MichaelB hat geschrieben:
Welch ein Bericht
Wie Du schon eingangs schreibst empfiehlt es sich dringend, will man den schriftlichen Spartathlon erfassen, nicht selektiv, sondern die komplette Reise zu lesen.
Ich habe schon etliche Berichte über den Spartathlon auf einer bekannten Videoplattform gesehen, nachdem ich mich seit gut drei Jahren für diesen Lauf interessiere - wenn schon nicht als aktiver Teilnehmer, dann doch staunend als Zuschauer.
Keine der mir bislang bekannten Darstellungen konnte so viele interessante Details, grad auch vor und nach dem eigentlichen Lauf, rüberbringen.
Ich bereise das Land der Götter schon mein halbes Leben lang - nicht als Pauschal-Tourist in einer Hotelburg an einem austauschbaren anonymen Strand, sondern stets auf eigene Faust, und ein paar der Zwischenstationen des Spartathlon kenne ich "live"
Außerdem habe ich vieles kennen und lieben lernen dürfen und schüttele bei vielen Dingen nach wie vor auch im Gespräch mit ansässigen Freunden den Kopf, weil ich es mit meinem eingedeutschten Bewusstsein schlichtweg nicht verstehe...
Diverse dieser Gegensätze finden sich in Deinem Bericht wieder, was mich als bekennender Phil-Hellene schon sehr gefreut hat.
Welch ein Lauf
Dass der Spartathlon einer der schwierigsten Ultras überhaupt ist und infolgedessen inoffiziell auch als Weltmeisterschaft des Ultra-Laufen bezeichnet wird, wissen viele.
Wie schwer er wirklich sein muss, diesen Lauf zu bewältigen, habe ich bislang nur ahnen können.
Angefangen durch die strengen Cut-Offs grad auf der ersten noch relativ flachen Etappe bis zum Kanal von Korinth, die insgesamt vielen vielen Höhenmeter, als weiteres "Extra" der hammerharte Sangas Pass und die dann folgende Tristesse ewig geradeaus führender Straßen... so deutlich wie Du es beschrieben hast, konnte ich es mir bis dato nicht vorstellen.
Danke für diese vielen Details
Welch ein Läufer
Etliche Deiner Berichte, grad die der "etwas längeren" Läufe habe ich schon gelesen und jedes Mal anerkennend gestaunt, was möglich ist.
Mit dem Spartathlon hast Du für mich eine weitere Dimension des Ultra-Laufens gezeigt.
Hut ab vor dem Ehrgeiz, nach Deiner Verletzung quasi bei fast null angefangen diese Disziplin und Zielstrebigkeit an den Tag zu legen um den Mount Everest des Ultra-Laufens zu besteigen.
Hallo Michael,
auch wenn schon viel Wasser Rhein, Donau und Lech abwärts floss, seit du deinen Post verfasst hast, möchte ich es nicht versäumen mich bei dir zu bedanken. Fürs Mitfiebern am Tag X, fürs Lesen des Berichts und natürlich für deine positive, überaus lange Rückmeldung dazu.
Es ist nicht meine Sache mich bei Laufberichten auf die nackten Fakten zu beschränken, sie vielleicht mit ein wenig Veranstaltungskolorit aufzuhübschen. Was würde das bringen? Kann man schließlich in offiziellen Verlautbarungen und Statistiken, Ergebnislisten, usw. nachlesen. Ich versuche zu beschreiben wie es (für mich) war. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Und da Sprache als vermittelndes Medium ihre Grenzen hat, Worte und Ausdrücke auch nicht in jedem Kopf dieselbe, von mir gewollte Vorstellung aufpoppen lassen, ist das schwer genug. Wenn es manchmal - vor allem sprichtwörtlich - sehr düster in meinen Berichten wird, dann deshalb, weil zu jenen Zeiten in meinem Kopf das Licht fehlte ... Ich versuche ehrlich zu sein, nicht nur in Fakten, mehr noch in gehabten Gefühlen. Ehrlich auch in dem, was ich erlebte und wie ich es empfand. Ob es unmittelbar zum Lauf gehört oder nur Randerscheinungen beschreibt ist dabei egal. Ich habe es erlebt und mit Gefühlen bedacht, also gehört es dazu. Griechenland hat mich fasziniert und abgestoßen zugleich. Da ist vieles auf (mich) erschütternde Weise nicht in Ordnung. Ich kann es aber nicht wirklich einordnen und schon gar nicht bewerten. Bin kein Grieche, lebe nicht einmal dort. Also beschränke ich mich aufs schonungslose Schildern. Ein wunderschönes Land mit lieben Menschen. Wie die beobachteten Auswüchse zustande kommen können, erschließt sich mir höchstens ansatzweise. Wie könnte es auch anders sein? Finde ich doch nicht einmal vollen Zugang zu allen besorgniserregenden Entwicklungen in meinem eigenen Land ...
Der Spartathlon ist unzweifelhaft brutal. Halbherzig nicht zu machen. Ohne irgendwem was wegnehmen zu wollen: Diesen oder jenen Ultra kann man auch mal mit zu wenig Training angehen und "irgendwie" durchstehen. Den Spartathlon nicht. Dafür sorgen die Cut-off-Zeiten. Sie kicken jeden raus, der mit zu wenig Vorbereitung oder angeschlagen auf die Strecke geht. Sie kicken auch Leute raus, die an sich ausreichend vorbereitet wären so weit zu laufen, es aber nicht mit dem geforderten Tempo schaffen. Schlussendlich verweigert sich Leonidas auch jedem, der mit den vorgefundenen Umweltbedingungen nicht zurecht kommt. Alles in allem eine wahnsinnige Tortur. Alles in allem nährt das natürlich den Mythos "Spartathlon". Ich verhehle nicht, im Rausch des Erfolges Anflüge von "elitärem" Empfinden gehabt zu haben. Ab jetzt und für immer dazuzugehören. Einer derjenigen zu sein, die es geschafft haben. Die Trauer in den Augen jener, die es nicht gepackt haben, erdet einen aber dann doch. Ich habe Leute scheitern sehen, die mindestens so stark waren wie ich. Da war halt ein Umstand, der ihnen den Erfolg verwehrte.
Der Spartathlon hat einen so oder so an der Angel. Wer mal da war - seit heute weiß ich das - wird wohl nie wieder von ihm loskommen. Die einen, weil sie noch eine Rechnung offen haben, die anderen, weil das Gefühl über die maximal 36 Stunden und vor allem ganz zum Schluss einfach alles sprengt, was man sich als Läufer erträumen kann. Ich habe vielleicht eine Vorstellung von meinen Empfindungen und jenen der anderen vermitteln können, aber sicher nicht mehr als eben das: Eine "Vorstellung" davon. Die Realität ist nämlich unbeschreiblich ...
Ich weiß seit heute, dass mich der Spartathlon, auch wenn ich mich ihm standhaft verweigern werde, nie wieder loslassen wird. Heute Morgen erhielt ich von Mike (Mike1783 hier im Forum, hat es 2016 auch gepackt
) die Nachricht, dass sich auf die 35 Plätze für den Spartathlon 2017 mit ihm genau 35 Ultras beworben haben, dass er infolgedessen auch dieses Jahr von Athen nach Sparta laufen wird. Damit war mir klar, dass auch Rolands ("runners.high" hier im Forum) Bewerbung zum Zuge kommt. Und Roland hat noch eine Rechnung offen mit dem Spartathlon ... Dass ich mir für die beiden ein Loch in den Bauch freuen würde, damit habe ich gerechnet. Was mich unvermittelt traf, war der spontane Neid, gepaart mit viel Wehmut, es selbst nicht auch noch einmal erleben zu dürfen. Da zuckt es in mir und jede Form von Leichtsinn und Wortbruch rückt in den Bereich des Denkbaren. Wird nicht passieren, aber trotzdem ... Es wäre so, so, so schön ...
Heute war ich beim Zahnarzt. Kein schönes Kapitel. Eigentlich nur Vorsorge. Nur so viel: Ich muss nächste Woche wieder hin ... Mein Zahnarzt weiß, was ich so treibe. Nicht zuletzt aus der Zeitung. Dass ich in der dann und wann auftauche, dafür sorgt schon mein Vereinspressewart, der sich keine Erwähnung des Vereins entgehen lässt. Brauchen wir halt, wegen der Sponsoren ... Also mein Zahnarzt: Kommt durch die Tür und tönt: "Da sitzt der Extremläufer". Das ist das Prädikat, das mir die meisten an die Backe kleben. Dagegen konnte ich mich auch in der Vergangenheit nicht wehren, obschon ich das anders sehe, weil ich weiß, wie so was geht. Seit 2016, der Vorbereitung zum Spartathlon, sozusagen aus dem läuferischen Nichts einer dreimonatigen Trainingspause wegen Verletzung und zu guter Letzt den 246 km von Athen nach Sparta selbst, habe ich jede Gegenwehr aufgegeben. Ich anerkenne die Tatsache, dass dieses mörderische Programm samt glücklichem Abschluss wirklich extrem war. Für mich extrem. Für ein paar wenige andere vielleicht nicht. Für mich schon. Darum auch die Ahnung, dass dahinter/darüber nichts mehr kommen darf ... Umso mehr freue ich mich, dass es geklappt hat.
Die "Extremität" erkenne ich auch darin, wie sehr mich dieses Erlebnis noch heute beschäftigt, mehr als vier Monate danach. Das war bei keinem anderen Wettkampf vorher so.
Hab Dank für deine Würdigung, Michael.
Ich wünsche dir alles Gute für deine eigenen Vorhaben.
Herzliche Grüße
Udo