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Mud & Chocolate Trail Run - Halbmarathon in Sammamish / Seattle

Mud & Chocolate Trail Run - Halbmarathon in Sammamish / Seattle

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... oder 5500 Meilen für den ersten Podestplatz!


Den 3wöchigen Aufenthalt bei meinen Schwiegereltern in Seattle nutzte ich zur Teilnahme an meinem ersten Trail-Lauf.

Der "Schlamm- und Schokoladen-Geländelauf" oder offiziell "Mud & Chocolate Trail Run" genannt, stand am 9. August 2015 auf dem Programm. 3 Tage nach unserer Ankunft in Seattle und mit 8 Stunden Zeitverschiebung im Schlafzentrum des Kleinhirns sollte es im Soaring Eagle Park, in Sammamish gelegen, ein Halbmarathon werden. Nicht irgend ein Halbmarathon, ein Trail-Halbmarathon, mein erster Trail-Wettkampf überhaupt.

Der Veranstalter-Homepage war zu entnehmen, dass der Trail einfach zu laufen und keinerlei Geländelauf-Erfahrungen notwendig seien. Diese Aussage reichte für mich, um auf breite Waldautobahnen eingestellt zu sein. Es sollte dann doch ein wenig anders kommen ...

Ein kompletter Grünschnabel war ich ja nicht. Ab und an verlegte ich bereits Trainingsläufe, vorwiegend Fahrtenspiele, von der Straße auf hügelige Waldstücke.

Raceday: Das auf Rennverträglichkeit getestete Frühstück bestand aus Kaffee sowie Toast mit Honig und wurde wie üblich 3 Stunden vor dem Start eingenommen. Eigentlich hätte ich gerne noch einen zusätzlichen Toast mit Schokocreme verzehrt, aber in den unendlichen Weiten der amerikanischen Kühlschränke war für zucker- und fetthaltige Schokolade kein Platz.

Kaloriengestärkt brachte mich mein Schwiegervater Daniel rund eine Stunde vor dem Startschuss zum Eingangsbereich des Parks, der Zugleich als Start- und Zielgelände diente. Der Soaring Eagle Park bietet nicht nur Radfahrern, Nordic Walkern sowie Reitern tolle Möglichkeiten, nein, er beheimatet auch Berglöwen und Bee(ä)ren. Während Schwarzbeeren den Weg in den Muffin finden, sollte man Schwarzbären besser aus dem Weg gehen. Dem Instinkt entsprechend sollten eigentlich Bären den Läufern aus dem Weg gehen. Trotzdem warnen Schilder vor der dort vorkommenden Fauna und rät, auf den befestigten Wegen zu bleiben.

Das Startgeld wurde bereits vor Tagen bei der Anmeldung überwiesen, sodass die Abholung der Startnummer eine Angelegenheit von wenigen Minuten war. Ein Großteil des Nenngeldes floss übrigens nach Angaben des Veranstalters direkt in die Erhaltung der wunderschönen Parkanlage.

Noch 20 Minuten waren es noch bis zu meinem Start, als die Teilnehmer des 4,5 Meilen Laufes sich auf den Weg machten. Man konnte die Läuferinnen und Läufer rund 200 Meter auf der breiten geschotterten Waldstraße folgen, dann verschwanden sie hinter einer Kurve.

Die Halbmarathonstrecke setzte sich aus der Start- und Zielgeraden zuzüglich 3 Runden im Park zu knapp 7 Kilometer zusammen, sodass recht genau die 21,1 Kilometer zu laufen waren.

Briefing: Die letzten Minuten bis zum Start des Halbmarathons wurden genutzt und man erklärte uns die zu beachtenden Wegemarkierungen. Auch wurde erwähnt, uns nach jeweils einer gelaufenen Schleife am Checkpoint mit der Startnummer zu erkennen zu geben um nach der dritten Runde auf die Zielgerade durchgewunken zu werden.

Meine Ambitionen? Ich wusste nicht so recht, wie die Ergebnisse der letzten Jahre zu interpretieren waren. So finishten all die Jahre nur zwei Hand voll Teilnehmer diesen Halbmarathon unter 2 Stunden. Meine Bestzeit über diese Distanz würde reichen, um am Podest Platz zu nehmen; meine Straßenbestzeit ohne erwähnenswerte Höhenmeter wohlbemerkt. Es schien zwei mögliche Gründe für diese "langsamen" Zeiten zu geben. Entweder war der Trail deutlich anspruchsvoller als von mir angenommen und/oder für die Teilnehmer dieses Laufes stand "dabei zu sein" im Vordergrund.

Mein Plan sah vor, mit einer 5er Pace zu starten und das Tempo dann eben den geländemäßigen Gegebenheiten und vor allem auch der eigenen Ausdauer (nach oben) anzupassen.

Ich reihte mich bei rund 130 Teilnehmern im vorderen Teil ein und wir zählten die letzten 10 Sekunden bis zum Start herunter. Three ... two ... one .... Go!

Ein angenehm breiter geschotterter Weg führte uns leicht bergauf über eine uneinsehbare Kurve in den Wald. Bis zu dieser Stelle konnten vor einer halben Stunde auch die 4,5-Meilen-Läufer nachverfolgt werden. Ich befand mich ca. an Position 20 als die Wegemarkierung forderte, nach links in einen bergab führenden Trampelpfad zu biegen. Vorbei sollte es sein mit der breiten Waldautobahn. Es folgten Kilometer auf schmalen Trampelpfaden mit Gefälle, teils großem Gefälle, Anstiegen, teils heftigen Anstiegen, Kurven links, Kurven rechts. Laufen in Reih´ und Glied war angesagt, das Überholen eine Challenge. Hohe Kanten, ausgeprägtes Wurzelwerk zwangen die Gebeine sich entsprechend zu heben. Konzentriertes Laufen war angesagt.

Mein Empfinden dabei? Wie geil war das denn? Ich "flog" förmlich über Wurzel und Steine, umkurvte Bäume, machte bergauf Tempo, ließ bergab den Beinen freien Lauf. Dieser Trail machte richtig viel Spaß. Ab und zu ein kleiner Ausrutscher oder Stolperer mahnte, die Konzentration nicht zu verlieren. Meine gelegentlichen Waldläufe machten sich bezahlt. Mir blieb ein Sturz erspart und konnte auf diesem Terrain gutes Tempo laufen.

Nach Beendigung der ersten Runde, also nach rund 7 Kilometern, hatte ich geschätzte 10 Teilnehmer überholt.

Am Check-Point wurde mir zu verstehen gegeben, die Startnummer registriert zu haben. Ich labte mich mit einem Becher Wasser. Obst stand ebenfalls zur Verfügung. Das angebotene Schokoladen-Gel ließ ich ob fehlender Verträglichkeitsprüfung im Wettkampf dann doch an der Verpflegungsstelle zurück.

Weiter ging es; zuerst wieder abwärts. Ich zweifelte, dieses Tempo auf diesem Terrain über 21 Kilometer halten zu können. Das Hochheben der Füße über Wurzeln und Steine, das permanente rauf, runter, links, rechts, das riskante Überholen an Bäumen herum, sollte an den Kräften doch über das gewohnte Maß zehren.

Aber dieses Rennen beflügelte mich. Auch auf der zweiten Runde überholte ich Läufer. Am Ende der Runde standen auch die ersten Überrundungen an. Man konnte am Geschwindigkeitsüberschuss zumeist gleich erkennen, ob es sich nun um eine Überholung oder (nur) Überrundung handelte. Ich spürte, dass ich bestimmt schon unter den ersten 10 sein müsste. So eine Situation hatte ich in meiner Läuferkarriere noch nicht erleben dürfen. Ich bin von meiner Leistung her am Ende des ersten Drittels eines Läuferfeldes anzusiedeln. Da ich immer Läufe mit recht vielen Teilnehmern bevorzugt hatte, war meine Position meist dreistellig. Ich war vom Verlauf dieses Rennens so beflügelt oder auch vom amerikanischen Honig auf dem Frühstückstoast so gestärkt, dass kein Nachlassen der Kräfte zu spüren war.

Die Runde 2 war beendet. Der kurze Stopp am Startnummern-Checkpoint wurde wieder zur Stärkung genutzt. Ein Becher Wasser und ein Stück Banane waren es. Schoko-Gel wurde weiterhin verweigert. Auf zur letzten Runde.

Ich hielt Ausschau nach vor mir liegenden Läufern. An manchen Passagen war es möglich, die Strecke zwischen den Verwindungen, Wellen und Gehölzen ein wenig weiter einsehen zu können. Ich machte eine 2er Gruppe aus auf die ich langsam auflief. Meine Schritte wurden schwerer, aber ich keinesfalls langsamer. Zu sehr motivierte es mich weiter zu überholen. Auf einer Steigung zwängte ich mich an den beiden Mitstreitern vorbei und zog das Tempo weiter an. Was für ein befriedigendes Gefühl, jemand in einem Anstieg zu überholen und davon zu ziehen. Nach einigen schnellen Schritten war das tiefe Atmen der Kollegen nicht mehr zu hören und ich wusste, ich hatte wieder zwei Plätze gut gemacht.

Noch rund zwei Kilometer. Auf welcher Position würde ich liegen? Vielleicht an 5. Stelle? Oder waren mir auf der Startrunde doch einige mehr enteilt als angenommen und ich würde im Ziel mit der Platzierung enttäuscht sein?

Da vorne war wer! Den kriegen wir noch, war die Meinung des Zentrums für Ehrgeiz und Schmerzverdrängung. Die Beine fühlten sich schwer an. Der Lauf über Stock und Stein zeigte nun doch Wirkung. Aber mein Tempo war nach wie vor hoch. Ein paar unwegsame Kehren später hatte ich aufgeschlossen. Auch dieser Kerl hatte nichts entgegen zu setzen. Ich überholte ihn und war nicht in Gefahr, den errungenen Platz wieder abgeben zu müssen. Niemand konnte zusetzen, ich wurde auf den ganzen 21 Kilometern kein einziges mal überholt.

Ich lief auf den Check-Point zu, meine Startnummer für drei absolvierte Runden für gut befunden und auf die Zielgerade durchgewunken. Ich spekulierte damit, es tatsächlich unter die ersten drei geschafft zu haben. Knapp 200 Meter trennten mich von der Ziellinie. Leicht bergab konnte ich sogar nochmal zusetzen und sprinte förmlich ins Ziel.

1:45:17 lautete die Endzeit für meinen ersten Trail - Lauf. Und tatsächlich landete ich auf dem 3. Platz. Mein erster und für lange Zeit vermutlich einziger "Stockerl-Platz" meiner Laufkarriere.

Mit dem Verzehr von leckerer Schokolade überbrückte ich die Wartezeit bis zum Eintreffen meiner Familie. Ich hatte mich doch zumindest eine Viertelstunde später angekündigt.

Fazit: Es gibt bestimmt Laufveranstaltungen mit deutlich mehr engagierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Hier stand für die Mehrzahl dann doch das "dabei sein" und mit dem Nenngeld "etwas gutes tun" im Vordergrund. Aber ich lasse mir dadurch meine Platzierung nicht schlechtreden ;-).

Dritter ist Dritter! Pasta! Und ich habe die Liebe zum Cross - Lauf entdeckt.

Fotos (Schoko im Ziel; Finisher-Medaille; Garmin-Track)
http://zweiundvierzigundmehr.blogspot.co.at/

https://www.facebook.com/wolfgangkoelli/

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Genialer Laufbericht!

Ich erkenn mich darin wieder: Ich hätte mich genauso über jeden Überholten gefreut, hätte genauso auf die Platzierung geschielt und mir wäre es genauso ******egal, ob dieser 3. Platz jetzt nun dem geringeren Ehrgeiz einiger anderer geschuldet ist oder nicht. 3. Platz ist 3. Platz, selbst in Meisterschaftsrennen profitiert da oft genug einer von z.B. einer anderen Saisonplanung bei anderen Läufern.
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