stoepsel hat geschrieben:Erlaube mir zwei Fragen, die mich brennend interessieren:
Konsumierst du immer Gels, auch bei solchen Wettbewerben, die dir lediglich als langer Trainingslauf dienen? Würde, wenn du nicht bis an den letzten Kohlenhydraten gehst, nicht auch die angebotene Verpflegung in Form von Banane, Apfel, Kuchen ausreichen?
Die zweite Sache ist deine Einstellung, dass Geh-Passagen, sei es auch noch steil, für dich nicht in Frage kommen. Du vermittelst mir in deinen Laufberichten jedoch vermehrt das Gefühl, dass du, wenn du eine Pause brauchst, einfach einen Fotostopp einlegst (oder interpretiere ich hier vielleicht Textpassagen falsch?). Macht es für dich eine Laufveranstaltung "durchgelaufener", wenn du an Stelle von Gehpassagen bei Erschöpfung einen Foto-Halt machst? Da ist laufen mit Geh-Passagen ja noch durchgelaufener ;-).
Hallo Wolfgang,
zu deinen Fragen - auch wenn es gedauert hat:
Verpflegung ist eine recht individuelle Sache. Neben Bekleidungsfragen vielleicht diejenige, wo es zwischen Läufern die meisten Abweichungen infolge Gewohnheiten oder Unverträglichkeiten gibt. Was mich angeht, so bekomme ich unterwegs nichts Festes runter. Abgesehen vielleicht von ein paar Salzstangen, die ich aber nur wegen des Salzes konsumiere. Neben dieser "individuellen NoGo-Liste" gibt es einiges, das aus grundsätzlichen Erwägungen ausscheidet. Bananen in aller Regel, weil ihr Energieinhalt relativ zur Masse zu klein ist und weil der Magen-Darmtrakt zu lange braucht, bis er ihre Stärke-/Zucker-Inhaltsstoffe erschlossen hat. Äpfel scheiden aus, weil sie Stoffe enthalten, die die Leistungsfähigkeit eher bremsen. Aus demselben Grund ist es nicht sinnvoll Fruchtsäfte - etwa Apfelschorle - zu trinken.
"Früher", als mich noch nicht jeder Trainingslauf ans Limit führte, verzichtete völlig auf Kohlenhydrate während Aufbauwettkämpfen, trank nur Wasser, um meine Depots möglichst tief auszuschöpfen. Gerade in diesem Jahr gestaltet sich der Aufbau jedoch so hart - und ich muss ihn so hart halten, wenn ich mein Ziel erreichen will -, dass der Verzicht auf KH nicht möglich ist. Schon gar nicht bei einer Veranstaltung wie dem Sommeralm Marathon, der einen Läufer mit relativ wenig Bergtraining absolut an seine Grenze bringt. Zumal dann, wenn er in der Woche davor einen harten Trainingsplan eingehalten hat.
Beim Supermarathon auf dem Rennsteig habe ich auf Gels verzichtet, mich einzig auf die Verpflegung des Veranstalters verlassen. Ich konsumierte Getränke mit Zucker in rauen Mengen und zweimal "Schleim". Dieser Haferbrei ist so flüssig, dass man ihn trinken kann. Mein mäßiges Laufergebnis führe ich - allerdings zum kleineren Teil - auch auf den Gel-Verzicht zurück.
Gel ist für mich das Nonplusultra der Läufernahrung. Ganz einfach, weil ich es in jeder Menge gut vertrage und wohl auch unabhängig von der Sorte. Ich habe zum Beispiel die 100 Meilen von Berlin (Mauerweglauf) einzig auf Basis von Gels bestritten und dabei meinen wohl bisher besten Wettkampf bestritten.
Ein weiterer Grund - auch wenn er mit meiner Erfahrung in den Hintergrund tritt - für den Gelkonsum bei Aufbauwettkämpfen besteht in der Gewöhnung und im Erleben der Wirkung. Man kann keine größere Sache in Angriff nehmen, wie 100 Meilen, 24h-Läufe oder gar den Spartathlon, ohne vorher alle Mittel, die zum Einsatz kommen fein ausgetestet zu haben. Mir ist auch wichtig immer wieder zu erleben, dass sich der Kräfteverfall, messbar durch das sinkende Wettkampftempo, auf einem bestimmten Niveau mit den Gels begrenzen bzw. stabilisieren lässt. Nicht in alle Ewigkeit aber doch sehr lange.
Ich hoffe, ich konnte Licht für dich ins Dunkel bringen.
Es ist nicht so, dass ich einen Fotostopp bewusst dann einlege, wenn ich in "steile Nöte" gerate. Allerdings hinterfrage ich mein Verhalten in jeder denkbaren Situation. Versuche den Dingen auf den Grund zu gehen. Daher der im Laufbericht der gegen das "Unterbewusstsein" gerichtete Verdacht, es würde mich in dieser Hinsicht beeinflussen. Ich kenne die innersten Beweggründe nicht, die mich an diesem "Gelübde" alles laufen zu wollen so lange die Kraft reicht, festhalten lassen. Das ist auch egal, denn der Mensch muss tun, was der Mensch nun einmal tun muss und das unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Jenseits dieser Unbekannten in mir, gibt es aber einen mental wichtigen Grund, warum ich auch von der Logik her gern an diesem Gelübde festhalte. Diesen Grund kenne ich erst seit der wenigen, außerordentlichen Male, da ich dann doch gehen musste, weil die Kraft nicht mehr reichte. Ich stelle an mir fest, dass, wenn dieser Damm "Alles laufen!" erst einmal gebrochen ist, ich mir viel durchgehen lasse. Dass ich dann schon in leichten Anstiegen kapituliere, obwohl ich sie eigentlich hätte laufen können.
Soweit zu deinen Fragen. Danke für dein Interesse
und alles Gute für dich
Gruß Udo