Sa, 04.06.2016 --- Spargellauf Lampertheim 10k (flach)
Vorgeplänkel
Wie schon erwähnt, hatte ich den ganzen Tag alle verfügbaren Wetterapps und Regenradare beobachtet, aber es half nichts - das einzig Konstante am Wetter blieb seine Unberechenbarkeit. Gegen 15:00 fuhr ich los, die A6 war frei, inklusive Panoramabklick auf herrliche Gewitterwolken über dem Rheintal. Unterwegs schwankte die Außentemperatur mehrmals zwischen 26 und 22 °C hin und her. Nach 1h erreichte ich Lampertheim und war sofort in Reichweite der Veranstaltung. Fand einen Parkplatz an der Landstraße und marschierte erstmal zum Sportgelände, um mich zu orientieren.
Auf dem Aufwärmrasen traf ich erst Mike; ich erkannte ihn am Outfit (an der Haarpracht weniger, da ist das Avatarbild wohl etwas retuschiert ?
). Später dann auch Sascha und Jep. Kurzer angenehmer Plausch, mein heute doch auffallend träger Darm ließ mich nochmals zum Sanitärbereich streben, um einen letzten Versuch zu starten. Endlose Warterei vor mickrigen zwei Klöchen, bis ich endlich dran war. Und tatsächlich: A bisserl was geht allaweil. Höchste Zeit zum Aufwärmen, ich ließ es bei drei Runden auf dem Rasen bewenden - das langsame Starttempo sollte mich hierin bestätigen. Dann noch etwas Dehnen der Oberschenkel.
Und dann hatte ich schon wieder Durst. Hatte auf der Herfahrt und beim Umziehen fast einen Liter Mineralwasser gelehrt, aber jetzt war der Mund schon wieder trocken. Gut dass die Getränkestelle noch/schon in Betrieb war. Und schon rief der Sprecher zum Start auf.
Nachdem ich mich vorher vergewissert hatte, dass die Nettozeit genommen wird (in Öhringen gab's von derselben Timing-Firma nur brutto), ließ es mich kalt, dass ich erst ziemlich spät am Start erschien. Ein paar Lücken im Feld nutzte ich noch zum Vorrücken, aber ich stand trotzdem nur im letzten Viertel, wo ich ja wohl auch hingehöre. Interessant auch, dass ich da mit 57% HFmax stand. Im Training starte ich mit 32 oder 33%. Adrenalinproduktion also schon voll am Laufen ?
Das Rennen
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Km # [/td]
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Ø Pace [/td]
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Ø HF [/td]
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Kadenz [/td]
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Kommentar [/td]
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1 [/td]
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5:59 [/td]
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155 [/td]
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160 [/td]
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2 [/td]
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6:07 [/td]
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167 [/td]
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164 [/td]
[td] Brücke [/td]
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3 [/td]
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6:21 [/td]
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167 [/td]
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162 [/td]
[td] Uiuiui, das wird heut nix [/td]
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4 [/td]
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6:37 [/td]
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166 [/td]
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160 [/td]
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5 [/td]
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6:58 [/td]
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161 [/td]
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158 [/td]
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6 [/td]
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7:08 [/td]
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162 [/td]
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158 [/td]
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7 [/td]
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7:10 [/td]
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156 [/td]
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158 [/td]
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8 [/td]
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7:10 [/td]
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161 [/td]
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158 [/td]
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9 [/td]
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7:23 [/td]
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160 [/td]
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156 [/td]
[td] Brücke [/td]
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10 [/td]
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6:31 [/td]
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165 [/td]
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160 [/td]
[td] Etwas geht immer [/td]
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Schnitt: [/td]
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6:43 [/td]
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163 [/td]
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160 [/td]
[td] HF: KM 2 bis 10[/td]
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KM 1: Start"schuss", es dauert etwas bis die Meute in die Puschen kommt, aber keine Panik, es wird ja netto gemessen. Aber auch nach der Startmatte geht es erst mal gefühlt sehr zähflüssig voran. Die 300m lange Startgerade geht aber trotzdem mit 5:49/km weg - eigentlich ideal. Dann scharfe Linkskurve und Verengung auf einen 3m breiten Fuß/Radweg. Da knubbelt sich's nochmal richtig. Ich bin versucht, einige Leute auf dem schmalen Grasstreifen neben dem Asphalt zu überholen, aber ein Blick auf die Uhr belehrt mich eines besseren - diese 700m Getümmel ermöglichen immer noch 6:02/km. Insgesamt 5:59 für KM 1. Perfekt - ich danke innerlich den Leuten, dass sie mich gebremst haben. Erster Wehrmutstropfen: Als meine Uhr das Ende des ersten KM piepst, ist das Schild noch 20, 30m weg. Das kann ja heiter werden, wenn alle meine bisherigen Zeiten immer viel zu optimistisch angezeigt wurden ! (Dieser Trend soll sich bestätigen, aber insgesamt etwas schwächer - am Ende zeigt meine Uhr 10,14 km für den DLV-vermessenen Kurs.)
KM 2: Eine geschwungene Rechtskurve und da ragt sie auf wie das Matterhorn aus dem Zermatter Tal: Die Eisenbahnbrücke. Zwar keine 10m hoch, aber doch recht steil. Aber noch kein Problem - was ich im Anstieg verliere, hole ich hintenraus fast vollständig wieder rein, obwohl ich mich bergab zurückhalte, um meinen Oberschenkel nicht gleich abzuschießen. Allerdings zeigt sich hier der Puls schon mal bei 170 bpm (92 %), und das nach gerade mal 1,5 km. KM 2 benötigt 6:07. Klingt immer noch wie fast im Plan, wenn ich der Brücke 2 oder 3 Sekunden zugestehe. Aber der Puls bleibt oben und das spüre ich bald auch. Ob das wohl gutgeht ?
KM 3: Geht es nicht, denn schon zur Mitte des 3. KM fängt die Puste an, merkwürdig knapp zu werden. Zwar zappelt jetzt im Stadtzentrum die Momentan-Pace ziemlich rum, aber wenn die Ausreißer fast immer in Richtung zu langsam gehen und nur selten zu schneller, dann ist halt schon der Wurm drin. Ich greife den ersten Wasserbecher, habe aber Hemmungen, im Laufen vollmundig zu schlucken - so wird es nur ein Nippen, während der Rest auf dem Shirt landet, wo er heute zweifellos hingehört. 6:20 für diesen KM.
KM 4: Jetzt die lange Gerade auf der Bürstädter Straße stadtauswärts. Das Tempo fällt weiter ab. Zwar gibt es immer noch Leute, an die ich mich dranhängen kann, aber bei der geringsten Tempoverschärfung gerate ich merklich weiter aus der Puste. KM 4 ist doch eigentlich noch zu früh für Endspurtgebaren ? Mir dämmert langsam, dass das heute nix wird mit sub 60. Und urplötzlich taucht er dann auf wie aus dem Nichts, mein lang vermisster Schatten Horst. "Ach, hör doch auf mit dem Scheiß, du machst dich doch nur lächerlich" motzt er heute ungewohnt deutlich und unwirsch. Nichts von dem üblichen diplomatischen Gesäusel über Vorschläge ausschließlich zu meinem Besten. Ja, ich werde heute aussteigen, Horst hat mich überzeugt. KM 4 benötigt 6:37 und akkumuliert bin ich mit 25:01 schon 1 min. hinterm Plan. Eine kurze Weile träume ich von dann wenigstens sub 62 (also Verbesserung der Öhringer Zeit). Aber diese Weile ist doch sehr kurz.
KM 5: Ausstieg vertagt, denn kurz nach KM 4 taucht eine private Wasserstelle auf. Ich nehme einen Becher und gehe ein paar Schritte, während ich einen Schluck trinke und den Rest zur Dusche mache. Naß mag Horst ja nun gar nicht, und so bin ich ihn für ein, zwei Minuten los. Auf dem letzten KM bis zur Wende holt er mich wieder ein und jault aufgeregt "Aufhören ! Aufhören". Wie immer, wenn Horst penetrant wird, werde ich bockig. Die paar hundert Meter bis zur Wende kann ich nun auch noch mitnehmen. Damit ich wenigstens mal die ganze Strecke gesehen habe. Irgendwo hier kurz vor der Wende taucht dann auch noch Tommi auf. Mir kommt in den Sinn, was Tommi wohl machen würde bei so einem Rennen, bei dem alle Ziele bereits hoffnungslos entschwunden sind. Aufgeben ? Nicht unser Tommi, oder höchstens, wenn er tot umfällt. Wenn gar nichts mehr geht, dann wenigstens entspannt weiterjoggen und das in vollen Zügen genießen, was noch genießbar ist. Nun, das mit dem Genießen von Tagen wie heute muss ich noch üben, aber der Gedanke "Lieber Joggen als kneifen" fängt an, sich festzusetzen. Es ist wie eine Befreiung, aber leider findet mein Körper das auch, schaltet gleich mal einen Gang zurück und beendet den KM 5 in schönstem Jogging-Tempo: 6:58.
KM 6: Während ich mich auf dem vorigen KM ziemlich stark selbst defokussierte, drang aber doch in mein Bewusstsein, dass ich mit drei anderen Läufern (zwei Frauen und ein Mann, alle mittleren Alters) eine Gruppe gleichen Tempos bildete. Wir schlurfen neben- oder dicht hintereinander her, mal überholt der eine, mal der andere. Ab der Wende tritt dieser Aspekt Mann gegen Mann/Frau stärker in den Vordergrund. Einmal denke ich, jetzt lassen sie nach und überhole alle drei auf einen Streich, aber der Mann leistet Gegenwehr und zieht gleich wieder vorbei. An der Wasserstelle vor KM 6 spendiere ich ein paar Sekunden und habe sie alle drei prompt wieder vor mir. 7:08, aber ich schaue eh nur noch selten auf die Uhr - die deprimiert mich heute eh nur.
KM 7: 100m vor dem von mir verfolgten Dreierpulk taucht ein weiterer Mitstreiter auf. Als erstes fällt mir von weitem sein Laufstil auf, der aussieht wie der eines durchaus geübten Gehers - Beine kaum vom Boden weg und bei jedem Schritt den Rumpf elegant verdreht, um die Schrittlänge noch um die Hüftbreite zu verlängern. Dann bemerke ich das breite Kreuz, schläft wohl in der Muckibude. Und als letztes fällt mir ein ganz leichtes Humpeln auf. Er kommt nicht weg von mir, aber ich anscheinend auch nicht näher ran. 7:10.
KM 8: Wieder in der Innenstadt. An der Wasserstelle perfektioniere spontan meine Trinktechnik, nun ohne Gehpause: Die erste Hälfte geht direkt über den Kopf. Den Rest schütte ich mir mit Schwung mitten ins Gesicht, wobei der Mund weit offensteht und dabei vielleicht 20% des Schwalls auffängt. Der Rest pladdert auf die Brust und das ist heute goldrichtig. Großen Durst habe ich eigentlich nicht, da vorher offenbar ausreichend getrunken. Kleines Duell mit einem weiteren, älteren Läufer, der immer Gehpausen einlegt und dann beim Laufen doch wieder an mir vorbeizieht. 7:10.
KM 9: Private Wasserstelle, wieder mit der nun bewährten Kipp-und-Schwall-Technik absolviert, meist sind es Kinder, die geradezu darum buhlen, dass man ihren Becher nimmt. Strahlende Gesichter bei den Auserwählten. Es gibt einen kleinen Stich ins Herz, dass ich nicht alle Becher annehmen kann. Und dann türmt sich die Brücke wieder auf. Plötzlich ist der Geher ziemlich nah vor mir. Auf dem Anstieg hole ich ihn fast ein, aber oben kann er früher beschleunigen und kann so der Überholung vorerst entgehen - und das obwohl sein Humpeln jetzt deutlicher zu sein scheint. Der entwischt mir nicht mehr, für krankes Wild kennt der Dschungel keine Gnade. Bergab erreiche ich noch einmal den heute ungewohnten Wert 6:15/km und am Fuße der Rampe ziehe ich majestätisch vorbei. Trotzdem geschlagene 7:23 für diesen KM.
KM 10: Der letzte KM beginnt wieder mit dem schmalen Fuß- und Radweg vor der Zielgeraden. Irgendwie bin ich jetzt in Schwung. Passend dazu tauchen umgehend die drei von vorhin wieder vor mir auf. Und schwuppdiwupp sind sie alle drei aufgeschnupft. Dann scharfe Rechtskurve auf die Zielgerade. Da Start und Ziel aber gut 100m auseinander liegen, sind es jetzt noch 400 m. Jetzt muss alles raus, jetzt überholt die Rennkartoffel keiner mehr. Die Zielgerade absolviere ich tatsächlich wieder mit 5:45/km, ganz wie zu Beginn. Wenn man doch nur die dämlichen 8,5 km dazwischen streichen könnte ...
Insgesamt
1:08:12 - vergiss es.
Anschließend eine Runde auf dem Rasen auslaufen und erst dann Finisher-Shirt, Getränke und Banane abgreifen. Und dann wird auch schon lautstark die HM-Ankunft angekündigt, siehe Beitrag oben.
Eigentlich müsste ich ja total frustriert sein, bin es merkwürdigerweise aber nicht (so sehr). Der ganz große Frust kam nämlich schon viel früher, so bei KM 3 bis 4, als alle Felle bereits deutlichst am Wegschwimmen waren. Auf der zweiten Hälfte überwogen dann - trotz weiter ins Bodenlose fallenden Tempos - die kleinen Freuden der gewonnenen Kraftprobe mit Horst und der nachfolgenden kleinen Schildkrötenduelle. Der große Frust war da schon großteils ausgekehrt. Was bleibt, ist ein großes Erstaunen, wie etwas dermaßen grandios daneben gehen kann. Da wird noch ein wenig zu analysieren sein.