Das Vorgeplänkel
Nachts gut geschlafen, wenn nicht ausgerechnet heute der Rauchmelder im Schlafzzimmer losgegangen wäre - Batterie schwach. Derart gut aufgeweckt, dauerte es eine Stunde, bis mein Schönheitsschlaf wieder zum Zuge kam. Dafür bis 8:00 gepennt - gut, dass ich meine Siebensachen schon am Vorabend in aller Seelenruhe zusammengekramt hatte. Ein ordentliches Marmeladenbrot nebst Herzschrittmacherkaffe zum Frühstück, Dusche und los. Unterwegs zwinge ich mich, alle Naselang zu trinken und so ist bald die erste Literflasche Mineralwasser leer. Start ist um 13:00 Uhr; ich hatte geplant, um 11:00 einzutreffen - wäre ich auch fast, wenn nicht 2 km vorm Ziel die Straße bald 30 min. gesperrt gewesen wäre, um die schon lange aktiven Marathonläufer queren zu lassen. Aber zum Glück habe ich ja noch Zeit genug. Finde mit Kreativität noch einen Parkplatz direkt gegenüber dem Zielbereich und mache mich erstmal auf, die Startunterlagen abzugreifen. Positive Überraschung: Keinerlei Warteschlange, nach 1 min. ist alles vorbei. Ein Blick auf das Kuchenbuffet verheißt ebenfalls viel Gutes. Auf wohl 20m Länge biegen sich die Tische unter der süßen Last.
12:00 Uhr, ich beginne langsam, mich zu rüsten, um noch genügend Zeit für die Verdauung zu haben. Die nutzt ihre Chance denn auch noch mehrfach. Langsam schlendere ich die 500m zum Startbereich und werde unterwegs fast totgetrampelt von einem Pulk entgegenkommender Eltern, die gerade den Bambinilauf begleiten - die Kleinen ernst und fokussiert auf der Straße und die zugehörigen Helikoptereltern hektisch, bis in die Haarspitzen motiviert, teils rufend und permanent angestrengt zur Seite schauend, jedenfalls nicht dorthin, wohin man eigentlich schauen sollte, wenn man so schnell läuft.
12:30 Uhr, die ganze Zeit schon habe ich nach "der Kleinsten im Feld, mit grünem Trikot" Ausschau gehalten. Und sehe überhaupt nur grün, weil der lokale Lichtenwald-Lauftreff - anscheinend ähnlich mitgliederstark wie weiland die Fischer-Chöre - ebenfalls überwiegend grüne Trikots trägt. (Und stelle gleichzeitig fest, dass mein Erkennungszeichen "rotes Shirt" auch nicht gerade ein Ausbund an Originalität ist.) Ich mache mich ans Eintraben und lerne so den ersten Kilometer der Laufstrecke kennen. Kurzes Schwätzchen mit zwei Streckenposten, und dann kommen sie auch schon angeprescht - ein aufgebrachter Schwarm Stockenten, die kurz vor den Zehnern auf die Strecke geschickt wurden. Ich hatte mich insgeheim gefreut, mal zu sehen, wie ambitionierte Wettkampf-Walker das machen, das mit den Stöcken und so. Und dann sehe ich, dass sie alle - ausnahmslos, auch der Führende - ihre Stöcke acht- und wirkungslos hinter sich herschleifen. Schönes Gefühl, wenn man alle seine Vorurteile mal so kompakt bestätigt bekommt.
Eine aus dem Pulk ruft mir zu "Um 13:00 ist aber Start" und, verdammt, sie hat ja Recht, ich muss langsam mal zurück. Zwei, drei Mobilitätsübungen noch und schon bin ich wieder am Start. Vom grünen Trikot keine Spur.
Um 5 vor 1 fällt mir ein, dass ich heute ganz schön viel getrunken habe, mit dem Morgenkaffee mittlerweile bald an die zwei Liter. Wäre doch ärgerlich, wenn unterwegs ... Also nochmal kurz durchgewurschtelt zum Bürgerzentrum mit seinen zahlreichen, blitzsauberen Toiletten. A bisserl was geht allaweil und, husch, wieder zurück ins Glied, ganz am Ende des Feldes. Dann folgt auch schon der Countdown und der - gesprochene - Startschuss. Und ab geht die Post.
Der Lauf
Ich halte mich erstmal total zurück, warum sollte ich mich bei meinen Aussichten auch vordrängeln ? Und so kommt es, dass ich mich, wenn auch nur um einen Wimpernschlag, als buchstäblich Allerletzter über die Startlinie schiebe. Jetzt geht es erstmal 10 Hm sanft bergan, wegen des anfänglichen kurzen Gedränges keine Chance, sich schon hier zu übernehmen. Und gleich wieder sanft bergab und schon ist der erste Kilometer geschafft, in guten 5:55.
Jetzt geht's links ab in den Wald und mit 6% Gefälle ziemlich steil bergab. Der Untergrund ist nun steinig und ich muss höllisch aufpassen, nicht über grobe Steine zu stolpern - wahlweise rollende lose oder in der Wegmitte fest verankerte. Leider sind hier auch noch mehrere mobile Straßensperren, vulgo: laut schnatternde Dreier- bis Viererketten, zu umkurven. Und dann will man bergab ja auch noch ein paar Sekunden gutmachen. Das tue ich auch, halte mich aber angesichts der geschilderten Randbedingungen doch deutlich zurück. 5:27 für diesen 2. KM sind völlig OK.
Es folgt ein Anstieg von der übleren Sorte - sanft beginnend und immer steiler werdend. Am steilsten oberen Ende schaue ich auf die Uhr (was ich heute wirklich selten tue !) und als ich realisiere, dass das Tempo bereits auf weit jenseits der 9:00/km gesackt ist, gehe ich kurzerhand ein paar schnelle Schritte, so ca. 80m. Tut richtig gut, spart Körner und am Ende des Anstiegs sammele ich umgehend alle wieder ein, die sich während meiner Auszeit laut schnaufend an mir vorbeiwurschteln konnten. Das mache ich heute - zum ersten Mal bei einem Wettkampf - tatsächlich noch 4 weitere Male und finde das gut. Ob mir das unterm Strich Zeit genommen oder gebracht hat, weiß ich nicht, ist mir in dem Moment aber auch ziemlich wurscht.
Die KM 4 bis 6 ziehen sich dann ziemlich gleichmäßig aufwärts, wobei der letzte von ihnen mit fast 3% wieder etwas steiler ist und mitten in mein sonores Schnaufkonzert dann die erste Wasserstelle hinein platzt. Ich bin so aus der Puste, dass ich gar nicht schlucken kann und verliere ziemlich viel Zeit damit. Diese Wasserstelle hätte ich mir ein oder zwei KM früher gewünscht, an einer weniger anstrengenden Stelle. So geht dieser Kilometer mit 7:54 ziemlich in die Hose, das Wasser war aber nötig.
Der 7. KM geht zur Abwechslung mal sanft bergab, aber die Beine sind nun doch schon zu sehr angegriffen, um daraus richtig Kapital zu schlagen.
Und nun, auf dem 8. KM folgt der steilste Anstieg von allen - der, über dessen Verschweigen ich mich ja schon im Vorfeld ausführlich und abschließend ausgelassen hatte. Die 34 Hm fallen mir jetzt jedenfalls richtig schwer, aber bis auf eine letzte kurze Gehpause da, wo's noch steiler ist als steil, beflügelt mich die Aussicht auf den Gipfel doch erheblich. Dann wird es nur noch zwei Kilometer bergab gehen und dann werde ich sie alle wieder aufschnupfen und dann, und dann, und dann.
Der 9. Kilometer fällt tatsächlich etwas leichter. Und da gibt's sogar noch eine Wasserstelle, jetzt sie eigentlich niemnand mehr so wirklich braucht. Ich greife trotzdem zu, will damit aber keine Zeit mehr vertrödeln und schütte mir deshalb das Wasser einfach nur über den Kopf.
Auf dem gesamten Bergabstück der letzten 2 Kilometer komme ich dann leider doch nicht mehr in die Gänge, die Beine sind einfach flau und wollen gar nicht mehr gehorchen. Und so dümpele ich um die 6:24 und 6:22 rum. Zwar bringe ich die letzten 400m noch unter 5:50 hin, aber das war's dann auch endgültig.
Kurz hinter der Zielline fliegt mir ein Lasso um den Hals, mit einer Finisher-Medaille dran und gleich darauf fragt mich ein grünes Trikot, ob ich denn der Christoph wäre. Um ehrlich zu sein, in dem Moment konnte ich das unmöglich verlässlich sagen; meine Antwort muss aber doch so überzeugend eindeutig ausgefallen sein, dass Rennschnecke156 ihrem Mann daraufhin doch noch ihr "blind date" vorstellen konnte.
Ich legte mich dann kurz trocken und schlug mich zum inzwischen arg geschrumpften Kuchenbuffet durch. Die Reste waren aber immer noch saulecker und ausreichend. Wir saßen dann noch eine Weile zusammen, plauderten nett und konnten dann bei der Siegerehrung den AK-Podiumsplatz unserer Rennschnecke gebührend beklatschen. An dieser Stelle nochmal ganz herzlichen Glückwunsch - tolle Leistung!
Ach ja, ehe ich's vergesse, das Ergebnis. Da die Ergebnislisten früherer Jahre immer nur eine Zeit auswiesen, unterstellte ich, dass das eine Bruttozeit sei, wie das bei kleineren Läufen wohl oft der Fall ist. Deshalb habe ich meine Uhr sorgfältig gestoppt und zwar bewusst konservativ: beim Start vor dem Betreten der Matte und im Ziel erst danach. Ergebnis: 1:07:21. Um so überraschter war ich hinterher, in den Ergebnislisten 1:07:19 zu finden. Da wird also kundenfreundlich die Nettozeit gemessen, ohne das mit einer Silbe in der Ausschreibung zu erwähnen. So geht Understatement.
Übrigens ist das Platz 6 in der AK M65. Schade nur, dass die Plätze 7 bis 999 sich dieses Jahr allesamt nicht an den Start trauten - was für erbärmliche Feiglinge !