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Heißes Spiel mit dem Feuer in lauer Sommernacht, Bietigheimer Fackellauf 2012

Heißes Spiel mit dem Feuer in lauer Sommernacht, Bietigheimer Fackellauf 2012

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Jetzt ist wieder die Jahreszeit in der es auch mir gelingt, das verpönte Dunkel zu umgehen und meine Trainingsläufe im Tageslicht zu absolvieren. Besonders schön ist es am Abend wenn es Richtung Rotenberg geht mit seiner Kapelle, die als Wahrzeichen über dem Stuttgarter Talkessel thront. Diese Komposition, garniert von einem Hauch Sonnenuntergang, untermalt vom Blinken des Fernsehturms, mit einer dezenten Note Kitsch, verleiht meinem Laufgenuss ein perfektes Sinneserlebnis. So hätte ich es am Freitagabend erleben können. Dafür hätte ich mir sogar ohne schlechtes Gewissen ausreichend Zeit lassen können, da ich am vergangenen Samstag ein intensives 49 Gänge Menü aus gesunder Rohkost und Obst über 12-Stunden lang genießen durfte. http://forum.runnersworld.de/forum/lauf ... miden.html


Aber über das RunnersWorld-Forum werde ich auf einen Fackellauf in Bietigheim-Bissingen aufmerksam. Fackellauf, das klingt nach Familienkollektivem absingen des immer gleichen Repertoires heimatlichen Volksliedguts bei herbstlichen Pilgermärschen, garniert vom ungewollten Branding durch abtropfendes Wachs. Oftmals gesehen in Tateinheit mit kindergartenpädagogisch wertvollen Filigrankunstwerken, die durch das Herumschlenkern vorschuliger Freigeister alsbald mit der Halbwertszeit guter Sylvestervorsätze in ihre Bestandteile zerlegt werden oder gar unfreiwillig der Urgewalt Feuer als Brandbeschleuniger dienen. Aber bei näherem Hinsehen verbirgt sich hinter dem ausgeschriebenen Bietigheimer Fackellauf ein Laufevent, das über 3 Runden je ca. 3,33 km über Feldwege führt und mit allem neuzeitlichen Schnickschnack, wie Champion-Chip Nettozeitmessung und After Run Party mit Live-Music aufwartet. Startzeit für den beinahe Zehner soll um 22:30 Uhr sein.

Warum sollte ich freiwillig mitten im Hochsommer einen Nachtlauf machen. :confused: :tocktock: Das muss ich doch nach der Zeitumstellung Ende Oktober noch früh genug. Die Entscheidung nimmt mir der Wettergott ab. Es hat heute weit über 30°und ist wahnsinnig schwül. Denn Nachmittag verbringe ich also fläzend in der örtlichen Erfrischungseinrichtung. Nein nicht in der Bahnhofskneipe :zwinker2: sondern im hoffnungslos überfüllten Schwimmbad. Zu meiner üblichen Laufzeit hat es noch nicht den Hauch eines Wimpernschlages abgekühlt, so dass ich mich für den erstmalig in Bietigheim ausgetragenen Lauf entscheide.

Der Startbereich befindet sich am Rande des Industriegebiets und ist leicht zu finden. Auch das Parken vor leeren Werkshallen ist kein Problem. Es ist noch fast eine Stunde bis zum Start. Also noch genügend Zeit um die Nachmeldung zu erledigen. Klappt alles perfekt am aufgebauten Partyzelt. Ein paar Gimmicks und Reklamezettel werden in einer Starttüte vom Helferteam des Sportgeschäfts, das den Lauf organisiert, überreicht. Das wirkt richtig professionell. Das ist doch kein großer Stadtlauf heute. Über Sinn und Zweck der Flasche Apfelsaft die jeder Teilnehmer erhält lässt sich nicht streiten. Schon eher über das zwangsweise zugesteckte Autobuch über einen englischen Geländewagen, Erstausgabe 2001. Wollte da ein Verlag seine Altbestände kostengünstig entsorgen. Naja, meinen literarischen Geschmack tritt es weniger und auch meine beiden Jungs zuhause fanden den Fanartikel für Asphaltcowboys eher zum wiehern und als Blütenpresse eignet sich das dünne Format auch nicht. Vielleicht brauch ich mal eine Spende für eine Schultombola.

So, das Startgeschirr ist angelegt. Ich werde mal meine Kamera mitnehmen und die nächtliche Stimmung auf der Strecke einzufangen. Das bremst dann sicher auch meinen Elan. Apropos Strecke. Wo ist denn jetzt der Rundkurs? Aah, da stehen ja ein paar stilvolle Petroleumfackeln. Und weiter draußen auf den Feldern ist wieder ein Spalier. Und die Strecke dazwischen? Nix. Na klasse, und ich hab mein Nachtsichtgerät :zwinker2: zur Peilung nicht dabei. Nicht mal die Discounter Hirnfunzel. Dann muss ich halt der Masse hinterher galoppieren.

So langsam füllt sich das Areal mit Läufern. Die Live-Band gibt ihr Bestes und ich suche schnell noch die Hygieneerrungenschaften zivilisierter Völker auf. Es gibt einen Duschwagen mit je 2 Duschen für Jungs und Mädels. Und sogar heißes Wasser wie der Veranstalter ausdrücklich betont. Naja, das dürfte heut bei der Hitze kein „Must to have“ sein Für die knapp 150 Startern dürfte es trotzdem eng werden, ihre Kampfspuren bis zur anstehenden After Run Party abzulegen um evtl. bevorstehende Nahkampfattacken nicht im Keim zu ersticken. Denn auch echter Siegerschweiß wirkt irgendwann eher abtörnend.

Ich entdecke Armin, meinen SUB 90er Hasen vom Solitudelauf in Gerlingen. Wir unterhalten uns kurz und dann stellen wir uns hinter den Startbogen. Armin natürlich ganz vorne, ich so 3-4 Reihen dahinter. Die Uhr zeigt mittlerweile 22:30:35. Hmm, der Starter labbert und labbert. Ist es noch nicht dunkel genug? Nee, er hat irgendwo eine andere Uhr im Blickfeld gehabt und schlicht und ergreifend die Startzeit verpeilt. Es heißt noch 3 Minuten bis zum Start. Und nach weiteren 2 Minuten, das gleiche noch mal. Um 22:35 werden wir schließlich herunter gezählt und dann auf die Strecke geschickt.

Armin ist gleich weg und ich habe auch genug Platz ungehindert, nach ca. 50 Meter, auf dem direktesten Weg in die erste Linkskurve einzubiegen. Der asphaltierte Fußweg ist hier maximal 3 Meter breit und einseitig ausgeleuchtet. Es geht dann schon nach wenigen Metern wieder links auf die lange Gerade durch die Felder. Eine Fackelallee von ca. 20-30 Fackeln schafft ausreichend Licht. Dann folgen aber mehrere hundert Meter ohne. Doch noch ist es dämmrig und der ebene Belag erfordert keine weitere Aufmerksamkeit. Es geht nun schnurstracks über fast 1,5 km Richtung Ludwigsburg-Tamm. In etwa der Hälfte der Strecke ist nochmal ein Fackelspalier mit Kontrollposten, sowie am Ende wo es gegen den Uhrzeigersinn zunächst ein kurzes Stück ganz leicht bergab geht und dann zurück. Beleuchtungstechnisch dasselbe Spiel, bis es um den Hof einer Werkshalle herum in einem links-rechts Schwenk auf einer Anliegerstraße zurück zum Start geht.

Kaum hat das Rennen begonnen, gibt es kein Halten für mich. Das Vorhaben: Gemütlich laufen und Fotos machen, ist plötzlich vergessen. Meine roten Schuhe sehen schließlich nicht nur schnell aus sondern lauten auch auf den Namen „Racer“ :teufel: . Na denn. Lassen wir Sie halt laufen. Meine Laufzeiten zeigt Freund Fürrenner zwar an, aufgrund der Dunkelheit gelingt es aber nicht diese während des Laufes zu entziffern. Aber hinterher gucke ich natürlich nach ob meine gefühlte Geschwindigkeit nicht zu sehr meiner tatsächlichen hinterherhinkt. Eher nicht. Die ersten Kilometer werden mit 4:18, 4:17 und 4:22 absolviert obwohl ich mich schon fühle wie ein Stück Butter in der heißen Pfanne. Alles was überflüssig ist fließt im Überfluss.

Ich bin nun zum ersten Mal auf der Zielgeraden. Ich vergesse die Rundenzeit abzudrücken, nehme aber auf der offiziellen Uhr eine 13:39 wahr. Uii, wenn die angegebene Rundenlänge halbwegs stimmt ist das nicht schlecht. Aber, jetzt erst das gleiche nochmal. Es ist nun schon merklich dunkler. Die unbeleuchteten Abschnitte sind zum Teil mit Bauhalogenstrahlern versehen worden und am ersten Wendepunkt hat der Streckenposten seine Autoscheinwerfer auf den weiteren Streckenverlauf gerichtet. Also eher weniger anheimelndes warmes Licht, aber beim derzeitigen Sauerstoffdefizit bleibt sowieso kein Platz für romantische Assoziationen. Die Kilometerzeiten ändern sich zunächst nicht groß. 4:27, 4:16 und 4:17. Dann aber kämpfe ich gegen den aufkommenden leichten Gegenwind auf den letzten Metern der zweiten Runde und kann dem nicht ohne Zeitverlust standhalten. Die erneute Durchgangszeit zeigt 27:57, weshalb ich die dargereichten Wasserbecher erneut dekadent ignoriere. Die Zeit fürs Trinken werd ich mir hinterher nehmen.

Es wird zum letzten Mal wieder hinaus auf freie Feld gejagt. Die alte Spritzigkeit kehrt kurzzeitig zurück. Aber nun merke auch so langsam ein Hungergefühl aus der Magengegend. Mein leichtes Abendessen ist wohl grad energetisch durchgefallen. Auf die Zufuhr jedweder komprimierter Kohlenhydrate in Tütenform hab ich heute bewusst verzichtet. Wollte ja einen entspannten Nachtlauf machen und dabei unseren nächst gelegenen Planeten in aller Ruhe anhimmeln. Dass ich es vorzog, stattdessen das System-Belastungsprogramm bis zur höchsten Stufe hochzufahren und dabei dampfe wie ein Druckwasserreaktor kurz vorm Bersten war im Plan nicht vorgesehen. Oder? Ich muss jetzt die letzten Reserven angreifen. Endlich steht der finale Zieleinlauf an. Mit äußerster Kraft wuchte ich mich ins Ziel. 41:50. :geil: Das heißt so schnell wie noch nie auf 10 km. Halt, da war doch noch was. Ein Rund hat ca. 3,33 km. Also jetzt den Restsauerstoff denn ich noch in de Blutbahn habe nach oben schicken und recherchieren. Aah, da fehlt was. Und zwar laut meinen Aufzeichnungen sogar noch einiges mehr. 9,68 km zeigt mein Datensammler. Hab ich eine neue Ideallinie entdeckt. Schrumpft die Entfernung bei Hinzugabe thermischer Energie, so nach dem Motto: War alles nur heiße Luft? Ist mein Garminle kurz vorm Hitzekollaps und der Speicherchip hat die Streckendaten eingedampft. Normal laufe ich doch eher noch ein paar Schlenker. Hat mich die tiefe Nacht verschluckt in ein schwarzes Loch. Oder war ich schneller als mein Schatten, äh GPS-Meßstrahl, unterwegs. :zwinker2:

Wird wohl für immer ein Rätsel bleiben wo ich die fehlenden Meter verloren habe. Nachdem ich wieder einigermaßen Luft für unnützes Gequatsche übrig habe interviewe ich schnell noch Armin. Der ist mal wieder eine Wahnsinnszeit gelaufen. Leider sind seine gesammelten Streckendaten als Referenz auch nicht wirklich brauchbar. Egal, schnell noch ein dank Gutschein kostenfreies unechtes Weizen und dann langsam an den Rückzug denken. Mittlerweile ist es kurz nach Mitternacht. Als ich wegfahre zeigt das Thermometer nur noch fröstelige 27° an. Eine laue Sommernacht, in der alles möglich ist außer schlafen. Da war doch noch was. Ich scanne die Prähistorischen Abteilungen meines internen Datenspeichers nach: „lauer Sommernacht und heiße Vergnügungen“, ab. Aber alles was zutage kommt hat mit profanen sportlichen Leibesübungen nichts zu tun. Sondern mit der Würdigung romantischer Stimmungen, denen im Gegensatz zu heute, die entsprechende Zeit eingeräumt wurde.
13.04. 12h Lauf Grüntal 53,55k
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin

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Hallo Klaus,

"intensives 49 Gänge Menü aus gesunder Rohkost und Obst über 12-Stunden lang genießen durfte" .... gröööhl !!!

Und freiwillig im Dunkeln laufen ??? Nääää ... der Mannheimer Dämmermarathon war mir schon zu spät ... .

Ich hab' auf meiner Heimstrecke am Bodensee mal den Foto mitgenommen und wollte fotografieren .... nach einer halben Stunde habe ich das erste Mal drangedacht ... . Freu' mich aber da schon wieder im Herbst durch die Obstanlagen zu laufen, wenn die Äpfel reif sind ... traumhaft !!!

Viele Grüße
Andrea
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