetzt ging es fast nur noch abwärts. Ich erhöhte nochmals mein Tempo. Drosselte aber immer wieder, da ich die verschiedenen Standorte der Fotografen nicht verpassen wollte – stets in der Hoffnung, dass die Fotografen freie Schussbahn auf mich haben werden.

Nun war er vor mir. Der berüchtigte Aargauerstalden. Einen ganzen Kilometer lang erstreckt sich dieser den Weg nach oben Richtung Ziel. Für einen Endspurt wäre es jetzt noch definitiv zu früh gewesen. Einige Läufer knickten hier ein, wechselten das Tempo auf schnelles Gehen oder ruhiges Joggen. Ich schaltete einen Gang runter und versuchte die Anhöhe mit einem guten Tempo zu erklimmen (was mir mit einem Pace von 5 min/km auch gut gelang). Kaum hatte ich die Anhöhe hinter mir gebracht, wurde mir auch gleich bewusst, dass bald mein erster Berner Grand Prix zu Ende ging. Irgendwie ging mir der Lauf viel zu schnell vorbei. Ich hatte mit einem erschwerten Lauf gerechnet. So wie ich es bei meinem ersten Lauf vor zwei Wochen erleben durfte. Doch die Wettkämpfe waren zwei völlig verschiedene paar Schuhe. Damals durfte ich den Lauf bei 27° Grad Hitze durchlaufen – was mir wortwörtlich höllisch vorkam. Am GP lag die Temperatur bei himmlischen 13° Grad. Was mich und vielen anderen Läufern zur Höchstform brachte und den Lauf ohne Qual und Leid erleben liess.

Die Zielgerade kam. Ich legte einen möglichst schnellen Spurt hin und meine Pulsuhr zeigte beim Überqueren der Ziellinie eine 1:08:xx h an. Da mir der erste Kilometer beim Zeit-Stoppen fehlte, rechnete ich eine Zielzeit von 1:14:xx aus. Zufrieden und wahrscheinlich noch im Runnershigh lief ich zum Umkleidezelt, dehnte unterwegs noch ein bisschen aus und freute mich auf die warme Dusche, welche für mich wie eine zusätzliche Belohnung zum kalten Regen vorkam. Umgezogen in frischer Kleidung zückte ich mein Smartphone und checkte meine Zielzeit im Internet ab... mit einem breiten Grinsen verliess ich das Umkleidezelt Richtung Restaurant, wo ich mit meinen Arbeitskollegen abgemacht hatte. :hallo:

16.1 km - 1:12:49 h - Pace 4:33 min/km - ø HF 171 - Höhendifferenz 210 m
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Hi, Glückwunsch zu deiner Laufzeit, toller Bericht :daumen: Da hast du dein Ziel ja ordentlich unterboten und so wie es scheint, konntest du dir das Renen gut einteilen (beim erst zweiten WK :daumen: ). Vielleicht lag es ja gerade daran, dass dir das Malheur mit der Uhr passiert ist. Ich hab da deutlich weniger Talent an den Tag gelegt als du und gegen Ende richtig gelitten...

Ich wünsch dir jetzt schon mal viel Erfolg für den HM in Brienz, das soll ja auch ein richtig schöner Lauf sein. Ich habe im Gegensatz gerade etwas die Lust an den "langen" Läufen verloren und werde den Rest des Jahres lieber mit 5/10km Läufen verbringen :zwinker5:


Lg
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