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27.05.2018 Edinburgh Marathon: Bericht

27.05.2018 Edinburgh Marathon: Bericht

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Edinburgh interessierte mich, einfach als Stadtziel, da wollte ich gerne mal hin. Und wie man das als Läufer so macht, man guckt, was es da denn so für Laufveranstaltungen gibt, man kann ja vielleicht Laufen und Sightseeing verbinden? So kam ich auf den Edinburgh Marathon, Ende Mai, na das passt doch!
Ich informierte mich auf der Eventseite. Sie werben damit, dass es die zweitgrößte Veranstaltung nach London sei. (Aber da rechnen sie die Teilnehmer aller Läufe mit ein, Kinder, 5- und 10k, HM, M.) Und die Strecke sei einer der fastest marathons, da es anfangs viel downhill geht. Also gut, angemeldet, Flug und Hotel gebucht. Insgesamt 5 volle Tage, damit auch Zeit für die Stadtbesichtigung ist.

Hinflug Mittwoch. Dort erstmal Temperaturschock, es herrschte die ganze Zeit ein eisiger Nordost, morgens einstellige Temperaturen, tags nicht viel besser. Pfui nee… dennoch waren wir viel unterwegs, um die Stadt zu erkunden.
Samstag nahm ich, nach einem Tipp von Silvia, an einer Runningtour teil. Das war superinteressant, kann ich nur empfehlen. Kreuz und quer durch Edinburgh, Wege und Orte, die man als touristischer Normalo nie gefunden hätte! 8 km mit Erklärpausen.
Anziehfrage: hätte ich Langes dabeigehabt, hätte ich es wohl angezogen. So hatte ich kurz/ kurz im Koffer, allerdings mit einer Weste, die den Körper warmhält. Was sich letztendlich als perfekt erwies.


Sonntag Marathontag, Start 10 Uhr

Den Tag begann ich mit einem Experiment, was man ja eigentlich nicht machen soll, ich frühstückte ganz was anderes als sonst und empfohlen. Am Freitag hatte ich mir Porridge bestellt, mit Wasser und Honig, da ich Milch oder Sahne wg. Laktoseunverträglichkeit nicht essen wollte. Und nach gut 2 Stunden hatte ich schon wieder einen Mordshunger. Bei langen Trainingsläufen und Wettkämpfen hatte ich schon öfter so komische Zustände von Schwäche, dass ich dachte, kann das mit dem Essen zu tun haben??

Am Samstag hatte ich mir dann ein klassisches englisches Frühstück bestellt: bacon, Spiegelei, baked Beans, potatoe scone, Toast. Und siehe da, erst gegen 16.30 h war ich wieder hungrig, das hatte also viel besser vorgehalten.
Ich überlegte ewig hin und her, was ich Sonntag nun essen sollte morgens. Risiko?? Ja! Also ordentlich mit Fett und Eiweiß gefrühstückt. War ja noch ca. 2 h bis zum Loslaufen.

Weg zur Kleiderabgabe am schönen Park hinter den alten Universitätsgebäuden entlang, ca. 15 Minuten, es nebelte und hatte 9°. Ich wartete so lange wie möglich mit dem Ausziehen der warmen Sachen, aber dann mussten die LKW los, ins Zielgebiet. Noch etwas rumgefroren, dann im Startblock Gedrängelwärme. Die Blöcke sind auf verschiedene Straßen verteilt, ebenso die LKW zur Kleiderabgabe, es geht nach Zeiten und Farben, ich war purple pen, also etwa Block H.
Übrigens alles völlig relaxt, nichts abgesperrt für Nichtteilnehmer, da wuselt alles durcheinander, ist aber nicht übervoll. Gut organisiert!

Schließlich um 10 Uhr der Start. Die Blöcke schoben sich vor, bei mir dauerte es immerhin gute 20 Minuten bis zur Startlinie.
Und dann geht’s ab! Die ersten km sind nur downhill, aber kräftig. Durch die Stadt, vorbei an Zuschauermengen, die Royal Mile entlang. Ich musste mir immer wieder sagen: das ist hier gerade ein Marathon, kein 10er und kein HM, nu tu mal langsam!
Und dann, bei ca. km 8, führt die Strecke ans Meer. Die Brandung toste, es roch nach Salzwasser, der Nordost kam von vorn – aber mittlerweile war ich warmgelaufen und empfand die Kühlung an Armen und Beinen angenehm. Die Strecke ist nun recht flach, nur leicht wellig, und führt fast immer am Meer lang, unglaublich schön. Nach einer Weile, ca. km 11, erreichten wir Portobello. Strandpromenade, viele Zuschauer, die unverdrossen anfeuerten.

Das fiel überhaupt auf: in jedem Ort, überall waren Zuschauer, die sich richtig engagierten! Häuser und Vorgärten beflaggt, Chor, Trompeten, Dudelsackmusik, Anbieten von Getränken, Süßem, Chips – und immer wieder Sprüche und Rufe! (Da war in Frankfurt weniger los an der Strecke.)

Nach ca. 15 km erreichten wir Musselburgh, wo auch das Ziel ist. Der Zieleinlauf war schon abgegittert, wir liefen links dran vorbei. Die Strecke ist ab dort zweigeteilt, die Schnelleren kommen auf der rechten Seite entgegen. Etwas später sauste dann auch der Sieger an uns vorbei, danach lange nix!

In Port Seton eine Extraschleife zur HM- Marke, da lag aber bloß eine Matte, kein Extrator oder sonst was Bemerkenswertes. Ich hatte 2:26:57 auf der Uhr, wow, da war ich ja schneller als beim Berliner HM!

Wir liefen meist durchs Grüne und kleine Ortschaften, mit Blick aufs Meer. Noch war der Himmel bedeckt. Das ungewohnte Frühstück bewährte sich super, nichts lag schwer im Magen, mir ging es gut. Als ich dann doch etwas Hunger bekam, aß ich Mandelschnitten, solche mit Esspapier drumrum. Das war auch richtig.

An den Verpflegungsstellen gab es Wasser und Gele. Die waren fruchtig- schlabbrig und ließen sich gut schlucken.

Immer noch nicht war die Wendestelle erreicht, ich wurde ungeduldig und wollte endlich den Wendepunkt erreichen. Rechts von mir strebten die Schnelleren auf Musselburgh zu, und ich musste immer noch in die Gegenrichtung, das pestete mich kurzfristig. Ich hatte Lust, stehen zu bleiben und zu meckern: Ich! Hab! Keine! Lust mehr!! Aber, wie der Norddeutsche sagt, nütschanix.

Also weiter, und ENDLICH die Kurve rein in ein Waldstück, es kam ein bisschen staubige steinige Wegstrecke, dann, bei mile 20, wieder auf die Straße, und nun hatte ich die Langsameren rechts von mir. Noch ca. 10 km. Jetzt wurde es zäh. Die Sonne kam raus, es wurde wärmer, zwar kam der Wind nun von hinten, aber die fehlenden langen Kanten machten sich bemerkbar, na das war zu erwarten gewesen. Ich eierte mehr als ich lief, war aber dennoch guter Dinge.

Ich stopfte mir noch ein Stück abgepackten Käse rein, den ich vom Frühstücksbuffet mitgenommen hatte. Ist ja Salz drin. Eine Zuschauerin in Prestonpans hielt mir Paprikachips unter die Nase, och ja, da griff ich auch zu, von wegen der Elektrolyte!
Bei km 38 verabschiedete sich leider meine Polar, Akku schwach. Auch sah ich keine Meilen- Schilder mehr, gab es keine oder habe ich sie nicht wahrgenommen? Ich hatte nun gar keine Kontrolle mehr über Strecke und Laufzeit. Meilenschilder sind übrigens doof, die kommen viel zu selten, man hat gar nicht so oft das schöne Gefühl, hach, wieder ein Stück Strecke weg erledigt!
Ganz schön fies: bei Meile 25 ist ein Remmidemmi wie im Ziel, mit Ansage, ganz vielen Zuschauern, so dass man schon denkt, man hat es geschafft. Aber nix, es ist noch weit… Die Läuferin neben mir kannte das wohl schon und knurrte: the last mile kills!! Fürwahr, recht hatte sie.

Die Zuschauer waren ohne Ende begeistert und riefen einem zu, wieviele Meter es noch bis ins Ziel seien, noch um eine Ecke nach links, und da tauchte endlich das Sport- Areal mit dem Zielbogen auf! Geschafft! Man bekam ein Wasser, einen Tab zum Reintun in das Wasser und einen Müsliriegel. Ich ließ mich erstmal nieder. Verdammt, nach einem Marathon ist der Boden immer so weit unten… Wasser mochte ich aber nicht mehr.

5h 30m 56s
10k: 1h 6m 46s
Half: 2h 26m 57s
30k: 3h 37m 7s
Split 4: 2h 33m 22s
Gun Time:5h 49m 37s

Nach einigen Minuten raffte ich mich auf und verließ den unmittelbaren Zielbereich. Am Ausgang gab‘s die Medaille und ein süßes kleines Köfferchen mit Shirt, Trinkflasche, zwei Muskelgelen cool und warm und Wärmefolie. Innen schottisch kariert ausgeschlagen, das Köfferchen. :daumen:

Das Zielgebiet ist wunderbar, eine riesige Rasenfläche, die voll mit lagernden Gruppen von Finishern war, dazu Stände mit Bespaßungen und (kostenpflichtigen) Essensangeboten aller Arten und natürlich Bier. Die LKW waren in Sichtweite, die Beutel (man muss einen eigenen bringen) waren ausgeladen und lagen sortiert auf dem Rasen. Aha, daher hatte der Veranstalter in den Infos geschrieben, man solle die Kleidung zusätzlich nassfest einpacken!

Frisch umgezogen – duschen wollte ich lieber im Hotel- machte ich mich auf den Weg zum Bierstand. Ich hatte einen 5 Pfund- Schein und einige Münzen eingesteckt. Das Bier kostete 4 Pfund!! Auf etwas zu essen musste ich verzichten, hatte aber auch wenig Appetit. Auf dem Rasen sitzend schlürfte ich ein leckeres Lager und beobachtete das Treiben. Ich hatte gedacht, da ist kaum noch einer, immerhin war es mittlerweile bald 17 Uhr, aber es war richtig was los! :pepsi:

Ich hatte einen Shuttlebus zurück nach Edinburgh gebucht. Wo fährt denn der? Am Ausgang fuhren die normalen Linienbusse. Helfer: Shuttlebus Roundabout! Aha. Da tigerten ja einige in die Richtung. Ich mit. Nach etwa 10-15minütigem Gelatsche tauchte ein Kreisverkehr auf. Hä? Wo Bus? Die anderen liefen weiter, ich versuchte rauszukriegen, wo ich hin musste. Anscheinend doch dahin, wo die anderen liefen. Endlich, nach bald einer halben Stunde, tauchte ein Platz auf, auf dem drei Busse warteten. Ich in den ersten, der würde ja abfahren, wenn halbwegs voll, hielt dem Fahrer mein Ticket hin, den interessierte das aber absolut nicht.

Bus fährt los, über Land, auf die Autobahn, es dauert. Halt auf einem Park & Ride- Parkplatz, einige Leute steigen aus. Bus wieder auf die Autobahn, steht im Stau, mittlerweile sind wir fast eine Stunde unterwegs, da war ich ja zu Fuß schneller! Nächster Park & Ride-Parkplatz, ach Gott, hätte ich bloß den Linienbus genommen, der wäre sicher schon in Edinburgh! Und weiter über Land, noch ein Parkplatz, ich bin allein im Oberdeck. Da kommt der Fahrer rauf, ich soll aussteigen, End of the line! Wieso, fährt der Bus nicht nach Edinburgh?? Nein, hier ist Ende. Schock!! :angst: Da steh ich quasi in the middle of nowhere! Muss ich jetzt hier übernachten?

Es ist noch ein Mann da, der anscheinend ein Betreuer oder Wachmann ist, er meint, ich muss den Linienbus nehmen. Der kostet 1,70 Pfund. Ich zücke mein Portemonnaie, hab ich überhaupt noch soviel? Schütte die ganzen Münzen in meine Hand und versuche zu sortieren, der Busfahrer und der andere Mann zählen schnell, und, Glück im Unglück, es sind GENAU 1,70 Pfund! Uff!!! Weiteres Glück: der Bus kommt gerade. Und noch besser: die Linie fährt direkt zu unserem Hotel!
Die Fahrt dauerte eine ganze Weile. Um 19 Uhr war ich endlich wieder zurück. Duschen und noch was Feines essen gehen, der Hunger war mittlerweile doch recht groß.

Fazit:
Sehr empfehlenswerter Lauf, super Orga, tolles Zielgebiet, Streckenverpflegung Wasser und Gele sowie durch Privatleute allerhand Snacks, unglaubliches Engagement der Zuschauer in den Dörfchen, durch die man läuft. Strecke erst durch die Stadt, dann traumhaft am Meer lang, aber windanfällig und nahezu schattenlos. Erste km bergab, später einige leichte „Wellen“. Untergrund meist Asphalt. Gimmicks im Ziel sehr liebevoll aufbereitet.
Auch die Runningtour möchte ich euch ans Herz legen. Man bekommt ein Shirt, ein Poster, eine Trinkflasche und einen tollen Schlüsselanhänger, der ähnlich der Medaille gestaltet ist.

Shuttlebus kann man vergessen, bzw. wer ihn bucht, genau aufpassen, wo er hinfährt bzw. lieber gleich den Linienbus nutzen, der fährt nämlich direkt am Ausgang ab und man spart die lange Gehzeit.

Achtung, man kann in den Bussen nur BAR und PASSEND zahlen!! Kein Wechselgeld, keine Karten möglich!

Hoteltipp: Edinburgh Hotel, ausgesucht nach der Nähe zum Startgebiet, da es keine U- oder S- Bahnen gibt und man ja nicht weiß, welche Buslinien womöglich am Marathontag gar nicht fahren. Unsere Unterkunft war am Lauriston Place, heißt zwar Place, ist aber eine lange Straße, an der es noch ein Novotel und Premier Inn gibt.
1: Vorteil: abseits vom dicksten Touri- Betrieb, aber in ca. 15 Minuten zu Fuß ist man im Zentrum. Es fahren aber auch zwei Buslinien hin.
2. Vorteil: ganz in der Nähe sehr schöner Park für den Morgenlauf oder Abendspaziergang.
Gut gegessen haben wir im Spoon und im 54 North, leichtes Essen ohne Fressnarkose, kein Massenbetrieb.
Wer Lust hat: am 23.09. ist in der Nähe ein HM mit ähnlicher Strecke! http://www.scottishhalfmarathon.com

Danke für's Lesen! Fotos von der Strecke hab ich eigentlich auch, mal sehen, ob ich die hier reinkriege vom mobile.
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Im Smartphone finde ich die Option zum Bilder hochladen nicht, ich muss die Fotos erst auf den PC ziehen.

Edit: vom Smartphone schlägt das Upload fehl (wieso, steht da nicht bei), und auf dem Rechner finde ich den Ordner gar nicht, wo die Bilder hingespeichert wurden, das ist, wenn man auf das Windows- Symbol klickt, ein Ordner namens Fotos (Feedback, Firefox, Filme, Fotos), und den kriege ich nicht gefunden, wenn ich über "Durchsuchen" in den PC gehe. Komisch.

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Vielen Dank! Bin letztes Jahr den HM in Glasgow gelaufen - Bericht ist hier auch irgendwo, aber Edinburgh steht auch noch (für irgendwann mal) auf meiner Liste und jetzt habe ich wieder richtig Lust bekommen nach Schottland zu fahren :-)

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Von der Warte aus, dass man in Deutschland im Mai temperaturmäßig kaum noch vernünftig einen Marathon laufen kann, wäre Schottland schon eine Alternative. Ich bin an dem Sonntag in Gelsenkirchen den " Schalke Marathon " bei fast 30 Grad mitgelaufen,
aber mir wäre die " gedankliche Auseinandersetzung " mit der Absicherung so einer weiten Reise schon zu aufwendig, denn die Flugbranche ist mehr oder weniger permanent mit Streiks in den Medien, sind die Piloten fertig, fängt das Bodenpersonal oder die Kabine an,
dann sind danach mal die Co Piloten dran, dazwischen noch wetterbedingte Ausfälle, das zu versichern wäre mir ein Lauf nicht wert

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Spannender Bericht!
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10 km - 37:36 (T - April 2019)
HM - 1:30:41 (Sorger Halbmarathon/Graz - April 2018)
M - 3:10:26 (Wien Marathon - April 2019)

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Toller Bericht, danke fürs mitnehmen. Der kommt auf die Bucketlist, Edinburgh ist eh eine tolle Stadt!

LG, 3fach
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Some say there's no magic formula. I say there is. It's just that the magic is different for everyone. Keith Dowling
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