Kerkermeister hat geschrieben:Bei den BYU geht es ja bis zu einem gewissen Punkt eher um smarte Einteilung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen.
Das Format BYU kenne ich in seinen Auswirkungen nicht. Weiß aber wie ich es angehen würde. Vom Triple Marathon (3xMarathon nacheinander mit fest vorgegebenen Pausen) her weiß ich, dass nichts verheerender ist, als eine längere Pause zwischen zwei Laufabschnitten. Beim Triple kommt man nicht daran vorbei, weil die Pause zwischen den M's zu lange ist. Besonders beim zweiten Restart habe ich dort 2016, mehr noch 2018 die Hölle erlebt (fand bislang alle zwei Jahre statt, fällt dieses Jahr aber aus). Solche Schmerzen in den Knochen wünscht man dem ärgsten Feind nicht. Es dauert etwa eine Viertelstunde, bis man wieder richtig ins Laufen kommt. Vor allem nach der zweiten Pause.
Beim BYU: Ausgeruht und langsam laufend, hätte ich in der mir verbliebenen Verfassung die 6,8 km-Runden etwa nach 40 min hinter mir. Was nützen 20 min, in denen ich dann auf den Start warten müsste? Maximal 1 min bräuchte ich in den ersten Stunden zum Trinken und Verpflegen. Ich würde versuchen den BYU wie einen ununterbrochenen Ultralauf anzulegen, also mein Tempo entsprechend zu reduzieren. Zu Beginn müsste ich mich zwingen mit etwa 7:30 - 8 min/km (auch um Ressourcen zu schonen) zu traben. Kurze Pause zum Verpflegen und weiter. Nicht auskühlen, Puls und Blutdruck nicht zu stark absinken lassen. Und das dann Runde für Runde. Irgendwann bräuchte ich mich nicht mehr anzustrengen, um nur noch mit 8 min/km zu schlappen ...
Ich wette, dass BYU-Teilnehmer denselben Fehler begehen wie die meisten Ultraläufer und viel zu schnell anlaufen. Mir war immer wichtig möglichst in dem Tempo anzulaufen, mit dem ich auch ins Ziel komme. Mal gelang es, mal nicht, weil ich falsch einschätzte, was ich drauf habe. Dabei meine ich das Lauftempo zwischen notwendigen Pausen, nicht die Durchschnittspace über alles gerechnet. Pausen zum Verpflegen, Austreten, ggf. Ausrüstungskorrektur bei Übernachtläufen oder nach Klimawechsel. Dabei muss man berücksichtigen, dass die Pausen immer länger werden, je länger der Lauf dauert. Zusätzlich Zeit kostet der Faktor Dunkelheit. Das mit dem immer-länger-werden kann man sich erst vorstellen, wenn man es erlebt hat. Ich wollte das mal für den letzten Mauerweglauf genau wissen. Ich habe den aufgezeichneten Track im Nachhinein akribisch hinsichtlich der Verweildauern an Verpflegungspunkten ausgewertet. Man sollte bei den folgenden Zahlen berücksichtigen, dass mein Freund Mike und ich gemeinsam liefen und beide an dem Tag extrem schlecht drauf waren. Es ergeben sich einige Minuten Überschneidungen, wenn der eine noch auf den anderen unpässlichen Kameraden warten musste. Aber von den knapp 22 Stunden, die wir für die 100 Meilen brauchten gehen sage und schreibe 2:47 Stunden für Vepflegungs- und Umkleidepausen ab. Darin fehlen die Wartezeiten vor Ampeln (insgesamt sicher 10 bis 15 min), Austreten (dann musste der eine auf den anderen warten) und zum Verarzten nach meinem Sturz. Insgesamt gehen also von 22 Stunden Wettkampfzeit ungefähr 3:15 Stunden "Totzeit" ab.
Warum Pausen unabwendbar länger werden, obschon man nicht mehr tut - z.B. Trinken und Essen - als anfangs, begreift, wer mal 10, 15 oder mehr Stunden gelaufen ist. Alles dauert länger. Schon, weil jeder Handgriff eigens bedacht werden will und die Ausführung physisch verzögert ist. Verloren geht auch die Effizienz des Handelns. Umständliches Hantieren, bücken fällt schwer, fehlende Konzentration, jedem Handgriff muss ein bewusster Entschluss ihn auszuführen vorangehen u.v.m.
Das alles wäre bei einem BYU nicht anders. Da käme noch hinzu, dass man irgendwann die bewusste Entscheidung aufzuhören treffen müsste. Erkennen, dass die nächste Runde nicht mehr geht. Vermutlich ist man dazu nicht fähig. Denn hintenraus sinkt das mögliche Lauftempo immer langsamer ab. Und wenn ich nach 59 min + 1 fürs Verpflegen mit letzter Kraft noch mal losstarte und die Runde mit Hängen und Würgen wieder schaffe - schaffe ich dann die nächste nicht mehr? Oder vielleicht doch? Wie ich mich kenne, müsste mich die eigene Erschöpfung aus dem Rennen nehmen. Freiwillig würde ich es nicht tun. Das gilt natürlich für den Fall, dass ich den BYU als eine Art Saisonziel ehrgeizig anginge. Ich denke, das würde ich mir nicht mehr zumuten, weil der Ausgang beim ersten Mal einfach zu ungewiss ist und ich noch andere Ziele verwirklichen will, bevor der Himmlische für mich die Schlusssirene ertönen lässt. Ich könnte mir höchstens vorstellen einen BYU als Vorbereitungslauf für irgendeinen Kracher zu absolvieren. Dann mit fester Vorgabe, wann für mich Schluss ist. Und mit der Option auch früher aufzuhören, wenn es an dem Tag nur mittelprächtig läuft.
Gruß Udo