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Engelhorn Sports Trail Cup 2019 - Short Distance - Carlsberg, Heidelberg, Schriesheim

Engelhorn Sports Trail Cup 2019 - Short Distance - Carlsberg, Heidelberg, Schriesheim

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"Alle Jahre wieder... Auftakt zum Engelhorn Sports Trailcup 2019. Dieses Jahr wieder wie 2017 und zuvor in der Reihenfolge Carlsberg, Heidelberg, Schriesheim."

So wollte ich eigentlich den Bericht beginnten, doch ein Ereignis will ich an den Anfang stellen, denn es soll nicht unerwähnt bleiben, doch schnell wieder in den Hintergrund rücken.

Entweder war heute ein ziemlich krankes A***** unterwegs, das zum Ende der Läufe ein totes Eichhörnchen auf eine Wiese auf Augenhöhe direkt am Straßenrand als "Zuschauer" drapiert hat oder das Tier hat sich beim Verfolgen unseres Starts bereits zu Tode gelangweilt.

Ansonsten könnte ich gefühlt einfach den Bericht von Carlsberg 2018 kopieren, ohne dass es wirklich auffallen würde, jedoch gibt es doch ein paar kleine aber feine Unterschiede, die nicht ganz unter den Tisch fallen gelassen werden sollten.

Der gravierenste ist, dass der Ultra-Trail mit seinen ca. 85km gestrichen wurde und "stattdessen" Tags zuvor ein Adventure Walk mit 25 und 50km veranstaltet wurde. Was ich so in den sozialen Medien mitbekam war nicht unbedingt die pure Freude über diese Entscheidung.

Dass der Run nun Sonntags und nicht Samstags stattfindet, ist dabei schon eher zu verschmerzen.

Die verbleibende Langstrecke und Mittelstrecke wurden von 32.7 auf 34.9 bzw. 16.8 auf 19.4km verlängert, die Kurzstrecke hingegen war nicht von Änderungen betroffen.

Außerdem wurde der Zeitplan ein wenig gestrafft, was sich zumindest für mich als Problem herausstellen sollte. Doch dazu später mehr.

Zu Anfangs war alles wie aus den letzten Jahren gewohnt. Unkomplizierte Anreise, "dank" fehlender Ultraläufer deutlich mehr freie Parkplätze, ideales Laufwetter und optimale Streckenbeschaffenheit.

Zwei Stunden vor dem Start um 11.30 Uhr treffe ich in Carlsberg-Hertlingshausen ein. Eigentlich bin ich recht guter Dinge. Ich fühle mich fit, bestens gelaunt, ausreichend vorbereitet und gewillt meine persönliche Streckenbestzeit zumindest um ein paar Sekunden zu verbessern.

Nach einem kurzen Schwenk über das Veranstaltungsgelände begebe ich mich erst noch einmal für eine knappe halbe Stunde auf Mindsetting zu den Klängen von Nightwish und sauge etwas Waldluft auf einem kleinen Trainingstrail ein, bevor ich am letzten Anstieg vor dem Ziel ankomme und ihm klarzumachen versuche, dass er mich heute nicht ausbremsen wird. Wieder zurück im Dorf schaue ich noch kurz den Start des ca. 35km-Pfalztrails an, bevor ich mich ans Aufwärmen mache.

15 Minuten vor unserem Start gehen die 20km-Basetrailer und -walker auf die Reise und die letzte Frage, die mich bis dato umtreibt, ist die des richtigen Oberteils. Kurz? Singlet? Singlet mit Armlingen? Es ist etwas frisch und ich entscheide mich für T-Shirt mit Singlet darüber.

Dann warten wir auf unseren Startschuss, der Punkt 11.30 Uhr erfolgt.

Von den 112 Frauen und 95 Männern ziehen etliche sehr schnell nach vorne davon. Am Anfang hat man noch einen recht guten Überblick über das Geschehen, welches sich vor einem abspielt und so sehe ich rund 20-25 Läufer/innen vor mir von der Startgeraden auf den nun folgenden Feldweg einbiegen. Auf dem rund 50m lang Anstieg überhole ich bereits die ersten Mitläufer und ahne schon worauf es hinauslaufen wird. Bis Kilometer 1 geht es nun bergab und der Läufer vor mir enteilt auf etwa 100m Abstand bevor wir auf den nun zu bewältigenden, ca. 2km langen, leicht profilierten Single-Trail einbiegen.

Ich habe mir vorgenommen nach Gefühl zu laufen und nicht auf die Uhr zu schauen und so frage ich mich, ob ich nicht zu schnell unterwegs bin. Der Weg ist genau wie letztes Jahr nicht sonderlich fordernd, Wurzeln und Steine sind gut sichtbar und so behalte ich mein Tempo erstmal bei.
Nach hinten sehe ich niemanden und nach vorne nehme ich war, wie mein Vordermann einen anderen Läufer in schwarzem T-Shirt, der mir fortan als mein Orientierungspunkt dienen wird, überholt.

Dann nimmt für mich das Unheil seinen Lauf. Das erste Überholen der letzten Walker des vor uns gestarteten Basetrails funktioniert noch tadellos, dank deren Mitwirken.

Die nächste Gruppe schafft es jedoch auf dem eigentlich nur für eine Person breiten Weg zu zweit nebeneinander zu gehen. Selbst mein Rufen kurz bevor ich auflaufe sorgt nur für eine minimale Bewegung nach rechts, so dass ich zwar vorbei, aber gleichzeitig auch aus dem Tritt komme.

Ein wenig später verlassen wir den Trail und kommen wieder auf einen etwas breiteren Waldweg, der uns in Kürze über eine Brücke an die Abzweigung führen wird an der sich die Strecken trennen. Vorher gilt es aber noch eine weitere Gruppe Walker zu passieren, die es ebenfalls schafft die Strecke vollständig zu blockieren.

Mit der Leichtigkeit mit der ich bis dahin eine Pace um die 4:20-4:30/km gelaufen bin ist es nun erstmal vorbei.

Wir zweigen nach rechts ab und laufen parallel zum gerade gelaufenen Trail auf der anderen Seite des Eckbachs Richtung Unterselighof. Wie letztes Jahr hole ich Meter um Meter auf meinen Vordermann auf, muss aber meine Geschwindigkeit auf dem flachen bis minimal ansteigenden Waldweg kontrollieren. In einer der Kurven sehe ich von hinten mittlerweile eine Gruppe von drei Leuten langsam zu mir aufschließen. In meinem Ärger über die "blöden Walker" schaue ich auf die Uhr in der Befürchtung viel zu langsam unterwegs zu sein. Zwar bin ich langsamer unterwegs als vermutlich möglich, jedoch immer noch im Zielfenster.

Für einen Moment überkommt mich der Drang Gas zu geben, am Ende siegt aber die Vernunft und das Wissen, dass das Rennen noch rund vier, mit Steigungen und Trails gespickte Kilometer dauern wird.

Kurz vor Unterselighof nimmt der Waldweg eine kurze Steigung und zum ersten Mal muss ich etwas drücken. Weiter geht es in den und am Rand des kleinen Weilers entlang und scharf nach links Richtung der ersten Steigung. Vorne stehe ich Schwarzhemd um die Ecke verschwinden und als ich ankomme gehe ich direkt ins Gehen über. Auf der kurzen Steigung ist dies deutlich effektiver. Oben angekommen werfe ich einen kurzen Blick nach hinten und sehe eine Läuferin direkt hinter mir.
Der Strecke nach links folgend laufe ich locker los und nehme auf dem Weg zum nächsten Trail Fahrt auf. Als dieser nach einer rechts-links Kombination erreicht ist, bin ich wieder alleine und guter Dinge, dass ich meinen Vordermann noch einholen kann.
Aufmerksam biege ich in den Trail ein, denn letztes Jahr wäre ich hier fast gestürzt.
Zuerst ist der Trail nur flach bis leicht ansteigend und das Laufen fühlt sich recht leicht an. Als jedoch gegen Ende der Weg ansteigt fällt es mir umso schwerer Tempo zu machen.
Zwischendurch überholt mich der spätere Sieger der Langstrecke, während mein Vordermann mir mittlerweile enteilt ist.

Das letzte Stück bergauf muss ich kräftig pumpen und als wir den Trail verlassen höre ich von hinten Schritte. Jetzt geht es wieder nach unten, erst über einen kurzes Stück Waldweg, dann auf einen technischen Trail. Ein junger Läufer überholt mich, von dem ich keine Ahnung habe, woher er kommt, denn diesen hatte ich noch gar nicht auf dem Radar.
Ich konzentriere mich weiter auf mich und ärgere mich, dass ich nicht weiter der Druck machen kann, den ich eigentlich will. Auch wenn ich, im Gegensatz zu letztem Jahr, keine Schulter- oder Rückenprobleme habe, bewege mich knapp an der Grenze.
Der Trail schlängelt sich nach unten und wir biegen auf einen kurzen gebogenen Weg leicht nach oben und kurz darauf wieder runter vorbei am Naturfreundehaus Rahnenhof auf die zweite steile Steigung.

Jetzt blicke ich doch nochmal auf die Uhr, einfach um zu sehen, was Sache ist. Zu meinem Erstaunen könnte es sich tatsächlich noch ausgehen, wenn ich läuferisch nicht einbreche. Dann geht es bergauf. Allerdings bleibt mir nichts übrig als deutlich früher ins Gehen zu wechseln als geplant. Mir fehlt einfach die Luft, um auch auf dem nicht ganz so steilen ersten Stück zu laufen. Erstaunlicherweise fühlt sich das Gehen deutlich leichter an als erwartet. Mit großen Schritten gehe ich nach oben und werde auf Dreiviertel der Steigung von der Läuferin, die bereits an der ersten Steigung zu mir aufgeschlossen hatte überholt.

Völlig unerwartet ruft sie mir zu, ich solle an ihr dranbleiben. Ich bin erstmal so verwirrt, dass ich gar nicht reagiere... auch, weil das meine Taktik völlig kaputt machen würde. Sie fordert mich ein zweites Mal auf ihr zu folgen und jetzt blaffe ich ihr ein "Lauf weiter!" zu, weniger, weil ich genervt wäre, sondern weil ich ein schlechtes Gewissen habe für das was kommen wird.

Oben angekommen atme ich 10 Sekunden in lockerem Lauf durch. Dann geht es ab. Nach 50m bin ich auf Pace und an ihr vorbei. Ich meine ein "Achso" zu vernehmen, dann folgt der Tunnelblick. Kurz nach dem Ortseingang nehme ich aus dem Augenwinkel wahr, wie mich der Zweitplatzierte des Pfalztrails überholt. Schneller als erwartet kommen die letzten 300-400m ansteigend, geradeaus, in Richtung Ziel.

Ich schau hoch, sehe die Zieluhr und steuere auf Streckenbestzeit zu... und dann passiert etwas womit ich nicht gerechnet, was ich so auch noch nicht wirklich erlebt habe. Ich breche mental komplett ein. Wenn es ein Runners-High gibt, ist das die Runners-Depression. Anstatt einfach das Tempo zu halten, setzt sich in mir der Gedanke fest, dass ich mich nicht mehr quälen will. Wer braucht schon eine Strecken-PB?

100m vor dem Ziel hat mich dann auch die Läuferin wieder eingeholt und ich trabe völlig über mich selbst verärgert ins Ziel. Das einzige wozu ich mich noch aufraffen kann ist, mit der Mitläuferin noch ein paar Worte zu wechseln bevor ich frustriert von dannen schleiche.

Mehr als 5km hab' ich mich über Wasser gehalten und auf den letzten 300m bringe ich mich allen ernstes um den Lohn... nicht weil ich nicht mehr konnte... sondern nicht mehr wollte.

Mit 44:59 netto sind es am Ende 14 Sekunden langsamer als 2018. Nominell, im Vergleich zu 2018, 12 davon ab km5 bis ins Ziel verloren. Bei km6 - dort wo der zweite Trail begann anzusteigen - lag ich noch - ohne es zu wissen - 6 Sekunden vor Strecken-PB.

Fazit:
Sechs Plätze schlechter als 2018, bei beinahe absolut identischem Rennverlauf unter anderen Vorzeichen.
Mittlerweile hat das Grübeln eingesetzt was hätte sein können, wenn...
Aber das hilft nun auch nichts mehr. In zwei Wochen geht es weiter mit dem Himmelsleiter-Trail in Heidelberg.

Zum Schluss der einzige richtige Kritikpunkt an der Veranstaltung. Bei dem Startgeld, darf es mit den Startunterlagen ruhig etwas mehr sein, als eine Plastiktüte, Broschüre und einem Keksriegel aus dem Supermarkt.

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Ich tue mir schwer die richtigen Worte für die heutige zweite Etappe des Trailcups, den Himmelsleiter-Trail im Rahmen des Gelita Trail-Marathon zu finden. Zu viele unterschiedliche, teils widersprüchliche, Gefühle sind heute in knapp 2 Stunden auf mich hereingeprasselt.

Doch erst einmal zu den Rahmenbedingungen. Im Vergleich zu den letzten Jahren gab es einige kleine Änderungen. Neben den bekannten Distanzen über 42km, 30km, 9km und den Kinderläufen wurde dieses Jahr erstmals auch eine Long-Distance-Wertung über ca. 50km und ca. 2.000Hm angeboten, weitesgehend identisch mit der Marathon-Distanz jedoch mit einer zusätzlichen Schleife im Bereich des NSG Felsmeer, einer landschaftlich äußerst reizvollen Passage an der Nordseite des Königstuhls.
Aber auch Marathon und Half-Trail bekamen ein Update in Form einer leicht veränderten Streckenführung vom ersten Peak hinab zurück zum Neckar.
Beim Himmelsleitertrail ging man wieder auf das Streckenprofil von 2017 zurück, welches auf den ersten beiden Kilometern in, durch und aus dem Schlosshof zur Himmelsleiter hin führt. Läuferisch und optisch sicherlich die bessere Variante für die Veranstaltung, mir persönlich sagte die letztjährige Streckenführung mehr zu.

Der Tag beginnt für mich erstmal recht unspektakulär. Zwar hatte es bei uns die Nacht hindurch stark gewindet, was mich mehrmals aus dem Schlaf geholt hat, doch fühle ich mich eigentlich recht gut und freue mich, nachdem ich erstmal richtig wach geworden bin, auf den Lauf.
Für den Vormittag ist Regen angesagt bei ca. 9-10°C. Dazu weht weiterhin ein kalter, teilweise stark böiger Wind, was mir die Entscheidung etwas wärmere Kleidung einzupacken recht leicht macht.

Wie üblich parke ich etwa 2 Stunden vor Beginn oberhalb des Schlosses, wandere noch etwas durch den Wald, sammle Kastanien und begehe den für mich kritischsten Streckenabschnitt ca. 3km vor dem Ziel.
Mein Hauptproblem ist zu diesem Zeitpunkt die Schuhwahl. Trailschuhe mit Hinblick auf den technischen Trails bergab mehr Grip zu haben, dafür deutliche Nachteile auf Kopfsteinpflaster und Asphalt, besonders wenn feucht oder nass, oder Straßenlaufschuhe, mit der Gefahr auf den Trails etwas weniger Grip zu haben?

Es tröpfelt zwar ein wenig aber trotzdem ist der Boden trocken und die Streckenbeschaffenheit der letzten Tage lässt beide Varianten zu. Aus einem Bauchgefühl heraus entscheide ich mich für die Trailschuhe, den Vorteil im Wald sehe ich größer, als den Nachteil auf Asphalt.

Eine Stunde vor dem Start mache ich mich auf den Weg hinunter zum Veranstaltungsgelände am Karlsplatz. Warme Tight, Shorts drüber, langärmliges Baumwollshirt, Singlet und zur Sicherheit eine Regenjacke und Schirmmütze im Gepäck. Auf halben Weg hinunter beginnt es langsam stärker zu regnen.

Um 11 Uhr starten die anderen Distanzen auf ihre Reise und wir schlagen uns noch eine halbe Stunde mit Aufwärmen um die Ohren.

Mittlerweile habe ich mich entschieden, dass sowohl Regenjacke als auch Mütze mich auf den anstehenden 9 Kilometern begleiten werden, denn Wind und Regen haben nunmehr eine Intensität angenommen, die sich nicht mehr mit meiner Brille verträgt. Zur Sicherheit plünder ich auch noch ein Dixi-Klo und stopfe sicherheitshalber eine beachtliche Menge Klopapier zum Brilleputzen mit ein.

Dann geht es auch schon endlich los.

Rund 200 LäuferInnen bahnen sich einige flache Meter auf der Hauptstraße stadtauswärts und biegen dann nach rechts auf den Weg hinauf in den Schlosshof ein, zuerst ein Stück geradeaus, dann zickzack bis an die beeindruckenden Mauern des Heidelberger Schlosses, weiter nach oben und nach links Richtung Schlosspark. So sind gleich mal auf ca. 500m etwas mehr als 80Hm zurückgelegt.
Im Schlosspark angekommen ahnt man schon ein wenig, was uns noch erwarten wird. Der sandige Boden ist zwar noch recht hart, doch überall bilden sich große Pfützen und ruckzuck beginnen die ersten Schwimmhäute an den Zehen zu wachsen.
Über eine Rampe geht es eine Ebene weiter nach oben und wieder raus aus dem Schlosspark über die Straße Richtung Himmelsleiter.

Da ich Kraft für die Treppe sparen will gehe ich alles noch recht gemäßigt an und laufe nur nach Gefühl. Noch fühlt sich alles ok an. Als es nach 2km und 170Hm auf die Leiter geht, schaue ich das erste Mal auf die Uhr und bin geschätzt eine Minute hinter meiner Zeit von 2018. 2017 war ich rund 6 Minuten langsam als 2018 insofern halte ich diese Zeit noch für akzeptabel.

Das erste Stück auf der Leiter ist rund 170m lang aber schon nach wenigen Metern zweifle ich an mir selbst. Waden und Oberschenkel meckern. WTF? denke ich mir. Zwar hatte ich schon in der letzten Trainingseinheit an der Treppe Mitte dieser Woche in paar Probleme, suchte die Ursache aber eher in der relativ stressigen Arbeitswoche.

Kurz vor der ersten Kreuzung nimmt das Elend endgültig seinen Lauf. Meine Brille beschlägt. Ich nutze die Ausrede, die Brille putzen zu müssen und bleibe kurz stehen, will die Tücher aus der Tasche holen und stelle fest... sie sind bereits völlig durchgeweicht. Also geht es erstmal im Blindflug weiter.

An der zweiten Kreuzung verlassen wir die Leiter kurzzeitig nach links auf einen Waldweg. Glücklicherweise stehen dort zwei Zuschauer, die mir ein Tempo leihen können und so habe ich zumindest für wenige Meter etwas mehr Durchblick.
Allerdings kann ich nicht mehr anlaufen. Mir fehlt die Kraft dazu. Die Strecke über den Weg und dann nach rechts auf einen kurzen Trail zurück auf die Treppe muss ich komplett gehen. Eine Strecke, die ich normalerweise im Training locker jogge zwingt mich in die Knie. Es ist frustrierend. Kurzzeitig überlege ich sogar aufzugeben.

Dass die Brille schon wieder beschlägt macht die Sache nicht besser.

Mittlerweile haben mich unzählige Läufer überholt und ich wähne mich irgendwo im letzten Drittel des Feldes. Bevor ich zurück auf die Himmelsleiter komme, bleibe ich nochmal stehen, putze so gut wie möglich die Brille und entschließe mich den Lauf abzuschenken. Die restlichen rund 400m auf der Himmelsleiter werden zum halbblinden Spaziergang. Interessanterweise merke ich so gar nicht, dass ich vorankomme. Das einzige was ich wirklich wahrnehme ist der Regen, der sich unablässig durch das Blätterdach bahnt.

Eigentlich das perfekte Wetter, denke ich mir, wäre nicht der Mist mit der Brille. Ich rechne damit ungefähr 5-6 Minuten hinter meiner Zeit von 2017 zu liegen, schaue aber bewußt nicht auf die Uhr, irgendwann wird die Treppe schon zuende sein und dann schauen wir weiter.

Plötzlich bin ich oben. Ich hatte gar nicht damit gerechnet, aber vor mir wird es hell und die letzten Stufen sind überwunden. Der Gipfel liegt in den Wolken und ein Blick hinunter ins Tal offenbart grau in grau. Die Stadt selbst ist nicht zu sehen. Kurzzeitig überkommt mich dann doch die Neugier und ich schaue auf die Uhr.

Gerade einmal ca. zweieinhalb Minuten bin ich hinter meiner Zeit von 2018. Obwohl eigentlich unwichtig hebt es meine Laune ein wenig und bevor ich mich an den Abstieg mache, schnappe ich mir Tücher aus einem Dixi-Klo, putze die Brille und gehe los in die Kammerforster Hohle.

Vor 4 Tagen hatte ich den Weg im Training nochmal inspiziert, viel Geröll, Wurzeln, Steine, aber recht hart und gut zu laufen. Ich bin mir sicher, dass es heute morgen noch genauso war, doch jetzt hat sich der Hohlweg in einen Bach verwandelt. Ich bin unendlich froh mich für die Trailschuhe entschieden zu haben. Der Weg, der in der Ausschreibung nicht umsonst als einer der gefährlichsten Abschnitt der Strecken, benannt ist, ist von Anfang an schmierig und schlammig, an manchen Stellen tief, an anderen ist der Untergrund noch hart, die Oberfläche jedoch bereits aufgeweicht. Und zu allem Überfluss beschlägt das rechte Brillenglas.

Es wäre vermutlich vernünftiger irgendwo kurz stehenzubleiben aber hab' ich keine Lust. Jetzt ist auch eine Spur Trotz dabei. Solange ich noch was sehe, wird auch gelaufen.

Auf der Hälfte der Hohle kreuzen wir nochmal einen Weg und ich muss letztlich doch noch einmal kurz anhalten, um wieder den Durchblick zu erhalten. Vermutlich nicht das letzte Mal, denke ich mir. Und wieder gehen ein paar Plätze flöten.

Aber jetzt macht mir der Lauf richtig, richtig Spaß. Der technische Trail ist herausfordernd und jeder Schritt wirft die Frage auf, ob der übernächste sicher sein wird. Die Füße schwimmen, mit jedem Aufsetzen spritzt das Wasser in alle Richtungen, Schlamm klebt an den Schuhen, ich rutsche, Steine rollen... es ist einfach nur geil.

Als der Trail zuende ist, gibt es erst einmal einen Kilometer Waldweg zum Erholen. Aber nicht für mich. Jetzt will ich mal ein wenig Gas geben. Leicht bergauf geradeaus, dann in einer weiten Linkskurve hole ich mir wieder einige Plätze zurück bevor es nach links in den letzten Trailabschnitt geht. Ruckzuck sind die Plätze wieder weg, aber jetzt kann ich wenigstens noch etwas flüssig laufen. Ich könnte schneller aber will das Risko nicht eingehen.

Den kurzen Trail hinunter, nach links auf ein weiteres kurzes Stück steinigen Waldweg und um 180° nach rechts leicht profiliert auf einem schmalen, seitlich geneigten Pfad parallel zur Zufahrtsstraße Richtung Molkenkur.

Ich weiß es bis dato nicht, aber - obwohl die Bedingungen deutlich schlechter sind - habe ich im Vergleich zu 2017 vom Gipfel bis hierher fast anderthalb Minuten gutgemacht.

Etwa 2.5km vor dem Ziel wird es nochmal etwas tricky. Eine kurze, äußerst rutschige Steintreppe hinunter und dann abwärts um das Teufelsloch herum auf einer Mischung aus Waldweg, Kopfsteinpflaster und großen Steinplatten. Jetzt ist es mit den Trailschuhen dort sehr schlüpfrig und ich muss am äußersten Rand laufen, damit ich mich nicht auf dem nassen Pflaster der Länge nach hinlege.

Nachdem das kurze Stück vorbei ist, bekomme ich nochmal Lust auf etwas Tempo und damit meine ich dieses Mal nicht das Taschentuch. Für einen richtigen Schlussspurt ist es mir zu nass aber ein vernünftiges Mittelmaß ist schnell gefunden. Das letzte Stück auf dem Waldweg und die Zufahrtsstraße zum Schlosshof sind leicht abschüssig, so dass ich etwas aufpassen muss, aber auf dem sandigen, aufgeweichten Boden des Schlossparks kann ich es nochmal kurz fliegen lassen.

Den letzen rund 800m über Asphalt und Kopfsteinpflaster lasse ich es dann austrudeln. Sicher ist sicher, bevor es mich auf dem abschüssigen Weg vielleicht doch noch zerlegt. In der letzten Kurve vor dem Ziel schau ich nochmal auf die Uhr, erwarte eine Zeit so etwa zwei bis drei Minuten schlechter als 2017 und sehe stattdessen, dass ich fast zeitgleich mit der Zeit von vorletztem Jahr bin. Noch rund 20 Sekunden, durch das Zelt auf den Karlsplatz und ins Ziel.

Der Dauerregen läd leider nicht dazu ein noch auf dem Gelände zu bleiben und so geht's nach dem Umziehen direkt nach Hause zu einem warmen Bad.

Fazit: So herrlich die Strecke bei diesem Wetter zu laufen war, so ungeeignet finde ich das Veranstaltungsgelände, da letztendlich viel zu beengt für alle Teilnehmer, nur ein kleines Zelt zum Unterstellen ist einfach zu wenig. Startnummernausgabe und Maultaschenparty am Vortag liefen einwandfrei. Was mich auf dem Lauf ein wenig verwundert hat, war, dass an der Treppe gleich an zwei stellen Sanitäter bereitstanden, hinunter an den technischen Passagen jedoch gar keine.
Auch wenn ich mit meinem Lauf nicht zufrieden bin, hab' ich's letztendlich doch noch richtig genossen.

Die Zeit mit 1:05:22 und am Ende Platz 82 von 212 ist mir relativ egal. Als wichtigste Erkenntnis nehme ich mit, dass ich bei kaltem Regenwetter unter Umständen besser wieder mit Kontaktlinsen statt mit Sportbrille laufen sollte. Für kommendes Wochenende, zum Abschluss des Trailcups ist zum Glück wieder besseres Wetter angesagt.
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