Don Quijote auf dem Rheinsteig
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Don Quijote!? Hä? Warum steht hier Don Quijote? ... Diese Frage beschäftigte mich auf meinem Lauf am Samstag über den Rheinsteig von Leutesdorf nach Bad Honnef. Auslöser ist eine Don Quijote Figur am Wegesrand. Ziemlich am Anfang meines Laufs oberhalb von Leutesdorf laufe ich an einigen Kunstobjekten vorbei, die da in loser Folge direkt am Rheinsteigweg aufgestellt wurden, ganz zu meiner Überraschung und Freude. Die meisten Objekte finde ich richtig klasse. Eine schöne Abwechselung. So richtig angesprochen hat mich die Figurengruppe von Don Quichote und Sancho Panser aus dickem rostigem Stahlblech, wie sie auf ihren Reittieren gemächlich den Berg erklimmen.
Genau wie ich! Haha, ja, Don Manfredo de la Mancha, auf Schusters Rappen, Rosirannte, begleitet durch meinen neuen treuen Weggefährten Salomon Rückenpanza, im ungleichen Kampf gegen die übermächtigen Windmühlen, ähm Weinberge des Rheinsteigs, die es heute zurückzuerobern gilt, im Kampf für die Freiheit.
Wer war nochmal genau dieser Don Quijote? Das habe ich später Zuhause nachgeschaut und ich zitiere mal Wikipedia:
Zu den beliebtesten Lektüren des späten Mittelalters zählten die Ultralaufberichte. Steigende Nachfrage der Leserschaft führte zu einer Flut neuer Fortsetzungen, in denen immer fantastischere, unglaubwürdigere Laufabenteuer geschildert wurden, die allerdings – nach Meinung der Gebildeten jener Zeit – die Gehirne der Leser vernebelten.
Hier setzt der Autor mit seiner Geschichte an. Don Manfredo soll nicht nur diese Laufberichte parodieren, sondern auch vor Augen führen, wie deren übermäßige Lektüre den klarfen Verstand raubt. Manfredo W-bach, ein kleiner Laufadeliger, lebt „irgendwo“ in der Mancha im Rheinland. Er hat schon nahezu alle Ultralaufberichte gelesen, deren Begebenheiten er ab einem bestimmten Moment für absolut wahr hält. Diese Lektüre hat ihn so weit der Realität entrückt, dass er eines Tages selbst ein „edler Ultraläufer“ werden will, um sich todesmutig in Abenteuer und Gefahren zu stürzen und ewigen Ruhm an seinen Namen zu heften. Diesen ändert er in Don Manfredo, seinen alten löchrigen Laufschuhen verleiht er den Namen Rosirannte. Ein Mädchen, das er in seiner Jugend einmal heimlich verehrte, erwählt er sich – seinen literarischen Vorbildern folgend – zur Gebieterin seines Herzens und nennt sie wohlklingend Dulcinea.
Er putzt und flickt seine ausgefressene Laufausrüstung, baut eine einfache Haube mit Pappe zur Laufkappe um und zieht auf Abenteuer aus. Alles, was ihm begegnet, bringt er mit dem edlen Ultralauftum in Zusammenhang, obwohl dieses schon seit Generationen erloschen ist. Bei nahezu jedem Abenteuer bezieht er Prügel von der Strecke, aber er schafft es doch immer wieder völlig zerschlagen zurück nach Hause zu gelangen. Don Manfredo beschließt jedoch immer wieder neue Anläufe und nimmt dabei immer seinen treuen Laufrucksack mit. Er heißt Salomon Rückenpanza (panza kann man als „Bauch“ oder „Wanst“ verstehen). Don Manfredo ist in idealistischen Träumen versponnen und vermeintlich völlig furchtlos, weil völlig von seinem edlen Tuen überzeugt. Und immer wieder wird Don Manfredo im Laufe solcher Abenteuer fürchterlich verprügelt von den Umständen und den Widrigkeiten, die sich ihm entgegen setzen, oder kommt anders zu Schaden. ... Soweit Wikipedia.
Bin ich ein laufender Don Quijote? Der auszieht gefährliche Abenteuer zu bestehen? Der gegen übermächtige Gegner kämpft? In der Hoffnung edle Siege zu erringen? Auf dem Rheinsteig. Da wo andere nur schöne romantische Weinberge sehen, aus der Ferne, im Liegestuhl liegend auf dem Sonnendeck der Flußkreuzfahrtschiffe unten auf dem Rhein? Während ich oben ganz klein und unentdeckt meine einsammen Kreuzzüge führe? Mit Leidenschaft für die Freiheit ...
Da Kreuzzüge nicht billig und logistisch nicht ganz einfach zu organisieren sind, habe ich das Karnelvalsticket der KVB genutzt, das die ganzen Karnevalstage über im erweiterten VRS-Gebiet gilt, und bin mit dem Regionalkreuzzug möglichst weit den Rhein hinaufgefahren in den fernen Süden, bis nach Leutesdorf. Der Einstig zum Rheinsteig war schnell gefunden, es ging an einigen Kunstobjekten vorbei .. hatten wir schon ... und nun soll es auf dem Rheinsteig möglichst weit zurück gehen, in Richtung Köln-Ehrenfeld.
Die Strecke ist sehr abwechslungsreich, Weinberge wechseln mit Wäldern und kleinen Orten und alten Ritterburgen, hihi. Und immer wieder Leyen (Felsen) mit herrlichen Ausblicken auf das Rheintal. Es geht ständig rauf und runter, sehr fordernd. Ich finde aber mein Tempo, nicht schnell, aber meins, und darin läuft es erstaunlich gut. Heute wird mich so schnell keiner in die Knie zwingen. Und so vergehen die Stunden. Einsam. Es sind fast keine anderen Leute unterwegs heute. Am ganzen Tag treffe ich nur auf eine Hand voll Wanderer.
Und dann plötzlich, kurz vor Linz, kommt mir auf einem kleinen Pfad im Wald ganz plötzlich und unerwartet ein anderer edler Ultraläufer entgegen, eine edle Ultraläuferin sogar. Nein! Das kann doch nicht sein!!! Das ist doch die Sabine vom letzten Kölnpfad, die der Herr auf den Weg geschickt hat, um ebenfalls edle Taten zu vollbringen. Eine Verwandte im Geiste. Juhu, juhu, juhu. Große Freude. Das kann doch nicht sein. Hier mitten in dieser Einöde trifft man sich.
Aber wir haben heute ja beide keine Zeit für große Rumschwätzereien, weiter geht's, die Abenteuer warten ja nicht auf einen. Aber emotional gibt die Begegnung viel Kraft, der Tag hat sich schon jetzt für diese Begegnung gelohnt. In Linz kehre ich kurz ein um etwas zu Essen und um die Getränkevorräte aufzufüllen. Linz ist die einzige Stadt auf dem Weg bislang und auch im vorausliegenden Siebengebirge wird es keine Gelegenheit mehr dafür geben. Linz war auch so mein Wunschziel, wenn alles gut klappt, dann könnte ich es bis hierher schaffen.
Aber jetzt ist das Weitermachen keine Frage, es ist ja noch Hell und heute habe ich noch keine richtigen Prügel einstecken müssen. Also weiter geht's, weiter in Richtung des geheimnisumwitterten Siebengebirges. Je näher ich dem Siebengebirge komme, desto dämmriger wird es dann aber doch. Am Fuße des ersten großen Anstieges hinauf zum Leyberg ist es dann stockdunkel. Kein Problem, der finstere Wald macht mir keine Angst. Hinauf geht's und oben dann weiter durchs Dunkle, das Auge Gottes wacht ja über mich. Morgens hatte ich noch überlegt, ob ich überhaupt meine Taschenlampe mitnehmen soll. Jetzt bin ich doch froh.
Die Wegfindung war den ganzen Tag kein Problem, auch jetzt in der Finsternis komme ich sehr gut klar, die Rheinsteigzeichen sind beim Anleuchten auf den dunklen Baumstämmen meist gut zu erkennen. Ab und an gibt es sogar ein paar kleine Reflektorzeichen. Das sind zwar nur etwa einen Zentimeter große reflektierende Quadrate, aber sie sind trotdem schon von Weitem gut zu erkennen. Ähnliche Zusatzmarkierungen für Nachts kenne ich vom Kölnpfadlauf und ich vermute mal, dass diese hier auch extra angebracht wurden für den Koboltlauf.
Doch dann passiert's, an einer größeren Kreuzung mit mehreren Wegen weiß ich nicht mehr weiter. Niergends ist ein Zeichen zu entdecken. Ich hole meine Rheinsteigkarte raus und versuche mich zu orientieren. Wo bin ich? Ah ja, hier müsste ich sein und dann müsste es da weiter gehen, natürlich wieder bergauf, na klar, das passt. Karte wieder weggepackt und ich stehe plötzlich im Finsteren, trotz Taschenlampe, aber irgendwer hat das Restlicht ringsherum plötzlich ausgeschaltet, alles Schwarz. Problem, durch das Anschauen der hell angeleuchteten Karte müssen sich meine Augen erstmal wieder an die Finsternis gewöhnen. Das dauert ein paar Minuten. Also weiter geht's den Weg bergauf hinauf. Aber kein Rheinsteigzeichen ist mehr zu entdecken, noch da vorne um die Ecke, nein ... Ich bin inzwischen schon recht weit den Berg rauf, um so schwerer fällt sich selber einzugestehen, dass man doch falsch ist.
Also zurück. Und da fällt der Entschluss, kein Nachtabenteuer mehr, sondern ein geordneter Rückzug jetzt. Wenn ich hier einfach immer den Wegen bergab folge, dann sollte ich von hieraus problemlos nach Bad Honnef runter kommen und so ist es dann auch. Der Abbruch kam jetzt doch sehr plötzlich, ist aber völlig ok. Heute war es ja nur ein Trainingskreuzzug, zum Wiedereinstieg und zum Testen des Materials und ob die alten Knochen solche Strapazen in schwierigem Gelände überhaupt noch mitmachen. Alles supi, ein schöner Tag und ohne eine Tracht Prügel bezogen zu haben, darf man auch mal nach Hause zu kommen. Und da warten ja noch viele Abenteuer auf mich auf dem Rheinsteig.
Don Quijote auf dem Rheinsteig
12022: erledigt: G1-Grüngürtel, Kölnpfad 100k, Burginsellauf Delmenhorst 24h Staffel(!), Mega Marsch Köln (63k) ... geplant: nix