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Biel 2017 - mein erster 100er!

Biel 2017 - mein erster 100er!

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Ich hab es geschafft! Ich hab die 100km von Biel - die Nacht der Nächte, erfolgreich nach 13:15:35 gefinished.

Meine Videozusammenfassung gibt es hier: https://youtu.be/o9aOcL2nKGY

Den Bericht hier:
Es war mein mit Abstand härtester Kampf und gerade deswegen bin ich stolz auf das Finish - zudem es auch noch persönlicher Längenrekord ist. Im Ziel überkamen mich dann die Emotionen und ich ließ meinen Tränen freien Lauf - so viel hatte der Lauf mir abverlangt, so sehr hatte ich gekämpft, so viel bedeutete mir das Finish. Wenn man für etwas ganz hart kämpfen muss, freut mich sich am Ende umso mehr es erreicht zu haben.

Aber auch neben all der Freude, möchte ich auch die unschöne Seite dieses extrem langen Laufes ehrlich beschreiben: Ich habe gelitten, viele Stunden richtig richtig gelitten, habe mentale und körperliche Tiefen erlebt. Es gab Momente wo ich völlig verzweifelt gefachsimpelt habe, wie ich jemals diesen Lauf beenden soll.
Spaß machten die ersten 20km, wo noch viele Zuschauer bis Mitternacht in Biel an der Strecke standen und anfeuerten ehe wir in der Dunkelheit der Nacht verschwanden. Spaß machte auch der Zieleinlauf gegen etwa 11:15 Uhr am nächsten Morgen und die vielen Gespräche mit anderen bekannten und unbekannten Läufern und Läuferinnen. Dazwischen gab es aber hauptsächlich viel Kampf, Schmerz und Erschöpfung.

Ja, ich gebe zu, dreistellige Distanzen zu laufen ist krank. Vollkommen krank. Eigentlich müsste man diesen Menschen helfen, statt sie in ihrem Wahn zu unterstützen. Aber Biel hat etwas magisches, einen besonderen Reiz, und die Herausforderung über seine körperlichen und mentalen Grenzen zu gehen.

Zugegeben, ich habe alles andere als einen guten Tag erwischt, vielleicht war es der Biorythmus nachts laufen zu müssen, vielleicht war es die Nervosität, vielleicht aber auch das ellenlange Warten in Biel selbst bis zum Start. Auch die Ernährung vor dem Lauf in Biel selber wäre wahrscheinlich verbesserungswürdig gewesen. Ein erstes richtiges Tief hatte ich schon bei km 30, was eigentlich nicht passieren darf, da ich wirklich langsam lief und solche Belastungen absolut auch aus dem Training gewöhnt bin. Bei km 40 suchte ich erstmals das Dixie auf und verlor mich in irgendeiner psychischen Sinnkrise. Ich steckte um 2 Uhr Nachts irgendwo im Nirvana in der Schweiz und hatte, wenn es gut lief, noch gefühlt 8-9 Stunden Dauerlauf vor mir. Mir war mittlerweile kalt, der Körper fing an zu schmerzen und an den Verpflegungspunkten fand ich auch nichts was mich aufheiterte. Wieder irgendein süßes Isogetränk rein - Stunde um Stunde.

Ich zog die beiden Joker, die ich in meinem Laufrucksack mitgenommen hatte - früher als gedacht, aber wenn nicht jetzt wann dann. Ein Koffeingel und Musik, zudem die Regenjacke gegen die Kälte. Es ist schon Jahre her, dass ich das letzte Mal Musik beim laufen gehört habe, aber es wirkte. Ich kam zurück, rollte wieder einigermaßen gut. Es lief "Running Man", ein Song den ich sehr mit dem WHEW in Wuppertal verbinde, bei dem ich einen Lauffreund auf seinen ersten 100km mit dem Rad begleitet hatte (Video: https://www.youtube.com/watch?v=t-3hI1H0PvU). Auch mental fing ich wieder an Herr der Lage zu werden, redete auf mich ein, erinnerte mich an die vielen Zusprüche von Freunden. "Du bist heute Nacht der Running Man!" Und immer wieder sagte ich mir: "Lass keine offenen Rechnungen hier liegen!". Also weiter!

Zum Glück hielt das Hoch einige Kilometer an und so konnte ich den Wechselpunkt bei km 56, noch halbwegs lebendig erreichen. Hier hätte man aussteigen können, sich eine einfache Ultramarathon Medaille abholen können, den Shuttlebus zurück nach Biel nehmen können und alle Qualen wären vorbei gewesen. Der Läufer, der neben mir einige Kilometer gelaufen war, gab auf, viele andere auch. Bei mir sprach das kleine Teufelchen allerdings auf taube Ohren. Es ging weiter in die tiefschwarze Nacht und auf den Hoi-Ming-Pfad. Bekannt für seinen schmalen Waldpfad mit vielen Steinen und Wurzeln - wer hier ohne Stirnlampe unterwegs war, würde mehrmals Bekanntschaft mit dem Boden machen. Der Pfad ließ mich wieder in ein unendlich tiefes Loch fallen - er wollte gefühlt nie aufhören, immer nur gerade aus, die Füße bedankten sich für die Steine im Boden und für 8km kein Verpflegungspunkt. Klatsch! Auf dem letzten Kilometer wurde mir dann plötzlich schummrig, ich sah nur noch viele Sterne und bekam kaum einen gerade Schritt noch hin. Vielen Dank an dieser Stelle an den unbekannten Läufer, der sich mir sofort annahm, und die letzten 500m nicht mehr von meiner Seite wich. Mir war unendlich kalt, mein Körper am Ende, alles tat weh, ich wollte nicht mehr. Am Verpflegungspunkt wurde ich sofort in eine dicke Wärmedecke gewickelt und an die Seite gelegt. Man wollte mich rausnehmen, aber das kam für mich gar nicht in Frage - keine offene Rechnung hinterlassen! Ich legte mich hin und wurde mit heißer Suppe ausgepeppelt - danke an die Crew vor Ort. 10 Minuten später verließ ich den Verpflegungspunkt wieder und machte mich auf die letzten etwa 35km.

Und auch wenn es noch einmal ein kurzes Hoch gab, ich hatte langsam auch keine Lust mehr, ich hatte genug, mein gesamter (!) Körper schmerzte und selbst als die Sonne irgendwann gegen 5 Uhr aufging, war das maximal für wenige Minuten eine Erleichterung. Ein echtes Läufertempo bekam ich nicht mehr drauf, es pendelte sich irgendwo bei 7-8min pro Kilometer ein. Als auf der Strecke irgendwo einmal die Bahnschrank vor meiner Nase zumachte um einen Zug durchzulassen, klatsche ich voller Freude in die Hände und nahm diese Zwangspause erschöpfend an. Immer wieder rechnete ich mir vor wieviele Stunden ich noch unterwegs sein würde. Best Case Scenario noch 6 Stunden / Worst Case Scenario noch 10 Stunden. Es half beides nichts, es waren noch immer viele unendlich gefühlte Stunden. Ich lernte auf den Streckenabschnitten 70-80km viele Leute kennen. Melanie, die zum vierten Mal in Biel den 100er lief und von ihrem Mann auf dem Rad begleitet wurde. Celine, die mich irgendwo bei Kilometer 85 überholte und die noch um den Sieg in der Altersklasse bei den Frauen kämpfte. Wir zogen uns noch gemeinsam ein Stück ehe sie bei Kilometer 92 mir davon zog.

Ich kann gar nicht genau beschreiben, wie ich die letzten dreißig Kilometer überstand - es fühlte sich unendlich lang an und nahm kein Ende - in meinem Gedächtnis eingedampft als eine große Masse. Ich plante immer nur noch in Etappen: von Verpflegungspunkt zu Verpflegungspunkt. Und doch wurde die noch zu laufende Strecke nach und nach kleiner und überschaubarer - und mir wurde langsam klar, dass es heute keine offene Rechnung geben würde!
Auf den letzten fünf Kilometern nahm ich mir dann auch nochmal die Zeit Fotos zu schießen, dazu war ich die ganze Zeit nicht gekommen. Ein letzte Bild am Kilometer 99 (Danke an Daniela), ein klassisches Fotomotiv in Biel und dann ab auf die Zielgeraden. Hammer Gefühl! Freude pur! Aller Schmerz kurz vergessen! Wahnsinn! 2,5x Marathon gelaufen - die ganze Nacht durch. Ich habe Biel gefnished - unbeschreiblich!

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Glückwunsch fürs durchbeißen. Das hast du klasse gemacht. Bei deinem Berich kommen auch bei mir alte Erinnerungen hoch. Biel, 2014 war ich da. Auch mein erster 100er. Werde die Laufnacht nie vergessen. Vielleicht mal wieder. Aber irgendwie war das Erlebnis so einmalig und so perfekt. Dieses Jahr war ich an dem Tag 110 km unterwegs beim Borderland Ultra Extrem. Und ich hoffe das du dich trotz der harten Erfahrung auch weiterhin an lange Kanten herantraust

Grüße Klaus
13.04. 12h Lauf Grüntal 53,55k
14.04. LIWA-Mara 04:56:44
27.04. Tri-speck 69 km 1100 hm
28.04. Ditzinger Lebenslauf
05.05. Trolli-Mara
11.05. Albtraum 115 k 3000 hm
06.07. Heuchelbergtrail 50 k
28.07. Schönbuch Trophy 47, k 1300 hm
17.08. 100 M Berlin

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Vielen lieben Dank, Klaus! Schön, dass du ein ähnliches, besonderes Erlebnis in Biel hattest! Es hatte wirklich etwas magisches!

Eine solch lange Distanz ist für dieses Jahr erst einmal nicht mehr geplant, aber irgendwann wird es auch nochmal >=100km geben. Dann wahrscheinlich nicht in Biel, dieses Erlebnis will ich einzigartig behalten, sondern dann wohl eher in einer schönen anderen Landschaft (Alpen oder irgendwo) Kannst du da was besonderes empfehlen?

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Hallo Alex,

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH zum ersten 100er!! Was für ein Lauf, was für ein Finish!
Man sieht dir im Video an, wie die Kräfte nachlassen und du dich gequält hast. Aber auch, wie das Grinsen zurückkehrt, als die restlichen km überschaubar werden! Solche Distanzen läuft man vor allem mit dem Kopf, sagt man. Und dein Kopf muss mächtig stark gewesen sein. Ich bin niemals so weit gelaufen, aber ich weiß, wie hart es sein kann, wenn man bei langen Distanzen frühzeitig (viel zu früh) Probleme bekommt, die man im Training so früh nie hatte. Wenn man sich sagt: Irgendwas läuft heute schief, die Strecke, die ich bisher absolviert habe, habe ich sonst ohne Probleme hinbekommen! Wie soll ich das bloß schaffen und noch die zusätzlichen km obendrauf, wenn die Probleme so früh schon anfangen? Da geht einem ziemlich der Arsch auf Grundeis. Und dann nicht aufgeben und auszusteigen, obwohl es so einfach wäre und um einen herum auch Leute aussteigen.. Da muss nur ein schwacher Moment her..

Insofern doppelten Respekt für das Durchstehen! Und der Einlauf in den Zielbogen entschädigt dann ja wieder für alles!!! :nick: :daumen:

Klasse gemacht! :hallo:

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Respekt. Klasse durchgekämpft ... ja irgendwie geht es immer weiter und irgendwann ist man dann auch im Ziel. :daumen:

In ein paar Tagen verblassen die Erinnergungen an die durchgemachten Qualen, was bleibt sind die schönen Momente, der Zieleinlauf, das nette Miteinander mit den anderen Läufern ... und nächstes Jahr stehste dann wieder am Start in Biel oder woanders. ... Das Video habe ich jetzt noch nicht sehen können, schaue ich mir aber auf jeden Fall noch an. Dein Bericht ist sehr authentisch geschreiben, man kann mitleiden und sich mit dir mitfreuen, dass du es geschafft hast. Und ja, das Hauptproblem dabei ist, irgendwie mit dem elend langsamen Tempo klar zu kommen über eine so lange Zeit, gerade wenn es nicht richtig läuft. Und das Gefühl, gar nicht voran zu kommen, das ist sooo zermürbelnd. Klasse, dass du nicht unterwegs ausgestiegen bist.
2022: erledigt: G1-Grüngürtel, Kölnpfad 100k, Burginsellauf Delmenhorst 24h Staffel(!), Mega Marsch Köln (63k) ... geplant: nix

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Allergrößten Respekt !!!
Sollte ich mich auch mal an genau dieses Projekt (1. 100-er, nur in BIEL) herantrauen, dann werde ich Deinen Bericht noch vielfach verinnerlichen um mich an Deinem Durchhaltewillen aufzubauen.
Gute Erholung

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Super Leistung, Glückwunsch...
Grüße
Hauptmieter
Bestzeiten: 17.08.2019 Mauerweglauf 100 Meilen 19.36.35 Stunden. 08.09.2018 RUNWINSCHOTEN (Holland) 100 km 9:33.30. 16.06.2018 Karlsruher Nachtlauf 80 km 7:55:45. Marathon 3:22.10. HM 1:34:32. 10 KM 43:37
Laufberichte: www.corneliusrennt.de

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Vielen lieben Dank, für die positiven Kommentare :-) Wenn jemand (wie z.B. MiGu_15) vorhat nächstes Jahr in Biel an den Start zu gehen, darf er sich gerne bei mir bzgl. Tipps melden!
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