Plattfuß hat geschrieben:Das ist jetzt nicht Dein Ernst, oder?
Ich kann die Schnitt- und Schürfverletzungen nicht mehr zählen, welche ich mir im Laufe meines Lebens beim Barfuß- Gehen und -Rennen geholt habe. Dazu ein gebrochener kleiner Zeh (Barfuß in tiefem Sand), verbrannte Fußsohlen (Asphalt), Prellungen im Fußgewölbe beim Treten auf dickere Steine, Fußgelenk verstaucht.
Reicht das als Beweis?
Ich bin bisher nie auf die Idee gekommen, Genanntes als Verletzungen zu bezeichnen. Sowas fällt bei mir eher in die Rubrik "Zipperlein", obwohl es sich streng genommen natürlich auch um Verletzungen handelt. Wenn man im Zusammenhang mit Laufen von Verletzungen spricht, denke ich sofort an unsere typischen Laufverletzungen wie Tibiakantensyndrom, Achillodonie, Plantarfaszitis, ITBS, Patellasehnenentzündung, ISG-Syndrom etc. Diese unterscheiden sich natürlich in ihrer Kritikalität zu den anderen eher äußeren Verletzungen. Ich jedenfalls hätte mein Tibiakantensyndrom damals gern gegen jede Schürfverletzung oder Blutblase eingetauscht.
Die Verletzungen waren bei mir auch mit ein Grund, warum ich Einlagen und Sportschuhe in die Tonne wandern ließ und auf Barfußlaufen umgestiegen bin. Seither habe ich jedenfalls keine innere Verletzung mehr gehabt.
Wahrscheinlich ist auch das der Grund, warum Güng in jedem Thread, in dem es um so eine Laufverletzung geht, mit der Empfehlung die Schuhe doch wegzulasssen, um die Ecke kommt. Sie ist aber deshalb unberechtigt, weil sie in 99% der Fälle nicht den Bedürfnissen des Läufers gerecht wird, denn nur die wenigsten wollen wirklich barfuß laufen.
Die Verletzungsarmut (bezogen auf die typischen Läuferkrankheiten) gilt aber auch nur für Menschen mit einem Bewegungsapparat und einer Körperstatik, die sich im normalen Bereich befindet. Ich würde niemandem mit einem echten Plattfuß, einer Gehbehinderung, X-Beinen, Kniefehlstellung, sehr starkem Übergewicht usw. empfehlen, barfuß zu laufen. Das mag zwar mit enorm viel Aufwand in vielen Fällen auch möglich sein, ist aber sicher für die wenigsten erstrebenswert. Hier sind Schuhe und orthopädische Hilfsmittel angezeigt.
Das geringe Verletzungsrisiko bezieht sich auch nur auf Menschen, die schon die Adaptionsphase durchschritten haben. Das Verletzungsrisiko während der Umstellung auf das Barfußlaufen ist natürlich noch einmal sehr hoch. Besonders die Achillessehnen sind gefährdet (ich spreche aus Erfahrung). Beim Laufen mit Schuhen wird der Fuß i.d.R. auf den Boden geworfen und muss man dann durch den Quadrizeps wieder hochgezogen werden, darum haben Schuhläufer eher eine hohe Oberschenkelbelastung. Beim Barfußlaufen wird die Achillessehne dagegen mit Energie aufgeladen, die beim Abstoßen dann wieder freigesetzt wird.
Der Vergleich mit der Kleidung hinkt natürlich auf allen verfügbaren Beinen, denn diese beeinflusst die Körperstatik und den Bewegungsapparat i.d.R. überhaupt nicht. Ein Vergleich wäre eher, wenn wir vom Kindesalter an unsere Hände eingipsen würden und als Erwachsene uns dann wundern, warum unsere Hände verkümmert sind und nicht mehr richtig funktionieren. Genau das passiert nämlich, wenn man Schuhe trägt. Die Propriozeption wird nachhaltig gestört; die sensomotorischen Reize werden nicht oder falsch ans Gehirn weitergeleitet. Das Gehirn versucht natürlich entsprechende Signale zurück an den Fuß zu senden, steuert die Muskeln aber falsch an. Der Fuß funktioniert nicht richtig; die Muskulatur verkümmert und schon bald hat man eine schöne Fehlstellung. Dieses Problem haben Barfußvölker z.B. nicht.
Ich kenne jedenfalls keine Kleidung, die einen solchen Effekt hätte.
Des Weiteren muss man aber auch Schuh relativieren. Ich begrüße die Entwicklung, die sich in Richtung weniger Schuh entwickelt. Problematisch sind vor allem Schuhe mit dicker Dämpfung, hoher Sprengung, Zehenerhöhung, enger Zehenkammer und starkem Fußbett. Das sind Schuhe, die den Fuß führen. Warum sollte ich aber meinen Fuß - eine Meisterkonstruktion der Evolution - von einem profanen Schuh führen lassen? Mein Fuß weiß besser als jeder Schuhe, wie er dämpfen soll und wann er wie welchen Muskel mit welcher Kraft aktiviert; wann ich mit welchem Teil des Fußes lande, wieviel Pronation zu gelassen wird. Da hat mir ein Schuh überhaupt nicht reinzureden. Und zum Glück gibt es inzwischen auch Schuhe, die sich durch den Fuß führen lassen.
Wenn man den Schuh weglässt und los läuft dauert es nur eine Weile, bis der Körper selbstständig seine natürliche, effektive und gesunde Laufhaltung einnimmt. Da brauch man gar nicht so viel tun und man kann dem Körper ruhig vertrauen, dass er besser als jeder Schuh weiß, wie er sich zu bewegen hat.
Ich selbst trage z.B. auch hin und wieder Vibrams vor allem bei Kälte. Dieser Schuh stützt und dämpft überhaupt nichts. Im Alltag trage ich mittlerweile Vivobarefoot Schuhe, die auch nur einen dünnen Lappen als Sohle bieten.
Sehr interessant finde ich, wie sich der Fußabdruck erkennen lässt. Das sieht tatsächlich aus wie der Abdruck eines Normalfußes, obwohl ich Knicksenkspreizfüße habe. Mit diesen Tretern war ich übrigens letzten zwei Wochen auf Reisen, wo wir täglich etwa 20-40km marschiert sind. Während meine Freunde abends über schmerzende Füße klagten, hatte ich keinerlei Beschwerden.
Was das Thema Barfußlaufen auf harten Böden angeht:ich bevorzuge auch Böden, die nicht zu weich sind. Ich laufe Barfuß auf Asphalt usw. Es ist ja mittlerweile auch erwiesen, dass Laufen auf zu weichen Böden schädlich ist. So weiß man heute, dass das oft angepriesene Barfußlaufen am Strand sehr schlecht ist.