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100 Kilometer Abenteuer - Herausforderung

100 Kilometer Abenteuer - Herausforderung

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100 Kilometer laufen - Abenteuer und Herausforderung



„ 100 Kilometer laufen, wie macht man das ??? Ich kann ja nicht einmal 100 km Radfahren ??“ Dieses und ähnliches werde ich immer wieder gefragt.


Natürlich ist es nicht einfach, natürlich muss ich mich gewissenhaft darauf vorbereiten, natürlich erfordert es alle meine Kräfte, aber der Reiz, die Herausforderung- ich glaube, das ist es, was mich immer wieder dazu trieb, wieder 100 km zu laufen, obgleich es nach jedem Lauf der letzte gewesen sein sollte !!

Wie es mir zumute war bei einem meiner vielen 100-Kilometer-Läufen, das habe ich kurz nach dem Lauf niedergeschrieben. Immer wieder, wenn ich diesen Bericht lese, dann kommt es mir vor, als sei es gestern gewesen Ich möchte diese Erfahrung, sich selbst immer wieder zu überwinden, zu kämpfen, wenn man meint, es geht gar nichts mehr, nicht mehr missen.

Hier mein Bericht über die 100-Kilometer World Challenge in Winschoten, Holland.

Bescheiden stelle ich mich ganz hinten an. 13. 59Uhr, Countdown: 10, 9, 8, 7, 6, 5 , 4 , 3 , 2 , 1 – Schuß !! Die Menschen auf der Tribüne schicken uns mit kräftigem Applaus auf die lange, lange Strecke: 100 Kilometer – nur nicht daran denken !!! Jetzt ist es soweit. Der Applaus tut gut, man fliegt förmlich aus der Halle, die ersten Läufer sind kaum noch zu sehen. Viel Glück für unser Team ! Links und rechts - durch Gitter getrrennt – stehen Menschen dicht gedrängt an der Straße und klatschen, eine Riesenstimmung, die mich – wie so manchen anderen – dazu verleitet, schneller zu laufen als man es eigentlich sollte.“ Langsam „, du bist zu schnell“, geht es mir durch den Kpf, ich drossele das Tempo – schön von all’ diesen Begeisterten auf die lange Reise geschickt zu werden !



Wir laufen durch Winschotten, überall haben die Menschen Stühle und Tische an den Straßenrand gestellt und machen es sich bei Kaffee und Kuchen gemütlich. Die Kinder stellen sich an den Straßenrand, strecken die Hände vor, damit sie von den Läufern abgeklatscht werden. Immer wieder Applaus. Der Weg führt durch die Stadt, jeder Kilometer ist gekennzeichnet! Es macht Spaß zu laufen, man wird durch die Begeisterung der Menschen über die ersten Kilometer hinweg fast getragen.

Kilometer 2,5 , die 1. Versorgungsstelle – hier gibt es Wasser und Schwämme. Fleissige junge Leute stehen mit Bechern und Schwämmen bereit und müssen so manches Wasserbad in Kauf nehmen, wenn ein allzu schneller Läufer mal daneben greift. Ich trinke gleich – es ist sehr warm, ich weiß, dass ich bei diesen temperaturen trinken muss, auch wenn ich keinen Durst habe.

Weiter an Häusern und Menschen vorbei. Kilometer 3 – eine langgezogene Straße- ich schaue nicht nach dem Ende. Es geht mir gut. Alle Gedankenen, wie „ bist du eigentlich genug trainiert, wirst du durchhalten, wie wird es laufen, werden verdrängt. Kilometer 5 – hier die erste große Versorgungsstation – alle zwei Meter Versorgungsstände der einzelnen Nationen, deren Coachs, Trainer und Helfer die Wünsche ihrer Läufer auf Zuruf erfüllen und ihnen reichen, was immer sie möchten.

Dabei läuft der Betreuende neben seinem Läufer her, damit dieser auch nicht eine Sekunde durch Nahrungs- bzw. Getränkeaufnahme verliert. Ich habe keinen Betreuer, aber bei mir kommt es auch nicht auf die Minute an, hole Wasser und laufe trinkend weiter.

Jetzt geht es an einem langen Kanaldamm entlang. Auch hier viele, viele Menschen, Applaus. Der Wind kommt von vorne, hoffentlich wird er nicht stärker, naja, es geht mir gut !!



Kilometer 7 Wasserstelle – immer wieder trinken – ich habe Durst. Die endlos erscheinende Strecke entlang des Kanals biegt bei Kilometer 8 rechts ab – vorbei an einer viel befahrenen Straße. Geradeaus im Schatten der Bäume bis zu Kilometer 9. Auch hier sitzen Menschen auf aufeinandergereihten, gut gepolsterten Gartenstühlen (die haben es gut !!) und ermutigen uns mit Zufrufen und Applaus. Die letzte Versorgungsstelle – wieder Meter an Meter die internationalen Verpflegungstellen. Ein Italiener ruft mir zu „ molto bene „, lächelt mir zu – danke , das tut gut !

Ich trinke Wasser – laufe auf die Halle zu. Hier stehen die Menschen wie die Trauben an den Gittern gedrängt und wieder Applaus und Jubel – ich fühle mich wie ein Weltmeister – laufe an dem Sprecher vorbei, dessen Worte sich überschlagen wegen der vielen Läufer, die jetzt vor, hinter und neben mir in die Halle einlaufen. Leider verstehe ich nichts, dennoch die Stimmung hier in der Halle ist großartig, die Menge jubelt, jedem Läufer zu. Ich drücke meine 10-Kilometer-Zeit in meine Uhr ein. Nur noch 90 Kilometer, ich muss selbst innerlich ein wenig lächeln. Raus aus der Halle und flotten Schrittes weiter !!!!!!!!

Es läuft gut, das Wetter, die Menschen – es beflügelt mich, ich laufe schneller, was ich habe, das habe ich, langsamer werde ich sowieso! Kilometer 20, 30, 40 – Runde für Runde. Ich fühle mich noch ganz gut, esse bei Kilometer 30 einen Energieriegel, der Vernunft gehorchend und trinke jetzt einen Becher Cola und 1 Becher Waser. Der Rest des Wassers dient der Erfrischung, ich schütte es mir über den Kopf, das tut gut. Immer wieder holen mich Motorräder auf, die den schnellsten Mann, einen Südamerikaner, ein kleiner, schmaler, fußelnder Mann, der an mir so schnell vorbeiflitzt, dass ich mich nur wundern kann, mit der Fernsehkamera verfolgen. Er will heute Weltrekord laufen, ich wünsche es ihm !!

Kilometer 50 – Gott sei Dank ! Die Hälfte ist geschafft, jetzt geht’s abwärts!! Die Beine werden schwerer – es geht mir nicht besonders gut, irgendwo in der Wade verkrampft sich etwas – ich muss Magnesium nehmen An der nächsten Versorgungsstelle bitte ich einen Helfer, mir meine Magnesiumtabelette aus der Verpackung herauszudrücken. Ich kann es alleine nicht, die Hände sind angeschwollen – ich trinke Wasser, schlucke Magnesium – und weiter.............

„ Warum mache ich das ??? Warum quälst du dich ??? „ Meine Beine sind schwer, die Moral am Boden. Ich beneide alle Zuschauer, die hier am Straßenrand in beqeuemen Stühlen bei Kaffee und Kuchen Platz genommen haben. Und ich ??? Weiter !!!, es wird schon wieder besser, es geht alles vorbei !!!!, tröste ich mich. Nach dem Lauf lasse ich mich schön massieren und dann nur noch ausruhen, essen, trinken, schlafen, Urlaub machen !! Es wird schon wieder !!!!



Thomas überrundet mich: „ Wie geht es dir , Margitta ? „, „ mmh, so lala und dir ??“. „ Es geht „, und weg ist er schnellen Schrittes, er hat schon 10 Kilometer mehr als ich, der Glückliche !!

Kilometer 60 es geht wieder besser, dennoch ich spüre meine Beine, lasse die Arme kurz bambeln, versuche die Schultern zu entspannen. „ Locker bleiben , locker laufen !!!. Endlich die Halle. Kilometer 70. Ich bleibe mit der Fußspitze an einer Kabelüberdeckung hängen und fliege (verdammter Mist, wie kann dir so was passieren ??) in hohem Bogen in die Halle und lande auf dem Boden. „ na, Prost Mahlzeit, jetzt ist ales aus !! " . Ein Raunen in der Menschenmenge, Sanitäter eilen herbei, die Kamera rückt näher. Man hebt mich auf, ich checke kurz die Lage, bedanke mich bei den Helfern und beschließe, weiterzulaufen. Oja, wie wird das werden ?????? Beifall von den Rängen – und weiter, es sind noch 30 km zu laufen. Es ist dunkel – ich versuche mich ein weig zu säubern, der linke ellenbogen blutet, jaja, es wird schon gehen !!! Ich muss ankommen. Ich schaffe das. Noch 27 Kilometer – es wird mir elend übel,die Beine werden schwerer, die Schulten sind steif. Aussteigen ???? Nein, du schaffst das !! Die Wunde am Ellenbogen brennt, eine Blase am rechten Fuß macht sich bemerkbar. Oje !!! Weiter ! Ich halte länger an den Versorgungsstellen, weiß nicht, was ich essen oder trinken soll – mir ist es so schlecht. Es ist längst dunkel, auch die Zuschauer verziehen sich mehr und mehr in ihre Wohnzimmer, in die ich neidisch hineinsehe. Die haben es gut – und ich ????? mein Gott- wie kann man nur !!



80 Kilometer – die zwanzig schaffe ich locker – dennoch die Beine tun weh, der Schritt wird immer schlürfender. Nur nicht hinfallen – aufpassen !! Ich nehme mir ein Stück Orange, zuckle sie aus – eine kleine Erfrischung, aber nichts gegen die Übelkeit !!!

Auf der Strecke nur noch wenige Läufer, dennoch es gibt noch einige, die noch mehr Probleme haben als ich. Sie stehen irgendwo angelehnt. Ob sie noch die Kraft haben werden, weiterzulaufen ???

Noch 10 Kilometer – ich kann nicht mehr, mir tut alles weh, ich lasse die Arme links und rechts von mir hängen, auch den kopf, aber es wird mir schwindlig, Kopf hoch !!! Noch 8 Kilometer, was sind schon 8 Kilometer ??? Mein Gott, wie lange ein Kilometer doch sein kann. Noch 7 Kilometer, von zu Hause bis zum Rhein- ein Klacks !!! Ich irre fast ganz alleine durch die Nacht, hinter mir ein schlapp, schlapp, schlapp, sieh einer guck !! – die kleine Japanerin, die ich vorhin überholt haben, hat sich wieder berappelt und zieht an mir vorbei.

6,5,4,3,2. Noch ein einziger kleiner, klitzekleiner Kilometer – mein Gott, ich danke dir !! Ich sehe die Halle- zum Glücklichsein bin ich zu kaputt.

Stehenbleiben 100 Kilometer – es ist geschafft !! – NIE WIEDER (das sage ich immer !). Ein Sanitäter legt mir eine Decke um, ich setze mich, was für ein Gefühl !!!! Alles ist vorbei – over – geschafft – durchgekommen !!!!

Thomas begleitet mich zur Dusche – herrlich das heiße Wasser. Frische Klamotten – es geht mir schon viel besser. Ich gehe zur Massage und lasse mich eine Stunde lang massieren, massieren, massieren – die Welt ist wieder in Ordnung.








dieser bericht ist zwar schon älter, aber dieser lauf gehört zu einem meiner härtesten, bei dem ich mich quasi 100 x auf's neue überwinden mußte, um dann im ziel anzuzkommen.

im übrigen habe ich nie einen lauf vorzeitig beendet, denn ultra-läufer sagen:* wenn du einmal abbrichts, dann tust du es immer wieder *, das nahm ich mir zu herzen und höre es immer wieder bei solchen läufen, es ist wirklich etwas wahres dran.

viel spaß beim lesen !!
firenza :) :)
auch das noch :tocktock:

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Hm, Graal-Müritz, Ultraläuferin: hast du schon mal an die Deutschlandstaffel 2006 gedacht? :D Gerade in dem Bereich zwischen Stralsund und Rostock war es bei der Premiere 2004 nicht einfach, die Staffel zu besetzen.

Globi,
schon ein paar Schäfchen suchend
:wink:

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geil, danke. ein wunderschöner bericht ... wie man jetzt an die deutschlandstaffel denken kann (s.o.), fällt mir mehr als schwer nachzuvollziehen, wenn du hier beschreibst, wie du dich 10 mal über die strecke geschleppt hast, teilweise gelaufen bist, teilweise sicher auch geflogen :-)

ein traum von mir, einen 100er zu laufen ... vielleicht schaffe ich es ja ... irgendwann, dein bericht gibt wieder einen kleinen motivationsschub!

grüße, mr-matze

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Hallo Firenza,

ein interessanter Bericht und spannend zu lesen! Ich frage mich schon öfter, welche Motivation hinter solchen Ultra-Läufen steckt. Beim Lesen habe ich mir gedacht: "Das machst Du nie!" Hochachtung vor solcher KM-Fresserei! Hast Du weitere Berichte auf Lager?

Viele Grüße
Bifi

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Hi Firenza,

schöner Bericht. Bei mir ist es ja jetzt auch nur noch vier Wochen hin bis zu meinem ersten 101km Versuch. Ich bin wirklich gespannt wie es werden wird. Sowas zu laufen ist ja wohl auf jeden Fall deutlich härter als sich einfach so wandernd auf die Strecke zu begeben. Leider kann ich bei meiner Tour davon ausgehen, das es überhaupt keine Fans an der Strecke geben wird (bis auf meine Eltern und ein paar Organisatoren) Einfach viel viel Wald 50 km hin und dann wieder zurück beim Hollenmarsch
Werde nach dem Marsch berichten wie es war. Und danke für den Tip niemals abzubrechen. Es wird mir einen Motivation sein.

Martin
mit freundlichem Gruß aus Hamburg


Martinwalkt
About me, alles auf einen Blick

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Ich habe nur noch Gänsehaut! Toller Bericht. Stell die anderen auch herein!

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Unvorstellbar !Wahnsinn !Gänsehaut !Schön ! Vier Worte die alles beschreiben !
Meine Läufe und mehr :

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