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von Carigos
Mein erster Halbmarathon
(Oder: wie ich den Halbmarathon mit einem durchschnittlichen Puls von 177 überstand)
Fast eine Woche ist seit meinem ersten Halbmarathon vergangen und ich muss die Sache nicht nur körperlich auskurieren, sondern auch „moralisch“ aufarbeiten. Von daher lasse ich euch hier teilhaben.
Die Vorbereitung:
Ich weiß nicht wie lange es her ist bzw. ob es jemals vorgekommen ist, dass ich mich so akribisch auf ein Ereignis vorbereitet habe – das dürfte noch nicht mal während meines Studiums passiert sein. Auf meinem Trainingsplan standen 5 Wochen à 4 Einheiten, wovon ich KEINE EINZIGE habe sausen lassen. Ebenso erging es meinem Mann, was bedeutete, dass wir mit unseren Terminen, den Kindern und den Verpflichtungen ganz schön herumjonglieren mussten. Aber es geht doch nichts über Muddis tadellose Planung…
Diese sehr ehrgeizige Vorbereitung hat fast zwangsläufig dazu geführt, dass ich diesen Lauf zu etwas emporgehoben habe, was ihm vielleicht gar nicht zustand. DAS Saisonhighlight. MEIN Überraschungs-SuB2. DAS Hochgefühl. Meine Gedanken kreisten in der Taperingwoche nur noch um die Zahlen 1:59…1:59…1:59…Vor meinem geistigen Auge sah ich mich den Pacemaker in der Zielgeraden überholen.
Der Wettkampf:
Die Nacht vor dem Wettkampf bescherte mir leider wenig Schlaf. Wir haben mit der ganzen Familie bei meiner Schwägerin übernachtet, die mit ihrer Familie in der Nähe des Bottwartals lebt. Was dazu führte, dass der Tag davor recht hektisch war und mir mein eigenes Bett schon fehlte. Von der schlaflosen Nacht ließ ich mich aber nicht irritieren - wie war das doch gleich? Die VORLETZTE Nacht ist maßgebend für die Fitness.
Mein Schwager hat sich ein paar Wochen vorher entschlossen mitzulaufen, was den Wettkampf zu einem richtigen Gemeinschaftsevent machte, aber auch den Druck meinerseits erhöhte. Nachdem dann klar wurde, dass wir in drei verschiedenen Blöcken starten würden (Schwager 1, Mann 2, ich 3), war mir schon etwas mulmig zumute. Als Letzte starten und dann ist da jemand im Ziel, der deine Zielzeit kennt und auf dich wartet. Empfand ich eher als stressend.
Als ich dann so im Startblock stand, kam plötzlich wieder diese Zuversicht auf: „Du schaffst das! Genieß den Lauf!“ Ich war echt gut drauf, checkte meine Musik , die Uhr, schaute mich um…und dann ging es ENDLICH los. DEIN Lauf. DEIN Tag. Ich hatte mich natürlich brav hinter den Pacemaker gestellt und trabte locker hinter ihm her. Nach 10 Min. blickte ich auf die Uhr: 93% Puls. Und das, obwohl sich die Anfangsaufregung schon längst hätte legen sollen. Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit weil ich wusste: mit dem Puls kannst du aaaallerhöchstens 1 Std. im angepeilten Tempo laufen - mehr nicht. So wartete ich die nächste Bergabpassage ab, machte nochmal langsamer – aber nichts passierte. Der vermaledeite Puls wollte einfach nicht unter 90% gehen. So langsam wurde ich wütend und dachte: „Im Training liefen die 5:25 so locker bei 87% und jetzt läufst du 6:00 bei 93%!“
Ich weiß, dass jetzt einige von euch mit den Augen rollen und sagen: „Vergiss doch den Puls! Stell das Teil ab!“ Im Nachhinein sage ich auch: wäre ich besser ohne Pulsanzeige gelaufen. Aber grundsätzlich finde ich es trotzdem wichtig, dass man sein Tempo nach diesem Parameter anpasst. Wenn ich dauerhaft mit zu hohem Puls laufe, spüre ich irgendwann meine Beine nicht mehr. Das wollte ich verhindern. Aber klar, die Abwärtsspirale begann sich dann gnadenlos zu drehen, ich fing an zu hyperventilieren, versuchte krampfhaft, mich nicht vom Pacemaker abschütteln zu lassen. Nach 8 km und bei bereits völliger Erschöpfung warf ich mir den ersten Chip in die Backentasche und hoffte auf das Powerwunder. Aber nichts zu machen: der dumme 1:59 Luftballon verschwand am Horizont und ich beerdigte innerlich mein Ziel. Aber ganz aufgeben war natürlich nicht drin: immer weiter, immer weiter…Quälerei…ich schüttete an den Versorgungsstellen alles in mich rein, was mich irgendwie nach vorne pushen könnte: Isodrink, Cola…noch ein Gel…es war einfach bäh.
Irgendwann fing ich doch wieder an, Spaß am Lauf zu bekommen. Und zwar genau bei Kilometer 19. Bald hast du es geschafft, bald darfst du finishen. Egal wie, egal wann.
Bei 2:07 passierte ich die Ziellinie und fühlte mich nur noch ausgelaugt – aber trotzdem irgendwie froh. Kurz konnte ich mich darauf besinnen, dass ich gerade meinen ERSTEN Halbmarathon beendet hatte und stolz sein DURFTE. Aber das Gefühl der Freude hielt nicht lange an: Kopfschmerzen, Übelkeit, Kreislaufprobleme. Erst mal hinsetzen. Die Stunden darauf bekam ich fast keinen Bissen runter, was meinem Körper den Rest gab. Auf der Rückfahrt nach Hause musste ich mich erst mal übergeben, zitterte am ganzen Leib und legte mich zuhause angekommen erst mal eine Stunde ins Bett. Länger ging nicht, denn schließlich waren da noch 3 Kinder, die Abend essen und ins Bett gebracht werden sollten. Das ist immer eine Quälerei, wenn man sich körperlich elend fühlt. Mein Mann finishte übrigens in bombastischen 1:40, was mich einfach nur staunen lässt (- er läuft ja ERST seit April diesen Jahres). Er fühlte sich aber noch gut und konnte mir daher Arbeit abnehmen.
Aber wie paradox das manchmal ist: einen Tag nach der Misere („so einen Scheiß mach ich NIE WIEDER!!“) ging ich gedanklich mein Wettkampfjahr 2017 durch – in dem NATÜRLICH wieder ein Halbmarathon gelaufen werden soll.
Im
Laufwahn seit
6/2015
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Das Programm 2016:
5,8k: 1/2016 * 10k: 3/2016 * 10k: 4/2016 * ...???...
HM: 10/2016