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Von Rollern und Hunden

Von Rollern und Hunden

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Ich rattere auf holprigem Wege mit dem Aluscooter dahin, als ein Passantin hektisch ihren mittelgroßen Hund am Brustgeschirr hochzerrt und an sich presst, als müsse sie ihn vor allem Bösem bewahren. Mir und meinem Roller zum Beispiel. Ich bin etwas befremdet und denk mir irgendwas mit hysterisch! als Zusatz. „Rollerhasser“ sagt die Dame entwaffnend und plötzlich weiß ich, weshalb sie das wirklich tut.

Wer nicht aus freien Stücken Hundenähe sucht, hat nämlich als Läufer, Skater, Rollstuhlfahrer, Skateboarder, Radfahrer oder Rollerfahrer manchmal Erlebnisse, die ziemliche Nähe zu bellenden, knurrenden, hinterherjagenden, springenden oder gar schnappenden Hunden herstellt und damit nicht für Freude sorgt.

In dem Moment hilft es dann leider wenig, sich zu vergegenwärtigen, dass das Verhalten des Hundes sich nicht ursächlich und grundsätzlich gegen den betreffenden Menschen richtet, sondern irgendetwas in Bewegungsablauf und Silhouette der Mensch-Maschine den Hund irritiert oder animiert.

Ohne oder mit geschobenem Roller hätte auch der Rollerhasser mich als unaufregend eingestuft und keines Blickes gewürdigt, erst auf dem Roller hab ich mich in seinen Aufmerksamkeitsradius gerollt.

Deshalb werde ich aber auch weiterhin nicht auf die Rollerei verzichten oder allen Hunden großräumig ausweichen.

Trotzdem verbanne ich es nicht ganz aus meinem Denken: Einige Hunde reagieren unerwartet heftig auf eine Rollersichtung.

Welchen Hund ein Roller nicht juckt und welcher an die Decke geht, seh ich leider nicht im Vorhinein. Und da es so wenige große Roller gibt (einen solchen fahre ich mittlerweile hauptsächlich, der Microscooter ist nur noch Kurzstreckenbegleiter) wissen auch die wenigsten Hundebesitzer ob und wie ihr Hund reagieren würde, weil sie und der Hund noch nie in einer solchen Situation waren. Ich tendiere also zu einer gelassenen Vorsicht und bin darauf vorbereitet: Meistens ist nichts, aber manche Hunde kriegen die Krise, wenn man mit dem Roller vorbei fährt.

Wer sich nicht die Bohne für Hunde interessiert, was ja vorkommen soll und darf, kann allerspätestens ab hier aufhören zu lesen.

Ich dagegen interessiere mich für Hunde – und deshalb bin ich ja überhaupt erst auf den Roller gekommen.

Über den Umweg Dogscooter nämlich. Auf der Suche nach Beschäftigung für den Hund, nicht für mich. Ein Zuggeschirr; eine Zugleine; ein Roller, der aussieht wie ein Fahrrad; eine Bikeangel, die als Abstandhalter fungiert, damit die Zugleine nicht ins Vorderrad gerät und nicht zu vergessen ein Hund, der das alles und mich noch mit zieht. Klang spannend. Großstadtmushing für den gelangweilten Stadthund. Zughundesport.

Problem eins: Augensausen beim Blick auf den Preis. Des zubehörlosen Rollers nämlich erst mal.

Problem zwei: nicht jeder Hund ist geeignet zum Ziehen, nicht jeder Hund zieht gerne und dann muss man das alles erst mal üben. Oftmals in wochen- oder gar monatelanger Arbeit. Kleine Schritte, keine Garantie auf Erfolg. Und lernt der Hund, dem ich es endlichendlichendlich abtrainiert habe, schnaufend an der Leine zu ziehen wie ein lungenkranker Ackergaul, dann nicht womöglich erst recht wieder zu ziehen?

Nein, so faszinierend ich die Zughundearbeit auch finde, so aufwändig und wenig praktikabel schien sie mir für meine Zwecke. Weshalb der Gedanke auch bald in den hinteren Gehirnregionen archiviert wurde.

Bikejöring war mir ebenfalls ein Begriff. Hier zieht der Hund ein Fahrrad. Erneut war da jedoch die Skepsis groß: Was, wenn ich mir damit nur die mühsam erarbeitete Leinenführigkeit wieder kaputt mache?

Heute weiß ich zwar, dass man die Zugarbeit so aufbauen kann, dass der Hund z.b. ausschließlich sein Zuggeschirr mit „ziehen erlaubt“ in Verbindung bringt, aber heute habe ich mir auch schon wesentlich mehr Gedanken etwa über logistische Faktoren gemacht, wie zum Beispiel ohne Auto und mit zwei großen Hunden und einem Dogscooter in der Stadt irgendwo hin kommen, wo Ziehen mit höherem Tempo und nicht ausschließlich auf Asphalt auch gefahrlos möglich ist. In der Fußgängerzone und der Einkaufsmeile klappt das wohl kaum.

Zwei Hunde, die panisch auf dem nächsten Autobahnzubringer ein Fahrrad hinter sich her ziehen, während ich einen Kilometer weiter in der betonierten Böschung des Kanals, abseits des Radweges liege, weil irgendwas schief gelaufen ist, stell ich mir auch eher ungünstig vor.

Wie ich überhaupt auf ein solches Horrorszenarien komme? Ich bin Rad gefahren. Mit zwei großen Hunden, die nicht ziehen, sondern nur angeleint mitlaufen durften. Mit zwei mal 25 Kilo Hund, die Kommandos wie Steh! Langsam! Links! und Rechts! kennen und auch sicher befolgen. Das hat meine Panik wenig bis nicht gemildert. Gut, der Helm auf meinem Kopf hat mich ein wenig beruhigt und auch, dass meine Bremsklötze frisch erneuert waren. Aber im Falle eines Falles wäre ich nicht vom Rad gekommen. Nicht rechtzeitig. Vom Herrenrad schon gar nicht.

Fahrrad fahren mit Hund unter tendentiell lebensgefährlich, zumindest aber sehr unpraktisch, ad acta gelegt.

Also ging die Suche weiter. Wie zwei Hunde beschäftigen? Zwei Stadthunde, die nicht so ohne weiteres abgeleint werden können, zum einen, wegen stark ausgeprägtem Jagdtrieb des einen, bei gleichzeitig nicht sehr zuverlässiger Abrufbarkeit schon in alltäglichen Situationen, wegen Unverträglichkeit mit fremden Hunden zum anderen. Gerade im Doppel schaukelt sich eher harmlose Fremdhundeskepsis dann gerne mal auf zu „Auf ihn mit Gebrüll! Den kennen wir nicht, der ist doof und stinkt! Den machen wir fertig!“.

Man könnte Hunde, die nicht mit jedem anderen spielen wollen, sondern ihn im Zweifel und in Stresssituationen lieber anpöbeln, schlimmstenfalls sogar kaputt machen, oder Hunde, die mit 50km/h und Tunnelblick alles was klein und wuschelig ist und davon läuft, zu hetzen versuchen, natürlich auch mit eine Hochsicherheitsmaulgefängnis ausstatten und nur noch an der kurzen Leine zwei Runden um den Block schleifen, so wie es auch vielen anderen Stadthunden widerfährt, oder man kann sie beschäftigen. Mit richtig Hundespaß und laufen statt depressiv trotten und Reizentzug.

Nächster Versuch: Laufen mit angeleintem Hund.
Sofern es dem Hund überhaupt Spaß macht, in einem künstlichen Tempo, das nicht Schritt und nicht Trab und nicht Galopp ist, sondern irgend ein ineffektives daneben her hecheln, macht es dem Menschen spätestens dann, wenn er für sich plötzlich Tempoläufe oder Intervalltrainings entdeckt, keinen Spaß mehr. Dann hat man nämlich eine Hundebremse.

Und dann gibt es da auch Menschen, die nicht laufen wollen oder laufen können. Was machen die?

Ich laufe immer noch, mit zunehmender Begeisterung und abnehmender Hundebegleitung. Hund eins hat bereits seit geraumer Zeit Gelenkprobleme und konnte dieses Mischtempo anscheinend nicht längere Zeit schmerzfrei durchhalten. Hund zwei, der von beiden am wenigstens ableinbare, würde lieber pinkeln, schnuppern, Enten erschrecken oder richtig schnell laufen, läuft zwar, wenn es nicht zu heiß ist, bis zu zwanzig Kilometer an der locker durchhängenden, um den Oberkörper geschlungenen, Leine mit, aber ständiges Asphaltlaufen möchte ich ihm ersparen.

Abgesehen davon, sind „ambitioniertere“ Läufe mit Hund im Schlepptau für beide Seiten kein Vergnügen und letzten Endes ist dann immer nur ein Hund allein ausgelastet und Nummer eins schaut durch die Pfoten, weil ich zu groggy bin, ihn auch noch ausreichend zu unterhalten.

Mittlerweile bin ich auch von meinen Zughundefantasien weitestgehend abgekommen, aber mir wollte nichts einfallen, wie ich die Tiere sinnvoll gemeinsam beschäftigen könnte, falls ich mal keine Lust auf die übliche Gassirunde habe oder ihnen häufiger ermöglichen möchte, wirklich zu laufen, anstatt zwar auch mal leinenlos, dafür aber nur bei Fuß und Schritttempo, umher zu marschieren, denn Freilauf in der Großstadt - Rücksicht nehmend auf Fußgänger, Autofahrer, Radler, Skater, Menschen, andere Hunde, Junge, Alte - gestaltet sich häufig eher zum Spießrutenlauf, als zur angenehmen Freizeitgestaltung.

Was also mache ich mit meinen nicht immer ableinbaren, nicht zuverlässig abrufbaren Hunden, im Duo unverträglich, und einer mit dem Jagdtrieb eines Windhundes ausgestattet? (Von weiter Hunde erziehen üben abgesehen...ähm...)

Die Erleuchtung kam in der Rolle einer jungen Frau auf einem Roller. Ein Aluscooter und ein nebenher laufender Hund. Da fiel mir wie Schuppen von den Augen, was mir all die Jahre bei Betrachtung von Trikes, Schlitten, Hundewägen und Dogscootern einfach nicht in den Sinn gekommen und später dank negativer Raderfahrung auch nie wirklich bis an die Oberfläche des Bewussten gedrungen war: ein Hund muss nicht ziehen. Ich brauche gar keinen 800 Euro SuperDownHillExtraGeländeScooter oder eine Fahrradrüstung und einen Fahrradairbag und einen Peilsender, damit sie mich im Straßengraben auch finden. It`s as simple as that: Ich brauch einen Roller.

Das Projekt Gassi rollern mit Hund ward geboren.

Weil allem Anschein nach noch eine Menge mehr Menschen die Querverbindung von Dogscooter zu Roller fahren nicht von allein gefunden haben: mehr zu den Grundvoraussetzungen – für die meiner Meinung nach genialste Art – einen Hund auszuführen, sowohl was Hund, Mensch, als auch Technik anbelangt, dann in Teil zwei.

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naseläuft hat geschrieben:„Rollerhasser“ sagt die Dame entwaffnend und plötzlich weiß ich, weshalb sie das wirklich tut.
Dann gibt es in deiner Nähe weitere Roller.
naseläuft hat geschrieben:Einige Hunde reagieren unerwartet heftig auf eine Rollersichtung.
Willkommen im Club! :D

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RheinBergRoller hat geschrieben:
Willkommen im Club! :D
O?T: und jetzt sag ehrlich: hast du dich bis Absatz 26 durchgearbeitet oder bei 6 aufgehört :teufel: ?

fragt sich speenga
(nicht Hundebesitzerin und als Rollerin noch nie von Hunden angefallen worden)

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speenga hat geschrieben:O?T: und jetzt sag ehrlich: hast du dich bis Absatz 26 durchgearbeitet oder bei 6 aufgehört :teufel:
Wieso? Waren doch nur 8 für Nichthundebesitzer! :P
speenga hat geschrieben:(nicht Hundebesitzerin und als Rollerin noch nie von Hunden angefallen worden)
Da haste bisher Glück gehabt! Ich bin schon zweimal von Hunden vom Roller geholt worden. Und einmal fast von zwei Hunden weil der Besitzer sie kaum noch halten konnte.

Lustiger sind kleine Hunde. Die finden manchmal einen fremden Rollerfahrer viel interessanter als das eigene Herrchen und laufen einfach mit. Einmal musste ich sogar zurückrollern um den Hund zurückzubringen. Herrchen war so langsam ausser Hörreichweite und der Hund wollte partout nicht zurück laufen. Mich wundert immer wieder welches Tempo kleine Hunde gehen können. Da rollert man mit knapp 20 km/h und der Hund läuft Kreise um den Roller!
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