6h Hambacher-Forst-Trail
1- - - - Der Hambacher-Forst ist ein kleines Waldgebiet westlich von Köln. Ein 6h-Lauf durch einen schönen Wald ist ja eigentlich nichts besonderes, aber diesen Lauf wird es in dieser Form wohl nicht mehr geben können, weil dieser schöne Wald in den nächsten Monaten komplett in einem 200 Meter tiefen Loch verschwinden wird.
Dieses Loch reißen die Braunkohlebagger des Hambacher-Tagebaus in die Erde und es wandert seit Jahrzehnten langsam aber stetig immer weiter durch die Landschaft. An einem Ende wird das Erdreich mit riesigen Baggern abgetragen, die Braunkohle wird aussortiert und zur Verstromung über eine eigens angelegte Bahnlinie in die Kraftwerke in der Umgebung abtransportiert. Der Rest wird über kilometerlange Förderbänder ans gegenüberliegende Ende des Lochs geschafft. Hier wird das Loch wieder aufgeschüttet und so wandert es durch die Landschaft, langsam, aber immer weiter und weiter. Und dabei wird alles platt gemacht, was sich ihm in den Weg stellt, Wälder, Wiesen, Felder, … alles, … sogar ganze Ortschaften. Und nachher ist nichts mehr so, wie es einmal war.
Den Hambacher Forst findet man ganz leicht, wenn man auf der Autobahn A4 die Ausfahrt Kerpen-Buir nimmt und von Köln kommend direkt nach rechts abbiegt, in Richtung Sackgasse ;-) Und da ist man dann auch schon mitten im Hambacher-Forst bzw. in den Resten, die noch übrig sind. Doch Vorsicht, wer nach 500 Metern alle Stoppschilder ignoriert und weiter fährt, stürzt kurz darauf direkt in dieses alles verschlingende braune Loch ;-)
Seit ein paar Monaten haben junge Menschen Mitten im Hambacher-Forst ein kleines Lager errichtet, aus Hütten, Zelten und Baumhäusern – Waldbesetzung nennt sich das. Ein letzter verzweifelter Versuch um das Abholzen des Waldes und somit das weitere Fortschreiten des Lochs zu verhindern. Um diesen Protest der Waldbesetzer zu unterstützen, hat ein Lauffreund vor ein paar Wochen zu diesem Solidaritäts-Trail-Lauf aufgerufen. Klasse, der Zweck ist super und dann noch quasi direkt vor der Haustür, ich bin dabei. Und vor allem hatte ich nach dem Urlaub sowieso noch nichts Größeres geplant, das wäre doch ein schönes Ziel.
Mit dem Urlaub ist die Sache dann allerdings gedanklich bei mir etwas eingeschlafen, es gab auch keine weiteren Info-Mails mehr und ich habe mich in den folgenden Wochen dann eher mit „kleineren Trainingsläufen bei großer Hitze“ beschäftigt, als mit gezielter Vorbereitung auf einen langen Lauf. Und so war ich dann nicht wirklich auf diesen Lauf eingestellt, weder körperlich, noch mental, als ich letzten Woche dann ein E-Mail mit Anfahrhinweisen und letzten Infos bekommen habe. Oops, stimmt ja, da war ja noch etwas …
Aber der Lauf selber wurde dann richtig klasse. Das Teilnehmerfeld ist allerdings extrem zusammen geschrumpft, viele haben dann leider doch noch kurzfristig absagen müssen, aus diversen Gründen, schade. Dafür ist das Wetter aber ganz ok. Nach den vielen Wochen mit Temperaturen an die 30°C und darüber, bleibt es an diesem Sonntag bei angenehmen Temperaturen unter 20°C. Zwischendurch sorgen ein paar kleine Regenschauer für eine willkommene Erfrischung. Um den organisatorischen Aufwand möglichst klein zu halten, ist beim Lauf jeder selber für die eigene Versorgung verantwortlich, kein Problem bei einer rund 4 km langen Runde.
Ausgangspunkt ist das Lager im Wald, hier werden unsere Taschen deponiert und hier machen wir in jeder Runde eine kurze Pause. Der Rundkurs geht quer durch den Wald, auf einer anspruchsvollen Strecke, meist durchs Unterholz auf kleinen Pfaden, zwischendurch auch mal auf Waldwegen. Auf der nördlichen Seite führt der Kurs möglichst nah an der Abbruchkante vorbei. Hier ist ein Streifen des Waldes bereits vor einem Jahr abgeholzt worden und wir müssen uns ohne wirklich erkennbaren Pfade durch die frisch entstandene Wildnis hindurch kämpfen, dies ist der anspruchsvollste Teil der Stecke. Hier auf der freien Fläche direkt am Loch bläst einem auch schon mal ein kräftiger Wind ins Gesicht. Und man kann einen der riesigen Bagger bei der Arbeit beobachten.
Nach den ersten Runden ist man bald mit jeder Brennnessel und jeder Brombeerranke am Wegesrand auf du und du, man kennt sich, man respektiert sich und jeder läßt den anderen möglichst in Ruhe. Ansonsten versuchen ab und an immer wieder mal kleinere Äste am Boden Freundschaft mit einem zu schließen, indem sie sich einem liebevoll zwischen die Beine werfen, aber nun ja, wir hatten ja auch einen Trailrun bestellt ;-)
So drehen wir Runde um Runde, die aber aufgrund der abwechslungsreichen und anspruchsvollen Strecke und der netten Gespräche in der Gruppe richtig kurzweilig sind. Auch gegen Ende hin klappt es bei mir immer noch relativ gut und mir macht das Laufen noch Spaß, wozu sicherlich auch das relativ kühle Wetter etwas beiträgt. So kommen dann bei mir letztendlich 11 Runden zusammen, macht zusammen gut 44 km und damit bin ich auf dieser holprigen Strecke sehr zufrieden, viel mehr, als ich am Start erwarten konnte. Ein richtig tolles Erlebnis, danke dass ich dabei sein durfte :-)
Durch diesen Lauf werden wir wohl kaum verhindert haben, dass das Braunkohleloch weiter wandern wird. Realistisch gesehen werden das die Waldbesetzer auch nicht schaffen, aber vielleicht tragen solche Proteste zumindest zu einem allgemeinen Umdenken in der breiten Öffentlichkeit bei, ob denn solche enormen Eingriffe in die Umwelt tatsächlich nötig sind um „unseren“ Strom zu produzieren oder ob es da nicht bessere Alternativen gibt.
LG Manfred
Hier noch ein Link zum Waldbesetzer-Block
2022: erledigt: G1-Grüngürtel, Kölnpfad 100k, Burginsellauf Delmenhorst 24h Staffel(!), Mega Marsch Köln (63k) ... geplant: nix