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von Catch-22
Für Samstag früh hatte ich einen letzten Lauf angesetzt, 5 km mit ein paar lockeren Steigerungen, wie ich es inzwischen immer vor einem Wettkampf mache. Da der Lauf am Sonntag um 9:40 Uhr angesetzt war, bin ich kurz vor 10 Uhr aus dem Haus um noch mal ein Gefühl für das Laufen um die Zeit zu bekommen. Es war herrlich, ich drehte meine letzte Runde bei perfektem Herbstwetter, schön kühl, eine Sonne, die nicht wärmte, kaum Wind. Endlich war es Herbst! Ich hatte vermutlich währenddes gesamten Laufs ein breiten Grinsen im Gesicht. Auf den letzten 100 m begegnete mir ein anderer Läufer, der mich mit mindestens genauso einem breiten Grinsen, anlächelte. All meine Bedenken und meine Nervosität waren wie weggeblasen. Kaum wieder in der Wohnung verkündete ich meinem Mann, dass ich am Abend nichts trinken werde, da ein super Lauf auf mich wartet! Er war zwar nicht begeistert, am Abend jedoch solidarisch und hat auch nichts getrunken. Früher wurde es leider trotzdem nicht, so war es schon weit nach 1 Uhr als wir es ins Bett schafften.
Die Nach war kurz, wirklich gut schlafe konnte ich trotzdem nicht. Um 6 Uhr piepte auch schon der Wecker. Trotz der Abstinenz am Vorabend stand ich mit leichten Kopfschmerzen auf. Meinem Mann ging es auch nicht wirklich besser, er meinte, sein Körper hätte wohl mit einem Kater gerechnet und würde nun so reagieren als hätte er einen. So brauchten wir beide etwas Zeit um auf trab zu kommen. Ein Glück, das wir fast zwei Stunden bis zum Zug hatten, das hat dann auch gerade so gereicht. Die Fahrt war kurzweilig, ich genoss die Aussicht. Auf den Feldern lagen dicke Nebelschwaden, die Sonne ging auf und färbte alles. Ein richtig schöner Herbstmorgen, meine gute Laune kam wieder, ich war voller Vorfreude und mir sicher: das wird ein toller Lauf!
Von Bahnhof Bonn aus ging es direkt mit dem Bus weiter über die Kennedy Brücke und von da zu Fuß zum Rhein. Unterwegs kamen wir an den Umkleiden und dem Wettkampfbüro vorbei. Hier herrschte geschäftiges treiben, Kuchentheke für später stand auch schon bereit. Die Startnummer waren schnell abgeholt, wir umgezogen, die Taschen abgegeben.
Wir waren schon sehr knapp an der Zeit, bisschen warmlaufen musste bei den Temperaturen trotzdem sein, wenn auch deutlich kürzer als gewohnt. Nun wurde die Zeit jedoch schon arg knapp, eigentlich wollten wir schon zum Start, war keine 50m entfernt, jedoch fühlten sich meine Schuhe zu locker geschnürt an. So viel Zeit muss sein! Ich kniete mich also zum neu Schnüren hin, hatte gerade den einen fertig und wollte den anderen da hörte ich schon das "3..2..1...", mein Mann drängte, ich wurde nervös, fast gab es einen Knoten, noch mal auf und die Schleife von vorne. Fertig! Nun aber schnell zum Start, wir liefen gerade so mit den letzten über die Linie, waren somit viel zu weit hinten im Feld. Das war jedoch kein Problem, zwar mussten wir ein paar Läufer umkurven, da aber wohl die meisten anderen überpacten passte es ganz gut.
Die 15 km wollte ich gern in 1:22h, also mit einer 5:30/km laufen. Das hatte ich schon vor Wochen anvisiert, jedoch war ich mit dem Training der letzten Wochen nicht ganz zufrieden. Die Form bewegte sich ehr seitwärts (um nicht zu sagen, leicht abwärts). Ich wusste zwar, dass es sowohl an den Temperaturen also auch an der Zusatzbelastung mit dem Krafttraining lag, es also nicht wirklich Grund zum sich Sorgen gab, zuversichtlich die Pace auch umsetzten zu können war ich trotzdem nicht wirklich. 5:30/km im Idealfall, bei einem perfekten Rennen, ja, realistischer fand ich jedoch ehr eine 5:35/km. Die Strecke kannte ich zwar zum größten Teil, jedoch waren mir die Brücken unberechenbar, da ich die Aufstiege nicht kannte. Ich wusste nur, dass die Südbrücke (Konrad-Adenauer-Brücke), also die erste, die leichtere sein würde, da es über eine moderate Rampe von den Rheinauen hoch ging. Die Nordbrücke (Friedrich-Ebert-Brücke) schätzte ich als schwerer ein, da es dort über einen Wendelaufstieg hochging. Diese Aufstiege kennen ich aus anderen Städten, sie sind recht unangenehm zu laufen. Der Rest der Strecke ist relativ flach am Rheinufer entlang, betrachtet ich dementsprechend als keine Herausforderung. Aufgrund der Form und der Brücken entschied ich mich diesmal keine konstante Pace zu laufen, Strategie war bis zur ersten Brücke defensiv laufen, danach es rollen lassen ohne jedoch zu verausgaben, die zweite Brücke so gut wie möglich hochlaufen und dann den Abstieg auf der anderen Seite nutzen um den Schlussspurt einzuleiten, falls noch Körner übrig sind.
Obwohl wir von ganz hinten kamen, wurden wir kaum aufgehalten, schnell waren wir mitten im Läuferfeld. Die Uhr meines Mannes piepte den ersten KM voll, meine nicht, er schaute mich verwundert an, ich sagte "Sie wird heute gar nicht piepen, ich laufe nicht mehr mit KM Splits" Gesamt Pace zeigte sie mir natürlich trotzdem an, da waren wir bei 5:30/km. Fühlte sich deutlich lockere an als erhofft. Ich wollte jedoch so früh nicht schon übermütig werden und nahm etwas Geschwindigkeit raus. Wir überholten weiter hin einige Läufer, fanden jedoch auch in eine kleine Gruppe mit der passenden Pace. Nun hatte ich auch einen Blick für die Umgebung. Über dem Rhein lag der Nebel, von der Aussicht zum Siebengebirge war leider nicht viel zu sehen, sogar die Südbrücke, zu der wir unterwegs waren, konnte man nicht sehen. Die meisten Läufer um mich herum waren sehr dick gekleidet, ich war nur in kurz/kurz unterwegs. Ich wollte sogar mit Singlet laufen, ließ es mir jedoch ausreden. Meine Daumen froren ein wenig im Gegenwind, aber Singlet wäre auch noch gegangen. Warum hab ich es mir bloß ausreden lassen!?
Pace fühlte sich immer noch zu locker an, ich rechnet jedoch fest damit, dass es sich gleich ändern würde, schließlich waren wir schon im rechtsrheinischen Teil der Rheinauen und bewegten uns zur Rampe. Sie kam dann auch wie erwartet, hatte jedoch keinerlei Schrecken für mich. Die anderen Läufern aus unserer Gruppe taten sich deutlich schwerer, so liefen wir uns frei und überholten sowohl hoch als auch auf der Brücke viele Läufer. Nach dem Aufstieg zu Brücke zeigte die Uhr eine gesamt Pace von über 5:35/km an, nach über 3km. Auch von der Brücke runter taten sich wohl einige schwer, hier ließ ich es rollen und wurde sukzessive etwas schneller und musste mich doch bremsen um nicht zu schnell zu werden. Es ließ sich einfach fabelhaft laufen, mir viel es schwer nicht zu sehr anzuziehen. Kurz vor KM5 kam ein Wasserstand, den ich ausließ.Ich hatte diesmal keine Probleme mit dem Magen, so locker/flockig wie es lief, hoffte ich, dass es später auch so sein würde, also ein späteres Trinken auch möglich. Wir liefen durch die linksrheinischen Rheinauen runter zum Rhein und von da nach Norden zur Brücke. Der Nebel lichtete sich, die Sonne war zu sehen und es rollte so gut! Der Pace Schnitt war nun bei 5:30/km. "Nicht übermütig werden" schoss mir durch den Kopf. 10er PB liegt bei 54:31 also 5:27/km, erst vor 5 Wochen gelaufen, und nun war ich mit 5:30/km unterwegs, beim 10er fühlte es sich zur Halbzeit deutlich härter an. Nein, nicht übermütig werden und erst mal die Halbzeit abwarten! Die Wegbeschaffenheiten kamen mir zur Hilfe, es ging ein ganze Weile über Schotter und bremste mich ein. Ich hielt nicht dagegen, zog die Anstrengung nicht an, ließ es locker weiter rollen. Inzwischen hatten wir einen neue kleine Gruppe gefunden und ließen uns mit ihnen treiben. Vor uns zwei befreundete Herren, daneben eine Dame, ein weiteres Pärchen war auch dabei. Mit Sonne und Rückenwind wurde es wärmer, mein Shirt hatte zum Glück einen Reißverschluss, den ich nun öffnete. Ob den anderen nicht zu warm war? So dick wie manche gekleidet waren, war ich noch nicht mal im Winter bei meinen langen Läufen angezogen. Kaum wieder auf Asphalt wurde ich schlagartig wieder etwas schneller, jedoch ohne dass es sich zu hart anfühlte. Einbremsen wollte ich mich nun auch nicht mehr wirklich, musste jedoch unweigerlich an den bevorstehenden Aufstieg denken. Jetzt nur nicht verausgaben! Die zwei Herren taten sich mit der Pace schwer und fielen aus der Gruppe, das Pärchen ließen wir auch bald hinter uns. Gemeinsam mit der anderen Läuferin liefen wir weiter und holten ein paar Läufer ein. Gleich ging es unter der Kennedy Brücke, die nur beim 10km Lauf überquert wird, durch, ich stellte mich darauf ein, dass danach der nächste Verpflegungspunkt sein wird. Ein Schlückchen Wasser täte nun gut. Sie kam dann auch, dummerweise war gerade ein Läufer direkt vor mir, der auch einen Becher wollte. Statt einen vom Tisch zu nehmen blieb er direkt am Anfang stehen und wartet darauf, dass der Helfer, der die Becher gerade auffüllte, ihn einen reicht. F*ck! Ich musste stark abbremsen um ihn nicht umzulaufen und kam somit zu stehen. Becher im Lauf schnappen, schnell nippen und weiter war also nicht. Der ging ja noch nicht mal aus dem Weg oder zur Seite nach dem er einen Becher hatte. Ich quetschte mich an ihm vorbei, nahm einen Becher und lief daran nippend los, reichte ihn dann an meinen Mann weiter. Es dauert natürlich bis ich wieder beschleunigt hatte. Das hat mich überflüssig Zeit gekostet. Ein kleiner Schluck Wasser tat jedoch ganz gut, bevor es nun auf die Brücke ging. Kurz vor der Brücke hatte wir die Läuferin wieder eingeholt und liefen direkt neben ihr hoch. Läufer vor uns taten sich schwer bei Aufstieg, ich sah sie schon von unten gehen. Der Aufstieg war zwar anstrengend, aber ging dann doch leichter als befürchtet. Etwas Zeit hat es trotzdem gekostet, zum Glück zeigte meine Uhr nur die gesamt Pace an, die nun bei 5:32/km lag. Auch hier überholten wir viele Läufer wie schon bei der Südbrücke, obwohl ich erst ein bisschen verschnauften bevor es wieder rollte. Als es von der Brücke runter ging musste ich noch mal kurz Pace rausnehmen, da von hinten das Führungsrad des 30km Laufs (der 40 min früher gestartet war) sich ankündigte. War zwar eine doofe Stelle, aber das kann man leider nicht planen, wir ließen die zwei vorbei und zogen dann noch mal richtig an. Nun hieß es 3km auf dem Rheindamm, wieder unter der Kennedy Brücke durch zum Ziel, Laufen, laufen, laufen, mein Mann hatte gemerkt wie leicht es mir bis hier hin fiel und zog das Tempo nun an. Eine der wenigen Ausnahmesituationen in denen er mir die Pace macht, er lief immer schneller und ich versuchte nur noch dran zu bleiben. Wir sammelten viele Läufer noch ein und erreichten das Ziel mit 1:21:58 auf der Uhr. 5:28/km! Eine Sekunde langsamer als bei der 10er PB! Schneller als geplant und doch deutlich entspannter als erhofft.
Im Ziel haben wir erst was getrunken, dann ein wenig auslaufen und sofort unter die Dusche, schließlich will man sich bei den Temperaturen nicht erkälten, mein Mann muss doch noch zum Marathon. Atmosphäre nach dem Ziel genießen war also nicht. Dafür haben wir uns die Kuchentheke nach dem Duschen umso mehr schmecken lassen. Dort gab es den leckersten Kuchen, den ich je bei einem Lauf gegessen habe! Nach Kaffee und Kuchen war auch keine Schlange mehr bei der Urkundenausgabe. Laut Urkunde ist die Bruttozeit 1;22:37, also 5:30/km geschafft sogar mit trödeln beim Start! (dafür jedoch unvermessen)
Insgesamt war es eine sehr gelungene Veranstaltung. Für 2€ Organisatiosbeitag plus Spende für die Kinderkrebshilfe bekommt man sehr viel. Die Organisation ist einfach klasse, alles war toll. Viele hilfsbereite Helfer, warme Umkleiden und Duschen, tolle Strecke und eine gute Stimmung. Wir waren nicht das letzte Mal dabei!