nachtzeche hat geschrieben:[...]Es geht mir um die Länge und Häufigkeit von langen Läufen im Ultratraining im allgemeinen, in speziellen habe ich aber die ganz langen Wettkampfstrecken wie 100 Meilen, 24 Stunden oder mehr im Blick.[...]Liebe Grüße
nachtzeche
Seit 5 Jahren bilden 100 Meilenläufe und länger meine ein bis zwei Saisonhöhepunkte. Hierbei trifft man im Großen und Ganzen ja immer dieselben MitläuferInnen und mit einigen kommt man dabei und danach auch ganz gut ins Gespräch.
Inzwischen hat sich auch dadurch für mich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es bei Ultraläufen keine allgemein gültigen Regeln gibt, die zum maximal möglichen Erfolg führen. Was für den einen der wichtigste Trainingsbestanteil ist, wäre für den anderen, im selben Leistungsbereich, eher Kontraproduktiv. Zunächst muss man, gerade im Ultralaufbereich, natürlich aufs eigene Zeitmanagement schauen. Was ist für einen selbst "neben" Familie und Beruf überhaupt und wie zeitlich umsetzbar? Dann die körperlichen Vorausetzungen. Beim Lesen, zuhören (u.a. Florian Reus, bei einem seiner Vorträge, nach seinem Doppelerfolg in 2015) und letztlich durch Gespräche mit nicht wenigen z.T. sehr erfolgreichen Ultras hat sich für mich folgendes mehr oder weniger deutlich herauskristallisiert: Einige junge Ultra-LäuferInnen kommen mit weitaus weniger Km-Umfängen sehr gut zurecht, erreichen trotzdem, oder/bzw.? gerade dadurch erstaunliches… . Ich denke bei denen regelt sich viel über ihre in der Regel höhere Grundschnelligkeit. Natürlich braucht man dann auch mehr Regenerationszeit. Sie können eben ihren Körper auch noch viel höher kurzzeitig belasten (höherer Maximalpuls). Ultras zwischen 45 und 65 Jahren (m/w) laufen in der Regel viel mehr, müssen das aber eben auch, um IHR maximales Leistungsvermögen voll ausschöpfen zu können und das nicht, weil sie es glauben, sondern weil diejenigen tatsächlich beides probiert haben. Diese Läufergeneration(en) braucht, auf Grund ihres - in der Regel - niedrigeren Tempos dabei, wiederum nicht so viel Regenerationszeit. Wie gesagt, so meine mehrheitlichen Beobachtungen und die Quintessenz aus Gesprächen, mit mir namentlich bekannten LäuferInnen, auch mit Blick auf ihre z.T. beeindruckende DUV-Statistik (Erfolge/Laufentwicklung über mehrere Jahre). Ausnahmen gibt es dabei natürlich in jede Richtung (bezüglich jung/alt).
Jetzt etwas konkreter, auch zu mir. Ein sehr erfolgreicher Trainer im Ultrabereich hat einmal gesagt, man braucht ungefähr 8 Jahre, um sein maximales Leistungsvermögen im Ultralauf zu erreichen, dann kann man es in der Regel 8 Jahre halten. Er sprach dabei von einem wirklich hohen Leistungs-Niveau und auch wenn ich weit davon entfernt bin, so merke und spüre ich doch selbst in meinem bescheidenen Leistungsbereich, jetzt, im 5. Jahr, langsam, was er damit meint. Vor allem der ganze Körper muss sich erst einmal mit dieser völlig anderen Art des Laufens "anfreunden".. Ich habe schon mit 13 Jahren an Zwanzigkilometerläufen u.ä. teilgenommen und bin seither (1981) den langen Läufen treu geblieben, auf bescheidenem Niveau. Von 1996-2013 allerdings nur bis Marathon. Vom (z.B.) Rennsteiglauf bis 100 Km-Läufe- alles keine wirklich große Umstellung, für einen erfahrenen Marathonläufer. Was dann (so ab 120/130 Km, bei Läufen von mindestens 100 Meilenlänge) kommt bedeutet aber völlig neue Lauf-Erfahrungen. Es ist wie das Betreten einer eigenen, ganz neuen/anderen Sport-Welt, aus meiner Sicht. Anfangs haben mich die Km-Umfänge fast umgehauen, weil ich zu viel zu schnell wollte, weil ich so arrogant war zu glauben, dass das, bei meiner Lauferfahrung, doch schneller gehen müsste… . Also versuchte ich mich viel zu früh an Doppeldecker, alleine, im Training von 70 und dann gleich nochmal 60 Km, einfach weil ich gelesen hatte, dass der SP-Sieger von 2012 sogar Triples macht (Fr. 60, Sa. 80, So. 80 Km…).
https://www.runnersworld.de/stuthomas (auch ein gutes Beispiel dafür was Ältere im Vergleich zu Jüngeren tun/tun müssen???… Reus vs. Thoms…) Florian Reus berichtete bei seinem Vortrag (u.a. im Nov. 2015 in Berlin), dass er selten länger als 20 Km trainiert, dafür aber fast täglich früh 20 und abends 20 Km…(wenn ich mich noch recht erinnere sagte er sowas wie „im 4:30`er Schnitt…“).
Mich an Pläne - auch nur eine Woche - festhalten, kann ich eigentlich nie, da ich für meinen AG oft genug sehr kurzfristig und zu den unterschiedlichsten Zeiten mit 100% Leistungsvermögen zur Verfügung stehen muss, auch an Tagen wo ich eigentlich frei haben sollte. Ich passe mein Lauftraining also ständig vor allem den beruflichen Erfordernissen an.
Der neuen Saison geht im Nov.-Dez. bei mir Kurzstreckentraining voraus, bis max. 20 Km, wobei es mir dabei aufs Tempo ankommt (zurückgewinnen, der in der Ultra-Saison nach und nach verlorenen Grundschnelligkeit). Auch Spinning im Fitnessstudio hilft mir (von Nov-März) dabei viel. Maximale Wochenumfänge dabei: 50-70 Km Lauftraining, dazu allgemeines Fitnesstraining und bis zu 6h (3 x 2h) Spinning. Dann, im ersten Saisondrittel, fange ich die Trainingswochen mit einem Doppeldecker von einmal 35 plus einmal 42 Km an, wobei die 42 Km immer deutlich schneller gelaufen werden. Steigere dann die Wochen-Km von 100-140, wobei die Doppeldecker immer den Anfang der Trainingswoche bilden, drei Wochen lang. Zum Ende dieser Trainingszeit (nach drei Monaten) können es auch mal Doppeldecker von 2 x 55 Km sein, oder sowas wie Harzquerung und Oberelbemarathon am nächsten Tag, wenn mir das trainieren (ich trainiere immer alleine) zu langweilig/einsam wird. Ab da halte ich mich an die Empfehlungen auf der DUV-Seite, für 24h-Läufe, oder dem Training für den SP (Spartathlon). Also einmal in 4 Wochen nach Möglichkeit mindestens ein 100 Km-Lauf, ein 12h- Lauf, oder was Vergleichbares. Maximale Wochenumfänge dann bis 200 Km. Man muss das wirklich für sich selbst herausfinden, was erschöpft mich zu sehr, was bringt mir wirklich was.
https://www.ultra-marathon.org/index.ph ... partathlon (hier ziemlich weit unten: "Training für den Spartathlon")
Ein Beispiel:
- 2016 konnten selbst einige mit MIT SP-Erfahrung es kaum fassen, dass Udo - genau 3 Wochen vor dem SP - noch an einem 24h-Lauf teilgenommen hat, bei dem er – zwar für ihn gaaanz locker, aber dennoch – 165 Km lief…
- 2017 gab es schon sechs SP-LäuferInnen (4m/2w), die das Gleiche (also anteilig ihres jeweiligen Leistungsvermögens) drei Wochen vor dem SP anlässlich der 24h-DM machten…
- 2018 habe ich vier SP-StarterInnen erkannt (2m/2w), die drei Wochen vor dem SP an der 24h-DM teilgenommen haben…
- 2017 und 2018 war auch jeweils einer, bzw eine dabei, die die 100 Meilen von Berlin gelaufen sind, drei Wochen später an der 24h-DM teilgenommen haben und erneut drei Wochen später den SP lief/läuft…
Da ich dieses Jahr nicht beim SP starte, habe ich mich dazu entschlossen, diese Umfänge nun selbst mal auszuprobieren (…also ohne das Risiko einzugehen, dadurch beim SP kraftlos am Start zu stehen…) und weil es gerade in meine sonstige Planung (Stichwort: Zeitmanagement) passte, bin ich noch weitergegangen: 100 Meilen von Berlin, zwei Wochen später Müritzlauf (75 Km), eine Woche später 24h-DM, zwei Wochen später Berlin-Marathon, alles mit jeweils ca. 85-90% dessen, was ich z.Zt. so drauf habe. Fazit: 1. Ich konnte keinen Leistungseinbruch oder größere Ermüdung bei mir feststellen, daraus folgt 2.: Ich bin nun körperlich soweit, so etwas wegzustecken, bzw., dass mir so etwas auch etwas als Trainingseffekt bringen wird, auf dem Weg zu meinem 2. Saisonhöhepunkt (Ende Oktober). Vor fünf Jahren, nach meinem 1. 100 Meilenlauf, noch undenkbar- obwohl seit 1981 "Langstrecken"- Läufer… .
Also: 1., alles eine Sache der Erfahrung. 2., der richtigen Selbsteinschätzung (was tut mir gut, was brauche ich) und 3., des Zeitmanagements.
Noch ein anderer Ansatz, der wieder alles in Frage stellt, bzw. beweist, dass es ganz individuelle Wege gibt: Hubert Karl, 60 Jahre, der SP-Rekordhalter (bisher...20 Mal im Ziel/..."Mister Spartathlon"..), berichtet in seinem Buch "Lebensprinzip Bewegung" von (s)einer - inzwischen - ganz anderen SP-Vorbereitung (viele Crossläufe, viele kurze Läufe/Laufwettkämpfe, kaum lange Läufe…). Auf Grund seines Alters erstaunlich, was wiederum beweist, es gibt keine allgemein gültige Formel, bei solch langen Strecken.
MfG Mike