WHEW. Das dieses Kürzel als Bezeichnung für einen 100 km Ultralauf steht? War mir seither völlig entgangen. Wie gut das es das RW-Forum gibt, und nach der verpassten rechtzeitigen Anmeldung für den ausgebuchten Berliner Mauerweglauf, hatte ich den „Wuppertal-Hattingen-Essen-Wuppertal“ als kleines Trostbonbon für mich entdeckt. Ich könnte auf der relativ flachen Runde vielleicht meine alte Bestzeit auf dieser Distanz verbessern. Wobei diese 10:43:36, gelaufen in Biel 2014, mir zwischenzeitlich schon recht schnell vorkam. Kein Wunder wenn man im letzten Jahr für die 100er Marke im Schnitt um die 12 Stunden benötigte. Aber eine SUB 11, die wollte ich auf jeden Fall tempomäßig angehen. Und: „No risk, no fun“ von Anfang versuchen unter einem 6er Schnitt zu laufen, keine Gehpausen und nur kurze Aufenthalte an den 13 Verpflegungspunkten. Denn in meinem Hirn war ein teuflischer Gedanke. Würdest du die 10 Stunden Marke knacken, dürftest du dich Bewerben beim Spartathlon. Was für ein kühner Gedanke. Die Platzreife für diese unvorstellbar harte Herausforderung, dass wäre einfach phantastisch.
Im Vorfeld gehe ich wie immer ziemlich planlos und spontan an die Mission. Kein spezielles Tempotraining, kein Schonprogramm vor der ersten „echten“ Ultraherausforderung 2017. Eine Woche zuvor erledige ich in Herrenberg - nach einer normalen Trainingswoche - noch einen Trail-Marathon mit ordentlich Höhenmeter, denn ich flott absolviere. So geht es Freitags, durch den Wochenendverkehr gestaut, vom Kessel in den Pott. Und Tags drauf mache ich mich gegen 6:00 Uhr in der Früh auf nach Elberfeld zur Utopiastadt. So nennt sich die Künstlerinitiative, die seit kurzen dem stillgelegten, denkmalgeschützten Bahnhof Mirke neues Leben einhaucht. Bahnhof-Mirke
Mirke war der Bahnhof einer Regionalverbindung der Bergischen Bahn und hat die besten Tage hinter sich. Zum Glück wurde vor ein paar Jahren begonnen die stillgelegte Strecke in einen Radschnellweg umzuwandeln, der sich nun Nordbahn nennt. 4 Meter Asphaltstreifen für Radler und 2 Meter Pflaster für Fußgänger. Das erscheint als Laufstrecke recht üppig. Bei so schönem und warmen Wetter wie heute (18°) wird sich bei meiner samstagnachmittäglichen Rückkunft aber zeigen, das diese Breite durchaus ihre Berechtigung hat
Mit knapp 200 Teilnehmer geht es Punkt 7:00 Uhr los. Gelaufen wird 2017 die Runde andersrum, also eigentlich WEHW, und nach dem Start erst mal in die falsche Richtung. Klingt komplizierter als es ist. Es geht 500 Meter bis zu einer Wendepylone und dann retour zum Start, wo uns die ersten Zuschauer schon anfeuern. Noch etwas früh für aufmunternde Sprüche. Ab jetzt sind wir richtig. Jetzt heißt es Fahrt aufnehmen, mit dem roten Teufel im Rücken (meines bewährten bekannten Motto-Shirt). Bevor ich das Laufen für mich entdeckte war ich begeisterter Bahnfreak. Schon nach wenigen Metern der erste kurze Tunnel (Dorrenberg Tunnel) und dann der 488 m lange Dorptunnel. Garmin fiept, Signal weg. Tja, da heißt es heute die ermittelten Kilometer und Pace-Werte mit Vorsicht zu behandeln. Wie es sich bald zeigen sollte hatte ich bis zum Schluss 2 Kilometer mehr auf der Anzeige, beim späteren einlesen in SportTracks wurden exakt 100 protokolliert. Nicht zu viel Gedanken machen über die Abweichungen zu den offiziellen Km-Schildern. Es liegt noch ein langer Weg vor mir, da sind außer Km-Toleranzen, noch andere unbekannte Parameter mit einzukalkulieren.
Die ersten Kilometer gehen jedenfalls mit unter 5:30er Zeiten viel zu schnell weg. Noch ist es leicht windig und kühl, was mich dazu verleitet wie ein Schnellzug über die Gleistrasse zu donnern. Richtung Lüntenbeck geht es 2 Kilometer bolzgerade, dann leicht links, bis bei Km 7 der erste VP erreicht wird. Dieser, und auch alle anderen, sind bestens bestückt. Ich gönn mir aber nur etwas Wasser, ohne anzuhalten. Von den 471 Höhenmetern wurde noch kein einziger vernichtet. Aber das war mir klar. Erst zwischen Km 11 und 20 werden die ersten sanften Höhenmeter gesammelt.
Nach der VP 1 verlassen wir die Bahntrasse. Es geht an einem Kalkwerk vorbei Richtung Wülfrath und Velbert bis Km 25. Ein Viertel der Strecke ist nach 2:15 Stunden erreicht. Als Zug wäre ich jetzt unter Plan und müsste kräftig Tempo rausnehmen oder einen Sonderhalt einlegen, um im Takt zu bleiben.
Der Weg verläuft nun wieder durchs Grüne über einen alten Bahndamm, der Niederbergbahn Fast 40 Kilometer Naherholung und Fahrradtourismus pur.: PanoramaRadweg niederbergbahn bis nach Heiligenhaus, wo kurz vor km 32 der nächste VP ist. Trotz der tollen Angebote an Essbarem entschließe ich mich, mir jetzt mein erstes - von 4 - Gels zu verpassen, damit nicht urplötzlich der Treibstoff ausgeht. 2:45 Stunden unterwegs, aber so langsam wird es warm und schwül. Kräfte einteilen.
Essen-Kettwig, wir kommen ans Wasser. Der Ruhrtalradweg bietet tolle Ausblicke. Wenn nur nicht dieser blöde heftige Gegenwind wäre. SUB 6er Schnitt zu halten fällt immer schwerer. Weiter, einfach weiter, mit Blick nach vorne zu den wenigen Läufern die weit vor mir sind. Das 2.Gel musste noch vor Erreichen der Marathondistanz (3:43) dran glauben. Die Ruhr wird irgendwann breiter und wir erreichen den aufgestauten Baldeneye-See. Jetzt passiere ich neidisch einige Biergärten und schaue auch mal nach links, den zahlreichen Seglern zu. Halbzeit, 4:25:50. Wenn das so weitergeht, könnte es was werden. Ich verwerfe diesen frechen Gedanken aber gleich wieder. Es kommt noch ein langer Anstieg im letzten Drittel.
Beim Staffelwechselpunkt bleibe ich dann doch länger als geplant stehen und bediene mich an den Riegeln, Kartoffelstückchen und Bananen die der Veranstalter anbietet. Der Weiterweg am Seeufer zieht sich. Ich komme mir fast wieder wie in Berlin beim 100 Meilenlauf vor. Da gab es auch so einen langezogenen Seeabschnitt, wo man dessen Ende nicht einsehen konnte. Obwohl es landschaftlich viel zu sehen gibt, finde ich es irgendwann genug und hätte gerne ein windstilles Plätzchen zum Laufen. Bei km 53 wird über eine schöne ehemalige Eisenbahngitterbrücke das Ufer gewechselt. War's das? Nö, nach einer idyllischen Kläranlage wechseln wir zurück auf das linke Ruhrufer. 8 km. Dann geht es über eine Brücke auf die andere Seite, an Dahlhausen vorbei, wo jährlich ein großes Dampfloktreffen stattfindet, gen Hattingen.
Wir laufen in ein Stadiongelände, dürfen aber nicht auf die Bahn, sondern werden über das Grüngelände wieder nach draußen geführt zur Straße, wo der nächste VP bei Km 73 steht. Bereits beim vorangegangenen Kilometer hat sich erstmals die 6 vorangestellt. In der Stadt heißt es an den Kreuzungen aufzupassen, denn zwischenzeitlich ist es Mittag und die Leute zieht es raus. Hier verlief einst die Kohlenbahn Panorama-Radwege NRW, Etappe 1: Hattingen - Wuppertal [Achim Bartoschek], die wir nun betreten. Sprockhövel und dann Windhagen. Km 75, 6:42:53 h. Noch 25 Kilometer und dafür über 3 Stunden Zeit. Die anstehende Steigung der Nordbahn verliert ihren Schrecken. Bis zum Scheitelpunkt bei Km 87 stehen ca. 200 Höhenmeter an. Ich werde jedenfalls laufen solange es geht. Langsam aber stetig. So wie die Steigung.
Der zweigleisige Tunnel in Schee ist nur noch auf einer Seite offen. Kühle, die für kurze Zeit gut tut. Und das Wissen, das Schlimmste ist rum. Ich brauche für Kilometer 88 und 89 zwar so lange wie noch nie. Aber nun sind es nur noch 11 Kilometer, vorwiegend abwärts. Der vorletzte VP, der für mich der letzte Halt sein soll, wird nochmals ausgiebig genutzt. Es gibt etwas Malzbier und Cola. Dann geht es weiter, wieder auf die Nordbahn.
Diese ist zwischenzeitlich ziemlich bevölkert. Oft gibt es aufmunternden Applaus. In Wuppertal-Wichlinghausen gibt es eine historische gusseiserne Bahnsteigüberdachung mit weit ausladendem Blechdach. Über das Wichlinghauser und das Bartholomäus Viadukt rückt das Ziel näher. Grandiose Streckenführung. Am eindrucksvollsten ist der Blick vom Kuhler Viadukt über die Steinwegstrasse, hoch über Wuppertal-Barmen. Und danach geht es wieder durch einen Tunnel. Man kann sich kaum satt sehen an der Aussicht. Die Laufstrecke teilen wir nun mit Sonntagsausflüglern. Räder zischen vorbei, Familienclans breitgefächert gehend; es wird eng. Bei mir macht sich Euphorie breit. Ich werde es schaffen. Die 10 Stunden sind nicht in Gefahr. Den Umständen entsprechend noch locker, trotz 98 km in den Beinen, auf schnellem ebenen Asphalt, dem Ziel entgegen. Zügig unterwegs als Trassenläufer. Am Bahnsteig von Loh vorbei geht es dem Zielbogen entgegen. Dort läuft gerade die Siegerehrung. Deshalb sind zahlreiche Radler und Spaziergänger als Zuschauer direkt im Zieleinlauf auf den Matten stehen geblieben Ich blicke auf die Uhr. Ups, es könnte für eine Zeit unter 9,5 Stunden reichen. Was für ein Finish. Du siehst das Ziel vor lauter Menschentrauben nicht mehr. Sämtliche Offiziellen interessieren sich nur für die Ehrung der ersten 3 die gerade stattfindet. Na klasse. Ich quetsche mich etwas ruppig zwischen den beinah geschlossenen Radlerreihen hindurch und hoffe das die kaum mehr sichtbare Bodenmatte korrekt auslöst. Uhr abgedrückt und sprachlos meiner selbst gestaunt. 9:29:33. Unfassbar. 13. gesamt, 3. AK 50. Schade das es keine Altersklassenehrung gibt.
Durchschnittlich in einer Stunde 11 Kilometer gefressen. Ein alter Mann kann doch im D-Zug-Tempo unterwegs sein. Und ich hab meine alte Zeit um fast 1:15 Stunden unterboten. Mein erster 100er der nicht nachts gelaufen wurde. Zum Glück bei dieser tollen Strecke. Und nun ist es amtlich. Die Quali ist möglich. Ich könnte wenn ich wollte. Und mein Teufel flüstert mir unaufhörlich ins Ohr. Warum nicht!
Ein alter Mann ist doch kein D-Zug? WHEW 2017
113.04. 12h Lauf Grüntal 53,55k
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin