Breite Reifen vs schmale Reifen: Ein praktischer Vergleich

Mahlzeit!

In meinem Geroy-Thread wurde ja das Thema Reifenbreite & Rollwiderstand lebhaft diskutiert. Ein interessantes und komplexes Thema, da kann einem schonmal der Kopf rauchen. Deswegen lasse ich den Theoriekram mal weg und beschreibe meine praktischen Erfahrungen...



Equipment

Roller: Mibo Geroy 26/20 (frühe 2013er Version)
Reifen: Schwalbe Marathon Supreme 1.6 | Schwalbe BigApple 2.15
Trittbretthöhe (ganz hinten): 7cm | 8cm
Luftdruck: 6 Bar | 3 Bar

Mit den BigApple wurde mein Geroy ja Ende April 2013 geliefert. Später habe ich dann die Supreme aufgezogen, weil es etwas flotter abgehen sollte. Nach der Diskussion im Geroy-Thread hab ich heute wieder auf die BigApple gewechselt und auf der Testrunde (22km) genau auf die Unterschiede geachtet. Das Vergleichsszenario ist auf jeden Fall frisch, ich war erst gestern auf einer Fitnessrunde mit den Supreme unterwegs gewesen...



Fahreindruck BigApple
Erste Überraschung: Das 1cm höhere Trittbrett merke ich deutlich! Das liegt aber auch an meinen kurzen Beinen (77cm Schrittlänge)...
Zweite Überraschung: Trotz der 3 Bar rollt der BA erstaunlich leicht, also kein "Pudding"...
Dritte Überraschung: Die Dämpfung ist verdammt gut!

Nach den 22km heute bekam ich schonmal einen guten Eindruck. Durch das 1cm höhere Trittbrett ist es natürlich anstrengender, das spüre ich deutlich. Die Spritzigkeit geht auch etwas verloren, da hier schlichtweg mehr rotierende Masse beschleunigt werden will - insgesamt bewegen sich da 463g mehr. Im Vergleich merkt man deutlich, daß diese Masse erstmal beschleunigt werden will. Ich hatte den Eindruck, daß der Reifen dadurch auch länger rotieren will und weniger stark abbremst...

Dämpfung auf Unebenheiten
Bei der Fahrt über Kopfsteinpflaster (Gehweg) musste ich echt ungläubig grinsen! Im Vergleich zu den Supreme interessiert das die BigApple nicht die Bohne, die schlucken das einfach weg. Bordsteine, schlechter Asphalt, Querrillen und Schlaglöcher haben definitiv ihren Schrecken verloren - ein klares Plus für den Komfort!
Beim gleichen Abschnitt sind mit den Supreme 1.6 die Vibrationen am Lenker deutlich höher.

Kurvenverhalten
Sehr überrascht war ich vom Einlenk- und Kurven-Verhalten, der BigApple ist einfach ne Ecke gemütlicher unterwegs. Das nervöse Kippeln in aufrechter Lage (wackeln am Lenker) ist deutlich gedämpft und die Kurvenlage (auch schnelle) stabil. Richtungswechsel müssen zwar mit etwas mehr Nachdruck eingeleitet werden (den Roller in die Kurve drücken), aber insgesamt ist die ganze Sache deutlich entspannter...



Fazit
Die gängigen Meinungen "breit & weich tritt sich wie ein Sack Nüsse" und "schmal & hart rollt immer leichter" sind hier definitiv widerlegt und das hat mich bei diesem spezifischen Vergleich echt überrascht. Der BigApple ist zwar schwerer und muss mit mehr Nachdruck beschleunigt werden, aber das Fahrverhalten ist für den urbanen Lebensraum mit seinen vielen Hindernissen (Bordsteine, Schlaglöcher, schlechter Asphalt, Kopfsteinpflaster, Querrillen, usw) ganz klar besser. Er fährt sich gutmütiger und dadurch auch sicherer (gerade für Anfänger). Das Angstmonster "Rollwiderstand" ist nicht vorhanden und zumindest für mich sind die 3 Bar Druck wohl ideal.
Wermutstropfen: Das Trittbrett ist 1cm höher, es tritt sich also deutlich anstrengender.



Plus/Minus

BigApple 2.15 | 3 Bar
+erstaunlich geringer Rollwiderstand für die Breite
+Unebenheiten werden gut weggedämpft
+weniger Bremsmomente bei Bordsteinen, Querfugen und Schlaglöchern
+gutmütiges Fahrverhalten
+fette Optik!
-durch das höhere Reifengewicht etwas schwerfälligere Beschleunigung
-durch die Breite wird es eng mit den originalen Schutzblechen
-das Trittbrett kommt 1cm höher (es tritt sich anstrengender)


Marathon Supreme 1.6 | 6 Bar
+Gewichtsersparnis und 463g weniger rotierende Masse
+spritzigeres Fahrverhalten
+keine Kombatibilitätsprobleme mit den Schutzblechen
+erstaunlich gute Haftung bei Nässe (auch bei um die 0°C)
+Tieferlegung des Trittbretts auf 7cm
-durch den hohen Luftdruck bei Unebenheiten sehr ruppig und hart am Lenker
-die 6 Bar Druck sind für die Originalfelgen schon sehr grenzwertig (speziell hinten)
-Kippelverhalten in aufrechter Position sehr nervös

Danke, es geht nichts über einen echten Praxistest!

Ein höhenverstellbares Trittbrett muss her!

Jupp. Wie gesagt, es hat mich ja selber total überrascht...

Btw: Laut GPS war ich gestern nicht deutlich langsamer unterwegs gewesen als bei der letzten gleichen Fitnessrunde, trotz ziemlich viel Gegenwind in der ersten Hälfte bei den Bergabpassagen (dafür Rückenwind in der Ebene). Der Durchschnitt sagt:
BigApple: 16,1km/h | 153bpm Puls
Supreme: 15,8km/h | 145bpm Puls
Es war wie gesagt anstrengender, auf der 22km-Runde habe ich zuvor meist einen Durchschnitt von 142-148bpm gehabt. Ich denke mal, das wird sich mit der Zeit aber geben, Stichwort Trainingseffekt...


Die ideale Stadt-Kombination wäre dann wohl der 2014er Geroy mit den BigApple, dessen Trittbrett ist ja original deutlich tiefer als bei meinem Modell (laut Mibo 6cm mit den originalen Reifen)...

Onkel Manuel hat geschrieben: Die ideale Stadt-Kombination wäre dann wohl der 2014er Geroy mit den BigApple, ...

Was mit nem Plus hinten dran wäre mir lieber. Die halten dann vielleicht auch Glas-Splitt eine Weile aus.

Onkel Manuel hat geschrieben:...dessen Trittbrett ist ja original deutlich tiefer als bei meinem Modell (laut Mibo 6cm mit den originalen Reifen)...

Laut Werksangabe und Tempelhofers Messung 6,5 cm. Ist trotzdem sehr niedrig.

Sehr guter Bericht !

Ich kenne nur den Big Apple und liebe ihn.
Rollt leicht auf Asphalt und dämpft super im Schotter. Perfekt für alles, was nicht schmiert.
Meidet feuchte Wiesenwege und nasses Laub.

Ich fahre aber deutlich mehr Luftdruck, zwischen 4,0 und 5,0.

Genau.Jetzt mache dasselbe nochmal mit BA Maximaldruck!

"Vergleich merkt man deutlich, daß diese Masse erstmal beschleunigt werden will. Ich hatte den Eindruck, daß der Reifen dadurch auch länger rotieren will und weniger stark abbremst..."

Denselben Eindruck habe ich beim Fahren mit Gepäck: Ist es erst mal beschleunigt, rollt die Fuhre gleichmäßiger als ohne.

Hans

Maximaldruck ist nur auf harten ebenen Untergründen von Vorteil. Wie hartnäckig manche glauben, nur mit Maximaldruck unter allen Bedingungen und egal mit welchem Reifen auch maximal schnell zu sein, ist wirklich erstaunlich. Das ist bestenfalls subjektives Empfinden und widerspricht vollkommen der physikalischen Wahrheit.

Ich fahre den (50mm) Big Apple selbst schon sehr lange am Kostka; jetzt nur noch für Alltagseinsätze und Hundeausflüge. Mit Maximaldruck verliert der sämtliche Vorteile. Mehr als 2,5 bar -maximal 3 bar- kommen mir nicht in den Big Apple -niemals.

Ich kenne nur den Big Apple und liebe ihn.
...
Ich fahre aber deutlich mehr Luftdruck, zwischen 4,0 und 5,0.

Ich fahre den (50mm) Big Apple selbst schon sehr lange am Kostka; jetzt nur noch für Alltagseinsätze und Hundeausflüge. Mit Maximaldruck verliert der sämtliche Vorteile. Mehr als 2,5 bar -maximal 3 bar- kommen mir nicht in den Big Apple -niemals.

???

Deswegen will ich ja von Onkel erfahren, was er bei Maximaldruck erlebt.

Japp, mit mehr Druck geht ja auch die Dämpfung flöten. Aber das kann ich ja nächste Woche mal ganz einfach testen...

Der Maximaldruck von 5,5 ist wirklich zuviel. Da hüpft man mehr, als man fährt.
Auch auf unebenem Geläuf mag 4,0 schon echt viel sein, aber mit weniger steigt nach meinem ganz persönlichen Empfinden der Rollwiderstand auf Asphalt. Aber so lange fahre ich ja noch nicht.

Ich liebe diese Moppelreifen! Es stimmt die neue Trittbretthöhe ist gewöhnungsbedürftig. Ich bin in der letzten Woche täglich etwa 60km gerollert, immer schön abwechselnd, mal mit dem RaceK und den anderen Tag mit meiner Greta. Der BA spielt auf längeren Etappen seine Vorzüge voll aus. Ich war zwar auf der Distanz 2-3km/h im Schnitt langsamer, doch dafür lässt es sich stressfreier fahren. Das ist auf mehrtägigen Touren nicht zu verachten. Abgesehen davon rollen die dicken Schlappen besser (und schneller) Berg ab.
Ich denke mit den 2 km/h kann ich leben. Das sind am Tag etwa 16km weniger

ich stehe lieber hat geschrieben:Ich bin in der letzten Woche täglich etwa 60km gerollert

Respekt!

Bei mir waren es meistens nur etwa die Hälfte und ich lege nach jedem vierten oder fünften Tag einen Ruhetag ein.

Moin!

Also ich hab ja jetzt schon ein paar mehr Kilometer gefahren, auch mit Gepäck (Rucksack + Lenkertasche). Zur Kernfrage ist meine Er-Fahrung:

Die BA 2.15 auf 3 Bar haben nicht einen deutlich schlechteren Rollwiderstand als die Supreme 1.6 auf 6 Bar, zumindest nicht offensichtlich spürbar.

Soviel dazu. Deutlich spürbar ist dagegen wie gesagt der Komfortgewinn bei Unebenheiten und schlechten Straßen. Auch ziemlich deutlich macht sich das höhere Reifengewicht bemerkbar, und zwar auf zwei Arten:
-die Reifen lassen sich träger beschleunigen
-im Umkehrschluss haben sie ein höheres Dreh-Moment

Durch die trägere Beschleunigung entsteht eben der subjektive Eindruck, daß die Reifen mehr Rollwiderstand haben...
Und man merkt wirklich, daß die BA ihre Umdrehungsgeschwindigkeit beibehalten wollen, wenn die Fuhre einmal in Fahrt ist. Einen objektiven Vergleich habe ich bei der Fahrt nach Hause an einer bestimmten Stelle. Dort geht es innerhalb von 30 Metern bergab, 90° rechts rum und steil bergauf. Als Marker für die Reichweite dient mir ein Gullideckel, in dessen Nähe ich bergauf immer zum Stehen komme. Mit den BA kann ich sogar noch schärfer um die Kurve rumziehen und komme trotzdem einen knappen Meter später zum stehen...


PS: Und an das 1cm höhere Trittbrett gewöhnt man sich auch irgendwie...

ich stehe lieber hat geschrieben:Ich war zwar auf der Distanz 2-3km/h im Schnitt langsamer, doch dafür lässt es sich stressfreier fahren.

Das kann ich bestätigen. Es war ziemlich ernüchternd, dass ich mit dem Kickbike auf Strecken > 20 km nur 1 - 2 km/h schneller bin als mit dem Express. Da hatte ich etwas mehr erwartet...

Ich denke, das liegt nicht (nur) an den Reifen. Das Kickbike ist mit 28er Rennreifen vorne und "37er" City-Rennreifen hinten recht komfortabel bereift. Die Tritthöhe hinten ist mit 7 cm ebenfalls gleich.

Mit dem Mibo kann ich längere Strecken bewältigen bevor ich ermüde. Gefühlt ist der Mibo-Rahmen steifer. Der AKB-Rahmen ist da zwar wesentlich besser als der G4, federt unter meinem Gewicht trotzdem spürbar.

Ein weiterer Grund ist sicherlich, dass ich mit dem Kickbike auf unbefestigten Wegen vorsichtiger, d. h. langsamer unterwegs bin. Der Mibo wirkt irgendwie unzerstörbar. Da bremse ich nicht vor jedem Steinchen oder Würzelchen ab.

RheinBergRoller hat geschrieben:...*Der Mibo wirkt irgendwie unzerstörbar. Da bremse ich nicht vor jedem Steinchen oder Würzelchen ab.

Das liegt wohl am Stahlrahmen. Die einen mögen es, die anderen sagen es fährt sich schwammig. Ich mag diesen Flow.

RheinBergRoller hat geschrieben:Das kann ich bestätigen. Es war ziemlich ernüchternd, dass ich mit dem Kickbike auf Strecken > 20 km nur 1 - 2 km/h schneller bin als mit dem Express.

1-2 km/h mehr Durchschnittsgeschwindigkeit sind doch ein spürbarer Unterschied. Bei mir machen z.B. 2 km/h mehr oder weniger den Unterschied zwischen einer gemütlichen Runde und einer Runde fast am Limit, bei einer Strecke von ca. 30 km.

RheinBergRoller hat geschrieben: Ich denke, das liegt nicht (nur) an den Reifen.

Wir driften gerade ein wenig ab und vergleichen Gesamtpakete aus Rahmensteifigkeit, Gewicht, Tritthöhe und Reifen.

Einen Vergleich zwischen schmalen und breiten Reifen kann man nur mit einem Roller auf denselben Strecken durchführen so wie es Manuel und RazorRamon gemacht haben. Selbst da beeinflusst die unterschiedliche Tritthöhe das Ergebnis.

Für den ultimativen Vergleich würde sich Tempelhofer anbieten: 2013er Geroy mit Kojak vs. 2014er Geroy mit Big Apple. Da sollte dann auch die Tritthöhe einigermaßen übereinstimmen.

RazorRamon hat geschrieben:1-2 km/h mehr Durchschnittsgeschwindigkeit sind doch ein spürbarer Unterschied.

So ist es: Immerhin um die 10 Prozent schneller. Beim Laufen bedeuten 10 Prozent mehr als eine Leistungsklasse besser und eine ganze Menge Training.
Jetzt kann ich ja doch stolz sein auf die Ergebnisse meiner handvoll Rennen mit Originalteilen und MarathonPlus-Bereifung.

Hans

Mahlzeit!

Die Erfahrungen mit dem Geroy hatte mich ja dazu ermuntert, beim Neuaufbau des Stadtrades die vorhandenen BigApple 26x2.35 wieder zu verwenden. Ich fahre mit 2,5 Bar vorne und 3 Bar hinten. Das Ergebnis ist das gleiche: Gleicher Rollwiderstand (zu Schwalbe Marathon 26x2.00 auf 3,5 / 4,5 Bar) und deutlich mehr Komfortgewinn...

Diese Diskussion regt mich an, es auch mal mit dem Big Apple zu versuchen.
Wirklich Erfahrung habe ich damit nicht, nur kurze Testrunden auf Liegerädern, sonst bisher keine Gelegenheit.

Ich bevorzuge schmale harte Reifen, u.a. deshalb fiel auch meine Wahl auf einen Sport-Roller, in meinem Fall eben der Kostka Race.
Vorläufig werde ich hier keinen anderen Reifen testen, belasse es zunächst mal beim Serien-Durano, zumal ich, als Einsteiger, die Unterschiede sicherlich nicht identifizieren kann.

Der Swifty One wird wohl den Marathon Racer drauf haben, mal schauen ob es dabei bleibt, noch habe ich den Roller ja nicht,
sehen wir dann. Da werde ich wohl manches ausprobieren.

Den Marathon Racer fahre ich nicht ungerne, auf dem Fahrrad eher etwas für Touren, auf dem Roller bisher keine Erfahrungen damit.
Brompton damit bereift und sehr zufrieden, auf meinen Renn-Lieger die 20" Marathon Racer gegen Ultremo ZX getauscht.

Was man in der Tat sehr deutlich merkt, ist die rotierende Masse, denn an sich betreibt man ja kein Schwungrad mit konstanter
Geschwindigkeit, ich habe also gerne einen knackigen Impuls beim Antritt.

Fazit dieses fundierten Tests von Onkel Manuel, Big Apple doch mal geneuer betrachten...

Wohah, heute hab ich was interessantes entdeckt: Und zwar knalle ich ja bergab um die eine Kurve immer mit so 45-50km/h rum. Heute lag da im Kurveninneren so Zeugs rum, Erde/Gestrüpp/Wasauchimmer. Auf jeden Fall hat es meinen Geroy in der Schräglage mit einem Schlag so etwa 10cm versetzt...

Da muss ich aber mal sagen, daß es sich recht undramatisch angefühlt hat. Es gab nen kurzen Ruck, das wars - nichtmal ein Lenkerschlackern oder so. Ziemlich beeindruckend, daß die BigApple auch in solchen extremen Situationen noch massig Grip und Dämpfung haben...