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von FreddyT
Jetzt mal im Ernst und ich hoffe, das wird jetzt nicht wieder zu bierernst:
Glyphosat ist ein Unkrautvernichtungsmittel, das der Landwirt ausbringt, weil das Unkraut den Ertrag der Nutzpflanzen vermindert. Für ihn ist es eine rein wirtschaftliche Frage: wiegt der Mehrertrag bzw. die Kosteneinsparung bei der Bearbeitung der Felder die Kosten für das Glyphosat auf oder nicht. Im Vergleich zu anderen Unkrautvernichtungsmitteln weist Glyphosat einige Vorteile auf, z.B. ist es weniger toxisch für Tiere und baut sich leichter ab. Wie andere Mittel auch wandert das Glyphosat in den Boden und eben teilweise auch in die Nutzpflanzen, über die es dann – Nahrungskette – in das Bier und den Menschen gelangt.
Glyphosat steht – wie viele andere Unkrautvernichtungs-, Pflanzenschutzmittel auch – im Verdacht, krebserregend zu sein. Und wie bei anderen Mitteln auch, bestätigt sich dieser Verdacht im Tierversuch mit sehr hohen Dosen. Als unbedenklich für den Menschen gilt es nur, wenn es in sehr geringen Mengen aufgenommen wird. Das ist jetzt bei den gemessenen Glyphosat-Mengen im Bier der Fall. Man sollte auch nicht vergessen, dass nur angesichts des Fortschritts in der Nachweis- und Meßtechnik solche Mengen heute überhaupt gemessen werden können.
Unbedenklich ist ein dehnbarer Begriff. Auch andere Stoffe wie z.B. Asbest oder DDT oder PCB oder Formaldehyd oder oder oder … galten als unbedenklich, bis dann der Nachweis kam, dass sie für einige oder viele Menschen doch gesundheitsschädigend sind. Insoweit ist der Einsatz solcher Stoffe im Grunde ein Langzeitexperiment. Möglicherweise kann man erst nach Jahrzehnten oder in der nächsten Generation erkennen, welche Folgen der Stoff hat – wenn er welche hat.
Jeder für sich und auch unsere Gesellschaft muss abwägen, welchen Vorteil der Einsatz dieser Stoffe hat und welche Risiken damit verbunden sind. Diese Abwägung verändert sich in Deutschland zunehmend in Richtung von: möglichst keine gesundheitlichen Risiken, wenn auf der anderen Seite „nur“ wirtschaftliche Vorteile stehen. Diese Tendenz halte ich für richtig.
Bei Glyphosat bedeutet dies verkürzt: Glyphosat und auch andere Unkrautvernichtungsmittel werden nicht mehr eingesetzt. Dadurch werden die landwirtschaftlichen Erzeugnisse teurer, im Gegenzug entfallen aber mögliche gesundheitliche Risiken vollständig. Diesen Standpunkt muss man sich wirtschaftlich natürlich leisten können.
Diese grundsätzliche Frage stellt sich – leider – nicht nur beim Glyphosat. Seit der Industrialisierung gibt die Menschheit eine Fülle von Fremdstoffen in die Umwelt/Biosphäre ab, die dort natürlich entweder überhaupt nicht oder nicht in den Konzentrationen vorkommen. Eine Auflistung wäre endlos. Um die Phantasie etwas anzuregen: Feinstaub in der Luft, DDT in der Muttermilch, Schwermetalle im Fisch, Mikroplastik im Meer, Östrogene im Grundwasser, Antibiotika im Schweineschnitzel, Quecksilber in der Zahnfüllung usw. usf. Soweit sich diese Stoffe nicht von alleine abbauen, sammeln sie sich an – und keine heute bekannte Technik kann sie wieder aus dem Kreislauf der Natur entfernen.
Ich behaupte jetzt einfach mal: Es gibt keinen Ort auf dieser Welt mehr, der nicht irgendwie belastet ist. Es gibt auch keine Pflanze oder kein Tier oder keinen Menschen mehr, in dem wir nicht solche Fremdstoffe nachweisen können. Und zwar nicht nur einen Stoff, sondern sehr, sehr viele. Ich halte es für die richtige Strategie, die Verwendung solcher Stoffe grundsätzlich einzuschränken und vor ihrem Einsatz jeweils zu prüfen, ob sie notwendig sind. Notwendig heißt dann aber nicht: nur wirtschaftlich vorteilhaft, sondern auch aus anderen Gesichtspunkten erforderlich.
Wegen des Glyphosats im Bier mache ich mir keinen großen Kopf. Es ist nur ein nettes Thema, um die Zeitung zu füllen, weil Bier bei uns mit dem Reinheitsgebot verknüpft ist und daher alle Fremdstoffe an diesem ehernen deutschen Grundsatz zu rütteln scheinen. Etwas anderes im Bier als Wasser, Hopfen, Gerste und Hefe? Igittigitt. Aber das Glyphosat finden wir nicht nur im Bier, sondern in vielen pflanzlichen und später dann auch tierischen Produkten. Unzählige andere Stoffe kommen noch dazu. Irgendwie denke ich, das muss alles nicht sein. Und deshalb beteilige ich mich auch an Aktionen gegen die Verwendung von Glyphosat.
Das Bier muss man sich ja trotzdem nicht vermiesen lassen. Wohl bekomm's!
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Es ist nicht entscheidend, woher man kommt, sondern wohin man geht.