Hallo,
da mich die Berichte über die persönlichen Wege zum Laufen und zu den Laufevents sehr motiviert haben, möchte ich mich auch mal dran versuchen, über meinen Weg zum ersten Halbmarathon in Leipzig (Halbmarathon Leipzig | Der Klassiker im Herbst!) zu berichten.
Meine ersten Laufversuche waren so 2002 ebenfalls in Leipzig, wo ich Anfang 2000 nach dem Studium hinziehen durfte und es keine 200m zum Clara-Zetkin-Park hatte. Damals für mich alleine mit einem plüschigen Jogginganzug bzw. mit Boxershorts und normalem T-Shirt ;-) Als ich dann meine heutige Frau kennenlernte, der Park nicht mehr so in der Nähe und die Feierabende kürzer waren, hat die Lust aufs Laufen irgendwann auch nachgelassen und ich über die Jahre in mehreren Zyklen immer mehr Gewicht zugelegt. Vor 11 Jahren hat es uns Wahl-Leipzig dann nach Bremen verschlagen. Im März 2015 bei inzwischen 118 kg auf 187 cm angekommen war es nach einem Arzttermin dann soweit, daß ich mich wieder aufraffen konnte, an mir zu arbeiten und neben dem Rad(touren)fahren mit dem Schwimmen angefangen habe. Zurück von einer schönen 1100 km Radtour (Tour Brandenburg, wem das ggf. was sagt) mußte ich dann mit inzwischen 102 kg leider erfahren, daß unser kaputt gespartes Unibad für ein Jahr zu sein wird. Um dem Jojo zu entkommen war klar, daß ich für den Herbst&Winter was anderes brauche und so habe ich recherchiert, ob ich mit meinem BMI es eigentlich schon guten Gewissens mal wieder mit dem Laufen probieren kann. Damit geliebäugelt hatte ich schon länger, auch wenn der Rhododendrenpark unvorstellbar weite 700m entfernt liegt und man auch noch über eine Brücke muß ;-) So hab ich festgestellt, daß gerade ein Laufkurs "von 0 auf 30min in 12 Wochen" begonnen hatte, immer Donnerstags, passend im Bürgerpark gelegen um da nach der Arbeit noch vorbeizuradeln. Also perfekte Voraussetzungen, um Nägel mit Köpfen zu machen. So hab ich dann im September mit 10x1 min Laufen und 1 min Gehpause angefangen. Sich jede Woche zu treffen und von seinen "Hausaufgabenrunden" zu berichten war ungemein motivierend, egal wie mies das Wetter war und es zunehmend dunkler wurde. So nach und nach hab ich dann auch meine Hausaufgaben etwas ausgedehnt und mich ergänzend zum "von 30 auf 60min Fortsetzungskurs" auch zu meinem ersten Wettkampf und zum 1.1.2016 beim örtlichen Sportverein angemeldet, wo mein Kurstrainer auch aktiv ist. Den Begriff Wettkampf finde ich für mich irgendwie immer noch befremdlich, laufe ich nach meinem Verständnis doch nicht gegen andere, sondern mit anderen zusammen gegen mich selber um die Wette. Da die Strecke meines ersten 5km Wettkampfs damals ziemlich vereist war und die richtig guten Läufer entweder gleich 10km gelaufen sind oder ihnen ihre Gesundheit wichtiger war, hat es wider allen Erwartungen sogar für einen 2. Platz von 95 Läufern gereicht, wie ich daheim dann am Rechner festgestellt habe. Meine bislang beste Platzierung ;-) Im Verein konnte ich mit Anstrengung aber immerhin auch ganz ordentlich mithalten und so lies die Motivation nicht nach und folgte beim zweiten AOK Winterlauf der erste 10er und hab ich auch gleich das volle Programm inkl. Stabitraining mitgemacht. Mitte Februar hab ich mich dann auch prompt abgeschossen, als ich vor einer geplanten Woche Pause wegen einer kleinen OP meinte, mal 70 WKM riskieren und am Sonntag mit der Marathongruppe 28km laufen zu können. Es kam wie es kommen mußte und mit den Knien wurde es erst wieder besser, als ich es eingesehen hatte, daß ich zwei Wochen Pause brauche und erstmal kleine Brötchen backen sollte. Die Kniebandagen, die ich seitdem bei LaLas auch mal prophylaktisch trage, haben dann zum Glück auch mit geholfen, daß ich gegen Ende April wieder so weit war, meinen zweiten 10er laufen zu können, mit doch recht ordentlichen 44:25 ohne spezifischem Training und Tapering. Den Traum Ende Juli in Hamburg den HM mitlaufen zu können hab ich da allerdings erstmal beerdigt, um das Glück nicht überzustrapazieren. Als unser Trainer, der das Tempo- und Fortgeschrittenentraining übernommen hatte, vor etwa 3 Monaten angeboten hatte ein Halbmarathontraining mit uns zu machen, war ich dann aber doch Feuer und Flamme und hab mich mit gemeldet. Da das Wochenende für den Lauf in Bremen schon länger verplant war, lag die Entscheidung für Leipzig nahe - Familienausflug mit Zoobesuch, lecker Essen gehen ... Etwas verwegen und ungläubig hab ich mich dann entsprechend seiner Einschätzung auch entschieden, es erstmal mit den Zeit/Streckenvorgaben für 1h30 zu versuchen; reduzieren kann ich ja immer noch. Na ja, so ging dann Woche für Woche dahin (hier http://forum.runnersworld.de/forum/lauf ... athon.html nachzulesen), der 10er Testlauf mit 41:07 war auch Ermutigung erstmal so weiter zu machen - kann mich beim HM ja immer noch sicherheitshalber in Richtung 1:35 orientieren.
Na ja und dann war es jetzt dieses Wochenende soweit ;-) Freitag angekommen, ein letzter ruhiger Lauf, vorbei an unserem ehemaligen Kleingarten, abends zu einem wirklich guten Chinesen und Samstag in den Zoo, wo ich im Gegensatz zu meiner Family schon seit 10 Jahren nicht mehr war und der sich in der Zeit wirklich nochmal extrem gemacht hat, auch wenn er seinerzeit schon toll war. Danach noch schnell die Unterlagen holen und in der angemieteten Wohnung Pasta mit Campis und Kräuter/Chilipesto gekocht ;-) Sonntag ging es dann mit der Erwartung von Nieselregen zum Völkerschlachtdenkmal. Es war doch etwas frisch und ich hab in meinen kurzen Sachen (die Diskussion hier neulich und bei meinem zweiten 10er hat mich ermutigt) doch lieber mit Müllsack drüber meine Aufwärmrunde gedreht. Bei meinem zweiten 10er damals hatte ich lang und kurz dabei und einen erfahrenen Läufer gefragt, der meinte: Willst Du joggen oder Dich anstrengen? ;-) Auch diesmal war es die richtige Entscheidung! Statt Nieselregen kam sogar noch die Sonne unterwegs raus. Vor dem Start hatte ich auch noch das ein und andere nette Gespräch und als es dann im Startkanal zu dem Schild meines ausgewählten pacemakers ging, staunte ich nicht schlecht, daß ich - innerlich noch immer mehr ein Fitnessläufer als ein ernsthafter Sportler - bei 1400 Startern nur wenige Meter hinter der Linie neben all den Cracks stehe ...
Die ersten Kilometer hatte ich dann doch etwas Sorge, daß der pacemaker es etwas überzieht und so wie ich auch ganz gerne am Anfang etwas zuviel Gas gibt. Da ich das Tempo aber doch ganz gut mithalten konnte und Kilometer für Kilometer unter den Anfeuerungsrufen der Zuschauer verflog, gewann ich mehr und mehr Zuvertrauen. Bei Kilometer 7/8 mußte ich dran denken, wie ich zu der Zeit beim 10er Testlauf doch langsam Mühe hatte und es jetzt immer noch locker flockig voranging. So bei Kilometer 9 ging es dann runter zum Markkleeberger See und nach Kilometer 10 auch wieder hoch. Davor hatte ich als Flachlandtiroler doch etwas Respekt gehabt, aber war dann in der Realität doch weniger schlimm als gedacht und lief ich da in meinem Tempo knapp vor meiner Peergroup bevor ich mich wieder einreihte. So bei Kilometer 12 (oder war es 15?) hat sich dann der linke Oberschenkel etwas zaghaft gemeldet und hab ich vor der Wasserstelle sicherheitshalber ein Gramm Kochsalztabletten eingeworfen, die ich mir auf Empfehlung meines 1:30 Trainingspartners mitgenommen hatte, dem sie bei seinem zweiten HM vor den Krämpfen beim ersten HM geholfen haben. Placebo oder nicht, hat mir geholfen. Umsonst mitge"schleppt" hab ich die beiden auf Kohlenhydratanteil hin ausgesuchten Obstriegel, die ich beim besten Willen nicht runterbekommen hätte. Ebenso wenig hat mich das Obstangebot bei 6,12 und 18 km gereizt. Geht doch nichts über etwas Wasser bzw. einmal einen Tee. So lief der HM dahin, zumindest bis Kilometer 16. Dann wurde es doch etwas anstrengt und war zunehmenden Willensstärke gefragt, die kleiner gewordene Gruppe um unseren pacemaker nicht abreißen zu lassen. Einige hundert Meter hab ich auch ganz freiwillig im Kopf den "Jede Zelle meines Körpers ist glücklich und voll gut drauf" Ohrwurm gesummt, den meine Frau von einem NLP-Seminar mitgebracht hat ;-) Wenn es einem anders gehen würde, würde man sich hinterher aber glaube ich auch ärgern, daß man nicht an sein Limit gegangen ist ... Zu viel behauptet wäre es auch, wenn ich behaupten würde, ich hätte die letzten 600? Meter Zieleinlauf genossen, wo es im Bogen um den "See der Tränen" vor dem Völkerschlachtdenkmal ging. Die können sich doch ganz schön ziehen, wenn man den Zielbogen 100m vor sich sieht und dann links abbiegen muß. Aber mit Atemzüge zählen und an die schöne kommende Badewanne denkend vergehen die auch. Im Finisherbereich hat mir nachher jemand erzählt, daß einem Freund von ihm der Bogen nicht präsent war und er zu früh zu einem 200m Endspurt angesetzt hat. Kennt Ihr ja sicher selber das Gefühl ;-) Als ich dann entgültig auf das Ziel zugelaufen bin und sich da eine 1:28:4x angedeutet hat, war das hingegen ein wirklich erhebendes Gefühl, auch wenn mir jede Kraft und Wille zu einem wirklichen Endspurt gefehlt hat. Auch mit 5 min mehr auf dem Konto wäre ich voll auf zufrieden gewesen und konnte das erreichte nicht so wirklich realisieren. Am Abend ging es dann in den "Bayerischen Bahnhof", eine schöne Schweinshaxe essen, auf die ich mich schon Wochen vorher gefreut habe und die auch wirklich wunderschön knusprig war. Von den örtlichen Wasserspielen zurückkommend konnte ich auch noch mit dem Chef de Rang den HM Revue passieren lassen, mit dem ich mich am Morgen schon unterhalten hatte und auch schon ein Bier aufs Haus bei meiner Family hinterlassen hatte ;-) Ausgeklungen ist der Abend dann noch mit einem kurzen Besuch beim Lichterfest am Augustusplatz, in Erinnerung an den aus meiner Sicht heldenhaften Mut der Demonstranten, denen ich es letztlich verdanke, mehrere Jahre in dieser schönen dynamischen Stadt gewohnt haben zu dürfen und diesen wunderschönen Halbmarathon erlebt zu haben.
Ich hoffe, der Bericht ist nicht zu langatmig geworden,
Jens
(Weg zum) Halbmarathon in Leipzig, 09.10.16
1Angefangen: 17.9.2015, PB 5km: 19:06 (8.1.2017), 10 km: 39:39 (05.02.2017), HM: 1:26:54 (07.10.2018), M: 3:27:35 (30.4.2017) https://runalyze.com/shared/Jde/