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von Run4Cake
Hier noch der versprochene ausführliche Bericht, etwas länger als geplant, viel Spaß beim Lesen:
Anreise schon am Freitag Abend. Ich konnte bei meinem Vater im S-Bahn Einzugsgebiet übernachten und brauchte kein Hotel.
Am Samstag Nachmittag dann in die Stadt gefahren um die Startunterlagen zu holen und über die Messe zu schauen. Für Vormittags waren noch Störungen im S-Bahn Verkehr angekündigt, die sollten bis Nachmittags nach meinem Verständnis behoben sein, war aber nicht so, die Bahn fuhr nur bis Griesheim und verendete dort. Man hätte mit Schienenersatzverkehr (Bus) weiterfahren können. Eine Frau sprach mich an und meinte, es wäre besser schon in Nied auszusteigen und die Straßenbahn zu nehmen, ich sollte ihr einfach folgen. Ich vertraute ihr und der Straßenbahnanschluss klappte prima. Auf diese Weise konnte ich schon einmal einen Blick auf die Strecke entlang der Mainzer Landstraße werfen, auch nicht schlecht. Ausgestiegen bin ich dann eine Station vor Hauptbahnhof, so dass ich sogar noch etwas Fußweg gespart habe.
Das Abholen der Startunterlagen klappte reibungslos, alles war gut organisiert, nur nach der Nudelausgabestelle musste ich etwas suchen. Auf der Messe habe ich dann noch die Lauffreunde vom Parkrun getroffen. Wir waren 5 Einzelstarter, zwei Staffeln und ein paar Begleitpersonen, eine größere Gruppe, als ich eigentlich dachte, gut so. Ich wäre gerne noch abends mit zum Essen gegangen, aber ich hatte meinem Vater versprochen zu kochen und außerdem erschien mir die Location (Steakhouse) etwas ungeeignet für Carboloading. Eingekauft habe ich auch: die Kinvara gab es in meiner Größe und zu einem günstigen Preis, ein Paar Kompressionsstümpfe und das vorbestellte Langarmshirt.
Meine besten Läufe hatte ich meistens, wenn ich ein gleichmäßiges Tempo gelaufen bin. Ich hatte allerdings nicht wirklich auf Marathon trainiert, zwar viel im MRT und viele Wettkämpfe, aber sehr wenig lange Läufe, der längste war 27,5 km und nur 40-50 Wochenkilometer, daher war mir klar, dass eine gleichmäßige Pace hier nicht klappen konnte. Für Halbmarathon habe ich ausreichend Erfahrung um meine Leistung einschätzen zu können. Unter optimalen Bedingungen wie hier in Frankfurt traute ich mir eine Zeit unter 1:50 zu, eher noch ein paar Minuten schneller, aber so durfte ich es natürlich nicht angehen. Meine Überlegung war, die Halbmarathonmarke in einer Zeit zwischen 1:54 und 1:56 zu erreichen, nicht langsamer, aber auch nicht schneller, dann zu versuchen die Pace möglichst lange zu halten. Das würde mir erlauben einen kleinen Zeitbonus aufzubauen, von dem ich auf den letzten Kilometern zehren konnte. Die letzten Kilometer konnte ich eigentlich gar nicht einschätzen, ich hoffte zumindest noch eine Pace von 6:00 oder 6:10 laufen zu können, was normalerweise auch unter ungünstigen Bedingungen noch geht und so in den anvisierten 4 Stunden das Ziel zu erreichen.
Bei der Wahl der Schuhe war ich selbst etwas überrascht. Für drei der letzten vier Halbmarathons hatte ich die Levitate 2 gewählt, aber inzwischen war die Sohle an der Ferse schon ziemlich abgelaufen und eigentlich finde ich sie auch ziemlich schwer. Die DS Trainer hatte ich bei meiner Halbmarathon PB an, aber für Marathon waren sie mir zu wenig gedämpft und bei den letzten Läufen haben mir etwas die Füße darin geschmerzt. Die Kinvara waren gerade erst gekauft und noch nicht eingelaufen. Die Wahl fiel auf die Adidas Supernova Glide, meine ältesten Schuhe, die noch regelmäßig zum Einsatz kommen, aber auch nach über 1200 km noch gut in Schuss sind, mit einer Sohle, die auch auf nassem Asphalt und Kopfsteinpflaster nicht rutscht und ausreichend Dämpfung. Ich glaube ich habe diese Schuhe noch nie im Wettkampf eingesetzt, eigentlich merkwürdig. Der Rest war klar, die kurze Hose mit Innentasche, wo zwei Gels rein passen und ein kurzes, rotes Laufshirt.
Um 5:50h hat der Wecker geklingelt, Frühstück Haferflocken mit Banane, vergeblich nach Toastbrot mit Honig gesucht und durch Brot mit dick Marmelade ersetzt, bei 7°C und leichtem Regen aus dem Haus gegangen, eigentlich war Regen erst für später angekündigt, und die S-Bahn um 7:41h genommen, eine später hätte notfalls auch noch gereicht, aber ich wollte etwas Reserve haben. In der Bahn waren schon zahlreiche Läufer, einer gleich in kurzer Hose, brrr. Den Weg vom Hauptbahnhof zur Messe bin ich zu Fuß gegangen, die Stadtreinigung ging nochmal über die Strecke. War das Guido Baumann, der da entgegen kam? Außer mir schien ihn aber niemand bemerkt zu haben. Abgabe der Kleiderbeutel klappte problemlos, so dass genug Zeit war dreimal die Toilette aufzusuchen. Von den Lauffreunden war nichts zu sehen. Da ich kein Whatsapp nutze, hatte ich von dem verabredeten Treffpunkt nichts mitbekommen.
Am Start habe ich mich etwa in der Mitte zwischen den 3:44 und 3:59 Pacern eingeordnet. Das entsprach meiner geplanten Startpace und ich wollte mich möglichst aus dem Gedränge raushalten und mein eigenes Tempo laufen. Optimales Laufwetter, so könnte es bleiben und wenn später etwas Regen einsetzt, wäre mir das recht. Die ersten Kilometer durch die Stadt fehlte irgendwie völlig die Orientierung, an einer Stelle kam die Elite entgegegen. Bei km 3 habe ich Catch getroffen, eigentlich merkwürdig, dass ich sie im Gewühl erkannt habe, denn ich ich kannte ja nur das Profilbild sowie Namen mit Startnummer. Damit jemanden beim Überholen zu erkennen, ist eigentlich fast unmöglich, aber irgendwie dachte ich mir, das könnte sie sein und riskierte einen Blick auf die Startnummer. Wir liefen ein kurzes Stück zusammen und wechselten ein paar Worte, aber dann war meine Pace doch schneller. Nett, dich mal kurz kennengelernt zu haben.
Die Bremer Straße hoch und wieder Richtung Zentrum, jetzt lief es ziemlich gut, zwar hat sich kurz die Plantarfaszie gemeldet, aber das war bald wieder vorbei, der 13. Kilometer war mit 5:15 mein schnellster und dann kam auch schon die alte Mainbrücke. Inzwischen hatte sich das Feld etwas entzerrt und jeder hatte sein Tempo gefunden. Die Überholungen wurden weniger und man hatte mehr oder weniger die gleichen Leute um sich herum.
Bei km 19 eine Lauffreundin überholt. Sie konnte früher richtig schnelle Zeiten laufen und sogar Damenwertungen gewinnen, heute läuft sie etwa mein Tempo und ihre Tochter ist für die schnellen Zeiten zuständig, sie stand in Frankfurt aber nur an der Strecke.
Die Zeit an der Halbmarathonmarke war 1:54:35, also genau im Plan und ich fühlte mich gut genug, um die Pace noch ein paar Kilometer zu halten und den Zeitbonus noch ein wenig auszubauen.
Dann kam auch schon die Schwanheimer Brücke. Der leichte Anstieg ging locker und ein Blick auf den Puls zeigte, dass ich nicht zu schnell war. Auf der anderen Seite bergab konnte man wieder laufen lassen. Die maximale Ahead time war mit 6:19 bei km 25 kurz hinter der Brücke erreicht und blieb dann noch eine ganze Weile bei 6 Minuten. Peter's Race Pacer half, das im Auge zu behalten.
In Hoechst spiele eine Musikgruppe einen schnelleren Rhythmus und ich passte für einen kurzen Moment meine Schrittfrequenz daran an, manchmal tut das ganz gut etwas zu variieren. Am Ende der Schleife durch Hoechst habe ich ein zweites Mal Catch erblickt, sie kam mir entgegen, war also inzwischen gut einen Kilometer hinter mir, aber wenn ich am Ende langsamer würde, hätte sie vielleicht noch die Chance das wieder aufzuholen.
Das mit den Gels war auch neu für mich, bei Halbmarathons habe ich bisher darauf verzichtet. Meine Idee war, dafür die kleinen Verpflegungsstationen zu nutzen, an denen es nur Wasser gab, so konnte ich an den großen Iso nehmen. Gels wurden also jeweils kurz nach km 12, 22 und 32 km genommen. Zwei Stück hatte ich dabei und mit meiner Schwester hatte ich vereinbart, dass sie mir je eines bei km 20 und km 32 reicht. So hatte ich noch eines in Reserve und musste nicht so viel mitschleppen. Das hat wunderbar geklappt und mein Neffe hat Fotos gemacht. Ich glaube ich habe alle Verpflegungsstationen bis km 35 genutzt und bin dabei jeweils ein paar Meter gegangen. Das Greifen der Becher klappt auch im Laufen gut, aber beim Trinken verschlucke ich mich leicht oder verschütte die Hälfte. Frisch gestärkt holt man die paar Sekunden meist wieder auf. Einmal (ich glaube es war bei km 25) musste ich kurz stehenbleiben, weil die Helfer mit dem Ausschenken des Iso nicht nachkamen. Die letzten Verpflegunsstationen nach km 35 habe ich ausgelassen, da ich nicht mehr das Gefühl hatte, dass das noch was bringt und dass der Wechsel zwischen Laufen und Gehen eher schlecht für die Beine ist.
Am Wasserstand kurz vor dem dritten Staffelwechsel überholte mich einer unserer Staffelläufer. Er gab nochmal ordentlich Gas, warf mir aber trotzdem ein paar aufmunternde Worte zu. Bei km 35 standen dann die Parkrun Freunde mit großem gelben Schild "Achtung Läufer" und feuerten kräftig an, ein paar Meter weiter noch ein zweites Grüppchen.
Ab km 33 und noch mehr ab km 38 wurden die Beine schwer und ich musste richtig beißen. War das der berühmte Mann mit dem Hammer? Gingen mir die Kohlenhydrate aus? Ich hatte das Gefühl es war einfach nur ganz normale Erschöpfung, was auch nach der Strecke und dem Training kein Wunder war. Das Gel, das ich noch in Reserve hatte, habe ich deshalb auch nicht mehr genommen. Ich konnte mir jetzt ausrechnen, dass der angesparte Zeitbonus bis ins Ziel reichen würde und eine Zeit unter 4 Stunden drin wäre, wenn keine Krämpfe oder sonstige Malaissen kämen und ich ohne Gehpausen durchlaufen konnte. Das wollte ich mir nicht mehr nehmen lassen, also weiter beißen, weiter laufen. Gefühlt habe ich jetzt alle 50 m auf die Uhr geschaut, nur um festzustellen, dass die angezeigte Pace sowieso nicht stimmt und dass die letzten Kilometertafeln deutlich später kamen als sie laut Uhr kommen sollten.
Einmal hätte es fast noch einen Unfall gegeben als eine Rentnergruppe meinte die Strecke queren zu müssen. Ich konnte nur mit Mühe abrupt abbremsen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden und musste einen Ausfallschritt zur Seite machen, um das Gleichgewicht zu halten. Bei den Zuschauern merkte ich, wie die die Luft anhielten und erleichtert aufatmeten, weil zum Glück nichts passiert ist. Ein Aufprall von einem 88 kg Läufer hätte die Oma sicher zu Fall gebracht. Ich kann ja verstehen, dass sich solche Leute nicht ausmalen können, was das einen Läufer an Kraft kostet, aber wenigstens an die eigene Gesundheit sollten sie doch denken.
Auf dem letzten Kilometer habe ich nochmal versucht Gas zu geben, gefühlt eine Pace von 5:00, tatsächlich 5:26 und der Puls ging dabei nochmal 15 Schläge rauf, er war die ganze Zeit ziemlich konstant geblieben, aber jetzt durfte er das. Kurz vor der Festhalle wurde ich noch von einer Staffel ausgebremst, die in Viererkette einlief (finde ich eigentlich eine schöne Sitte, aber wenn andere nicht vorbei kommen auch wieder blöd), erst in der Festhalle kam ich vorbei und dann war ich auch schon im Ziel.
Plötzlich merkt man wie fertig man eigentlich ist. Die Schritte die Treppe runter fielen schwer, aber helfen lassen wollte ich mir nicht, das musste so gehen, kann ja wohl nicht sein, dass man Marathon läuft und dann an ein paar Treppenstufen scheitert. Beim Auseinanderfalten des Regenponchos hat mir dann ein anderer Läufer geholfen. Dann gab es die Medaillen. Schnell einen Becher Tee getrunken und dann brauchte ich erstmal eine Toilette, unterwegs hatte ich die ganze Zeit nichts gemerkt, mich sogar noch über die Leute amüsiert, die bei km 40 noch das Dixi-Klo aufsuchten, aber jetzt hatte ich unheimlich Druck auf dem Schließmuskel, als hätte der Körper plötzlich vom Laufmodus in den Verdauungsmodus umgeschaltet. Ganz am Ende des Verpflegungsbereichs gabe es 4 Dixis. Auf dem ganz linken öffnete sich die Tür im normalen Rhythmus, die anderen blieben verschlossen. Saßen da Läufer, die sich hingesetzt hatten und nicht mehr hoch kamen? Die Brille war so dreckig, da wollte ich mich nicht drauf setzten, es gab auch nur eine halbe Rolle Klopapier, damit zu verschwenderisch umzugehen, wäre unfair gegenüber den Nachfolgenden gewesen, also musste ich mein Geschäft erledigen ohne mich zu setzen, eine letzte Anstrengung für die Oberschenkel.
Dann nochmal zurück, etwas Kuchen, Eiweißriegel und ein Bier geschnappt, mehr Hunger hatte ich in dem Moment nicht. Kleiderbeutel abholen, die offizielle Zeit auf dem Smartphone checken. Sogar noch ganz knapp unter 3:57, yeah! Und die Lauffreunde waren auch alle ins Ziel gekommen. Gerne hätte ich geduscht, aber in die ewig lange Schlange nackter Männer wollte ich mich nicht einreihen, das musste warten bis zu Hause.
Noch schnell hoch in die zweite Etage zur Chipabgabe, dafür musste man ja wirklich nochmal bis in die hinterste Ecke, dann die Medaille gravieren lassen. Dort noch zwei Lauffreunde getroffen und ein bisschen gequatscht, bevor es wieder heimwärts ging. Jetzt die U-Bahn zum Hauptbahnhof genommen, dort lange auf eine S-Bahn gewartet, die dann außerplanmäßig nur einen Teil der Strecke fuhr und wieder gewartet. Nirgends gab es vernünftige Informationen. Der RMV hat sich dieses Wochenende wirklich nicht mir Ruhm bekleckert.
Während der S-Bahn-Fahrt und abends im Bett hatte ich noch Schmerzen seitlich am linken Knie gespürt, Knieschmerzen habe ich sonst nie, und außerdem hatte ich damit gerechnet, dass sich ein tierischer Muskelkater entwickeln würde. Heute ist von den Knieschmerzen nichts mehr zu spüren, der Muskelkater hält sich in Grenzen, hauptsächlich unterhalb der Kniekehlen und auch die sonstigen Schwachstellen sind unauffällig. Erstmal ein paar Tage Laufpause und dann mal weiter planen, ein schneller 10er fehlt mir dieses Jahr noch und die Winterlaufserie beginnt auch bald.
Gratulation allen anderen Finishern und Kopf hoch denen, bei denen es diesmal nicht geklappt hat, beim nächsten Mal wird es wieder besser.