burny hat geschrieben:Wer wird dir da widersprechen? Ich jedenfalls nicht.
Da widerspricht einem wenige, wenn man das so explizit formuliert. Aber viele in ihren politischen Handlungen und Kommentaren. Wie oft hat die GroKo ihre Politik als alternativlos verteidigt?
Bezieh es mal auf Finanzkrise, Austeritätspolitik und Bankenrettung. Wer hat da Alternativen formuliert? Nimm die Rentendiskussion, selbst nach dem Fiasko der Riesterrente wird weiter Propaganda gegen die gesetzliche Rente gemacht. Wo sind die Alternativen, wo die deutlichen Widersprüche zwischen den etablierten Parteien?
burny hat geschrieben:
Was passiert, wenn einzelne Gruppen für sich in Anspruch nehmen, für das Wahre und Gute zu stehen, und dann meinen, das auch mit Gewalt durchsetzen zu müssen und zu dürfen?
Eine EU die von Eliten beherrscht wird? Dass ein Unabhängigkeitskampf in der einen Region erlaubt oder belohnt wird, in einer anderen mit Gewalt unterdrückt? Dass Menschen in Griechenland hungern und anderswo Banken gerettet werden? Es passiert viel Schlimmes, ja …
Gewalt hat viele Gesichter.
Das Gesicht der rechten Gewalt in D kann so aussehen: Eine frühere Freundin von mir hat Freunde in Magdeburg besucht. Der Vater dieser Freundin von mir kam aus dem Sudan. Sie hat nachher gesagt, dass sie dort nie mehr hinfahren möchte, weil sie zu viel Angst habe ausstehen müssen – und das ist keine besonders ängstliche Frau – sie hat nur nicht die "richtige" Hautfarbe. Das war Ende der 90er. Meinst du, es ist jetzt besser in der aktuellen Stimmung?
Jetzt beschreib mir die Situationen, in denen linke Gewalt sich in D so dauerhaft manifestiert hat, dass für ganz normale Bürger*innen "No-Go-Areas" entstehen. Dauerhaft, nicht am 1. Mai in Berlin oder beim G20 in HH. Diese Freundin könnte genau wie ich in die Rote Flora reinspazieren, ohne ein Opfer von Gewalt zu werden.
Da hast du wieder einen Unterschied zwischen „rechter“ und „linker“ Gewalt. Unwichtig? Ich glaube in der Praxis alles andere als das, auch wenn wir den Unterschied hier als priviligierte weiße Männer vielleicht nicht so oft spüren.
Man kann rechte Gewalt und ihre Folgen verharmlosen, ein nicht geringer Teil von Verfassungsschützern, Polizisten und Politikern hat das seit Jahrzehnten betrieben. Muss man aber nicht, du hast vollkommen recht: „Kein demokratisches Gemeinwesen kann das akzeptieren, ohne sich aufzugeben.“
burny hat geschrieben: Es kann aber genauso wenig akzeptiert werden, dass die Menschen, die das Gewaltmonopol des Staates sichern sollen, mit Steinen, Flaschen, Zwillen und ähnlichem angegangen werden und sowas dann als Kollateralschaden zu bezeichnen.
Du bist der, der „Kollateralschaden“ hier ohne Anführungszeichen verwendet, nicht ich, ich habe dieses Unwort ganz bewusst in Anführungszeichen gesetzt. Mir ging es da eher um Terror, beschrieben aus der Sicht der Terroristen. Wobei wir auch über die „Kollateralschäden“ beim deutschen Militäreinsatz in Afghanistan, mit dem Deutschland am Hindukusch verteidigt wurde (bzw. geostrategische Interessen mit militärischen Mitteln aka GEWALT verfolgt wurden) oder „Kollateralschäden“ im „internationalen Antiterrorkampf“, wenn US-Dronen von D aus gesteuert Zivilisten in Pakistan ermorden, reden können.
Wieso tust du so, als wäre Gewalt das Mittel, dass linke oder rechte Krawallmacher für sich gepachtet haben?
Wenn wir über Gewalt reden, dann bitte nicht so einseitig. Die Gewalt ist nicht weg, nur wenn Staaten sie ausüben. Wenn wir über China reden ist das auf einmal allen klar, reden wir über die USA oder Deutschland ist die Gewaltausübung durch den Staat auf einmal immer legitim? Was ist daran legitim, wenn Wasserwerfer friedliche Demonstranten blenden? Was ist legitim daran, wenn Journalisten und Passanten von Polizisten verprügelt werden? Ist es legitim, einen Menschen in seiner Zelle verbrennen zu lassen?
Als 2015 die Blockupy-Proteste in Frankfurt waren, hatten einige ausländische Studierende Angst. Es hat ein wenig gedauert, bis ich verstanden habe, dass sie in erster Linie Angst vor der Polizei hatten. Verständlich, wenn jemand z. B. aus Mexiko kommt, wo Studenten nach Protesten eben mit polizeilicher Hilfe verschwinden können. Ich hätte damals noch jedem gesagt, dass sie keine Angst haben müssten. Ich bin mir da nach Hamburg nicht mehr so sicher, und das ist für mich ein großes Problem.
Ein türkischstämmiger Freund von mir hat sich total gewundert, als er hier in D bei Demonstrationen war: Da wurden ihm von der Antifa Zettel mit Verhaltenstipps gegeben und die Nr von einem Anwalt, die man anrufen sollte wenn man verhaftet würde. Er kannte das nicht aus der Türkei, dort gab es so wenig Vertrauen in den Rechtsstaat, dass es nur darum ging, auf keinen Fall in die Mangel der Polizei zu geraten!
Das Vertrauen in den Staat hängt nicht nur davon ab, ob der Staat in der Lage ist Menschen vor Krawallen und Chaoten zu schützen. Es hängt auch davon ab, ob die Exekutive die Gewalt verantwortlich ausübt und illegitime Gewaltanwendung entsprechend geahndet wird.
burny hat geschrieben:
Ich verstehe, dass es dir nicht schmeckt, in einem Zug mit Donald Trump genannt zu werden, aber im Kern relativiert ihr beide, indem ihr die Gewalt der einen Seite der der anderen gegenüberstellt. Die sprachliche Übereinstimmung ist daher kein Zufall.
Ich verstehe, dass dir die Wahrheit nicht schmeckt, weshalb auf du auf wichtige Aspekte meiner Postings nicht eingehst. Relativiert werden muss fast immer. Relativieren muss der Polizist, er muss die Folgen seiner Handelns in Relation setzen zu den Mitteln die er einsetzt, abwägen ob er jetzt schlimmeres verhindert, wenn er Gewalt einsetzt, relativieren muss der Richter, wenn er jemand zu einer Haftstrafe udn damit zur Einschränkung seiner Grundrechte verurteilt, etc. etc.
Es ist kein Argument, sondern schlechter Stil, immer wieder in einem empörten Ton Dinge aufzuzählen (Gewaltmonopol des Staates muss sein), die ich nie bestritten oder angegriffen habe, um so zu tun als hätte ich das getan.
Es ist eine durchsichtige und schwache Argumentation, das relativieren per se zu verurteilen, damit disqualifiziert man sich in der Regel selbst, besser als ich es kann hat der ehemalige Bundesrichter Fischer diese „Rhetorik“ in einem anderen Zusammenhang aufs Korn genommen:
Thomas Fischer hat geschrieben:
Wissenschaft bedeutet: Versuch, die Erscheinungen des Lebens "systematisch" zu deuten und ins Verhältnis zu setzen. Der Lateiner im Deutschen sagt dazu: "Relativieren" (kommt von relatio: Beziehung/Verhältnis). Der durchschnittliche Deutsche ist größer (meint: vom Erdboden bis zum Scheitel höher) als der durchschnittliche Peruaner. Dies ist, liebe FrauenrechtlerInnen, eine sogenannte "Relativierung". Sie ist nicht "unerträglich" und auch nicht beleidigend: weder für den Engländer noch für den Kongolesen. Es ist halt so: Der durchschnittliche Lachs ist einfach länger als der durchschnittliche Hering. Der Deutsche ist der Hering, der Tuareg der Lachs.
Kriminologie: Du kannst mich mal! |*ZEIT ONLINE
Wann wird nämlich nicht relativiert? Dann
burny hat geschrieben:
wenn Gruppierungen meinten, die Wahrheit gepachtet zu haben
wie du schreibst. Der IS relativiert nicht. Die roten Khmer waren wohl auch nicht so dafür, ebenso die Frankisten … Trump relativiert auch zu wenig, wenn es nicht gerade um den Rassismus seiner (potenziellen) Wähler geht.
Der Vorwurf lässt sich auch umdrehen: Wenn du rechte und linke Gewalt und Ideologie in einen Topf wirfst, verharmlost du womöglich die rechte Ideologie. Womit du dann auf einmal der wärst, der nah bei Trump wäre.
Und dann bist du ja auch bei denen, wo du vorgibst sein zu wollen: Denen, die nicht relativieren. Oder habe ich dich da falsch
verstanden?
Gruß
C