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Das Projekt "Heimspiel" 2013 - Die Einleitung

Das Projekt "Heimspiel" 2013 - Die Einleitung

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Seit meiner Schauspielausbildung laufe ich. Und zwar nicht nur vor Problemen davon, sondern auch längere Strecken in zügigen Tempi. Der gemeine Freizeitsportler nennt es Jogging, ich bezeichne es als Laufsport. Ursprünglich gestartet um Gewicht zu verlieren, entwickelte sich das Training bald zum stetigen Begleiter in allen Lebenslagen. Vor rund 10 Jahren habe ich bei einer Körpergröße von 1,82 an die 100Kg auf die Waage gebracht. Deutlich zuviel für ein gesundes Leben und vor allem deutlich, deutlich zuviel, wenn man als junger Mann in meinem Beruf seine Aussichten auf Arbeit nicht gänzlich vernichten will.


Im Frühjahr 2009 begann also die Reise meines Körpers aus der Unsportlichkeit in die paradiesischen Gärten der Fitness und Form. An dieser Stelle ein herzlicher Dank an meinen Mentor Volker Maria Engel. Nicht nur Dozent und Regisseur, sondern auch Freund und Trainingspartner. Und letztlich Stein des Anstoßes. Auch wenn unser Weg heute nicht mehr gemeinsam verläuft, hoffe ich, es geht Dir gut. Bei meinem ersten Marathon im Oktober 2009 hatte ich die vielleicht schlimmsten 4 1/2 Stunden meiner Laufbahn (bitte beachten Sie die unglaubliche Tiefe des Wortspiels “Laufbahn” in diesem Zusammenhang!). Mein 28km Vorbereitungslauf an meinem 26. Geburtstag lag mit 2.25 noch voll im Plan. Das war’s dann aber auch schon an Positivem. An meinen eigenen Erwartungen und dem noch zu schwachen Körper bin ich um fast 45 Minuten über das Ziel hinaus geschossen. Quasi in die falsche Richtung. Begleitet vom Kölner Campusradio als Erstläufer, der vorher monatelang über sein Training Auskunft erteilt und die Fresse immer weit vorne hatte, habe ich mich auch medial noch zum Volldeppen gemacht. Die Qual dieses Tages wird eigentlich nur durch meine Idiotie aus dem Sommer 2010 getoppt – ich war der festen Überzeugung nach monatelanger Trainingspause, hart durchzechter Nacht und ohne Schlaf die 10. Ausgabe des EVL Halbmarathons meiner Heimatstadt in 1.45 bewältigen zu können. Ich mach’s kurz: ich konnte nicht. Betrunken laufen ist richtig scheiße. Und verleiht der Aussage “Ich wäre fast gestorben!” eine ganz neue Bedeutung. Zusammenfassend kann man also sagen: meine ersten Gehversuche (bitte beachten Sie die unglaubliche Tiefe des Wortspiels “Gehversuche” in diesem Zusammenhang!) im Wettkampfsport waren eher demotivierender Natur.


Ich habe mein Augenmerk dann auf den positiven Nebeneffekt des Trainings gelegt: das Abnehmen. Ich hatte zwischen Frühjahr 2009 und Sommer 2010 bereits gute 10 Kilo verloren und habe durch ein selbstverordnetes Sommertrainingslager nochmal rund fünf Kilo abtrainieren können. Zur Belohnung gab es – einer mit mir selbst abgeschlossenen Wette sei Dank – das Tattoo an meinem linken Oberarm und den Wiedereinstieg in den Wettkampfsport nur 1 1/2 Monate nach meinem epischen Scheitern beim Halbmarathon. Beim ersten Kölner Altstadtlauf im Sommer 2010 wollte ich die Distanz von 10km auf jeden Fall unter 50 Minuten bewältigen. Es wurde eine 43.12 und Platz 99 bei 1000 Teilnehmern. Das erste Mal hatte sich die Plackerei ausgezahlt. Denn: was zählt is’ auf’m Platz! (Zu) Zufrieden mit mir hängte ich die Schuhe an den Nagel und verlor mich in Dolce Vita und anderen Kontraproduktivitäten.


Ich fand meinen derzeitigen Wohnort nie besonders ansprechend zum Laufen und bin dann lieber zu Hause gelieben. Im Frühjahr 2012 – das Gewicht stagnierte um 75 Kilo und meine Unzufriedenheit mit mir wurde immer größer – genügte der Kauf einer neuen Laufhose um mich zurück in die Laufschuhe und auf die Strecke zu bringen. Erneut motivierte ich mich mit einem Projekt zur Gewichtsabnahme und begann nochmal von vorn. Wer eine gewissen Zeit trainiert und dann mal eben ein Jährchen oder zwei Pause eingestreut hat, wird wissen, was ich meine. Leistungsfähigkeit? Leidensfähigkeit? Früher Freunde, heute unbekannt verzogen. Aber ich wollte es wissen. Wenn ich mich wieder schinde, dann richtig. So meldete ich mich mit ungefähr drei Monaten Vorlauf zur 12. Ausgabe des EVL Halbmarathon meiner Heimatstadt an und setzte mir selber eine Zeit unter 1.45 bei einem Kampfgewicht von unter 73Kg zum Ziel. In den folgenden Wochen bin ich mit einem Wochenpensum von rund 50km pro Woche wieder richtig eingestiegen. Ich habe mich geschunden ohne Ende und wenn ich dachte, es geht nicht mehr, noch einen drauf gesetzt. Bis ich Anfang Juni 2012 am Start stand.

Es gibt Tage, an denen wacht man auf und weiß: es liegt was in der Luft. Wenn ich dann aus dem Fenster gucke, Regen sehe und das Thermometer mir sagt “Lecker, lecker 10 Grad!”, weiß ich: es ist Tobias M. Walter-Wetter. Wikipedia sagt dazu[INDENT]
Tobias M. Walter-Wetter ist eine umgangssprachliche Redensart und bedeutet „regnerisches Wetter“ bei aschgrauem, wolkenverhangenem Himmel und Temperaturen im einstelligen Celsiusbereich.



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Kurz: an einem solchen Tagen läuft es bei mir wie von selber. (Bitte beachten Sie die unglaubliche Tiefe des Wortspiels “es läuft von selber” in diesem Zusammenhang!) Da ich aus Prinzip ohne Pulsuhr und andere technische Hilfsmittel laufe, bin ich zur Feststellung meines Tempos immer auf mein Körpergefühl oder die Trackdauer auf dem iPod angewiesen. Kilometer eins habe in in dichtem Gedränge in 4.21m gelaufen. Bei Kilometer drei musste ich den Pacemaker für 1.45h überholen, da er mir irgendwie langsam vorkam. Bei Kilometer sieben – und das ist mit Abstand das Schönste in einem Wettkampflauf – habe ich an meinem Elternhaus Verpflegung aufgenommen und war so euphorisiert, dass ich das Tempo angezogen habe. Gänsehaut. Einen nicht unbeträchtlichen Teil des Streckenprofils nutze ich als Trainingsrunde, wenn ich in der Heimat bin. Und trotz meines Brummschädels zwei Jahre zuvor, kannte ich auch den Rest des Kurses sehr gut. Steigungen, abschüssige Passagen, schwierige Ecken mit viel Wind und anderen Unannehmlichkeiten. Noch kürzer: dieser Lauf ist ein Heimspiel! 2010 bin ich – Dank nochmal an den Alkohol und den nicht vorhandenen Schlaf – um Kilometer 14 eingebrochen und hatte großen Respekt vor einem stetigen Anstieg über mehrere Hundert Meter an dieser Ecke. Unbegründet. Ich habe vom Start weg permanent andere Läufer überholt und nach 2/3 der Distanz lichteten sich langsam die Reihen. Die Abstände zwischen den Läufern wurden beträchtlich größer und bei den eben beschriebenen Wetterbedingungen zeigt sich dann, wer den Kopf und die Beine hat, um das durch zu stehen (bitte beachten, dass “durch zu stehen” Sie bei keinem Lauf in’s Ziel bringen wird!). Tobias M. Walter-Wetter ist zwar ein schnelles Wetter zum Laufen, aber auch unangenehm. Zwei Kilometer vor Schluß wartet mit dem “Sauberg” die größte Sauerei (ich lass das jetzt mit den Wortspielen, ehrlich!) des Rennens auf die werdenden Finisher. Ein richtig zäher Anstieg, der nochmal richtig auf die Pumpe geht. Wenn man aber, wie ich, in Marburg wohnt, dann lacht man über diesen und andere Hügel im rheinischen Flachland. Hier braucht man eigentlich Trailerfahrungen, um zum Supermarkt zu kommen. Sie können in Marburg tatsächlich die unfassbaren Höhenunterschiede der Innenstadt per Aufzug ausgleichen…


Zieleinlauf. Gänsehaut. Eine Zeit unter 1:30h. Der Wahnsinn nimmt Gestalt an. Hinterher stelle ich beim Blick auf die Ergebnisliste fest, dass es zu Platz 48 im Gesamtklassement gereicht hat. Top 5 in der Altersklasse M30. Der Halbmarathon in 1:28:04. 3 1/2 Jahre nachdem ich das erste Mal Laufschuhe angezogen habe, finishe ich mein Heimspiel in den Top 50. Ein Moment, der mich mein ganzes Leben nicht mehr verlassen wird.


Soviel zur Einleitung zu meinem Projekt “Heimspiel 2013″. Konkret heißt das: am 9.6.2013 werde ich bei der 13. Ausgabe des EVL Halbmarathon am Start stehen. Mit dem Ziel, wieder in die Top 50 zu laufen. Ohne Tobias M. Walter-Wetter wird es schwer werden. Aber ich bin bereit zu beißen. Am 25.7.2013 trete ich beim 4. Kölner Altstadtlauf an. Hier soll es auf jeden Fall unter die 40-Minuten-Marke gehen. Über kurze Distanzen bin ich mittlerweile richtig schnell. Und wenn alles zumindest annähernd klappt, wie ich es mir vorstelle, wartet am 13.10.2013 der Köln Marathon. Mein liebster Feind. Dieses Jahr mit Ziel am Dom. Unsere Rechnung miteinander ist noch offen. Ich hoffe, nicht mehr lang!
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