Angstbremser hat geschrieben:Ohne gezielte Stärkung der Muskulatur (Rumpf, Oberschenkelrückseite, Waden etc) wird das aber alles nix. Das Lauf ABC zielt auf Mobilität und Koordination. Kraft brauchst du schon auch. Bei Schreibtischtätern ist da gerne mal die ganze rückwärtige Kette (Waden, Hamstrings, Po, Rücken, Lat) verkürzt und zurückgebildet. => Mobilisierung und Kräftigung.
Ich denke, das ist genau der springende Punkt. Ich glaube kaum, dass 10 min. Lauf-ABC pro Woche das ersetzen können. Sie ergänzen das aber um das Element der Koordination, indem das, was abseits vom Laufen an eher allgemeiner Kraft und Mobilität aufgebaut wurde, beim ABC in Form von etwas mehr laufspezifischen Bewegungsabläufen eingeübt wird. Von daher würde ich deine Formel so erweitern: => Kräftigung, Mobilisierung und Koordination.
Ich kenne dein Problem nur zu gut, bin fast 30 Jahre älter als du (wenn ich deinen Nick interpretieren darf) und war mein Leben lang ebenfalls Schreibtischtäter. Was uns vor allem fehlt, ist eine adequate Hüftstreckung. Da helfen die genannten Zusatztrainings zwar etwas, aber wie ein Kenianer werde ich wohl nie mehr anmuten. Wenn ich aber bedenke, wie unglaublich steif und ungelenk ich jetzt, nach 3-monatiger Sportpause wieder daherkomme, dann kann all die Mühe vorher doch nicht ganz umsonst gewesen sein. Daher: immer regelmäßig dranbleiben an Krafttraining, Mobilisierung und Lauf-ABC. Aber keine Wunder erwarten oder gar mit dem Kopf erzwingen wollen.
Man kann schon bewusst auf seine Lauftechnik achten. Aber man muss sich unbedingt davor hüten, an Einzelsymptomen herumzudoktern. Schrittfrequenz, Fersen/Vorfußlauf etc. einzeln für sich genommen, sind berüchtigte Beispiele dafür. Mir hat geholfen, dass ein laufsport-affiner Physio mal meine Lauftechnik analysiert und mir klar gemacht hat, wie alles miteinander verwoben ist. Wenn ich jetzt bei einem Lauf bemerke, dass meine Fersen zu viel von den Landekräften abfangen müssen (Vorfußläufer werde ich aber im Leben nicht mehr), dann ist mein Mantra nicht "weniger Ferseneinsatz", sondern eher "VokuHila" (vorne kurz, hinten lang), also kräftiger Abdruck weit hinten raus und Spielfuß gut anheben (damit der waagerechte Unterschenkel schneller nach vorn geführt werden kann). In der Konsequenz erfolgt die Landung nur sehr wenig vor dem Körperschwerpunkt und damit automatisch auf dem Mittelfuß. Das zu ermöglichen erfordert auch der aufrechte Oberkörper bei leicht vorgeneigter unterer Körperachse, damit ich quasi in jeden Schritt angedeutet hinein"falle". Will sagen, den gewünschten Effekt "weniger Ferseneinsatz" kann ich nicht bewusst und isoliert herbeizwingen, sondern nur als Folge eines ausgewogenen Zustands des Gesamtsystems bewirken. Voraussetzung ist aber, dass der Kadaver hierzu überhaupt in der Lage ist, womit wir wieder bei Kraft und Mobilität wären. Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie du - nach deiner Schilderung - durch jahrelange sitzende Tätigkeit von verkürzten Hüftbeugern in die Sitzhaltung gezwungen wirst, gleichzeitig aber auf Vorfuß umgestellt hast. Hoffentlich geht das dauerhaft gut.
Meine Lauftechnik habe ich in den letzten Jahren nur um Nuancen verbessern können. Wenn ich mal die tiefstehende Sonne von der Seite habe, denke ich regelmäßig "Also ich laufe jetzt gefühlt wie ein junger Kenianer, aber warum nur ist der Schatten neben mir zu blöd, meinem guten Beispiel zu folgen?" Schaufenster haben einen ähnlich deprimierenden Effekt...
Zu deinen eigentlichen Fragen: Achte sehr bewusst auf deine Lauftechnik beim Lauf-ABC und bei schnellen Wiederholungen (typisch 200 bis 300m im R-Tempo). Jack Daniels z.B. predigt, dass dieses schnelle Laufen (keinesfalls verkrampftes Sprinten) den Körper zwingt, ganz natürlich eine bessere Lauftechnik abzurufen, ohne über einzelne Details bewusst nachzudenken. Deshalb ist es m.E. auch so wichtig, das Lauf-ABC mit Steigerungen abzuschließen, die man ja als Vorstufe zu Daniels' R-Läufen ansehen kann. Kann es sein, dass bei deinem Marathontraining solche kurzen, schnellen Tempospritzen auch mal zu kurz kommen?
Während eines normalen Laufs überprüfe ich meine Lauftechnik schon auch mal, wahrscheinlich viel zu oft. Aber korrigiert werden dann eben nicht irgendwelche Einzelsymptome, sondern eher nur das Gesamtsystem, buchstäblich von Kopf bis Fuß.
Abschließend der dringende Rat, Korrekturen an der Lauftechnik nur unter fachkundiger Aufsicht eines Lauftrainers vorzunehmen. Einzelne Fotos als Basis halte ich für völlig ungeeignet, eher schon mal ein Video aus verschiedenen Perspektiven.