Rumlaeufer hat geschrieben:Hallo Udo,
der zitierte Spruch zeigt dieses reißerische, das inzwischen inflationär benutzt wird, und das Du zu recht kritisierst, leider sehr treffend.Dabei geht es nur darum Aufmerksamkeit zu erzielen, selbst wenn die eigentliche Aussage m. E. völlig daneben ist. Wozu sollen abschreckende oder angstmachende Träume schließlich gut sein? Besser geeignet wäre da ein herausfordernder Traum, auf den man sich einlassen und dann auch gezielt vorbereiten kann. Mit Respekt ja, selbstverständlich, aber ohne Angst! Und das Bild von Deiner Teilnahme am Spartatlon bestätigt das auch sehr treffend, denn ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie Du bereits im Sommer 2015 auf dem Weg in die Steiermark davon gesprochen hast. Das allerdings mehr mit der Faszination für eine große Herausforderung, die nichts mit Abschreckung oder Angst zu tun hat.
Hallo Eckardt,
ich verstehe, was du meinst, sehe das allerdings nach der Erfahrung mit dem Spartathlon und bei diesem "Spruch" ganz anders. Mit den Jahren habe ich mir meine Ziele immer höher gesteckt. Am Anfang ging es darum einen Marathon zu laufen. Dann diese Distanz immer schneller zurückzulegen, bis ich mein seinerzeitiges Limit ausgereizt hatte. Es folgte die "Flucht" in die längeren Strecken, auf denen ich von Jahr zu Jahr mehr Erfahrung sammelte. So wurde anfängliche Naivität, zum Beispiel noch bei meinem 100er in Biel oder dem 24h-Lauf seinerzeit 2008 in Berlin, nach und nach durch Wissen ersetzt. Nicht nur Wissen wie man erfolgreich für solche Strecken/Zeitdauern trainiert, sondern vor allem auch Wissen um den Schmerz, den so langes Laufen unweigerlich nach sich zieht. 2015 wurde mein Erfahrungsschatz dann auch noch um das "Wissen" erweitert, was passieren kann, wenn man Träume unzulänglich vorbereitet erzwingt.
Vor dem ersten Marathon 2002 hatte ich irrsinniges Lampenfieber. Unvorstellbar 42 km in dem beabsichtigten Tempo zu laufen. Allerdings keine Spur von Furcht. Was hätte mir anderes passieren können als zu scheitern? Dieses Lampenfieber begleitete mich von Ziel zu Ziel, dann auch in den Ultrabereich. Ich erinnere mich noch gut an mein Zittern vorm ersten 6h-Lauf ... Aber auch darin war keine Spur von Furcht, genau so wenig wie im Jahr danach in Biel. Empfindungen von Furcht mischten sich erstmals vorm 24h-Lauf in Berlin 2008 ins Lampenfieber. Ich fürchtete mich vor einem mentalen Absturz, wie ich ihn ein paar Wochen zuvor bei einem 12h-Lauf, der mir als Training diente erlebt hatte. Dieser Absturz blieb aus, vielleicht gerade weil ich mich davor fürchtete.
Es folgte eine Verletzung, die mich zum Neuaufbau über Halbmarathon und Marathon zwang, bis ich mich wieder für längere Strecken gerüstet fühlte. Alles ging gut und ich realisierte mein jeweiliges Saisonziel mit Erfolg und ohne jede Katastrophe. Die 100 Meilen von Berlin ließen mich dann sogar meine läuferische Sternstunde erleben. Ich verlernte mich zu fürchten, was blieb war das irrsinnige Lampenfieber.
Die 24h DM von Reichenbach, 2015, wo ich unbedingt den Seniorentitel erringen und die "verdammten" 200 km knacken wollte, haben dann einiges verändert. Wie bekannt verletzte ich mich und musste lange pausieren. Da stand schon fest, dass ich den Spartathlon würde laufen wollen. Und vor dem hatte ich von der ersten Trainingseinheit noch in 2015 an Manschetten, in den letzten Wochen davor sogar richtiggehend Angst. Angst ist ein Gefühl, das man wichten muss, weil es sich unterschiedlich darstellen kann. Lampenfieber wäre zu wenig, Panik selbstverständlich zu viel gesagt. Auch keine Angst, die einen nicht essen, schlafen oder einigermaßen gut leben lässt. Aber eben doch Angst. Je näher der Tag X rückte, umso unmöglicher schien es mir das gesteckte Ziel zu erreichen. Und ich kenne ein paar andere, denen es nicht anders ging.
Ich wusste, was ganz sicher auf mich zukommt, Schmerz und Leiden und ich wusste, was eventuell darüber hinaus passieren kann. Ich ging ohne Naivität in diesen schwersten Wettkampf bisher. Naivität, die ich über die Jahre verloren und durch Erfahrung/Wissen ersetzt habe. Und diese Erfahrungen und dieses Wissen waren die Quelle für Furcht - wie oben beschrieben.
Und aus diesem Blickwinkel heraus stehe ich zu dem "Spruch", weil er haargenau beschreibt, wie es mir vor dieser gewaltigen Aufgabe erging. Ich gehe davon aus, das irgendwann jeder Läufer - so er immer weiter, höher, schneller laufen will - diesen Punkt erreichen kann, wo er sich vor den Konsequenzen seines Ziel durchaus auch ängstigt. Vielleicht nicht alle, aber sicher sehr viele sind so gestrickt.
Wir sehen uns Eckardt
Gruß Udo