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von woolv
Ich war letztes Jahr da. Es war mein erster Ultra mit 4 UTMB Punkten. Letztes Jahr war die Strecke 118km und 5740Hm +/- wofür ich geschlagene 23h44min benötigt habe. Hier die Details der Reihe nach:
Anmeldung: Ich habe mich sofort am Anmeldetag vorgemeldet. Nach dem Ablauf der Anmeldeperiode wurde meine Anmeldung bestätigt, da das Kontingent der Läufer nicht ausgeschöpft worden ist. Ansonsten hätte es eine Lotterie gegeben.
Anfahrt und Unterkunft: Ich habe ich entschieden nach Venedig zu fliegen und mit dem Bus nach Cortina zu fahren. Funktioniert perfekt. Ich besitze kein Auto und eine MFG habe ich trotz langem Suchen nicht gefunden. Anreise per Bahn ist fast unmöglich. Hotel habe ich online gebucht. Da das Rennen nicht so gross ist, war die ebenfalls kein Problem. Konnte etwa 400m von Start/Ziel nächtigen.
Das Rennen: Vorneweg, ich bin Ultra-erfahren, aber dies war mein erstes Rennen über 100km und mit Start am Abend. Am Starttag können die Renn-Unterlagen abgeholt werden. Ebenfalls wird die Pflichtausrüstung kontrolliert. Cortina ist schon im Vorfeld in Ultra-Stimmung und The North Face macht einiges um Gänsehaut-Stimmung zu erzeugen. Ich habe mich dem Rummel entzogen und versucht ein bisschen zu schlafen. Pasta Party am Abend vor dem Rennen ist okay (aber mehr auch nicht). Man muss sich darauf einstellen seine Pasta alleine zu essen. Ich habe jedenfalls niemanden gefunden, der eine mir geläufige Sprach konnte. Deutsch kann keiner, Englisch auch nicht, und mein Französisch/Italienisch reicht höchstens für die hübschen Mädels in der Eisdiele. Um 22.00 geht’s nach dem Briefing zu "Ecstasy of Gold" los. Gänsehaut. Am Anfang geht’s durch Cortina und auf der Strasse ein paar Dörfer weiter bevor man über steile Waldwege den ersten Hügel/Berg erklimmt. Der Trail dampft in der Nacht und die Stimmung ist super. Danach runter bis zur ersten Checkpoint mit Getränken nach 18km. Danach geht’s wieder 1000Hm hoch zu Son Forca. Hier wird der Trail bereits wilder und steiler. Das Feld lichtet sich. Der Schlussaufstieg auf der Skipiste dehnt die Achillessehne mal wieder richtig durch. Die Endstation eines Sessellifts bildet der höchste Punkt des Anstieges (2250 über Meer), danach geht es einen steilen Singletrail wieder runter. Serpentinen und Querpassagen wechseln sich ab. Es ist relativ steil und immer wieder etwas technisch. Das Tempo ist trotzdem hoch – ich muss mich konzentrieren um nicht zu stürzen. Ein paar Kamikaze-Bergziegen überholen mich dennoch mit einer Wahnsinnspace. Es geht wieder etwa 1000Hm runter und meine Quadrizeps freuen sich, als es nach der Hälfte des Abstieges weniger steil wird. Die zweite Hälfte des Abstieges flowt perfekt – ein wunderschöner, weicher, teilweise überwachsener Trail führt die Läufer durch die Nadelwälder zur Verpflegungsstation Hotel Cristallo. Auf diesem Abschnitt kann ich bereits nur noch selten eine Stirnlampe vor oder hinter mir erblicken. Der gut markierte Weg führt mich sicher zur Verpflegungsstelle. Es gibt eine gute Auswahl an Kalorien – von Käse über Kuchen und Energieriegel ist alles da. Die Helfer sind super freundlich.
Nach Hotel Cristallo geht es wieder bergauf. Mein Magen streikt das erste Mal. Wahrscheinlich habe ich zuvor doch zu viel gegessen und getrunken. Der Weg ist steil und rutschig. Eine Kuhherde und der Regen der vergangenen Tage hinterlassen hier einen sehr tiefen Trail. Ich bewege mich langsam – einerseits wegen dem schlammigen Untergrund und andererseits wegen meinem Magen. Nach etwa einer halben Stunden geht es mir wieder besser.
Der Trail schlängelt sich langsam den nächsten Highlights entgegen. Der Lago Misurina liegt still in der Bergwelt eingebettet und die Läufer bewegen sich auf einem schönen, teilweise verwurzelten Singletrail in einem steten auf und ab am Ufer vorbei und hoch zu den Drei Zinnen. Im Anstieg sind etwa 1250Hm zu bewältigen. Langsam zeichnet sich die Morgenröte ab und ich freue mich auf die ersten Sonnenstrahlen. Die Nacht war angenehm warm. Kurze Tights und Kompressionssocken sowie zwei T-Shirts und Armlinge waren perfekt.
Der Aufstieg zum Rifugio Auronzo Lavaredo erfolgt auf alpinen Trails. Nach der Baumgrenze wird hin und wieder die Sicht auf das nächste Etappenziel frei. Es gilt Höhenmeter zu erklimmen. Ich laufe alleine. Selten überhole ich jemanden. Auf den letzten 200 Höhenmetern hüllt sich der Berg in eine dichte Nebeldecke und ich erkenne das Refugio erst, als ich etwa 20 Meter davor stehe. Hier, nach 50km kann man seinen Kleiderbeutel beziehen und sich für den kommenden Tag rüsten. Es gibt Suppe und Brot. Das Angebot ist im Vergleich eher spärlich.
Mit gefülltem Magen geht es weiter zu den Drei Zinnen (Lavaredo), die mir in der Morgensonne bereits entgegen strahlen. Vielen Läufer bleiben stehen und machen Fotos des Wahrzeichens der Region (und des Lavaredo Ultra Trails). Die Schroffheit der Dolomiten ist beeindruckend. An der Flanke der drei Felsen geht es auf der anderen Seite wieder talwärts – 1200m auf teilweise technischen Trail nach Landro und der Verpflegungsstelle Cimabanche. Meinem Magen-Darm-Trakt tut die Schüttlerei des langen Downhills gar nicht gut und ich muss mich in die Büsche schlagen. Ich bin ziemlich geschwächt und muss teilweise auf die flächeren Passagen gehen.
Nach Cimabanche geht es wieder 750Hm nach oben. Der Anstieg ist leicht, aber die Sonne beginnt ganz schön zu brennen. Auf dem Lerosa angekommen folgt ein Singletrail Downhill zum nächsten Verpflegungsposten Malga Ra Stua, welcher auf einer idyllischen Alp liegt. Ich muss mich das erste Mal hinsetzen und mir wird bewusst, dass das jetzt noch eine harte Nummer wird. Es sind 76km durch.
Nach der Verpflegung geht es einen steilen Wurzeltrail hinunter ins Tal. Ich fluche viel, denn jede zweite Wurzel scheint in der momentanen Verfassung meine Füsse angeln zu wollen. Aber auch diese Passage geht vorbei. Die Landschaft ist wunderschön und der Lauf durchs Nadelholz sollte eigentlich Balsam für die Läuferseele sein, wäre da nicht diese Wurzeln. I Tal angekommen nimmt man sogleich die letzte grosse Steigung mit 1000Hm in Angriff. Viel Singletrail, teilweise abschüssig, und zerklüftete Dolomitenlandschaft herrscht in den kommenden Stunden vor. Meine Wasserreserven neigen sich jeweils sehr schnell dem Ende zu und ich fülle meine Flasche aus den Bächen. Die Sonne brennt mittlerweilen erbarmungslos herunter und Schatten wird es in den nächsten 10 Stunden keinen mehr geben. Immer mal wieder befeuchte ich meine Schirmmütze und meine Arme in den Bächen. Kühlen ist angesagt. Der Pfand schlängelt sich stetig hoch und führt über ein langes Geröllfeld (etwa 6km) hoch zum Col dei Bos. Für mich ist dieses Geröllfeld eine der Schlüsselstellen des LUT. Der Weg ist „inexistent“, man hüpft von losem Stein zu losem Sein zur nächsten Fahne. Jeder Stein rollt und dreht. Die Sonne brennt. Schattig war’s das letzte Mal vor Stunden. Die Landschaft ist irre, man könnte meinen man laufe auf dem Mars (inkl. Temperatur). Ich brauch 2h für 6km Geröll. Zum Glück laufe ich zusammen mit Dirk, das hilft. Man sammelt andere Läufer ein deren Verfassung etwa ähnlich miserabel ist. Oben auf dem Col dei Bos angekommen setzen wir uns für 5min hin um ein Gel und etwas Wasser zu uns zu nehmen. Andere Läufer tun’s uns gleich. Der Abstieg zu nächsten Verpflegungsstelle Plan del Menis erfolgt auf einer Saumstrasse. Erst einmal hinsetzen und verpflegen. 94km sind durch.
Der letzte Teil des LUT führt über das Rifugio Averau zum Passo di Giau über 3 Berggipfel die alle noch einmal über 2250 Meter hoch sind. Der Trail wird technischer und meine Kräfte neigen sich dem Ende zu. Kurz vor dem letzten grossen Abstieg hinunter nach Cortina versinkt die Sonne hinter den Dolomitengipfeln. Einerseits bin ich froh, dass die Sonne endlich weg ist, andererseits wird es auch gleich ein bisschen kühler. Auf geht’s, 1200 Downhill nach Cortina. Leichter gesagt als getan, der Trail ist teilweise sehr technisch und meine Quads können den hohen Stufen und Tritten nur wenig entgegenhalten. Ich leide mich den Berg hinunter, teilweise mit 30cm Schrittchen. Nach etwa 1.5 Stunden sind die technischen Passagen durch und der Trail mündet in steile Forststrassen die langsam gegen Cortina hin auslaufen. Ich muss Dirk im Downhill ziehen lassen, da meine Beine komplett am Ende sind. Auf wundersame Weise komme ich auf den Forststrasse zu neuen Kräften und kann die letzten welligen Kilometer ins Ziel durch joggen. Mit einem Finish von 23h 44min bin ich happy – die Tagesmarke wurde unterboten. Obwohl ich sehr viel gehen musste (geschätze 60km) bin ich noch in der ersten Hälfte des Feldes angekommen. Hiermit habe ich meinen ersten 4 UTMB Punkte Lauf gefinished und ebenfalls die Quali für den Western States geschafft.
Ziel: Im Ziel ging es mir leider sehr schlecht. Es gab nur Bier zu trinken und nichts zu essen. Das Finisher-Buffett war 1km vom Ziel weg und den Berg runter angerichtet – impossible to reach. Da hat sich mein Kreislauf verabschiedet und leider war ein kurzer Besuch im Spital mit Infusion nötig. Wahrscheinlich sind meine Elektrolyte abgekackt. Nicht gut. Ich bin da gerade am aufarbeiten und werde sicherlich in den nächsten Tagen hierzu was posten. Zum Glück habe ich im Ziel Dirk und seine Frau wieder getroffen, die sich super um uns gekümmert hat. Alleine wäre das kein Spass gewesen.
Fazit:
Strecke: Hart aber gut
Pre-Race: mässig
Post-Race: schlecht. Keine Zielverpflegung. Kleidersäcke und Futter war für mich „unerreichbar“ 1km weg in einer Mehrzweckhalle.
Gesamt: Auf jeden Fall wieder